Leitsatz (amtlich)

›In der privaten Unfallversicherung steht stationär behandelten Versicherungsnehmern für die Tage, die sie im Einvernehmen mit dem behandelnden Arzt außerhalb des Krankenhauses verbracht haben (sogenannte Beurlaubung), kein Krankenhaustagegeld zu. Sie haben jedoch Anspruch auf Krankenhaustagegeld für die Tage, an denen sie sich teilweise im Krankenhaus, teilweise aufgrund einer "Beurlaubung" außerhalb desselben aufgehalten haben.

Zur Frage, inwieweit in der Krankenhaustagegeldversicherung Krankenhaustagegeld auch für sogenannte "Urlaubstage" beansprucht werden kann.‹

 

Verfahrensgang

LG Hamburg

OLG Hamburg

 

Tatbestand

Der Kläger ist seit dem 1. Juli 1978 bei der Beklagten zu 1) gegen Unfall versichert. Seit dem gleichen Tage besteht für ihn bei der Beklagten zu 2) eine Krankenhaustagegeldversicherung. Der Unfallversicherung liegen die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB) zugrunde, in denen es unter B § 8 IV (1) heißt:

"Krankenhaustagegeld wird für jeden Kalendertag gezahlt, an dem sich der Versicherte wegen eines Unfalls (§§ 2 und 3) aus medizinischen Gründen in stationärer Krankenhausbehandlung befindet, ..."

Die zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) als Grundlage der Krankenhaustagegeldversicherung vereinbarten Tarifbedingungen (Tarif KHT) enthalten folgende Bestimmungen:

"2. Bei stationärer Heilbehandlung im Krankenhaus wird für jeden Tag des Aufenthalts ein Krankenhaustagegeld gezahlt ..."

Nach einem Unfall befand der Kläger sich in der Zeit vom 20. August bis 9. Dezember 1980 und vom 17. Februar bis 31. März 1981 im Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus Hamburg-Boberg in stationärer Behandlung. Während dieser Zeit verbrachte er die Wochenenden regelmäßig zu Hause; er verließ im Einverständnis mit dem behandelnden Arzt am Freitag um 14.00 Uhr das Krankenhaus und kehrte am Sonntag um 22.00 Uhr zurück. Die Parteien sind sich darüber einig, daß sich der Kläger während der genannten Zeiträume an 22 Tagen von 0.00 bis 24.00 Uhr nicht im Krankenhaus befand. Die entstandenen Krankenhauskosten hat die Hannoversche Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft getragen. Die Beklagten haben dem Kläger für die Tage, an denen er sich tatsächlich im Krankenhaus aufgehalten hat, das vereinbarte Krankenhaustagegeld (70,- DM aus der Unfall-, 80,- DM aus der Krankenhaustagegeldversicherung) gezahlt. Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger die Zahlung des Krankenhaustagegelds auch für die 22 Tage, an denen er sich zu Hause aufgehalten hat (22 x 70,- = 1.540,- DM von der Beklagten zu 1); 22 x 80,- = 1.760,- DM von der Beklagten zu 2).

Beide Vorinstanzen haben den Anspruch für begründet gehalten. Mit der (zugelassenen) Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsanspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

I. Beide Vorinstanzen haben der Klage mit einer im wesentlichen übereinstimmenden Begründung stattgegeben. Das Landgericht hatte ausgeführt, die Versicherungsbedingungen der Beklagten seinen nicht eindeutig; aus ihnen gehe nicht hervor, ob Krankenhaustagegeld auch während einer Beurlaubung aus dem Krankenhaus gezahlt werde. Dies Unklarheit müsse nach § 5 AGBG zu Lasten des Verwenders gehen. Das Oberlandesgericht billigt offenbar diese Auffassung (Berufungsurteil S. 6 Abs. 3 Satz 2). Es erwähnt zwar nicht ausdrücklich den § 5 AGBG, will aber ersichtlich die Unklarheitenregel anwenden. dies ergibt sich insbesondere aus der Bemerkung, unter den gegebenen Umständen wäre es Sache der Beklagten gewesen, einen Leistungsausschluß für Urlaubstage in den Bedingungen festzulegen (Berufungsurteil S. 8 erster Absatz).

