Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufgaben der kommunalen Energieversorgung. GmbH zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Landespressegesetz. Informationen über Geschehnisse von öffentlichem Interesse. GmbH mit eigener Rechtspersönlichkeit. Faktische Beherrschung durch die öffentliche Hand. Auskunftspflichten nach Pressegesetz

 

Leitsatz (amtlich)

Der Auskunftspflicht nach § 4 Abs. 1 NdsPresseG (bzw. den entsprechenden Bestimmungen in den Pressegesetzen der anderen Bundesländer) unterliegen auch Betriebe der kommunalen Daseinsvorsorge, die in Form von Gesellschaften mit beschränkter Haftung geführt werden, aber unter beherrschendem Einfluss der öffentlichen Hand stehen.

 

Normenkette

NdsPresseG § 4

 

Verfahrensgang

LG Bückeburg (Urteil vom 18.05.2004; Aktenzeichen 2 S 89/03)

AG Bückeburg

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Bückeburg v. 18.5.2004 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die durch die Anrufung des VG Hannover verursachten Mehrkosten, einschließlich derjenigen des Rechtswegbeschwerdeverfahrens, den Klägern auferlegt werden.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger zu 1), der Bund der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen e.V., ist Herausgeber der Zeitschrift "BdSt-Nachrichten Niedersachsen und Bremen", der Landesbeilage zur Mitgliederzeitschrift des Bundes der Steuerzahler "Der Steuerzahler". Die Landesbeilage erscheint alle zwei Monate in einer Auflage von 50.000 Exemplaren. Der Kläger zu 2 ist der verantwortliche Redakteur der Landesbeilage. Die Kläger sehen deren Aufgabe darin, sich kritisch mit Vorgängen der öffentlichen Finanzen und der öffentlichen Haushaltswirtschaft auseinander zu setzen.

Die Beklagte ist eine GmbH, die Aufgaben der kommunalen Energieversorgung wahrnimmt. An ihrem Stammkapital von insgesamt 6.805.700 EUR sind die Bückeburger Bäder GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die Stadt Bückeburg ist, mit einem Kapitalanteil von 3.575.300 EUR, die Wirtschaftsbetriebe Stadthagen GmbH mit einem Kapitalanteil von 1.799.300 EUR, die Elektrizitätswerk Minden-Ravensberg GmbH (EMR) mit einem Kapitalanteil von 1.087.400 EUR und die Stadt Obernkirchen mit einem Kapitalanteil von 343.700 EUR beteiligt. Die Kapitalanteile der Gesellschafterin EMR werden ihrerseits zu 50,65 % von der E.ON Energie AG gehalten.

Nach Presseberichten über eine angebliche Vervierfachung der Sitzungsgelder des Aufsichtsrats der Beklagten begehren die Kläger, gestützt auf § 4 des Niedersächsischen Pressegesetzes (NdsPresseG), mit der vorliegenden Klage von der Beklagten Auskunft zu folgenden Fragen:

1. Ist es zutreffend, dass die Sitzungsgelder für die Mitglieder des Aufsichtsrates der Beklagten zum 1.1.2002 angehoben worden sind? Wenn ja, auf welche Höhe?

2. Wie häufig tritt der Aufsichtsrat der Beklagten zusammen und wie ist der Aufsichtsrat im Einzelnen besetzt (wie viele Mitglieder, Vorsitzender, Stellvertreter)?

3. Auf welche Höhe belaufen sich insgesamt die jeweils bislang gezahlten Sitzungsgelder für die Mitglieder des Aufsichtsrates der Beklagten? Welche zusätzlichen Belastungen entstehen durch eine etwaige Erhöhung der Sitzungsgelder ab dem 1.1.2002?

Das AG, an welches der Rechtsstreit durch das ursprünglich angerufene VG Hannover verwiesen worden ist, hat die Klage abgewiesen; das LG hat die Beklagte antragsgemäß zur Auskunftserteilung verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Den Klägern steht nach § 4 Abs. 1 NdsPresseG der mit der Klage geltend gemachte Auskunftsanspruch gegen die Beklagte zu.

