Entscheidungsstichwort (Thema)

Beseitigung der Eigentumsstörung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Verurteilung zur Beseitigung einer Eigentumsstörung ist der Wert der Beschwer nach dem Interesse des Beklagten, sich gegen die Kosten einer Ersatzvornahme zu wehren, gem. § 3 ZPO zu bemessen. Der Wert des Beschwerdegegenstands kann daher den Wert des Streitgegenstands übersteigen (Aufgabe der früheren Rechtsprechung, z. B. Senat vom 23.1.1986 - V ZR 119/85 - NJW-RR 86, 737).

 

Normenkette

ZPO §§ 2-3

 

Tatbestand

Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Der Kläger errichtete an der Grundstücksgrenze entlang der aneinandergrenzenden Garageneinfahrten eine 9 m lange Mauer, deren Abdeckplatten 2, 5 bis maximal 5 cm in den Luftraum der Einfahrt des Beklagten hineinragen. Er hat die Feststellung begehrt, daß dem Beklagten kein Anspruch auf Beseitigung der Mauerkrönung zustehe. Der Beklagte hat widerklagend die Verurteilung des Klägers zur Beseitigung der Mauerkrönung, soweit sie in sein Grundstück hineinragt, beantragt und zusätzlich Beseitigung von in sein Grundstück hineinragenden Ästen eines Kirschbaumes vermittels fachgerechten Kronenschnittes verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage im wesentlichen stattgegeben.

Die Berufung des Klägers, mit der er sich gegen die Verurteilung auf die Widerklage wendet, hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Abweisung der Widerklage weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hält die Berufung des Klägers für unzulässig gemäß § 511 a Abs. 1 Satz 1 ZPO, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. 200 DM nicht übersteige. Die Obergrenze der Beschwer der verurteilten Partei stelle nach der ständigen Rechtsprechung der Streitwert dar. Dieser sei hier bei (Wider-) Klage auf Vornahme einer Handlung wegen Eigentumsstörung gemäß § 3 ZPO nach dem Interesse des) (Wider-Klägers auf Vornahme der begehrten Handlung zu bestimmen und orientiere sich an der drohenden Wertminderung des beeinträchtigten Grundstücks; diese betrage hier 1.000 DM (Mauerkrönung) und 200 DM (Kirschbaum). Die Nachteile, die dem verurteilten (Wider-) Beklagten aus der Befolgung des Anspruchs entständen und die hier die Berufungssumme überstiegen, seien für den Streitwert ohne Bedeutung. So wenig wie in erster Instanz könne in den folgenden Instanzen ein den Streitwert übersteigendes Interesse des (Wider-)Beklagten dazu führen, den Beschwerdewert höher zu bemessen als den Streitwert selbst.

II.

Die Revision ist zulässig (§ 547 ZPO), selbst wenn der Beschwerdewert hinter dem für die Berufung nach § 511 a ZPO maßgeblichen Wert zurückbleiben sollte (BGH, Urt. v. 9. Oktober 1990, VI ZR 89/90, NJW 1991, 703 m.N.).

Sie hat auch Erfolg.

Die Bewertung des Rechtsmittelinteresses kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht bei der seinem freien Ermessen gemäß §§ 2, 3 ZPO unterliegenden Wertfestsetzung die Ermessensgrenze überschritten oder vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (st. Rspr., vgl. zuletzt: BGH, Beschl. v. 24. März 1993, XII ZB 6/93 und v. 31. März 1993, XII ZR 67/92, BGHR ZPO § 3 - Rechtsmittelinteresse 21 und 22; Beschl. v. 14. Oktober 1993, LwZB 6/93 und Urt. v. 19. Oktober 1993, XII ZR 73/93, jeweils zum Abdruck im Nachschlagewerk vorgesehen). Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats entschieden. Danach kommt es bei der Eigentumsstörungsklage auch für die Beschwer des verurteilten Beklagten allein auf das Interesse der klagenden Partei, nicht aber auf die Nachteile an, die der beklagten Partei aus der Erfüllung des Anspruches entstehen (vgl. Senatsbeschl. v. 23. Januar 1986, V ZR 119/85, NJW-RR 1986, 737 - für die Klage auf Beseitigung eines Überbaues).

