Entscheidungsstichwort (Thema)

Klagebefugnis von Steuerberatern wegen Wettbewerbsverletzung Dritter durch Werbung für ein Steuersparmodell

 

Leitsatz (amtlich)

Wer mit steuerlichen Gründen für ein von ihm entworfenes Immobilienanlagemodell wirbt, tritt dadurch regelmäßig in ein Wettbewerbsverhältnis zu Steuerberatern. Die Wirtschaftsberatung, insbesondere in betriebswirtschaftlichen Angelegenheiten (einschließlich des Entwurfs und des Angebots von Steuersparmodellen) gehört zum Berufsbild der Steuerberater.

 

Normenkette

StBerG §§ 1, 32-33, 57 Abs. 3 Nr. 3; UWG §§ 1, 3, 13 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 05.11.1987; Aktenzeichen 6 U 4569/86)

LG Augsburg (Urteil vom 10.06.1986; Aktenzeichen 2 HKO 5123/85)

 

Tatbestand

Die drei Kläger sind Steuerberater. Der Beklagte befaßt sich mit dem Vertrieb von Immobilien einschließlich der dazugehörigen Finanzierungen.

Der Beklagte übersandte dem Kläger zu 1 mit Schreiben vom 14. Oktober 1985 einen Prospekt über ein von ihm konzipiertes Immobilienanlagemodell. Die bebilderte Vorderseite des Prospektes enthält im Großdruck folgenden Text:

„Die Immobilien-Zerobond-Kombination

  • ○ Neue Wege des Steuersparens %
  • ○ Enorme Geldvermehrung mit Zerobonds
  • ○ Zu lastenfreien Immobilien – Nähe Bodensee

Ohne Eigenkapital

verblüffende Steuer- und Zinseszinseffekte

– ein neues Anlage-Modell von Dr. M. –”

Im Begleitschreiben und auf der Rückseite des Prospektes wird das Anlagemodell näher erläutert. Danach soll das Modell ohne den Einsatz von Eigenkapital letztlich zu einer schuldenfreien Immobilie führen; dafür sei entscheidend eine zur Zeit hohe Steuerbelastung, der Erwerb langfristig laufender Zerobonds und eine Verlagerung der Besteuerung in die Zeit des Alters, in der die Steuerprogression nicht mehr so hoch sei. Eine entsprechende Werbung ließ der Beklagte auch an Ärzte, Rechtsanwälte, Unternehmer, leitende Angestellte u.a. verteilen. Die Empfänger wurden aufgefordert, weitere Informationen beim Beklagten anzufordern.

Die Kläger halten einzelne Werbebehauptungen für irreführend und haben den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Sie haben geltend gemacht, zwischen ihnen und dem Beklagten bestehe ein Wettbewerbsverhältnis. Ihr Absatz gegenüber Kunden könne durch die Tätigkeit des Beklagten behindert werden, weil er ebenfalls steuerliche Leistungen anbiete; er beschäftige sich mit Steuerfragen und er könne dem Interessenten auch den individuellen Fall durchrechnen; es sei unerheblich, daß dies bei ihm nur eine Nebenleistung darstelle.

Die Werbeaussagen des Beklagten seien irreführend. Der Nettoertrag sei beim Kauf von Zerobonds kleiner als bei jährlicher Akkumulierung des notwendigen Zwangssparbetrages zu 7,75% Zins bei einem Einkommenssteuersatz von 50%; bei einer Investition von 1.000.000,– DM müsse der Anleger mindestens 20 Jahre lang jährlich mindestens 142.000,– DM verdienen, worauf nicht hingewiesen werde.

Die Kläger haben beantragt,

den Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zur Unterlassung zu verurteilen, nach Art des dem Kläger zu 1 mit Schreiben vom 14. Oktober 1985 zugeleiteten Werbeprospektes folgende Werbebehauptungen aufzustellen:

  1. Neue Wege des Steuersparens Enorme Geldvermehrung durch Zerobonds Ohne Eigenkapital zu lastenfreien Immobilien

    – Nähe Bodensee.