1. Nach dieser Vorschrift sind Behörden verpflichtet, den Vertretern der Presse, zu denen insb. (auch) Herausgeber und Redakteure gehören können (Löffler/Wenzel, Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 4 LPresseG Rz. 42, 43; Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rz. 4.10), die für die Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dienenden Auskünfte zu erteilen. Dieser Informationsanspruch soll der Presse die Wahrnehmung ihrer Aufgabe im Rahmen der demokratischen Meinungs- und Willensbildung dadurch ermöglichen, dass sie umfassend und wahrheitsgetreu Informationen über Geschehnisse von öffentlichem Interesse erhält und dadurch in die Lage versetzt wird, die Öffentlichkeit entsprechend zu unterrichten (VG Saarlouis v. 19.7.1996 - 1 K 86/95, AfP 1997, 837 [839]; OVG Saar. AfP 1998, 426 [427]). Auf diese Weise kann der Staatsbürger zutreffende und umfassende Informationen über tatsächliche Vorgänge und Verhältnisse, Missstände, Meinungen und Gefahren erhalten, die ihm sonst verborgen bleiben würden, die aber Bedeutung für eine abgewogene Beurteilung der für seine Meinungsbildung essentiellen Fragen haben können. Erst diese für eine möglichst unverfälschte Erkenntnis notwendige Übersicht über Tatsachen und Meinungen, Absichten und Erklärungen ermöglicht eine eigene Willensbildung und damit die Teilnahme am demokratischen Entscheidungsprozess überhaupt (BVerfGE 20, 162 [174 f.]; BVerfG v. 5.2.1991 - 1 BvF 1/85, 1 BvF 1/88, BVerfGE 83, 238 [295 f.] = MDR 1991, 402; v. 11.11.1997 - 1 BvR 1/91, BVerfGE 97, 228 [257 f.]). Die Vorschrift des § 4 NdsPresseG weist daher enge Bezüge nicht nur zur Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, sondern auch zur Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG und zu Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG auf. Hieran müssen sich die Auslegung des Art. 4 Abs. 1 NdsPresseG und insb. auch die Grundsätze zur Bestimmung des im konkreten Falle Auskunftsverpflichteten orientieren.

2. Unter diesem Gesichtspunkt ist den Landespressegesetzen ein eigenständiger Behördenbegriff zu eigen, der auch juristische Personen wie eine GmbH erfasst, deren die öffentliche Hand sich zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bedient (OVG Saar. AfP 1998, 426 [427]). Dabei ist nicht erforderlich, dass sich die GmbH vollständig - unmittelbar oder mittelbar - in öffentlicher (kommunaler) Hand befindet (so die Fallkonstellation bei VG Saarlouis v. 19.7.1996 - 1 K 86/95, AfP 1997, 837 [839]; OVG Saar. AfP 1998, 426 [427]). Es reicht aus, dass die GmbH von der öffentlichen Hand beherrscht wird (i.E. ebenso Löffler/Wenzel, Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 4 LPresseG Rz. 57; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 19 Rz. 10; Meier, NZG 1999, 196 [197]; Endter, Der Städtetag 1998, 780 [781]).

a) Der Behördenbegriff des Presserechts ist nicht organisatorisch-verwaltungstechnisch, sondern funktionell-teleologisch zu begreifen. Sinn und Zweck des § 4 NdsPresseG ist es, der Presse die ihr durch Art. 5 GG garantierte und in § 3 NdsPresseG manifestierte Funktion im Rahmen der demokratischen Meinungs- und Willensbildung zu gewährleisten und es ihr so zu ermöglichen, ihre Informationen über Geschehnisse von öffentlichem Interesse umfassend und wahrheitsgetreu zu erhalten. Die Berichterstattung der Presse über Vorgänge im staatlichen Bereich beschränkt sich nicht lediglich auf die staatliche Eingriffsverwaltung, die typische Form staatlichen Handelns. Vielmehr nimmt die Verwaltung eine Fülle sonstiger Aufgaben gerade im Bereich der Leistungsverwaltung wahr. Überall dort, wo zur Wahrnehmung staatlicher Aufgaben öffentliche Mittel eingesetzt werden, von deren konkreter Verwendung Kenntnis zu erlangen ein berechtigtes öffentliches Interesse besteht, wird auch ein Informationsbedürfnis der Presse und der Bevölkerung begründet. Auf dieses Bedürfnis hat es keinen Einfluss, ob sich die Exekutive zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben im Einzelfall einer privatrechtlichen Organisationsform bedient (VG Saarlouis v. 19.7.1996 - 1 K 86/95, AfP 1997, 837 [839]).