Ergänzend führen Landgericht und Oberlandesgericht aus, daß nach ihrer Auffassung das Krankenhaustagegeld in erster Linie dazu bestimmt sei, die Krankenhauskosten abzudecken. Es komme deshalb darauf an, ob Patienten während der Beurlaubung die laufenden Kosten des Krankenhausaufenthalts weiter zu entrichten haben. Das Berufungsgericht räumt zwar ein, daß nach der Auskunft der Gesundheitsbehörde Hamburg die staatlichen Krankenanstalten dieses Landes Beurlaubungen wie vorübergehende Entlassungen behandeln. Es glaubt jedoch aus der vom Kläger vorgelegten Bescheinigung der Hannoverschen Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft vom 25. November 1982 (Bl. 87 d.A.) entnehmen zu können, daß das Berufsgenossenschaftliche Unfallkrankenhaus Hamburg anders verfahre. Es müsse deshalb mit einer uneinheitlichen Praxis der Krankenhäuser gerechnet werden, so daß jedenfalls nicht festgestellt werden könne, daß Krankenhauspflegesätze an Urlaubstagen nicht berechnet würden.

II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Nach den Tarifbedingungen, die dem Versicherungsvertrag des Klägers mit der Beklagten zu 2) zugrunde liegen, wird ein Krankenhaustagegeld bei stationärer Behandlung im Krankenhaus "für jeden Tag des Aufenthalts" gewährt. Diese Formulierung ist auch für einen juristisch und versicherungstechnisch nicht geschulten Durchschnittsbürger ohne weiteres verständlich. Mit dem Ausdruck "Aufenthalt" ist, wie sich aus dem Zusammenhang ergibt, ersichtlich ein Aufenthalt im Krankenhaus gemeint. Nach dem Sprachgebrauch des täglichen Lebens setzt der Begriff "Aufenthalt" die körperliche Anwesenheit an dem betreffenden Ort voraus; niemand wird davon sprechen, er habe sich an einem bestimmten Tag im Krankenhaus aufgehalten, wenn er an diesem Tage das Krankenhaus nicht betreten hat. Daraus folgt, daß für sogenannte Urlaubstage kein Krankenhaustagegeld zu zahlen ist.

2. Die Erwägungen, mit denen die Vorinstanzen ihre gegenteilige Auffassung begründet haben, können eine abweichende Beurteilung nicht rechtfertigen:

a) Das Berufungsgericht meint in Übereinstimmung mit dem Landgericht, daß das Krankenhaustagegeld dazu diene, die Krankenhauskosten auszugleichen, die vielfach von anderen Versicherungsarten nicht voll abgedeckt würden. Selbst wenn das richtig wäre, würde daraus noch nicht folgen, daß die Berechnung des Krankenhaustagegeldes sich nach den Tarifen der Krankenanstalten richten müßten. Die Krankenhaustagegeldversicherung ist eine Summenversicherung: sie dient nicht der konkreten, sondern der abstrakten Bedarfsdeckung. Die Versicherungsleistungen können in manchen Fällen über den tatsächlichen Bedarf hinausgehen, in anderen hinter ihm zurückbleiben. Mit Überlegungen, die den konkreten Bedarf betreffen, kann daher die Eintrittspflicht des Krankenhaustagegeldversicherers nicht über den in den Tarifbedingungen klar beschriebenen Leistungsumfang hinaus erweitert werden.

