Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkaufswagen-Chips

 

Leitsatz (redaktionell)

Selbst wenn der Kaufvertrag über Einkaufswagenchips wegen Verletzung des Verbotsgesetzes § 1 MedVO nach § 134 BGB nichtig ist, stellt die Berufung auf die Nichtigkeit eine nach dem Grundsatz von Treu und Glauben unzulässige Rechtsausübung dar, wenn die Bestellerin der Chips die Gestaltung vorgegeben hat, auf die Möglichkeit der Beanstandung hingewiesen wurde und die Auftragnehmerin sich ihrerseits gegenüber ihres eigenen Auftragnehmers nicht auf die Vorschriften der MedVO berufen kann.

 

Normenkette

BGB § 134; MedVO § 1

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Urteil vom 04.03.2003)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des OLG Köln v. 4.3.2003 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Beklagte beging im Mai 1998 das 25-jährige Jubiläum der Eröffnung ihres ersten P. -Marktes. Zu diesem Anlass hatte sie unter Einschaltung der Firma F. Production bei der Klägerin, die Werbeartikel importiert, 5 Mio. Einkaufswagen-Chips bestellt. Die zu Grunde liegende Auftragsbestätigung v. 23.1.1998 lautete u. a.:

"Zahlung: Sofortige Zahlung per elektronischem Zahlungsverkehr nach Eintreffen der Ware und Mustern in K. , mit gleichtägiger Valuta.

Kurssicherung: Der Preis von DM 0,247 Stück ... ist gültig bis zu einem US $-Kurs von maximal DM 1,83. Überschreitungen am Tag der Rechnungsstellung werden proportional auf den vereinbarten Preis aufgeschlagen."

985.000 Stück der Chips wurden fristgerecht ausgeliefert und bezahlt. Die weiteren 4,015 Mio. Stück Chips befanden sich auf einem Schiff, das beim Transport havarierte. Durch die Havarie verzögerte sich die Auslieferung, weshalb die Beklagte die Annahme der Chips verweigerte.

In einem Vorprozess (LG Köln - 89 O 166/98; OLG Köln v. 18.1.2000 - 15 U 74/99, OLGReport Köln 2000, 374; BGH - VIII ZR 56/00) wurde die Beklagte rechtskräftig zur Bezahlung von 4 Mio. Chips verurteilt; dabei wurde auch festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Chips in Annahmeverzug befinde. Die Beklagte übernahm sodann sämtliche 4,015 Mio. Stück Chips, zahlte allerdings nur den für 4 Mio. Chips ausgeurteilten Betrag. Der Restkaufpreis für 15.000 Stück Chips blieb unbezahlt.

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist der Kaufpreis für diesen Restposten. Daneben verlangt die Klägerin einen Ausgleich für Wechselkursdifferenzen (zwischen DM und US-Dollar) sowie den Ersatz von Verzugsschäden wegen der erforderlichen zwischenzeitlichen Einlagerung der Ware und der Aufnahme eines Kredites.

Das LG hat nach Erlass eines Teilanerkenntnisurteiles über 1.332,68 EUR die Beklagte durch Schlussurteil zur Zahlung von weiteren 49.670,38 EUR nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Beklagte über den von ihr anerkannten Betrag hinaus zu weiteren 47.679,25 EUR nebst Zinsen verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte weiterhin das Ziel einer Abweisung der Klage, soweit diese über ihr Anerkenntnis hinausgeht.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das OLG hat, soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse, ausgeführt:

