Leitsatz (amtlich)

Werden bei einem Verfahren (hier: Verfahren zur Minimierung von Flugkosten) sowohl von Naturkräften abgeleitete Meßwerte als auch betriebswirtschaftliche Faktoren rechnerisch in der Weise miteinander verknüpft, daß das Ergebnis der Rechnung einen Steuervorgang auslöst (hier: Änderung des Treibstoffdurchsatzes), so ist das Verfahren dann keine der Patentierung zugängliche technische Lehre, wenn die markt- und betriebswirtschaftlichen Faktoren den entscheidenden Beitrag zur Erreichung des erstrebten Erfolges liefern und die eingesetzten Naturkräfte demgegenüber an Bedeutung zurücktreten.

 

Normenkette

PatG 1968 § 1

 

Verfahrensgang

BPatG (Urteil vom 12.02.1985)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats II) des Bundespatentgerichts vom 12. Februar 1985 abgeändert.

Das Patent 2 438 030 wird für nichtig erklärt.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen.

 

Tatbestand

Der Beklagte ist Inhaber des am 7. August 1974 angemeldeten Patents 2 438 030 (Streitpatents), das ein „automatisches Verfahren zur optimalen Regelung des Treibstoffdurchsatzes eines Flugzeuges” betrifft. Bereits am 20. Mai 1975 stellte der Prüfer des Deutschen Patentamts die Bekanntmachung der Anmeldung in Aussicht, die am 5. Januar 1976 beschlossen wurde. Da Einspruch nicht erhoben wurde, erfolgte die Patenterteilung am 6. Oktober 1976.

Wegen der Patentansprüche in der erteilten Fassung wird auf die Patentschrift verwiesen.

Die Klägerin hat Nichtigkeitsklage erhoben. Sie hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Das unter Schutz gestellte Verfahren sei keine dem Patentschutz zugängliche Lehre zum technischen Handeln, sondern im Kern ein Rechenprogramm. Jedenfalls sei die Lehre des Streitpatents angesichts des vorbekannten Standes der Technik nicht erfinderisch.

Das Bundespatentgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat Berufung eingelegt, mit der sie ihren Antrag auf Nichtigerklärung des Streitpatents weiterverfolgt.

Im Berufungsverfahren ist die Firma Boeing dem Rechtsstreit als Streithelferin der Klägerin beigetreten, da der Beklagte in einer gegen die D.. L. AG erhobenen Patentverletzungsklage geltend gemacht habe, in den von der Streithelferin gelieferten Flugzeugen der Typen Boeing 727, 737 und 747 sei vom Gegenstand des Streitpatents Gebrauch gemacht. Die Streithelferin schließt sich dem Antrag der Klägerin auf Nichtigerklärung des Streitpatents an.

Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung mit der Maßgabe, daß der Patentanspruch 1 des Streitpatents folgende Fassung erhält:

„Verfahren zur optimalen Regelung des Treibstoffdurchsatzes eines Flugzeuges bezogen auf einen Flug zwischen zwei Flughäfen unter Verwendung eines Rechners mit einem Speicher und einem Vergleicher, dadurch gekennzeichnet, daß zunächst dem Rechner (R), dem der jeweilige Treibstoffpreis und die Flugzeitkosten des Flugzeuges eingegeben sind, automatisch die im Flugzeug gemessenen Werte von Treibstoffdurchsatz und Geschwindigkeit eingegeben werden, woraufhin der Rechner (R) – der momentan aus Treibstoffpreis, Treibstoffdurchsatz und Geschwindigkeit die Treibstoffkosten pro Entfernungseinheit und aus Flugzeitkosten und Geschwindigkeit den betreffenden Teil der Gesamtflugzeitkosten pro Entfernungseinheit ermittelt und diese Treibstoffkosten und diesen Teil der Gesamtflugzeitkosten summiert und als Erstergebnis speichert – die Änderung des Treibstoffdurchsatzes um einen vorbestimmten Betrag veranlaßt, daraufhin die sich ergebenden Werte von Treibstoffdurchsatz und Geschwindigkeit erneut automatisch dem Rechner (R) eingegeben werden, woraufhin nach Vergleich des aus Treibstoffpreis, Treibstoffdurchsatz, Fluggeschwindigkeit und Flugzeitkosten ermittelten Zweitergebnisses mit dem gespeicherten Erstergebnis mittels des Vergleichers (C) eine weitere automatische schrittweise Verstellung des Treibstoffdurchsatzes in der vom Vergleicher (C) ermittelten Richtung zu geringeren Ergebniswerten jeweils unter Abspeicherung des letzten Ergebniswertes im Speicher angeschlossen wird, bis der Vergleicher (C) zumindest eine Annäherung an einen minimalen Ergebniswert feststellt, der daraufhin als Endergebnis gespeichert wird, und daß nach Ablauf einer vorbestimmten Zeiteinheit das Verfahren wiederholt wird und so fort, wobei jeweils das zuletzt ermittelte Endergebnis gespeichert wird und die Rolle des Erstergebnisses in dem jeweils folgenden Verfahrenszyklus spielt.”

Hilfsweise beantragt der Beklagte, den Patentanspruch 1 des Streitpatents wie folgt zu fassen:

„Automatisches Verfahren zur optimalen Regelung des Treibstoffdurchsatzes eines Flugzeuges, bezogen auf einen Flug zwischen zwei Flughäfen, um die Gesamtflugzeitkosten auf einen Minimalwert zu bringen, unter Verwendung eines Rechners mit Speicher und Vergleicher, gekennzeichnet durch folgende Schritte:

  1. dem Rechner werden der jeweilige Treibstoffpreis und die Flugzeitkosten eingegeben,
  2. an vorbestimmten Zeitpunkten werden dem Rechner automatisch Meßwerte für den Treibstoffdurchsatz und die Fluggeschwindigkeit eingegeben,
  3. der Treibstoffdurchsatz wird in vorbestimmten Zeitabständen um einen vorbestimmten Betrag schrittweise in Richtung auf geringere Ergebniswerte geändert, bis die anhand der jeweiligen Fluggeschwindigkeit und des Treibstoffdurchsatzes und der Treibstoffkosten pro Entfernungseinheit und der Flugzeitkosten pro Entfernungseinheit im Rechner wiederholt ermittelten Ergebniswerte der Gesamtflugzeitkosten pro Entfernungseinheit ein Minimum erreichen,
  4. der sich so ergebende Treibstoffdurchsatz wird über eine vorbestimmte Zeit konstant gehalten,
  5. die Verfahrensschritte b, c und d werden in vorbestimmten Zeitabständen unter Benutzung des jeweils letzten Ergebniswertes der vorangegangenen Verfahrensschritte b und c wiederholt.”
 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Das Patent 2 438 030 ist für nichtig zu erklären, weil das unter Schutz gestellte Verfahren nicht dem Bereich der Technik angehört, §§ 1 Abs. 1, 13 Abs. 1 Nr. 1 PatG 1968.

I.

In der Patentschrift wird berichtet, daß die Kosten eines Fluges zwischen zwei Flughäfen im wesentlichen von zwei Faktoren gebildet werden, nämlich den Kosten für den insgesamt verbrauchten Treibstoff einerseits und den Gesamtflugzeitkosten andererseits. Unter Flugzeitkosten werden dabei betriebswirtschaftliche und technische Kosten verstanden, insbesondere Abschreibungen, Versicherungskosten, zeitabhängige Personalkosten sowie technische Abnutzungs- und Wartungskosten, die im wesentlichen von der Flugzeit abhängig sind.