b) Als eine der Wasser- und Energieversorgung dienende Gesellschaft erfüllt die Beklagte Aufgaben der Daseinsvorsorge. Die Daseinsvorsorge ist Gegenstand der Leistungsverwaltung zur Schaffung und Unterhaltung öffentlicher Einrichtungen und stellt einen Schwerpunkt der kommunalen Tätigkeit zum Wohle der Gemeindebewohner dar, wobei die Gemeinden das Recht haben, im örtlichen Bereich Aufgaben der Daseinsvorsorge eigenverantwortlich aufzunehmen und niederzulegen (Endter, Der Städtetag 1998, 780 [781]; Waechter, Kommunalrecht, 2. Aufl.., Rz. 104). Dieses kommunale Selbstverwaltungsrecht wird durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützt. Unter den Begriff der Daseinsvorsorge sind alle zur Befriedigung der Grundbedürfnisse der Bürger erforderlichen Leistungen der Verwaltung zu fassen (Meier, NZG 1999, 196; Köhler, BayVBl. 2001, 1 [6]). Traditionell gehören gerade die Strom-, Gas- und Wasserversorgung zu den typischen kommunalen Aufgaben (BVerfG v. 16.5.1989 - 1 BvR 705/88, NJW 1990, 1783; BGH, Urt. v. 14.11.2003 - 2 StR 124/03, NJW 2004, 693; v. 5.4.1984 - III ZR 12/83, BGHZ 91, 84 [86] = MDR 1984, 1007;Urt. v. 24.9.1987 - III ZR 91/86, MDR 1988, 648 = NVwZ-RR 1989, 388 f.).

c) Zwar ist die Beklagte als GmbH mit eigener Rechtspersönlichkeit rechtlich, organisatorisch und rechnungsmäßig ggü. den sie tragenden Kommunen verselbständigt. Es handelt sich auch um eine Gesellschaft, an der nicht nur unmittelbar oder mittelbar Gemeinden beteiligt sind. Gleichwohl wird sie faktisch von der öffentlichen Hand beherrscht. Der Anteil der Bückeburger Bäder GmbH, die zu 100 % in kommunaler Hand liegt, am Gesellschaftsvermögen der Beklagten beträgt 53 %, der der Wirtschaftsbetriebe Stadthagen GmbH 26 %, der der EMR 16 % und der der Stadt Obernkirchen 5 %. Selbst wenn die privatrechtliche E.ON AG Mehrheitsgesellschafterin der EMR ist, ergibt sich, dass der Einfluss der öffentlichen Hand auf die Beklagte insgesamt wenigstens bei über 70, wenn nicht sogar bei über 80 % liegt. Der bestimmende Einfluss der öffentlichen Hand wird auch an der Zusammensetzung des 15-köpfigen Aufsichtsrats der Beklagten deutlich, dem laut Gesellschaftsvertrag umfassende Befugnisse zukommen. So sind die Hauptverwaltungsbeamten der Städte Bückeburg, Stadthagen und Obernkirchen kraft Amtes Mitglied. Vier weitere Aufsichtsratsmitglieder werden vom Rat der Stadt Bückeburg und drei weitere vom Rat der Stadt Stadthagen entsandt. Der Vorsitz im Aufsichtsrat soll alternierend von Vertretern der Städte Bückeburg und Stadthagen wahrgenommen werden.