Der Kaufvertrag über die Chips sei rechtswirksam geschlossen worden und nicht etwa nach § 134 BGB nichtig. Zwar verstoße der Vertrag gegen den Wortlaut der Verordnung über die Herstellung und den Vertrieb von Medaillen und Marken v. 13.12.1974 (BGBl. I, 3520; künftig: MedVO); denn die hergestellten Chips unterfielen nicht den Tatbeständen der §§ 3 und 4 MedVO, die ausnahmsweise die Herstellung und den Vertrieb von Medaillen und Marken erlaubten. Der Vertrag der Parteien werde aber deshalb nicht von der MedVO erfasst, weil durch § 12a MünzG v. 8.7.1950 i. d. F. v. 10.3.1974 (BGBl. I, 469; seit 1.1.2002 inhaltsgleich § 10 MünzG; BGBl. I 1999, 2402 ff.) dem Bundesminister der Finanzen (nur) die Befugnis eingeräumt worden sei, Regelungen für die Herstellung und den Vertrieb von Medaillen und Marken zu treffen, bei denen die Gefahr einer Verwechslung mit Münzen bestehe. Eine solche Verwechslungsgefahr sei bei den von der Klägerin verkauften Chips auf Grund ihrer individuellen Gestaltung nicht gegeben. Ob und inwieweit etwa mit den Chips Missbrauch im Zahlungsverkehr mit Automaten geübt werden könne, sei unbeachtlich. Denn die "Gefahr der Verwechslung mit Münzen" (so § 12a MünzG) setze eine sinnliche Wahrnehmung voraus, zu der ein Automat nicht fähig sei. Schon vom Wortsinn her erfasse daher die Ermächtigungsgrundlage nicht den Schutz von Automatenaufstellern.

Der Klägerin stehe unter dem Aspekt der Kursdifferenz der von ihr geltend gemachte Teilbetrag von 54.795,11 DM zu, denn nach dem Kaufvertrag v. 23.1.1998 sei eine sofortige Zahlung per elektronischem Zahlungsverkehr nach Eintreffen der Ware "mit gleichtägiger Valuta" vorgesehen gewesen. Dazu passe es nicht, den zeitlichen Versatz zwischen Rechnungsstellung und Zahlung dem Risikobereich der Klägerin zuzuordnen. Vielmehr hätten nach der gemeinsamen Intention der Vertragsschließenden Rechnungsstellung und Zahlung zeitlich "Hand in Hand" gehen sollen, was sich vor dem Hintergrund der nötigen, beiden Seiten bekannten Eröffnung von Akkreditiven zwanglos erkläre. Nach dem Sinngehalt des Vertrages sei daher auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem die Klägerin nach rechtskräftigem Abschluss des Vorprozesses, nunmehr mit begründeter Aussicht auf Erfüllung ihrer Forderung, ihre Rechnung aufgemacht habe.

II.

Diese Ausführungen halten im Ergebnis der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung des Restkaufpreises aus dem Vertrag v. 23.1.1998 für verpflichtet hält. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Vertrag wegen Verstoßes gegen § 1 MedVO nach § 134 BGB nichtig ist. Denn selbst wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sein sollten (OLG Nürnberg WRP 2001, 725 unter I 2 zu einer Herstellung und Verbreitung von Einkaufswagen-Chips in der Größe und Stärke einer 1-DM-Münze) und der Kaufvertrag der Parteien wegen dieses Verstoßes nach § 134 BGB nichtig wäre, ist es der Beklagten nach Treu und Glauben verwehrt, die Nichtigkeit der Vereinbarung geltend zu machen. Der das gesamte Rechtsleben beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben gilt auch im Rahmen nichtiger Rechtsgeschäfte, so dass die Berufung auf die Nichtigkeit eines Vertrages nach § 134 BGB wegen Verletzung eines Verbotsgesetzes in besonders gelagerten Ausnahmefällen eine unzulässige Rechtsausübung darstellen kann (BGH v. 23.9.1982 - VII ZR 183/80, BGHZ 85, 39 [48] = MDR 1983, 222; vgl. v. 5.5.1992 - X ZR 134/90, BGHZ 118, 182 [191 f.] = MDR 1992, 938). So liegt es hier, wie der Senat selbst feststellen kann.