In der Patentschrift wird weiter ausgeführt, eine an sich gewünschte Verringerung der Flugzeit sei nur durch eine Erhöhung des Treibstoffdurchsatzes und damit eine Erhöhung der Geschwindigkeit möglich. Die dadurch erzielte Verringerung der Flugzeitkosten werde aber vielfach von den dadurch bedingten erhöhten Treibstoffkosten überkompensiert. Demgegenüber könne vor allem bei Flügen in niedrigeren Flughöhen eine Verringerung des Treibstoffdurchsatzes zu einer so erheblichen Verlängerung der Flugzeit führen, daß die auf Grund der Erhöhung der Flugzeit entstehenden Mehrkosten die Einsparung an Treibstoff überkompensierten. Komplizierte Abhängigkeiten machten es unmöglich, einem Piloten für den Flug ein Programm zu geben, nach dem er den Treibstoffdurchsatz optimal zu regeln hätte (Sp. 2 Z. 16 – 36).

In der Patentschrift wird es sodann als bekannt bezeichnet, für eine Optimalwertregelung ein Suchschrittverfahren anzuwenden, bei dem eine zu optimierende Größe ständig verändert werde, damit eine von dieser Größe abhängige andere Größe selbsttätig auf einen Extremwert geführt werden könne. Es sei auch bekannt, für solche Suchschrittverfahren Rechner, Speicher und Vergleicher einzusetzen, und sie dazu zu verwenden, Kosten als zu optimierende Größe auf einen Extremwert zu bringen (Sp. 2, Z. 41 – 52).

Soweit in der Beschreibung im Anschluß daran als Aufgabe der Erfindung herausgestellt wird, das bekannte Suchschrittverfahren so zu gestalten, daß die Regelung des Treibstoffdurchsatzes im Sinne der Erzielung minimaler Kosten automatisiert wird (Sp. 2, Z. 53 – 56), sind dabei bereits Lösungsgedanken genannt, die nicht das der Lehre zugrunde liegende Problem bezeichnen. Dieses besteht vielmehr darin, den Treibstoffdurchsatz eines Flugzeuges so zu regeln, daß das Flugzeug bezogen auf einen Flug zwischen zwei Flughäfen mit minimalen Kosten fliegt (Sp. 1, Z. 4 – 8; 67/68; Sp. 2, Z. 12 – 16).

Es steht dem Patentschutz nicht entgegen, daß dieser Nutzeffekt der Lehre nicht auf technischem, sondern auf betriebswirtschaftlichem Gebiet liegt (vgl. BGH GRUB 1966, 249, 250 – Suppenrezept; BGH GRUB 1967, 590 – Garagentor; BGHZ 67, 22, 25 – Dispositionsprogramm).

Die Streitpatentschrift schildert die Lösung dieses Problems anhand eines Ausführungsbeispiels wie folgt:

Zu Beginn des Fluges werden einem Rechner der Treibstoffpreis und die Flugzeitkosten manuell eingegeben. Während des Fluges werden dem Rechner sodann ständig automatisch die Werte des Treibstoffdurchsatzes und der Geschwindigkeit zugeführt. Der Rechner multipliziert den Treibstoffpreis mit dem Treibstoffdurchsatz und dividiert den so ermittelten Wert durch die Geschwindigkeit. Ferner dividiert er die Flugzeitkosten pro Zeiteinheit durch die Geschwindigkeit und errechnet so die Flugzeitkosten pro Entfernungseinheit. Er summiert dann diese beiden Werte und speichert dieses Erstergebnis. Der Zeitschalter löst sodann eine vorbestimmte Änderung des Treibstoffdurchsatzes aus. Dem Rechner werden die neuen Werte des Treibstoffdurchsatzes und der Geschwindigkeit automatisch zugeführt, der vom Zeitschalter einen erneuten Anstoß erhält und auf die geschilderte Weise ein Zweitergebnis errechnet. Dieses Zweitergebnis wird im Vergleicher mit dem gespeicherten Erstergebnis verglichen. Mit dem ermittelten Vergleichswert (= Differenz: Kostenerhöhung oder Kostenverminderung) wird die nächste Änderung des Treibstoffdurchsatzes in Richtung auf geringer werdende Kosten gesteuert. Dies wird so oft wiederholt, bis der Vergleicher zumindest eine Annäherung an einen minimalen Ergebniswert feststellt. Dann wird das Verfahren zunächst automatisch abgebrochen. Ein Zeitschalter löst in vorbestimmten Zeitabständen die nachfolgenden Zyklen aus. Dabei wird der jeweils zuletzt ermittelte Ergebniswert für den nächsten Zyklus als Erstergebnis verwendet.

Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der vom Beklagten mit dem Hauptantrag in zulässiger Weise verteidigten Fassung ist ein Verfahren, bei dem

  1. ein Rechner (R) mit einem Speicher und einem Vergleicher verwendet wird.
  2. Dem Rechner (R) werden

    1. der jeweilige Treibstoffpreis und die Flugzeitkosten des Flugzeugs eingegeben;
    2. und automatisch die im Flugzeug gemessenen Werte des Treibstoffdurchsatzes und der Geschwindigkeit zugeführt.
  3. Der Rechner führt sodann folgende Rechenoperationen durch:

    1. er errechnet aus Treibstoffpreis, Treibstoffdurchsatz und Geschwindigkeit die Treibstoffkosten pro Entfernungseinheit;
    2. er errechnet aus Flugzeitkosten und Geschwindigkeit den betreffenden Teil der Gesamtflugzeitkosten pro Entfernungseinheit;
    3. er bildet die Summe aus a und b (sog. Erstergebnis), die der Speicher festhält.
  4. Der Rechner veranlaßt automatisch eine Änderung des Treibstoffdurchsatzes um einen vorbestimmten Betrag (wodurch sich auch die Fluggeschwindigkeit ändert).
  5. Die geänderten Werte des Treibstoffdurchsatzes und der Geschwindigkeit werden dem Rechner automatisch zugeführt, der erneut die unter Ziff. 3a) bis c) beschriebenen Rechenoperationen durchführt und ein Zweitergebnis ermittelt;
  6. Die durch die Rechenoperationen gemäß Ziff. 3 und 5 errechneten Ergebnisse werden durch einen Vergleicher verglichen.
  7. Der (geringere) Ergebniswert wird gespeichert und steht für eine folgende Rechenoperation als „Erstergebnis” zum Vergleich zur Verfügung.
  8. Der Treibstoffdurchsatz wird automatisch in der vom Vergleicher ermittelten Richtung zu geringeren Ergebniswerten verändert.
  9. Der Rechner führt sodann mit den geänderten Werten von Treibstoffdurchsatz und Geschwindigkeit erneut die unter Ziff. 3 a) bis c) beschriebene Rechenoperation durch, bis der Vergleicher zumindest eine Annäherung an einen minimalen Ergebniswert feststellt, der daraufhin gespeichert wird.
  10. Nach einer vorbestimmten Zeiteinheit wird das Verfahren wiederholt, wobei das jeweils zuletzt ermittelte Endergebnis gespeichert wird und die Rolle des Erstergebnisses in dem jeweils folgenden Verfahrenszyklus spielt.

II.