  2. Die Quintessenz der Immobilien-Zerobonds-Kombination besteht darin, daß der Anleger ohne Einsatz eigener Mittel und ohne oder nur mit geringem Aufwand in der laufenden Rechnung eine Immobilie und dazu eine Zerobond-Anlage erwirbt, mit deren Einlösungsbetrag am Ende der Laufzeit die aufgenommenen Darlehen abgelöst werden können; auch nach Zahlung der abschließend auf den Zerobondsgewinn zu entrichtenden Einkommensteuer verbleibt insgesamt ein Überschuß in bis zu 6-stelliger Höhe: Ausdruck der Steuervorteile und der Zinseszinswirkung.
  3. Die Anlage erbringt bei hoher Steuerbelastung das Ergebnis, daß schließlich eine schuldenfreie Immobilie zur Verfügung steht, ohne daß Eigenkapital eingesetzt wurde:

    Ohne Einsatz von Eigenmitteln erwirbt der Käufer eine vom Bankpartner voll finanzierte Immobilie, kombiniert mit einer gleichfalls voll finanzierten Zerobondsfinanzanlage, mit einer Laufzeit von 15 oder 20 Jahren, die, entsprechend der langen Laufzeit – von der Bank mit einem niedrigen Kurswert von 33% oder 25% ausgegeben wird. Die laufenden Zinsen für beide Darlehen werden durch die laufenden Mieteinnahmen und die ersparten Steuern vollständig oder überwiegend ausgeglichen, so daß auch in der laufenden Rechnung Zahlungen nicht oder nur in geringer Höhe erforderlich sind – kein Einsatz von Eigenkapital und kein oder nur geringer Einsatz in der laufenden Rechnung – das ist das Ergebnis auf der Sollseite …

    Der am Ende der Laufzeit verfügbare Einlösungsbetrag entspricht der Höhe der zur Finanzierung der Immobilie und des Zerobonds aufgenommenen Darlehen; dieser Einlösungsbetrag wird zur Ablösung dieser Darlehen, teils zur Zahlung der Einkommensteuer auf den beim Zerobonds aufgelaufenen Zinsgewinn verwandt.

  4. Der in der gesamten Laufzeit angesammelte Überschuß von Steuerzahlungen auf den Zerobonds ist so hoch, daß er fast den vollen Wert der erworbenen Immobilie ausmacht. Auch nach Zahlung der Steuer verbleibt ein so hoher Überschuß, daß daraus der größere Teil des zur Finanzierung der Immobilie aufgenommenen Darlehens abgelöst werden kann.

Der Beklagte ist dem entgegengetreten. Er hat geltend gemacht, er stehe in keinem Wettbewerbsverhältnis zu den Klägern; er übe keine Steuerberatung aus, sondern verkaufe Immobilien. Seine Werbung sei im übrigen nicht irreführend. Denn es sei bekannt bzw. es werde darauf hingewiesen, daß von einer hohen Steuerbelastung ausgegangen werden müsse. Die Berechnung des Modells sei richtig und der finanzielle Erfolg gewährleistet.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Die Berufung hat zur Klageabweisung geführt. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr ursprüngliches Klagebegehren weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, für die Geltendmachung von Ansprüchen gemäß §§ 1, 3 UWG durch die Kläger fehle schon das nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG erforderliche (jedenfalls abstrakte) Wettbewerbsverhältnis zum Beklagten. Dazu hat es ausgeführt: Die Parteien betätigten sich mit der Steuerberatung einerseits und dem Vertrieb von Immobilien andererseits in unterschiedlichen Bereichen. Der Beklagte erteile im Zusammenhang mit dem von ihm angebotenen Immobilienanlagemodell keine auf die konkreten Steuerverhältnisse eines Kunden zugeschnittene Einzelfallberatung. Soweit er den Interessenten in seinem Werbematerial Auskunft über die steuerlichen Auswirkungen seines Modells gebe, geschehe dies in abstrakter Form. Der allgemeine Hinweis auf die Bedeutung steuerlicher Fragen beim Erwerb eines Anlagemodells begründe jedoch kein Wettbewerbsverhältnis zu Steuerberatern. Ein solches könnte allenfalls dann gegeben sein, wenn der Beklagte seine Interessenten auffordern würde, anstelle der Beratung durch einen Steuerberater seine Informationsschriften zu lesen; dies habe der Beklagte jedoch nicht getan. Ein Wettbewerbsverhältnis sei auch dann nicht anzunehmen, wenn bei Interessenten bewußt oder unbewußt der Irrtum erzeugt werde, der Beklagte werde sie im Einzelfall steuerlich beraten. Denn ein solcher Irrtum führe zu keiner Beeinträchtigung der Steuerberater; die Interessenten, die vom Beklagten eine steuerliche Einzelfallberatung erwarteten, würden von diesem erfahren, daß er eine solche Beratung nicht erteile.