Folgt man dem, kommt es auf den Wert des Beschwerdegegenstandes insoweit nicht an, als er den Wert des Streitgegenstandes übersteigt.

Der Senat hält hieran aber, soweit es um die Bewertung des Beschwerdegegenstandes (§ 511 a ZPO) oder der Beschwer (§ 546 ZPO) beim Rechtsmittelangriff gegen die Verurteilung zur Beseitigung einer Eigentumsstörung nach § 3 ZPO geht, nicht fest.

Der Wortlaut dieser Vorschrift verweist für die Wertfestsetzung allein auf das Ermessen des Gerichts; eine sonstige Beschränkung, insbesondere eine obere Begrenzung durch das Streitwertinteresse des Klägers, ist ihm nicht zu entnehmen.

Eine solche Einschränkung ergibt sich auch nicht aus dem Regelungszusammenhang. § 2 ZPO verweist (auch) für den Beschwerdegegenstand und die Beschwer als Voraussetzung des Zugangs zur Rechtsmittelinstanz (§§ 511 a, 546 ZPO) auf die §§ 3 ff ZPO, d.h. diese Vorschriften regeln (auch) die Frage der Beschwer des jeweiligen Rechtsmittelführers. So hat schon das Reichsgericht die §§ 2 ff ZPO mit Recht seit jeher verstanden. In dem vielzitierten Beschluß der Vereinigten Zivilsenate vom 27. Dezember 1889 (RGZ 45, 402 ff) heißt es hierzu: Der Wert des Streitgegenstandes bestimme sich für jedes einzelne Prozeßstadium nach dem Inhalt der der Entscheidung des Gerichts unterbreiteten Anträge. Soweit nicht das Gesetz selbst den Wert ohne Rücksicht auf die Höhe des Interesses der einen oder der anderen Partei an der Streitsache bewerte (z.B. gemäß § 6 ZPO ohne Rücksicht auf den Wert der Gegenleistung), bleibe nichts anderes übrig, als auf das subjektive Parteiinteresse abzustellen. Insoweit sei nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts immer "das Interesse des Antragstellers (des Klägers, Widerklägers, Berufungsklägers etc.), nicht das vielleicht höhere des etwaigen Gegners maßgebend" (im Ansatz ähnlich BGHZ 23, 205). Von einer Beschränkung durch das etwa geringere Interesse des Rechtsmittelgegners ist in dieser grundlegenden Entscheidung an keiner Stelle die Rede.

In RGZ 47, 420 ff hat der V. Zivilsenat des Reichsgerichts diese Einschränkung allerdings näher zu begründen versucht: Der Beklagte könne sich nur darüber beschweren, daß die Klage auf den Streitgegenstand nicht in demselben Umfange, wie er beantragt hatte, abgewiesen worden sei. Deshalb könne der Gegenstand der Beschwerde sich zwar mit dem Streitgegenstand decken oder auch kleiner, aber niemals größer als dieser sein. Hieraus hat das Reichsgericht sodann gefolgert, daß auch der Wert des Beschwerdegegenstandes nicht größer als der Streitwert sein könne; maßgebend für dessen Wert sei der objektive Wert des vom Kläger in erster Instanz erhobenen Anspruchs. Der Schluß des Reichsgerichts vom Umfang des Streitgegenstandes auf dessen Bewertung ist aber weder zwingend noch aussagekräftig.

Er läßt sich auch nicht aus den vom Reichsgericht angeführten Gesetzesmaterialien belegen. Danach ist in der Reichsjustizkommission bei Beratung des Entwurfs der Zivilprozeßordnung lediglich erklärt worden, der Beschwerdegegenstand sei nichts anderes als der Streitgegenstand der höheren Instanz (Hahn, Materialien zur Civilprozeßordnung, Band 2 S. 1030). Diese Aussage ist in gegenständlicher Hinsicht fraglos richtig, besagt aber nichts über den Bezugspunkt (Interesse des Klägers oder des Rechtsmittelführers?) für die Bewertung des Beschwerdegegenstandes, sofern sich ein objektiver oder vom Gesetz normativ-typisierend festgelegter (vgl. §§ 4 ff ZPO) Wert nicht feststellen läßt.