d) Die hier einschlägige niedersächsische Gemeindeordnung - andere Gemeindeordnungen enthalten vergleichbare Regelungen - lässt eine wirtschaftliche Betätigung der Kommunen ohnehin nur zu, wenn sie durch einen öffentlichen Zweck gerechtfertigt bzw. gefordert ist (vgl. § 108 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 NGO). Dies gilt unabhängig davon, ob diese Betätigung in Form eines Eigenbetriebs (§ 108 Abs. 2 Nr. 1 NGO), in Form einer (öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich organisierten) Eigengesellschaft (§ 108 Abs. 2 Nr. 2 NGO) - d.h. eines Unternehmens, dessen sämtlichen Anteile der Gemeinde gehören - oder aber, wie hier, dergestalt erfolgt, dass sich Gemeinden oder "kommunale" Gesellschaften mit beschränkter Haftung an einer (weiteren) GmbH beteiligen (vgl. § 109 Abs. 1 und 2 NGO). Den Gemeinden steht insoweit die - gerichtlich nur in beschränktem Maße überprüfbare - Einschätzungsprärogative zu (BVerwGE 39, 329 [334]). Ob die öffentliche Hand bzw. das von ihr beherrschte Unternehmen im Bereich der erbrachten Leistungen ein Monopol innehat oder auch rein private Unternehmen vergleichbare Leistungen erbringen und insoweit in Konkurrenz zu den öffentlichen oder öffentlich beherrschten Einrichtungen stehen, ist dabei ohne entscheidende Bedeutung.

3. Die hier vorgenommene Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 4 Abs. 1 NdsPresseG verstößt weder gegen Art. 72 GG, noch führt sie zu einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Schlechterstellung der Beklagten gegenüber konkurrierenden "privaten" Gesellschaften.

a) Das Gesellschaftsrecht ist Teil der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Nach Art. 72 Abs. 1 GG haben die Länder in diesem Bereich die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Das Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung enthält keine Vorschriften, die sich mit der Beteiligung der öffentlichen Hand an der Gesellschaft befassen. Eine ausdrückliche Regelung einer Auskunftsverpflichtung findet sich nur in § 51a GmbHG. Weder diese, allein das Innenverhältnis zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführern betreffende noch andere Bestimmungen des Gesetzes stehen einer Auskunftspflicht i.S.d. § 4 Abs. 1 NdsPresseG entgegen.

b) Da die Beklagte bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben unter richtungsweisendem Einfluss der öffentlichen Hand steht, ist sie nicht in jeder Hinsicht mit einem Unternehmen (völlig oder überwiegend) in privater Hand zu vergleichen. Deswegen ist es gerechtfertigt, die Beklagte Auskunftspflichten zu unterwerfen, denen ihre etwaigen privat beherrschten Mitbewerber nicht unterliegen. Soweit bei "gemischtwirtschaftlichen Gesellschaften", wie hier, auch "private (Minderheits-)Gesellschafter" von der Auskunftspflicht tangiert werden, haben deren private Interessen - vorbehaltlich eines Auskunftsverweigerungsrechts (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 NdsPresseG) - hinter den überwiegenden öffentlichen Interessen zurückzutreten.

c) Die Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Offenlegung der Sitzungsgelder nicht in schützenswerte Interessen der Aufsichtsratsmitglieder der Beklagten eingreift, wird von der Revision nicht angegriffen. Auch im Übrigen ist für das Vorliegen etwaiger Auskunftsverweigerungsgründe nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 NdsPresseG nichts dargetan oder sonst ersichtlich.

4. Die vom Berufungsgericht unterlassene Entscheidung, die durch die Anrufung des VG Hannover entstandenen Mehrkosten, einschließlich derjenigen des Rechtswegbeschwerdeverfahrens, den obsiegenden Klägern aufzuerlegen (§ 17b Abs. 2 S. 2 GVG), war in der Revisionsinstanz von Amts wegen nachzuholen (§ 308 Abs. 2 ZPO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1331364

DB 2005, 1374

NJW 2005, 1720

BGHR 2005, 733

EWiR 2005, 485

WM 2005, 810

AfP 2005, 279

DÖV 2005, 656

DVP 2005, 437

MDR 2005, 819

MuA 2005, 377

RdE 2005, 197

VersR 2005, 1441

ZUM-RD 2005, 221

BayVBl. 2005, 699

DVBl. 2005, 980

GV/RP 2005, 671

KomVerw 2005, 348

KommJur 2005, 158

ZNER 2005, 150

FSt 2005, 481

FuBW 2005, 697

IR 2005, 95

NWVBl. 2005, 265

info 7 2005, 54

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