Leitsatz (amtlich)

Bei einem echten Leiharbeitsverhältnis hat der verleihende Unternehmer nicht dafür einzustehen, daß seine Arbeiter die ihnen gegenüber demmentleihenden Unternehmer obliegenden Vertragspflichten ordnungsgemäß erfüllen. Dagegen haftet er dafür, daß die von ihm gestellten Arbeiter für die in dem Vertrag vorgesehene Dienstleistung geeignet sind.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 278

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Urteil vom 29.10.1968)

LG Berlin

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Kammergerichts Berlin vom 29. Oktober 1968 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Revision fallen den Beklagten zur Last.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die erstbeklagte Firma für Eisenkonstruktionen, eine offene Handelsgesellschaft, deren Gesellschafter die Zweitbeklagten sind, hatte Ende 1966/Anfang 1967 von der Stadt H. und der BE. in B. den Auftrag erhalten, in deren Bauten in H. bzw. B. Stahlfenster zu montieren, die anschließend von einer anderen Firma verglast werden sollten. Für diese Montagen bot ihr die in H. ansässige Klägerin, eine Firma für Industriemontage, mit Schreiben vom 6. Dezember 1966 „qualifizierte Fachkräfte” an. Mit Schreiben vom 8. Dezember 1966 erteilte die erstbeklagte Firma (demnächst: die Beklagte) der Klägerin Auftrag über die „Gestellung von vier Fachmonteuren”, die auf den Baustellen in H. und B. arbeiten sollten; dafür hatte sie der Klägerin, welche die Monteure entlohnte, eine Vergütung von 9,40 DM je Monteurstunde zu bezahlen.

In den folgenden Monaten schickte die Klägerin der Beklagten mehrere Monteure, die in Hamburg und in Berlin die Fenster montierten, und stellte ihr die vereinbarten Stundensätze in Rechnung. Ab März 1967 weigerte sich die Beklagte, die Rechnungen zu bezahlen. Gegen die Rechnungen selbst hatte sie zwar keine Einwendungen, behauptete aber, ihre Bauherren hätten sie für Schäden an den Bauten verantwortlich gemacht, für deren Beseitigung sie mindestens 9.500 DM werde aufwenden müssen. Für diese Schäden müsse sie die Klägerin haftbar machen. Deren Monteure hätten es nämlich entgegen der ihnen ausdrücklich erteilten Weisung der Beklagten verabsäumt, beim Zusammenschweißen der Stahlfenster vorher die schon verglasten Fenster abzudecken; deshalb seien diese durch Schweißfunken beschädigt worden. Außerdem habe einer der Monteure mit einem Hammer einen Träger und mehrere Platten verbeult. Obendrein habe er durch falsche Benutzung eine ihrer Gewindeschneidemaschinen im Werte von 60 DM unbrauchbar gemacht.

Die Klägerin bestreitet diese Einwendungen der Beklagten und hält vor allem deren Standpunkt, daß sie, die Klägerin, für das Verhalten ihrer Monteure einstehen müsse, für unrichtig. Sie hat daher Klage erhoben auf Bezahlung der noch offen gebliebenen Rechnungen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und demgemäß die Beklagten zur Zahlung von 9.560,50 DM nebst Zinsen verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag, die Klage abzuweisen, weiter.

 

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht hat zugunsten der Beklagten unterstellt, daß dieser die behaupteten Schäden in Höhe von insgesamt 9.560,50 DM entstanden sind und daß sie von den Monteuren, die ihr die Klägerin nach H. bzw. B. geschickt hatte, verursacht und verschuldet worden waren. Indes ist das Berufungsgericht der Ansicht, daß die Klägerin für etwaige Ersatzansprüche der Beklagten nicht hafte.

Die hierfür im angefochtenen Urteil enthaltene Begründung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

I. Das Berufungsgericht legt den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag an Hand des Angebotsschreibens der Klägerin vom 6. Dezember 1966 und des Bestellschreibens der Beklagten vom 8. Dezember 1966 unter Berücksichtigung der Umstände und der praktisch gehandhabten Durchführung der Abmachung dahin aus, daß die Klägerin es nicht etwa – wie die Beklagte dies im Berufungsrechtszug vorgetragen hatte – übernommen habe, in deren Auftrage, als ihre Sub-Unternehmerin, mit ihren – der Klägerin – Monteuren die Montage der Fenster selbst, wenn auch auf den Baustellen der Beklagten, auszuführen (§ 631 BGB). Vielmehr habe sie nur den Auftrag der Beklagten angenommen, ihr vier Fachmonteure zu gestellen, damit sie den ihr erteilten Bauauftrag ausführen könne. Ihre Monteure hätten nämlich – unter Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin, die ihnen wie bisher den Lohn zahlte – nach den Weisungen der Beklagten, d.h. ihres bauleitenden Monteurs und ihres Montagemeisters, auf deren Baustellen arbeiten sollen, hätten also deren Direktionsrecht unterstanden.