Dem beiderseitigen Parteivorbringen ist zu entnehmen, dass die Beklagte der Klägerin bei der Herstellung die Gestaltung der Chips vorgegeben hat und zuvor - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt - durch die Firma F. Production (vgl. deren Schreiben v. 8.1.1998) auf die Möglichkeit einer Beanstandung "durch Zoll und Bundesbank wegen Geldgesetz" aufmerksam gemacht worden war. Die Beklagte hat inzwischen sämtliche Chips erhalten, auch die 15.000 Stück, deren Bezahlung Gegenstand dieses Rechtsstreits ist und die auch von der Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten im Vorprozess nicht erfasst waren. Die Klägerin hat ihrerseits ihrer Auftragnehmerin in China den mit ihr vereinbarten Herstellungspreis bezahlen müssen, ohne sich auf einen Verstoß gegen die Vorschriften der MedVO berufen zu können. Angesichts dieser Umstände wäre es eine nicht hinzunehmende Benachteiligung der Klägerin und eine ungerechtfertigte Besserstellung der Beklagten, wenn diese mit ihrem Einwand der Nichtigkeit des Vertrages durchdringen könnte. Der Schutzzweck der Verordnung, der möglicherweise berührt worden ist, ist nicht mehr zu erreichen, da die Chips hergestellt, übergeben und vollständig in Umlauf gebracht worden sind. Die restliche Abwicklung des Vertrages durch Entrichtung des Kaufpreises für die vergleichsweise geringe Menge Chips kann den durch das Münzgesetz gewollten Schutz vor Verwechslung der Chips mit Münzen nicht mehr gefährden.

2. Vergeblich greift die Beklagte die Verurteilung zur Ausgleichszahlung wegen der eingetretenen Wechselkursdifferenzen an. Dabei wird die von der Klägerin genannte Höhe der Kursdifferenz und der sich rechnerisch für die Klägerin daraus ergebende Betrag von der Beklagten nicht bestritten, sofern es auf den Zeitpunkt der Rechnungsstellung im März 2001, nach Abschluss des Vorprozesses, ankommen sollte. Die Beklagte meint jedoch, nach der vereinbarten Kurssicherung komme es für die Feststellung einer Kursdifferenz auf den Währungskurs zum Tag der Fälligkeit (1.6.1998), allenfalls auf den Tag der Zustellung der Zahlungsklage im Vorprozess an. Diese Rüge bleibt jedoch ohne Erfolg.

Bei der Vereinbarung der Parteien handelt es sich um individuelle rechtsgeschäftliche Willenserklärungen, deren Auslegung dem Tatrichter obliegt. An die Auslegung durch das Berufungsgericht ist das Revisionsgericht daher gebunden, soweit sie Rechtsfehler nicht aufweist (BGH, Urt. v. 25.2.1992 - X ZR 88/90, MDR 1992, 804 = NJW 1992, 1967; Urt. v. 26.2.2003 - VIII ZR 270/01, MDR 2003, 800 = BGHReport 2003, 849 = NJW 2003, 2382 unter II 2a). Einen Rechtsfehler vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Wie das Berufungsgericht fehlerfrei ausgeführt hat (§§ 133, 157 BGB), ist dem Zusammenhang der vertraglichen Abreden zu entnehmen, dass die Zahlung der Rechnungsstellung unmittelbar "per elektronischem Zahlungsverkehr" nachzufolgen hatte und der Tag der Rechnungsstellung daher identisch mit dem Tag der Zahlung sein sollte. Der Beklagten war auch bekannt, dass mit der Gegenleistung aus der Veräußerung der Chips das von der Klägerin bei ihrer Hausbank auf US-Dollar-Basis zu Gunsten der Lieferantin bestellte Akkreditiv abgelöst werden sollte. Die Erwägung des Gerichts, für die vereinbarte Kurssicherung komme es daher auf die Rechnungsstellung zu dem Zeitpunkt an, zu welchem die Klägerin von der zunächst nicht erfüllungsbereiten Beklagten nunmehr berechtigterweise Zahlung erhoffen durfte, erscheint sachgerecht. Zutreffend weist die Revisionserwiderung darauf hin, dass das Risiko einer Verteuerung des US-Dollars einseitig zu Lasten der Klägerin ginge, wenn sie, ohne von der Beklagten Zahlung zu erlangen, die ihr vertraglich versprochene Kurssicherung nur bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit beanspruchen könnte. Eine Kurssicherung wird üblicherweise vereinbart, um Währungsschwankungen aufzufangen, die bis zum Zeitpunkt der Zahlung, nicht aber lediglich bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Geldschuld entstehen. Eine Zahlung seitens der Beklagten ist aber erst nach Abschluss des Vorprozesses im März 2001 erfolgt.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1132065

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