Leitsatz (amtlich)

Zur Frage einer stillschweigenden Eigenschaftszusicherung beim Verkauf eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks.

 

Normenkette

BGB § 459 Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 08.02.1995; Aktenzeichen 7 U 166/92)

LG Hanau (Urteil vom 24.07.1992; Aktenzeichen 8 O 276/92)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Februar 1995 aufgehoben.

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hanau vom 24. Juli 1992 wird zurückgewiesen.

Auf die Widerklage werden die Kläger als Gesamtschuldner verurteilt, an die Sparkasse D. 9.127,57 DM zu zahlen. Im übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

Von den Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens tragen die Kläger 4/5 und die Beklagten 1/5.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Mit notariellem Vertrag vom 28. Oktober 1991 kauften die Kläger von den Beklagten ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück zum Preise von 332.500 DM. Der Vertrag enthält einen Gewährleistungsausschluß „für Mängel irgendwelcher Art sowie für Größe, Güte und Beschaffenheit”. Zur Zahlungspflicht heißt es:

„Die Zahlung des Kaufpreises erfolgt:

  1. Durch Übernahme der Grundschuld Abteilung III/1 mit dem Stand zum 30.11.1991 in Höhe von 294.068,12 DM … und
  2. in Höhe von 38.431,88 DM bis spätestens 30.11.1991, …

Im Falle des Zahlungsverzuges ist der Kaufpreis mit 10 v.H. jährlich zu verzinsen.”

Gegen die wegen des Restkaufpreises von 38.431,88 DM aus der Urkunde eingeleitete Zwangsvollstreckung haben die Kläger Zwangsvollstreckungsgegenklage erhoben und geltend gemacht, das Haus weise einen Sachmangel auf, für den die Beklagten einzustehen hätten. Sie hätten nämlich eine tragende Wand im Erdgeschoß entfernt, so daß die Statik gefährdet sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens haben die Parteien den Kaufvertrag aufgehoben, wobei etwaige Schadensersatzansprüche, gleich aus welchem Rechtsgrund, unberührt bleiben sollten. Die Kläger haben daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagten haben sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen und widerklagend, gestützt auf die vertraglich vereinbarte Verzinsung des Kaufpreises im Verzugsfall, Zahlung von 79.892,36 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 15. April 1994 verlangt.

Das Oberlandesgericht hat die Feststellung ausgesprochen, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, und die Widerklage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihre zuletzt gestellten Anträge auf Abweisung der Klage und Stattgeben der Widerklage weiter verfolgen.

Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, die Zwangsvollstreckungsgegenklage sei ursprünglich begründet gewesen. Die Kläger hätten dem titulierten Zahlungsanspruch von 38.431,88 DM entgegenhalten können, daß die Beklagten gemäß § 463 Satz 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet seien. Dem gekauften Haus habe nämlich die stillschweigend zugesicherte Eigenschaft der Bewohnbarkeit gefehlt, weil nach dem eingeholten Sachverständigengutachten davon auszugehen sei, daß das Gebäude aufgrund einer fehlerhaften Dachkonstruktion – die mit dem Entfernen der Wand durch die Kläger nicht im Zusammenhang steht – einsturzgefährdet sei. Da die Kläger infolgedessen berechtigt gewesen seien, die Zahlung des Kaufpreises zu verweigern, sei die auf Verzug gestützte Widerklage unbegründet.

Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

II.

1. Zur Klage

Die Zwangsvollstreckungsgegenklage war von Anfang an nicht begründet. Den Klägern standen Gewährleistungsrechte wegen des von dem Sachverständigen festgestellten Fehlers in der Statik des Gebäudes nicht zu.

a) Das Berufungsgericht geht rechtsfehlerfrei davon aus, daß das Haus aufgrund einer fehlerhaften Dachkonstruktion einsturzgefährdet war. Diese Feststellung wird von der Revision nicht angegriffen.

b) Eine Haftung wegen dieses Sachmangels unter dem Gesichtspunkt des § 459 Abs. 1 BGB ist jedoch vertraglich ausgeschlossen. Daß die Beklagten den Fehler arglistig verschwiegen hätten, so daß der Gewährleistungsausschluß nichtig wäre (§ 476 BGB), haben die Kläger nicht behauptet. Infolgedessen kommt eine Haftung nur in Betracht, wenn die Beklagten vertraglich zugesichert haben, daß das Haus frei von einem solchen die Bewohnbarkeit einschränkenden Fehler ist (§§ 459 Abs. 2, 463 Satz 1 BGB). In diesem Fall wäre der generelle Haftungsausschluß einschränkend dahin auszulegen, daß die mit der Zusicherung bestimmter Eigenschaften übernommene Haftung hiervon unberührt bleibt (vgl. BGH, Urt. v. 26. Januar 1983, VIII ZR 227/81, WM 1983, 363 f; BGHZ 93, 338, 342).

c) Die Voraussetzungen für die Annahme einer Eigenschaftszusicherung durch die Beklagten liegen jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor.