Diese Feststellungen und diese Auslegung der Beziehungen zwischen den Parteien sind fehlerfrei; sie werden auch von der Revision nicht angegriffen. Dann aber unterliegt es keinem rechtlichen Bedenken, wenn das Berufungsgericht den Vertrag der Parteien als echten Leiharbeits-Vertrag ansieht (vgl. Soergel/Wlotzke-Volze, BGB 10. Aufl. § 611 Vorbemerkungen 80 ff m.w.Nachw.; BGHZ 21, 102, 104). Es handelt sich nicht um einen bloßen Arbeitnehmer-Überlassungsvertrag, also um ein „unechtes Leiharbeiter-Verhältnis”, bei dem der den Arbeiter verleihende Unternehmer diesen von vorneherein nur deshalb eingestellt hat, um ihn anderen Unternehmern zu verleihen (vgl. Soergel/Wlotzke-Volze a.a.O.). Ersichtlich geht das Berufungsgericht davon aus, daß die der Beklagten verliehenen Monteure Arbeitnehmer im Betriebe der Klägerin, der sich mit der Ausführung von Montagen in eigener Regie befaßte, gewesen waren, indes von ihrem Arbeitgeber, der Klägerin, angewiesen wurden, vorübergehend nicht bei ihr, sondern auf den Baustellen der Beklagten nach deren Weisungen zu arbeiten. Infolgedessen kommt es nicht auf die Frage an, ob die hier nicht vorliegende Gestellung einer nur zum Zwecke des Verleihens eingestellten Monteur-Kolonne etwa gegen das Arbeitsvermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (§ 37 AVAVG) verstoßen haben würde und deshalb gemäß § 134 BGB nichtig sein könnte (vgl. das Senatsurteil vom 10. Dezember 1968 – VI ZR 194/67 – LM AVAVG Nr. 5 = NJW 1969, 661; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht 7. Aufl. Bd. I § 54 IV 6).

II. In dieser Richtung hat auch die Revision keine Bedenken erhoben. Sie wiederholt indes das Vorbringen der Beklagten, daß die Klägerin für das schädigende Verhalten ihrer Monteur-Kolonne einstehen müsse. Damit kann sie aber keinen Erfolg haben.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß grundsätzlich bei einem echten Leiharbeitsverhältnis, bei dem der verliehene Arbeiter mit seiner Zustimmung vorübergehend in den Betrieb des entleihenden Unternehmers eingegliedert wird und nach dessen Weisungen zu arbeiten hat, der Verleiher nicht dafür einzustehen braucht, daß der Arbeiter, der zwar „sein” Arbeiter, aber dem anderen Unternehmer „verliehen” ist, die ihm diesem gegenüber obliegenden Dienstvertragspflichten ordnungsgemäß erfüllt (Trieschmann in Beil. 16 zu Betr. 1956 unter III 1 c; Maurer in Arbeitsrechtsblattei, Arbeitsrecht D, Leiharbeitsverhältnis, G II 3). Denn da die Klägerin, wie ausgeführt, nicht (etwa im Rahmen eines Werkvertrages) versprochen hatte, die Fenster zu montieren, waren die Monteure, soweit sie diese Arbeiten ausführten, nicht ihre Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB). Das gilt nicht nur für Dienstverschaffungsverträge (BGHZ 20, 102, 104; RGZ 82, 427, 429; 98, 327, 328; 170, 216, 217), sondern ebenso für die im modernen Arbeitsleben häufig vorkommenden Leiharbeitsverträge (vgl. Nikisch, Arbeitsrecht 3. Aufl. Bd. I § 24 V).

2. Wohl gehört es auch bei diesen Verträgen zu den Vertragspflichten des verleihenden Unternehmers, dem entleihenden Unternehmer solche Arbeiter zu stellen, die für den mit dem Vertrag verfolgten Zweck tauglich und geeignet sind. Fällt ihm bei der Auswahl des von ihm gestellten Leiharbeiters ein Verschulden zur Last, so haftet er hierfür wegen positiver Vertragsverletzung (Senatsurteil vom 14. Juli 1970 – VI ZR 203/68 – VersR 1970, 934; BGH Urteil vom 22. Mai 1968 – VIII ZR 21/66 – LM BGB § 535 Nr. 40).

Dies hat das Berufungsgericht nicht verkannt, ist indes zu dem Ergebnis gelangt, die Beklagte habe zu beweisen, jedoch nicht hinreichend dargetan, daß der Klägerin ein Verschulden bei der Auswahl der Monteure vorzuwerfen sei. Die hiergegen von der Revision erhobenen Rügen greifen nicht durch.