b) Es kann auch nicht als richtig anerkannt werden, daß die Krankenhaustagegeldversicherung in der hier vereinbarten Form die Abdeckung der Krankenhauskosten bezwecke. Die Beklagte hatte im Schriftsatz vom 14. Dezember 1981 auf S. 2 (Bl. 10 d.A.) ausgeführt, es sei der Sinn des Krankenhaustagegeldes, dem Versicherungsnehmer für die Zeit, in der er im Krankenhaus gewissen Einschränkungen unterliegt, über die Behandlungs- und Krankenhauskosten hinaus eine gewisse Annehmlichkeit zu ermöglichen. Diese Auffassung hat der Kläger als im großen und ganzen richtig anerkannt (Schriftsatz vom 11. Januar 1982 S. 2 f. Bl. 14 f. d.A.). Sie entspricht der in der Literatur der Krankenversicherung vertretenen Ansicht (Balzer/Jäger Leitfaden der Privaten Krankenversicherung Teil D S. 180; Tauer/Linden, Private Krankenversicherung 1965, S. 71; ähnlich, wenn auch nicht so entschieden, Eichler, Versicherungsrecht 2. Aufl. S. 339 Fn. 51; Richter, Privatversicherungsrecht S. 334 unter Ziff. 3) sowie den Äußerungen, die der Verband der privaten Krankenversicherung im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit abgegeben hat; so wird z.B. in einer von ihm herausgegebenen Broschüre (Die private Krankenversicherung, Was sie ist - Was sie leistet, S. 8) ausgeführt, mit der Krankenhaustagegeldversicherung ließen sich "zusätzliche Kosten abdecken, die stets mit einem Krankenhausaufenthalt verbunden" seien; so müsse "evtl. ein Stellvertreter im Betrieb, eine Ersatzkraft für die abwesende Hausfrau und Mutter finanziert werden".

Es ist in der Tat schwer einzusehen, warum neben der Krankheitskostenversicherung, die den durch die Krankenhausbehandlung entstehenden Bedarf konkret abdeckt, noch eine zusätzliche abstrakte Deckung für den gleichen Bedarf notwendig sein sollte. Die Krankenhaustagegeldversicherung wird auch von den Versicherungsunternehmen nicht etwa anstelle einer Kranheitskostenversicherung, sondern zusätzlich zu ihr angeboten, vielfach auch an solche Personen, die als Sozialversicherte keine Krankheitskostenversicherung benötigen. Soweit die Leistungen der Krankheitskostenversicherung hinter den tatsächlich entstehenden Kosten zurückbleiben, ließe sich dem in der Regel durch Wahl eines höheren Tarifs abhelfen. Eine andere Betrachtungsweise ist lediglich für solche Tarife geboten, geboten, bei denen dem Versicherungsnehmer ein Wahlrecht zwischen der Erstattung der Krankenhauskosten und der Zahlung eines Krankenhaustagegeldes eingeräumt wird (solche Tarife hat auch die Beklagte zu 2) zumindest bis 1978 angeboten, vgl. Balzer/Aumüller, Tarife und Bedingungen der privaten Krankenversicherung 20. Folge 1978 S. 464 - 476). Diese Tarife dienen ersichtlich der Deckung der Krankenhauskosten, wobei dem Versicherungsnehmer die Wahl zwischen einer konkreten und abstrakten Bedarfsdeckung eingeräumt wird. Ein solcher Tarif liegt aber dem Krankenversicherungsvertrag, den der Kläger mit der Beklagten zu 2) geschlossen hat, nicht zugrunde.

c) Nach alledem kann dahingestellt bleiben, ob die Ansicht des Berufungsgerichts, ein Krankenhauspatient sei verpflichtet, auch an sogenannten Urlaubstagen Pflegekosten zu bezahlen - gegen die sich Bedenken geltend machen lassen -, zutreffend ist.

3. Entgegen der vom Landgericht vertretenen und vom Berufungsgericht gebilligten Auffassung ist für eine Anwendung der Unklarheitenregel (§ 5 AGBG) bezüglich der hier zu entscheidenden Frage kein Raum. Auch für einen Laien ist es ohne weiteres erkennbar, daß von einem Aufenthalt im Krankenhaus nur dann gesprochen werden kann, wenn der betreffende Patient sich tatsächlich im Krankenhaus aufgehalten hat, daß also die Versicherungsbedingungen für die Tage, an denen der Patient sich den ganzen Tag über außerhalb des Krankenhauses befunden hat, einen Anspruch auf Krankenhaustagegeld nicht gewähren wollen.