Eine Zusicherung im Sinne des § 459 Abs. 2 BGB setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes voraus, daß der Verkäufer in vertragsmäßig bindender Weise die Gewähr für das Vorhandensein einer Eigenschaft als Kaufsache übernimmt und damit die Bereitschaft zu erkennen gibt, für alle Folgen des Fehlens dieser Eigenschaft einzustehen (BGHZ 59, 158, 160; Senat, Urt. v. 2. April 1982, V ZR 54/81, WM 1982, 696, 697; Urt. v. 30. November 1990, V ZR 91/89, NJW 1991, 912; BGH, Urt. v. 13. Dezember 1995, VIII ZR 328/94, NJW 1996, 836, 837). Dies gilt auch – und erst recht – für eine hier allein in Betracht kommende konkludente Zusicherung (Senat, Urt. v. 18. Dezember 1987, V ZR 223/85, WM 1988, 716, 717). Ob danach eine Zusicherung erfolgt ist, ist eine Frage der Auslegung, bei der das Verhalten des Verkäufers aus der Sicht des Käufers unter Berücksichtigung seines Erwartungshorizonts bei objektiver Würdigung der Umstände nach Treu und Glauben zu bewerten ist (BGH, Urt. v. 17. April 1991, VIII ZR 114/90, NJW 1991, 1880 m.w.N.).

Hiervon geht auch das Berufungsgericht aus. Die Annahme einer Eigenschaftszusicherung beruht jedoch auf einem Auslegungsfehler, da es den festgestellten Sachverhalt nicht ausreichend gewürdigt und an den oben genannten Voraussetzungen gemessen hat (§§ 133, 157 BGB). Der Umstand, daß das Haus im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bewohnt wurde und daß keine Anhaltspunkte für eine geplante Nutzungsänderung durch die Käufer vorlagen, rechtfertigt nicht den Schluß, daß die Beklagten für die sich aus der mangelhaften Dachkonstruktion ergebenden Folgen einstehen wollten. Er besagt nur, daß ein Grundstück mit einem Wohnhaus verkauft wurde, daß dem Vertragsgegenstand also eine bestimmte Eigenschaft zukam. Für die Frage, ob diese Eigenschaft zugesichert wurde, gibt dieser Umstand nichts her (vgl. auch Senat, Urt. v. 18. Dezember 1987, V ZR 223/85, WM 1988, 716, 717: Bezeichnung der Kaufsache als „Bauplatz”). Fehlerhaft ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagten hätten, von den Klägern nach der Bewohnbarkeit des Hauses gefragt, ausdrücklich die Zusicherung abgeben müssen, daß das Haus im derzeitigen Zustand uneingeschränkt zu Wohnzwecken geeignet sei. Eine solche Pflicht besteht nicht. Der Verkäufer hat bei Fragen nach dem Zustand des Kaufgegenstandes nur die Pflicht, wahrheitsgemäß zu antworten. Zu einer vertraglichen Gewährübernahme durch Abgabe einer Zusicherung ist er nicht verpflichtet. Nicht bedacht hat das Berufungsgericht ferner, daß für eine Eigenschaftszusicherung auch aus der Sicht der Kläger kein Anlaß bestand. Die Frage der Nutzbarkeit des Hauses als Wohnhaus war von beiden Parteien stillschweigend als selbstverständlich vorausgesetzt, nicht aber zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen gemacht worden. Die Kläger haben auch nicht – was gegebenenfalls für die Annahme einer Zusicherung sprechen könnte (vgl. BGH, Urt. v. 10. Juli 1991, VIII ZR 224/90, NJW-RR 1991, 1401 m.w.N.) – auf eine besondere Sachkunde der Beklagten vertraut. Diese waren ebenso Laien wie die Kläger selbst.

Die rechtsfehlerhafte Auslegung des Berufungsgerichts hat daher keinen Bestand. Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat die Umstände selbst würdigen (st. Rspr., z. B. BGHZ 65, 107, 112; Senat, Urt. v. 22. Juni 1990, V ZR 126/89, WM 1990, 1755). Diese ergibt – wie dargelegt –, daß die Voraussetzungen für die Annahme einer Eigenschaftszusicherung nicht gegeben sind.

d) Offen bleiben kann, ob der vertragliche Haftungsausschluß solche Mängel nicht erfaßt, die von derart grundlegender Art sind, daß eine Freizeichnung mit dem Gebot von Treu und Glauben nicht mehr vereinbar wäre (vgl. Senat, Urt. v. 14. Oktober 1966, V ZR 188/63, NJW 1967, 32, 33; Urt. v. 6. Juni 1986, V ZR 67/85, NJW 1986, 2824, 2825). Dieser Fall ist hier, da der Mangel ohne weiteres behebbar ist, nicht gegeben.

e) Auch unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage erweist sich die Entscheidung nicht im Ergebnis als richtig. Diese Grundsätze finden neben dem Sachmängelgewährleistungsrecht keine Anwendung, auch wenn im konkreten Fall die Haftung vertraglich ausgeschlossen ist (Senat, BGHZ 98, 100, 103 f).