Soweit das Gesetz in § 2 ZPO die Bewertung der Beschwer und des Beschwerdegegenstandes regelt, spricht schon dies - mangels gegenteiliger Anhaltspunkte - deutlich dafür, daß mit dem in § 3 ZPO angesprochenen Interesse dasjenige des Rechtsmittelführers an der Beseitigung der von ihm angefochtenen Entscheidung gemeint ist (so auch schon RGZ 45, 402, 404 für die frühere Fassung des § 2 ZPO).

Anders liegt es bei der Bewertung des Zuständigkeitsund des Gebührenstreitwerts, die ja allein durch die Anträge des Klägers bestimmt werden und dessen Interesse dienen. Für den Gebührenstreitwert, der sich gemäß § 12 Abs. 1 GKG ebenfalls grundsätzlich nach §§ 3 ff ZPO richtet, ist wegen seiner eigenständigen Zweckrichtung in § 14 Abs. 2 GKG ausdrücklich bestimmt, daß er durch den Wert des Streitgegenstandes erster Instanz, also durch das Interesse des Klägers an der Durchsetzung des geltend gemachten Anspruchs, begrenzt ist und sich nur erhöht, sofern auch der Streitgegenstand erweitert wird. Für die Bemessung der Beschwer fehlt dagegen eine vergleichbare Regelung.

Auch der Sinn und Zweck der Vorschriften über den Zugang zur Rechtsmittelinstanz erfordern eine Beschränkung auf das Streitwertinteresse des Klägers nicht. In diesem Regelungszusammenhang sollen die §§ 3 ff ZPO im Gegenteil einen nach dem Umfang der verteidigten Interessen gestaffelten weiteren Rechtsschutz ermöglichen. Diese Interessen sind in den §§ 4 ff ZPO vom Gesetzgeber pauschalierend bewertet worden (vgl. Schumann, NJW 1982, 1257, 1260). Im hiernach für § 3 ZPO verbleibenden Anwendungsbereich hat das Gesetz dagegen die Bewertung der Beschwer und des Beschwerdegegenstandes dem Ermessen des Gerichts zugänglich gemacht.

Mindestens seit der Neufassung der §§ 2 ff ZPO (durch das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts v. 14. Juni 1976 - BGBl I, 1421) ist auch nicht mehr die Erwägung in RGZ 47, 420, 423 tragfähig, wonach die §§ 3-9 ZPO "zunächst" den Zweck verfolgten, Regeln für die sachliche Zuständigkeit der Gerichte aufzustellen, soweit diese von dem Wert des Streitgegenstandes abhängt (§ 2 ZPO); ihre Anwendung in dieser Beziehung könne also nicht dadurch beeinflußt werden, daß die Nichtbefriedigung des eingeklagten Anspruchs für den Beklagten einen anderen Wert haben möge als dessen Befriedigung für den Kläger. Erst durch Erhebung einer Widerklage mit einem höheren Streitwert könne in geeigneten Fällen der Beklagte die Verweisung der Sache vom Amtsgericht an das Landgericht erreichen und im umgekehrten Falle könne ein geringeres Interesse des Beklagten nicht dazu führen, eine dem gesetzlichen Streitwert nach zur Zuständigkeit des Landgerichts gehörige Sache an das Amtsgericht zu verweisen. So wenig wie in erster Instanz könne aber auch in den folgenden Instanzen ein den gesetzlichen Streitwert übersteigendes Interesse des Beklagten dazu dienen, den Beschwerdewert höher zu bemessen; der nach dem Anspruch des Klägers zu bemessende Streitwert bilde daher stets die oberste Grenze für die Bemessung des Beschwerdewerts. Demgegenüber fehlt nach der geltenden Fassung der §§ 2 ff ZPO schon jede Priorität der §§ 3 ff ZPO für die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte. § 2 ZPO verweist gleichrangig und eigenständig für alle dort genannten Funktionen, auch für die Bewertung des Beschwerdegegenstandes und der Beschwer, auf die nachfolgenden Vorschriften. Im übrigen liefe es auf einen Zirkelschluß hinaus, wollte man trotz der unterschiedlichen prozessualen Funktionen von Beschwer- und Zuständigkeitsnormen von den Bewertungsgrundsätzen der einen auf die der anderen schließen.

Fehl geht auch die abschließende Ergebniskontrolle des Reichsgerichts nach Billigkeitserwägungen. Danach könne sich der Beklagte in den meisten Fällen, in denen er eine die Rechtsmittelsumme übersteigende Einbuße erleiden würde, durch Erhebung einer entsprechenden Widerklage die Rechtsmittelinstanz sichern (RGZ 47, 420, 424). Schon allgemein ist nicht recht ersichtlich, was für Fallgestaltungen das Reichsgericht hier im Auge hatte. Insbesondere aber greift diese Überlegung gerade für die - auch hier gegebene - Klage auf Beseitigung zu kurz. Ihr könnte der Beklagte nicht mit einer (negativen) Feststellungsklage, daß er nicht beseitigen müsse, begegnen; denn diese wäre gegenüber der Leistungsklage unzulässig.

Auch könnte es allgemein gegen den Grundsatz der Gleichheit und der Waffengleichheit im Prozeß verstoßen, wollte man die Beschwer des Beklagten, wenn sie geringer ist als das Streitinteresse des Klägers, zwar ohne Rücksicht auf das Klägerinteresse nach dem geringeren Interesse des Beklagten bewerten (z.B. für den Fall der Stufenklage auf der Auskunftsstufe, vgl. etwa BGH, Beschl. v. 9. Oktober 1989, II ZB 4/89, BGHR ZPO § 3 - Rechtsmittelinteresse 9 m.w.N.; BGH, Urt. v. 11. Dezember 1991, IV ZR 49/91, BGHR ZPO § 3 - Rechtsmittelinteresse 16), dies aber nicht auch umgekehrt gelten lassen, wenn sie höher ist. Der Rechtsmittelführer darf nicht nur deshalb vom Rechtsmittel ausgeschlossen werden, weil das Interesse des Klägers am Rechtsstreit geringer ist als der Beschwerdegegenstand bzw. die Beschwer des Beklagten. Daß für den ersten Rechtszug allein auf das Klägerinteresse abgestellt wird, berührt dagegen schutzwürdige Interessen des Beklagten (Widerbeklagten) nicht in gleicher Weise; denn dieser kann sich dort jedenfalls gegen den Angriff ohne Rücksicht auf die Höhe seines eigenen wirtschaftlichen Interesses verteidigen. Für den Zugang zur Rechtsmittelinstanz ist der Schutz seiner rechtlich gefährdeten Interessen hingegen nicht ohne weiteres gewährleistet; das gilt auch und vor allem für den besonders belastenden Fall, daß für ihn wirtschaftlich wesentlich mehr auf dem Spiel steht als für den Kläger (Widerkläger).

Derartige Fallgestaltungen sind für Klagen auf Beseitigung von Eigentumsbeeinträchtigungen typisch. Das Interesse des jeweiligen Klägers (Widerklägers) an der Beseitigung der Störung oder an der Unterlassung künftiger Störungen ist nach Art und Umfang ein anderes als das Interesse des Beklagten (Widerbeklagten), von derartigen Ansprüchen unbehelligt zu bleiben. Es mag zwar zutreffen, daß auch in solchen Fällen nicht alle noch so fernen wirtschaftlichen Nachteile des Beklagten und Rechtsmittelführers bei der Bemessung seiner Beschwer berücksichtigt werden dürfen; schutzwürdig im Sinne des Zugangs zur Rechtsmittelinstanz ist aber jedenfalls sein Interesse, sich gegen die Kosten einer Ersatzvornahme zu wehren, die ihm im Falle des Unterliegens durch die Zwangsvollstreckung des Urteils nach § 887 ZPO droht.