1. Voraussetzung für die Patentierbarkeit einer Lehre ist deren technischer Charakter. Nach der Rechtsprechung des Senats gehört eine Lehre zum planmäßigen Handeln dem Bereich der Technik nur dann an, wenn sie sich zur Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolges des Einsatzes beherrschbarer Naturkräfte außerhalb der menschlichen Verstandestätigkeit bedient (BGHZ 52, 74 – Rote Taube; BGHZ 67, 22, 26 – Dispositonsprogramm; BGH GRUR 1981, 39 – Walzstabteilung). Dabei kommt es für den technischen Charakter und damit die Patentierbarkeit einer Lehre nicht auf deren sprachliche Einkleidung an, insbesondere nicht darauf, ob die Lehre in den Patentansprüchen unter Verknüpfung mit den zu ihrer Ausführung zweckmäßig oder notwendig heranzuziehenden technischen Einrichtungen formuliert worden ist. Entscheidend ist vielmehr, welches der sachliche Gehalt der beanspruchten Lehre ist, auf welchem Gebiet ihr Kern liegt. Ist Kern der Lehre die Auffindung einer Regel, deren Befolgung den Einsatz beherrschbarer Naturkräfte außerhalb des menschlichen Verstandes nicht gebietet, dann ist sie nicht technisch, auch wenn zu ihrer Ausführung der Einsatz technischer Mittel zweckmäßig oder gar allein sinnvoll, d.h. notwendig erscheint und auf den Einsatz dieser technischen Mittel in den Ansprüchen oder in der Patentschrift hingewiesen ist (vgl. BGH BlPMZ 1977, 341 – Prüfverfahren; BGHZ 67, 22, 27 – Dispositionsprogramm; BGH GRUR 1981, 39 – Walzstabteilung). Vielmehr muß das Ergebnis, der kausal übersehbare Erfolg, die unmittelbare Folge des Einsatzes beherrschbarer Naturkräfte sein (vgl. BGH GRUR 1981, 39 – Walzstabteilung; BGH GRUR 1977, 152 – Kennungsscheibe; BGH GRUR 1975, 549 – Buchungsblatt), d.h. die Verwendung technischer Mittel muß nicht nur Bestandteil der Problemlösung selbst sein, sondern die beanspruchte Lehre muß in ihrem technischen Aspekt auch eine vollständige Problemlösung bieten (BGHZ 67, 22, 27; BGH GRUR 1978, 420, 422 li.Sp. – Fehlerortung).

Bei der Lehre nach Anspruch 1 des Streitpatents in der verteidigten Fassung werden beherrschbare Naturkräfte eingesetzt und gleichzeitig betriebswirtschaftliche Faktoren herangezogen, um den Erfolg zu erreichen, ein Flugzeug automatisch im günstigsten Kostenbereich zu fliegen, mit anderen Worten, um die Gesamtflugkosten auf einem Flug zwischen zwei Flughäfen auf einen Minimalwert zu bringen (Sp. l, Z. 66/67 und 4 – 8). Es werden nicht allein die jeweiligen Änderungen des Treibstoffdurchsatzes und der Geschwindigkeit des Flugzeuges für zwei Teilstrecken automatisch ermittelt und für sich allein automatisch als Steuerungssignal für den Treibstoffdurchsatz eingesetzt, um das Ziel der Kostenminimierung zu erreichen, was als technische Lehre anzusehen wäre (vgl. BGH GRUR 1980, 849, 850 re.Sp. – Antiblockiersystem), sondern es werden auch die betriebswirtschaftlichen Faktoren „Treibstoffpreis” und „Flugzeitkosten” herangezogen, um dieses Ziel zu erreichen. Abgesehen davon, daß der „Treibstoffpreis” für sich allein betrachtet nach den oben mitgeteilten Angaben der Streitpatentschrift (Sp. 2, Z. 16 – 40) kein maßgebendes Kriterium für die Bewältigung des Problems der Kostenminimierung ist, handelt es sich weder bei diesem noch bei den „Flugzeitkosten” um Naturkräfte, die eingesetzt werden, um den hier in Rede stehenden Erfolg zu erreichen. Mögen diese Faktoren auch von technischen Gegebenheiten beeinflußt werden, so richten sie sich in ihrem Wesen nach den Marktverhältnissen und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten, die nicht den Naturkräften zugerechnet werden können, deren Beherrschung zur Lösung von Problemen dem Patentschutz zugänglich ist. Die Naturkräfte, wie die automatisch ermittelten Werte der Änderungen von Treibstoffdurchsatz und Geschwindigkeit, werden vielmehr zu den markt- und betriebswirtschaftlichen Faktoren in bestimmte rechnerische Beziehungen gesetzt, wie das oben geschildert ist. Die Differenz zwischen dem Momentankostenwert t(1)

Treibstoffpreis × Treibstoffmenge

+

Flugzeitkosten

Zeit × Geschwindigkeit

Geschwindigkeit

Und dem Momentankostenwert t2

Treibstoffpreis × geänderte Treibstoffmenge

+

Flugzeitkosten

Zeit × geänderte Geschwindigkeit

geänderte Geschwindigkeit

liefert dann das Kriterium für die Steuerung, d.h. die Änderung oder die Beibehaltung des Treibstoffdurchsatzes, um die Annäherung an den Kostenminimalwert zu erreichen.