2. Zur Widerklage

a) Der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch ist dem Grunde nach berechtigt. Er ergibt sich aus der im Vertrag für den Verzugsfall getroffenen Zinsvereinbarung (Nr. 5 des notariellen Vertrages) und besteht nach den Vereinbarungen über die Vertragsaufhebung fort. Da der Zahlungszeitpunkt kalendermäßig bestimmt war (spätestens 30. November 1991), war eine Mahnung für den Verzugseintritt nicht erforderlich (§ 284 Abs. 2 BGB).

b) Der Anspruch ist jedoch der Höhe nach nur zu einem Teil begründet. Die Beklagten machen für die Zeit vom 1. Dezember 1991 bis zum 4. April 1994, dem Zeitpunkt der Zahlung infolge anderweitiger Veräußerung, die vertraglich bedungenen Zinsen von 10 % geltend, und zwar auf den Gesamtkaufpreis in Höhe von 332.500 DM. Berechtigt ist hingegen nur eine Zinsforderung hinsichtlich des durch Zahlung zu erbringenden Betrages von 38.431,88 DM. Dies ergibt sich aus den vertraglichen Regelungen, die der Senat – soweit erforderlich – selbst auslegen kann, da das Berufungsgericht eine Auslegung – aus seiner Sicht konsequent – unterlassen hat und weitere Feststellungen nicht zu treffen sind.

Die Parteien haben die Bezahlung des Kaufpreises aufgeteilt. In Höhe von 294.068,12 DM übernahmen die Kläger – vorbehaltlich der Genehmigung der Gläubigerbank, die der Notar einzuholen beauftragt wurde – eine bestehende Grundschuld nebst gesicherter Forderung. Wegen des Restes von 38.431,88 DM wurde Zahlung bis zum 30. November 1991 vereinbart. Der Umstand, daß beide Verpflichtungen in dem Vertrag selbständig nebeneinander aufgeführt werden, spricht dafür, daß es sich bei der Schuldübernahme nicht um eine Leistung an Erfüllungs Statt oder erfüllungshalber handelt, sondern um eine neben der Zahlungsverpflichtung in Höhe von 38.431,88 DM geschuldete Leistung. Danach würde der am Anfang der Vertragsurkunde genannte Gesamtkaufpreis nur eine Rechengröße darstellen und keine Zahlungspflicht in voller Höhe – und damit auch keine Zinsansprüche – begründen können (vgl. RGZ 120, 166, 169; RGZ 121, 38, 41; Senat, Urt. v. 5. Februar 1958, V ZR 129/56, NJW 1958, 906; Urt. v. 30. September 1964, V ZR 39/63, WM 1964, 1235, 1236; MünchKomm-BGB/Heinrichs, 3. Aufl., § 364 Rdn. 10).

Selbst wenn dies aber nicht anzunehmen sein sollte, fehlt es an den Voraussetzungen für einen Zinsanspruch, soweit es sich um den durch Schuldübernahme geregelten Kaufpreisanteil handelt. Der Vertrag enthält nämlich eine Vereinbarung über die Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 10 % nur für die unter b) aufgeführte Zahlungspflicht in Höhe von 38.431,88 DM. Das ergibt sich nicht nur aus dem formalen Regelungszusammenhang, sondern auch daraus, daß die Verzinsung an den Zahlungsverzug geknüpft ist, der nur hinsichtlich der geschuldeten Geldleistung eintreten kann. Daß Zinsen auch für den Fall geschuldet sein sollten, daß die Schuldübernahme nicht genehmigt würde oder die Kläger die sich aus der Schuldübernahme gegenüber den Beklagten ergebenden Verpflichtungen (§ 415 Abs. 3 BGB) nicht erfüllten, kann der Regelung nicht entnommen werden.

Das schließt nicht die Geltendmachung eines Verzugsschadens nach allgemeinen Grundsätzen aus (§ 286 Abs. 1 BGB). Hierauf stützen die Beklagten ihren Anspruch jedoch nicht. So ist weder vorgetragen noch ersichtlich, daß die Kläger mit ihrer Verpflichtung in Verzug geraten sind. Insoweit war auch – bei unterstellter Nichtleistung – eine Mahnung nicht entbehrlich, da sich die kalendermäßige Bestimmung der Leistung ersichtlich nur auf die unter b) geregelte Zahlungspflicht bezog.

c) Der geltend gemachte Zinsanspruch ist daher nur in Höhe von 9.127,57 DM begründet (855 Zinstage von 38.431,88 DM). Zinsen können die Beklagten auf diese Forderung nicht beanspruchen, da Zinseszinsen nicht geschuldet sind (§ 289 Satz 1 BGB). Für einen konkreten Verzugsschaden, dessen Geltendmachung nicht ausgeschlossen ist (§ 289 Satz 2 BGB), fehlt entsprechender Vortrag.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

V, T, Sch, K, K

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 12.04.1996 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 512686

NJW 1996, 2027

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