Es verdient deshalb Zustimmung, daß der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes für den Fall eines Rechtsmittels gegen die Verurteilung zu Maßnahmen, das Eigentum des Klägers nicht durch abfließendes Wasser zu beeinträchtigen, entschieden hat, daß die Beschwer des Beklagten höher sein könne als das Interesse des Klägers (Beschl. v. 16. Juni 1988, III ZR 65/88, BGHR ZPO § 2 - Beschwerdegegenstand 8). Ob der erkennende Senat dem III. Zivilsenat auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 3 ZPO, z.B. bei der Klage auf Herausgabe eines abzutrennenden Grundstücksstreifens, darin folgen könnte, daß die Beschwer des Beklagten höher sein könne als der vom Gesetzgeber aufgrund rechtlicher Sonderwertungen in § 6 ZPO festgesetzte Wert (in diesem Sinne aber BGH, Beschl. v. 16. Juni 1988, III ZR 65/88, BGHR ZPO § 2 - Beschwerdegegenstand 8), ist zweifelhaft (vgl. zur Spezialität der Sondertatbestände nach §§ 4 ff ZPO gegenüber dem Auffangtatbestand des § 3 ZPO etwa Schumann, NJW 1982, 1257, 1260) und braucht hier nicht entschieden zu werden. Gleiches könnte gegenüber einer entsprechenden Differenzierung bei allen anderen normativen Streitwerten gelten (z.B. nach § 8 ZPO, vgl. dazu aber BGH, Urt. v. 1. April 1992, XII ZR 200/91, BGHR ZPO § 8 - Räumungsklage 1).

Für den vorliegenden Fall einer (Wider-) Klage auf Vornahme bestimmter Handlungen zur Beseitigung einer Eigentumsstörung gibt § 3 ZPO gerichtlichem Ermessen jedoch ausdrücklich Raum für die Festsetzung der jeweiligen Beschwer. Damit gibt das Gesetz den Weg frei für eine an sinnvollen Ergebnissen orientierte Bewertung.

Dem Störer, der - wie hier im ersten Rechtszuge der Kläger - auf negative Feststellung klagt, daß er nicht beseitigen müsse, steht das Rechtsmittel offen, wenn sein Verweigerungsinteresse die Rechtsmittelsumme erreicht (BAG, JZ 1961, 666; vgl. auch BGHZ 2, 276 ff; Senatsbeschl. v. 23. September 1970, V ZR 4/70, NJW 1970, 2025). Es erschiene ungereimt, wenn der Beklagte ihm bei eigenem geringeren Interesse das Rechtsmittel durch Erhebung der Leistungswiderklage aus der Hand schlagen könnte, weil die Feststellungsklage damit das Feststellungsinteresse verlöre (vgl. zur letzteren Folge BGHZ 99, 340 ff m.w.N. und MünchKomm/Walchshöfer, ZPO, § 256 Rdn. 61). So läge der Fall hier. Der Kläger hat im ersten Rechtszuge eine negative Feststellungsklage erhoben und sie im zweiten Rechtszuge nur deswegen nicht weiterverfolgen können, weil der Beklagte eine deckungsgleiche Leistungswiderklage erhoben und damit der Feststellungsklage das Rechtsschutzinteresse entzogen hat.

Einer Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen nach § 136 GVG bedarf es nicht, weil der erkennende Senat für den Fall einer Eigentumsstörungsklage, deren Wert sich nach § 3 ZPO bemißt, nur von seiner eigenen Rechtsprechung (Beschl. v. 23. Januar 1986, V ZR 119/85, NJW-RR 1986, 737) abweicht.

Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben und ist aufzuheben, da das Berufungsgericht selbst davon ausgeht, die Beschwer des Klägers und Widerbeklagten übersteige die Berufungssumme. Der Rechtsstreit ist zur sachlichen Prüfung der Widerklage an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456211

BGHZ, 313

BB 1994, 1040

NJW 1994, 735

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