a) Die Beklagte hatte schon im ersten Rechtszug geltend gemacht, aus der Art und Weise, in der die Monteure die Schäden verursacht hätte, müsse „zwingend” der Schluß gezogen werden, daß es sich nicht um die ihr zugesagten Fachmonteure gehandelt habe. Das Berufungsgericht hat es jedoch abgelehnt, diesen weitgehenden Schluß zu ziehen. Bei den Monteuren habe es sich um ausgebildete Schlosser mit Gesellenbrief gehandelt. Auch solchen ausreichend vorgebildeten Fachkräften könnten gelegentlich Fehler unterlaufen, die im allgemeinen nur bei Anfängern oder Hilfskräften zu erwarten seien. Die Schadensursache sei offenbar weniger in mangelnder Qualifikation der Monteure als in ihrer Gleichgültigkeit gegenüber fremdem Eigentum zu suchen.

b) Diese Würdigung des Berufungsgerichts läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Soweit sich das Berufungsgericht mit der Frage befaßt, was hier unter einem „Fachmonteur” oder, wie es in dem Schreiben der Klägerin vom 6. Dezember 1966 heißt, einer „qualifizierten Fachkraft” zu Verstehen war, handelt es sich um die Auslegung eines Individualvertrages.

Zu Unrecht beanstandet insoweit die Revision zunächst, daß sich das Berufungsgericht mit der Behauptung der Klägerin, die Schlosser hätten die Gesellenprüfung abgelegt, begnügt habe, statt Vorlage des Gesellenbriefes zu fordern. Dazu hatte das Berufungsgericht keinen Anlaß, nachdem die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 26. August 1968 nicht bestritten hatte, daß die Schlosser den Gesellenbrief besaßen, sondern nur geltend machte, dies sei noch kein Beweis dafür, daß es sich wirklich um Fachkräfte gehandelt habe. Soweit die Revision meint, die Klägerin habe nicht nur Fachkräfte zum Schweißen der Stahlfenstern sondern „gute” Fachkräfte zu stellen gehabt, wendet sie sich in unzulässiger Weise gegen die vom Berufungsgericht für richtig befundene Auslegung des Individualvertrages. Im übrigen war es, auch soweit die Zulässigkeit und das allgemeine Pflichtbewußtsein der Monteure in Frage steht, entgegen der Meinung der Revision nicht Sache der Klägerin, darzutun und nachzuweisen, daß sie qualifizierte Fachkräfte ausgewählt habe. Die Beweislastregel des § 282 BGB ist bei Ersatzansprüchen aus positiver Vertragsverletzung, wie sie die Beklagte zu haben glaubt, nicht ohne weiteres anwendbar. Ihre Anwendung setzt jedenfalls den vom Gläubiger zu erbringenden Nachweis voraus, daß der Schuldner objektiv seine Pflicht verletzt hat (so für Werkverträge BGHZ 23, 288, 290 und für Dienstverträge BGHZ 28, 251, 253; vgl. auch BGHZ 48, 310, 312; BGH Urteil vom 13. Februar 1969 – VII ZR 14/67 – LM § 282 BGB Nr. 18). Daß sich hier dieser Schluß schon aus der Sachlage rechtfertige (vgl. BGHZ 23, 290; 27, 236, 238), behauptet zwar die Revision. Ohne Rechtsfehler ist jedoch das Berufungsgericht der Ansicht der Beklagten nicht gefolgt, hier müsse schon aus dem den Monteuren vorgeworfenen Verhalten deren mangelhafte Ausbildung, daher schlechte Auswahl durch die Klägerin, gefolgert werden. Diesen Schluß drängen die von der Beklagten behaupteten Vorgänge keineswegs auf; vielmehr läßt sich das Verhalten der Monteure durchaus auch so erklären, wie es das Berufungsgericht getan hat. Daß die bisherige Arbeitsweise der Monteure der Klägerin hätte Grund geben können, an deren Gewissenhaftigkeit Zweifel zu hegen, hat die Beklagte nicht vorgetragen.

Es mag sein, daß, wie die Revision ausführt, die Klägerin der Beklagten „qualifizierte Fachkräfte” versprochen hatte und daß auch deren Erwartung, „daß ihre Monteure pünktlich und zuverlässig ihren Verpflichtungen auf der Baustelle nachkommen”, Vertragsinhalt geworden war, so daß dadurch die Auswahlverpflichtung der Klägerin näher bestimmt wurde. Daß aber das Berufungsgericht dies bei seiner Würdigung übersehen hätte, kann der Revision nicht zugegeben werden. Die von ihr erwähnten, soeben wiedergegebenen beiden Sätze aus den Schreiben der Parteien sind im Tatbestand des angefochtenen Urteils wörtlich angeführt. Wenn das Berufungsgericht auf sie in den Entscheidungsgründen nicht nochmals ausdrücklich eingegangen ist, so läßt das nicht schon darauf schließen, daß es den so näher beschriebenen Auswahl-Maßstab, nach dem die Klägerin verfahren mußte, aus den Augen verloren hätte, als es das ihr vorgeworfene Verschulden für nicht bewiesen ansah.

 

Unterschriften

Pehle, Dr. Weber, Sonnabend, Dunz, Scheffen

 

Fundstellen

Haufe-Index 1502196

NJW 1971, 1129

Nachschlagewerk BGH

MDR 1971, 568

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