Lückenhaft und damit unklar sind die Bedingungen nur insoweit, als sie keine ausdrückliche Regelung darüber treffen, ob und unter welchen Voraussetzungen dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Krankenhaustagegeld für diejenigen Tage zusteht, an denen der sich teils im Krankenhaus, teils außerhalb desselben aufgehalten hat. In dieser Hinsicht sind verschiedene Lösungen denkbar. Man könnte dem Versicherungsnehmer für diese Tage einen vollen Tagegeldanspruch zubilligen; man könnte den Anspruch insoweit von bestimmten Kriterien abhängig machen, etwa davon, daß der Versicherungsnehmer sich an dem betreffenden Kalendertag überwiegend oder doch wenigstens während der Nachtzeit im Krankenhaus aufgehalten hat, man könnte dem Versicherungsnehmer eine der tatsächlichen Aufenthaltsdauer entsprechenden Bruchteil des Krankenhaustagegeldsatzes gewähren und man könnte schließlich dem Versicherungsnehmer für solche Tage überhaupt einen Anspruch versagen. Die Zweifel darüber, welche dieser Lösungsmöglichkeiten von den Verfassern der MB/KK gewollt war, müssen in der Tat zu Lasten des Verwenders gehe; es gilt deshalb die für den Versicherungsnehmer günstigste Lösung. Diesem steht daher das volle Krankenhaustagegeld auch dann zu, wenn er sich an dem betreffenden Tag nur zeitweise im Krankenhaus aufgehalten hat, ohne daß es darauf ankäme, ob die Aufenthaltszeit im Krankenhaus die verbleibende Zeit überwiegt. Die Beklagten haben dies nicht verkannt; sie haben dem Kläger unstreitig das Tagegeld nur für diejenigen Tage verweigert, an denen er sich überhaupt nicht im Krankenhaus aufgehalten hat.

III. Für den Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1) gelten im wesentlichen die gleichen Erwägungen.

1. Nach § 8 IV (1) AUB wird Krankenhaustagegeld "für jeden Kalendertag gezahlt, an dem sich der Versicherte wegen eines Unfalls aus medizinischen Gründen in stationärer Krankenhausbehandlung befindet". Anspruchsvoraussetzung ist demnach, daß gerade an dem Tag, für den Krankenhaustagegeld beansprucht wird, eine stationäre Behandlung des Versicherungsnehmers stattgefunden hat. Es braucht an dieser Stelle nicht erörtert zu werden, wie der Begriff der stationären Behandlung generell von der ambulanten, der teilstationären und der halbstationären Behandlung zu unterscheiden ist. Der Begriff der stationären Behandlung verlangt auf jeden Fall eine gewisse räumliche Beziehung zum Krankenhaus und damit eine zumindest zeitweilige Anwesenheit des Patienten. Hat der Versicherungsnehmer an einem bestimmten Tag das Krankenhaus überhaupt nicht betreten, so kann nicht ernsthaft davon gesprochen werden, daß er an diesem Tage im Krankenhaus stationär behandelt worden sei.

2. Auch für den Anspruch auf Krankenhaustagegeld nach den Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen gilt, daß diese Versicherungsleistungen nicht zur Abdeckung der Krankenhauskosten bestimmt ist. Im Schrifttum wird zwar gelegentlich die entgegengesetzte Auffassung vertreten (so insbesondere bei Bruck/Möller/Wagner, VVG 8. Aufl. Band VI 1. Halbband Anm. G 312). Daß sie nicht richtig ist, ergibt sich bereits daraus, daß § 8 AUB unter Ziffer VI (1) einen Ersatz der tatsächlich entstandenen notwendigen Kosten einer stationären Behandlung vorsieht; wäre die Ansicht von Bruck/Möller/Wagner richtig, so würde im Rahmen der privaten Unfallversicherung der durch die Krankenhausaufnahme entstehende Bedarf doppelt gedeckt, und zwar einmal konkret und ein anderes Mal abstrakt; das wäre mit dem Grundsatz, daß Versicherungsleistungen zumindest in der Regel nicht zu einer Bereicherung des Versicherungsnehmers führen sollen, unvereinbar.

IV. Da alle für die rechtliche Beurteilung des Anspruchs des Klägers maßgeblichen Tatsachen unstreitig sind, ist eine Sachaufklärung durch den Tatrichter nicht erforderlich. Das Revisionsgericht kann daher nach § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO abschließend entscheiden. Die Klage ist abzuweisen, weil dem Kläger nach den obigen Darlegungen weder gegenüber der Beklagten zu 1) noch gegenüber der Beklagten zu 2) ein Anspruch auf Krankenhaustagegeld zusteht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2992733

BGHZ 91, 98

BGHZ, 98

NJW 1984, 1818

MDR 1984, 742

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