II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Kläger sind entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung zur Geltendmachung von Ansprüchen nach den §§ 1 und 3 UWG berechtigt.

1. Das Berufungsgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, daß die Klageberechtigung das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses voraussetzt; dies gilt sowohl für die Berechtigung des durch eine Wettbewerbshandlung unmittelbar verletzten Mitbewerbers als auch für die des an sich nicht unmittelbar betroffenen Mitbewerbers im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG, wobei im letzteren Falle das Bestehen eines nur abstrakten Wettbewerbsverhältnisses genügt (st. Rspr., BGHZ 18, 175, 182 – Werbeidee; BGH, Urt. v. 23.3.1966 – Ib ZR 28/64, GRUR 1966, 445, 446 – Glutamal; BGH, Urt. v. 13.2.1981 – I ZR 63/79, GRUR 1981, 529, 530 – Rechtsberatungsanschein). Die Annahme des Berufungsgerichts, zwischen den Parteien bestehe nicht einmal ein abstraktes Wettbewerbsverhältnis, ist jedoch nicht frei von Rechtsfehlern.

2. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß die Parteien im Streitfall sogar in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zueinander stehen.

a) Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht allerdings ein Wettbewerbsverhältnis unmittelbar aufgrund der eigentlichen beruflichen Tätigkeiten der Parteien verneint, nämlich der Steuerberatung durch die Kläger einerseits und dem Vertrieb von Immobilien durch den Beklagten andererseits. Denn der Beklagte betreibt insoweit keine Steuerberatung. Dies würde eine Beratung im konkreten Einzelfall gegenüber einem bestimmten Ratsuchenden erfordern (vgl. Gehre, Steuerberatungsgesetz, 1981, § 1 Rdn. 5). An einer solchen Einzelfallberatung fehlt es nach den vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen. Die abstrakte Unterrichtung der Adressaten des Werbematerials über die steuerlichen Auswirkungen des vom Beklagten entworfenen Immobilienanlagemodells reicht dazu nicht aus (vgl. zu dem insoweit vergleichbaren Begriff der Rechtsberatung BGH, Urt. v. 13.12.1955 – I ZR 20/54, GRUR 1957, 425, 426 – Ratgeber; BGH, Urt. v. 13.2.1981 – I ZR 63/79, GRUR 1981, 529, 530 – Rechtsberatungsanschein).

b) Das Berufungsgericht hat jedoch unberücksichtigt gelassen, daß das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses keine Branchengleichheit voraussetzt (vgl. BGHZ 93, 96, 97 – DIMPLE). Da es für die wettbewerbsmäßige Beurteilung regelmäßig nur um die konkret beanstandete Wettbewerbshandlung geht, genügt es, wenn die Parteien auch nur durch diese beanstandete Handlung in Wettbewerb getreten sind, im übrigen ihre Unternehmen aber verschiedenen Branchen angehören (BGH, Urt. v. 12.1.1972 – I ZR 60/70, GRUR 1972, 553 – Statt Blumen ONKO-Kaffee).