Eine Gewichtung der Maßnahmen, derer sich die beanspruchte Lehre bedient, um das Ziel der erstrebten Kostenminimierung zu erreichen, ergibt, daß markt- und betriebswirtschaftliche Aspekte unter Einschluß der hier in Rede stehenden Berechnungsregel gegenüber den eingesetzten Naturkräften im Vordergrund stehen. Zunächst ist der erstrebte Erfolg betriebswirtschaftlicher Art. Sodann liefern die markt- und betriebswirtschaftlichen Faktoren den wesentlichen Beitrag zu der Ermittlung des Steuerkriteriums. Dies zeigt sich daran, daß gleiche Naturkräfte und damit gleiche Meßwerte von Treibstoffdurchsatz und Geschwindigkeit je nach dem relativen Übergewicht von Treibstoffkosten oder Flugzeitkosten zu verschiedenen Flugzuständen als Ergebnis der Regelung führen können. Allein die betriebswirtschaftliche Bewertung der technischen Meßwerte bestimmt die Steuerung nach Größe und Richtung. Demnach sind die Auswahl der Berechnungskriterien und die Art der rechnerischen Ermittlung des Steuerkriteriums die entscheidenden Mittel für die Erreichung des erstrebten Erfolges und für dessen Zuverlässigkeit. Sie sind zur Problemlösung unerläßlich und bilden den Kern der beanspruchten Lehre. Demgegenüber treten die eingesetzten Naturkräfte bei der Erreichung des angestrebten Erfolges an Bedeutung zurück. Die Verwendung des Rechners mit Speicher und Vergleicher ist zwar sinnvoll, jedoch nicht denkgesetzlich notwendig, um den Erfolg zu erreichen. Außerdem sind diese Mittel üblicher Art. Bedeutung im Rahmen der Gewichtung kommt erst der für den Erfolg entscheidenden Rechenoperation zu. Diese beruht jedoch auf einer im wesentlichen von markt- und betriebswirtschaftlichen Aspekten beeinflußten gedanklich-logischen Lehre. Die Mittel zur automatischen Datenübermittlung an den Rechner und von dort zur Treibstoffdurchsatzsteuerung sind zwar technischer, aber ebenfalls üblicher Art. Außerdem haben sie im Rahmen der Problemlösung nur eine dienende Funktion. Was endlich die Änderungen des Treibstoffdurchsatzes und der Geschwindigkeit angeht, so führen diese nicht unmittelbar den erstrebten Erfolg der Kostenminimierung herbei; sie sind allein keine vollständige Problemlösung, sondern liefern im Rahmen des hier streitigen Verfahrens zwar wichtige, aber letztlich für den erstrebten Erfolg nicht allein entscheidende Kriterien einer Berechnung, deren Art und Weise nur unter Berücksichtigung markt- und betriebswirtschaftlicher Kriterien den entscheidenden Wert erbringt, der für die Erreichung des Erfolges ausschlaggebend ist.

Bei dieser Sachlage rechtfertigt es die Mitursächlichkeit der eingesetzten Naturkräfte nicht, der Gesamtheit der Lehre einen technischen Charakter im Sinne der zitierten Senatsrechtsprechung zuzubilligen.

Der technische Charakter der beanspruchten Lehre kann entgegen der Ansicht des Beklagten weder daraus hergeleitet werden, daß es sich im Kern um eine besondere (neue) Betriebsweise (Verwendung) eines Flugzeuges handele, noch daraus, daß die im Flugzeug vorhandenen Meßgeräte für den Treibstoffdurchsatz und die Geschwindigkeit eine neue Verwendung erführen. Diese Ansicht des Beklagten richtet ihren Blick einseitig nur auf Teilaspekte der beanspruchten Lehre und läßt die Einbeziehung der markt- und betriebswirtschaftlichen Werte und der Berechnungsregel in die beanspruchte Lehre, insbesondere aber deren überwiegende und entscheidende Bedeutung für die Erreichung des erstrebten Erfolges, der auch wirtschaftlicher Art ist, außer Betracht.

III.

Die von dem Beklagten mit dem Hilfsantrag verteidigte Anspruchsfassung ist zulässig. Ihr stehen aber dieselben Gründe entgegen, wie der in erster Linie verteidigten Anspruchsfassung.

Auch hier werden die automatisch ermittelten technischen Werte von Treibstoffdurchsatz und Geschwindigkeit zu den markt- und betriebswirtschaftlichen Faktoren in eine bestimmte rechnerische Beziehung gesetzt, wie das unter Ziff. II der Entscheidungsgründe geschildert ist. Dabei liefert die Kostenrechnung das Kriterium für die Steuerung, nämlich für die Änderung oder die Beibehaltung des Treibstoffdurchsatzes, um so die angestrebte Annäherung an das Kostenminimum zu erreichen. In Merkmal c der Anspruchsfassung nach dem Hilfsantrag ist diese vom Rechner durchzuführende, zur Gewinnung des Steuerkriteriums unerläßliche betriebswirtschaftliche Rechnung versteckt, durch welche die Momentankostenwerte t(1) und t(2) aus Treibstoffkosten, Flugzeitkosten, (geändertem) Treibstoffdurchsatz und (geänderter) Fluggeschwindigkeit ermittelt werden, deren Vergleich das Steuerkriterium für die Änderung des Treibstoffdurchsatzes liefert. Die Auswahl der betriebswirtschaftlichen Daten und die Art der rechnerischen Ermittlung des Steuerkriteriums sind und bleiben die entscheidenden Mittel zur Erreichung des erstrebten Erfolges und bilden daher den Kern der beanspruchten Lehre. Diese kann deshalb dem Bereich der Technik nicht zugeordnet werden.

IV.

Die Unteransprüche 2 und 3 betreffen Weiterbildungen des Verfahrens nach dem Hauptanspruch, die sich mit dem Änderungsbetrag des Treibstoffdurchsatzes befassen.

Nach Unteranspruch 2 soll der Treibstoffdurchsatz vom Rechner (R) in Abhängigkeit von dem vom Vergleicher (C) ermittelten Vergleichswert derart verändert werden, daß mit abnehmendem Vergleichswert der Änderungsbetrag des Treibstoffdurchsatzes verringert wird, bis der Vergleichswert unter einer vorgegebenen Toleranzgrenze liegt.

Nach Unteranspruch 3 soll der Rechner (R) den Treibstoffdurchsatz jeweils um den gleichen Betrag ändern, bis der Vergleicher (C) ein Ansteigen des Ergebniswertes feststellt.

Daraufhin soll der letzte Schritt teilweise rückgängig gemacht werden.

Über die Merkmale „Vergleichswert” (Unteranspruch 2) und „Ergebniswert” (Unteranspruch 3) fügen sich die Gegenstände der Unteransprüche als Ergänzung der Maßnahmen nach Anspruch 1 in die beanspruchte Lehre ein, die überwiegend nichttechnische, für die Erreichung des erstrebten Erfolges der Kostenminimierung unerläßliche Maßnahmen umfaßt. Diese ergänzenden Maßnahmen der Ansprüche 2 und 3 verschieben das Gewicht nicht zugunsten der technischen Merkmale des Verfahrens, so daß auch dieser ergänzten Lehre kein technischer Charakter zugebilligt werden kann.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 110 Abs. 3 PatG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 749268

GRUR 1986, 531

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