Der Beklagte wirbt mit steuerlichen Gründen für ein von ihm entworfenes Immobilienanlagemodell. Auf diesem Gebiet (des Entwurfs und des Angebots von Steuersparmodellen) tritt er jedoch in Wettbewerb zu den Klägern in ihrer Eigenschaft als Steuerberater, da sie insoweit die gleichen Interessenten ansprechen. Denn die berufliche Tätigkeit der Steuerberater beschränkt sich nicht nur – wie das Berufungsgericht anzunehmen scheint – auf die Hilfeleistung in Steuersachen (§§ 1, 32, 33 StBerG). Sie umfaßt auch die Wirtschaftsberatung, insbesondere auf dem Gebiet der betriebswirtschaftlichen Beratung. Davon geht auch das Gesetz aus, das die Vereinbarkeit der wirtschaftsberatenden Tätigkeit mit dem Beruf des Steuerberaters ausdrücklich hervorhebt (§ 57 Abs. 3 Nr. 3 StBerG). Daß die Wirtschaftsberatung heute zum Berufsbild des Steuerberaters gehört, entspricht allgemeiner Meinung (vgl. Gehre, aaO Einl. Rdn. 13; § 33 Rdn. 4, 11; § 57 Rdn. 145). Dessen Ausbildung umfaßt auch die Vorbereitung auf die Wirtschaftsberatung. Zu den Prüfungsgebieten in der Steuerberaterprüfung gehören die Fächer Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft und Wirtschaftsrecht (vgl. § 12 Nr. 3 der Verordnung vom 12.11.1979, BGBl. I S. 1922). Auch in der Präambel der Standesrichtlinien der Steuerberater wird hervorgehoben, daß die Steuerberater nicht nur auf allen Gebieten des Steuerrechts, sondern auch „in wirtschaftlichen, insbesondere betriebswirtschaftlichen Angelegenheiten beratend und prüfend tätig sind”. In der Praxis ist eine Steuerberatung ohne gleichzeitige betriebswirtschaftliche Beratung häufig gar nicht durchführbar. Letztere erstreckt sich auf alle Arten von Wirtschaftlichkeitsberechnungen unter Berücksichtigung der steuerlichen Vorschriften, zum Beispiel bei Investitionsplanungen, bei Finanzierungsalternativen und bei Vermögensanlageplanungen (vgl. Gehre, aaO § 33 Rdn. 11 und Einl. Rdn. 13; auch Kolbeck/Peter/Rawald, Steuerberatungsgesetz, StBerG § 33 Rdn. 22ff. und § 57 Rdn. 209ff.). Im Rahmen der Vermögensanlageplanungen gehört es auch zu seinen Aufgaben, Modelle zu entwerfen und vorzuschlagen, wie sie der Beklagte hier herausgebracht hat (vgl. näher Jasper, Schwerpunkte der Vermögensberatung, in Bonner Handbuch der Steuerberatung, Bd. 3, unter M). Aber auch das, was der Beklagte beispielsweise auf den Seiten 10-17 seiner Informationsbroschüre über Liquiditätsberechnungen oder auf Seite 30f. zur Steuerkonzeption der dort behandelten Fragen ausgeführt hat, gehört zu den Aufgaben von Steuerberatern. Darüber hinaus fordert der Beklagte in seinem Werbeschreiben dazu auf, weitere Informationen von ihm einzuholen, und gibt weitere Informationsschriften mit Erläuterungen ab. Das kann die Steuerberatung im Einzelfall durchaus erübrigen. Zu Recht berufen sich die Kläger auch darauf, durch irreführende Angaben zu einem Steuersparmodell in ihrer eigenen Beratung gegenüber Anlageinteressenten beeinträchtigt zu werden, indem diese sich zum Beispiel von ihnen abwenden, weil sie nicht selbst zu dem angepriesenen Steuersparmodell geraten haben (vgl. auch Bauer, in Steuerberatung 1986, S. 12). Die Kläger sind daher für den hier erhobenen Abwehranspruch gemäß §§ 1 und 3 UWG als unmittelbar betroffene Mitbewerber anspruchsberechtigt.

Die Klagebefugnis der Kläger folgt im übrigen auch aus § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG, weil die Parteien auf dem Gebiet der steuerbegünstigten Vermögensanlage, auf dem sie sich als Mitbewerber begegnen, Leistungen gleicher Art anbieten. Die Gleichheit der Leistungen entfällt nicht dadurch, daß sich die Aufgabengebiete der Parteien nur teilweise überschneiden und im Kern, nämlich hinsichtlich der Steuerberatung einerseits und dem Vertrieb von Immobilien andererseits, nicht übereinstimmen (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 15. Aufl. 1988, § 13 Rdn. 14).

III. Das Berufungsurteil war nach alledem aufzuheben. Da die Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen tatrichterlicher Feststellungen durch das Berufungsgericht bedarf, war die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

BB 1990, 372

GRUR 1990, 375

ZIP 1990, 266

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge