Leitsatz (amtlich)

›Das unter Gesetzes- oder Sittenverstoß Geleistete kann auch der Konkursverwalter über das Vermögen des Leistenden nicht zurückfordern (Aufgabe von BGHZ 19, 338 und BGH Urteil vom 9.11.1961 - VII ZR 158/60 - NJW 1962, 482).‹

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart

LG Stuttgart

 

Tatbestand

Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der Firma G.C. GmbH. Diese ist eine Tochtergesellschaft der G.C. AG, über deren Vermögen ebenfalls das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Die G.C. GmbH (fortan: Gemeinschuldnerin) und ihre Muttergesellschaft standen bei der Errichtung von Wohnraum im Bauherrenmodell über Jahre hin in enger Geschäftsverbindung mit der Firma G.S. GmbH (fortan: GSG), deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Es bestanden auch personelle Verflechtungen.

Im Jahre 1979 begannen die drei erstgenannten Gesellschaften mit der Verwirklichung eines Bauvorhabens in N.. Als im August 1980 der Rohbau bereits erstellt war, schlossen die Gemeinschuldnerin und die GSG einen auf den 12. Februar 1980 zurückdatierten "Betreuungsvertrag". Darin wurden der GSG gegen ein Entgelt von 957.056 DM die Grundlagenermittlung, die Vor-, Entwurfs-, Genehmigungs- und Ausführungsplanung, die Vorbereitung und Mitwirkung bei der Vergabe sowie weitere Aufgaben für das Objekt übertragen. Die GSG ihrerseits schloß mit der G.C. AG einen ebenfalls rückdatierten "Gesamtplanungsvertrag", in dem diese sich verpflichtete, gegen ein Honorar von 520.000 DM die Architekten- und Fachingenieurverträge abzuschließen. Die Gemeinschuldnerin zahlte an die GSG, die GSG zahlte an die G.C. AG das jeweils vereinbarte Entgelt.

Mit der Klage nimmt der Konkursverwalter die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der GSG auf Zahlung von 50.000 DM als Teilbetrag einer - wie er meint - rechtsgrundlosen Zuwendung von (957.056 DM - 520.000 DM =) 437.056 DM in Anspruch. Er hat behauptet, die GSG habe, wie allen Beteiligten klar gewesen sei, keinerlei Betreuungsleistungen erbracht, erbringen sollen oder auch nur erbringen können. Einziger Grund für ihre Einschaltung zwischen die Gemeinschuldnerin und die G.C. AG, also zwischen Tochter- und Muttergesellschaft, sei die Absicht gewesen, die GSG an dem Gewinn aus dem Bauvorhaben zu beteiligen, obwohl sie als gemeinnütziges Unternehmen keine Gewinne habe erzielen dürfen. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Betreuungsvertrag sei nichtig, und zwar jedenfalls wegen Sittenwidrigkeit. Das Rückforderungsverbot des § 817 Satz 2 BGB könne ihm als dem Konkursverwalter über das Vermögen dessen, der die Leistung erbracht habe, nicht entgegengehalten werden. Zudem sei der Klageanspruch auch aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung begründet.

Die Beklagte ist dem Klagebegehren entgegengetreten und hat widerklagend beantragt festzustellen, daß dem Kläger aus der Abwicklung des Bauvorhabens über die mit der Teilklage im Betrage von 50.000 DM geltend gemachte Forderung hinaus keine weitergehende Forderung zustehe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Mit der Berufung hat sich der Kläger nur gegen die Abweisung der Klage gewandt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision, die der Senat angenommen hat, verfolgt der Kläger das Zahlungsbegehren weiter. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

A) Auf der Grundlage des Klagevorbringens hat das Berufungsgericht zugunsten des Klägers unterstellt, daß der Betreuungsvertrag nichtig sei und die Gemeinschuldnerin deshalb "an sich" einen Bereicherungsanspruch in Höhe des an die GSG Geleisteten erworben habe. Es hat die Rückforderung jedoch - wie zuvor bereits das Landgericht - an § 814 BGB und an § 817 Satz 2 BGB scheitern lassen.

I. Zum ersten dieser Gründe heißt es im Berufungsurteil, soweit die Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin - die Nichtigkeit des Vertrages unterstellt - gewußt hätten, daß diese zu der Leistung an die GSG nicht verpflichtet gewesen sei, sei ein Bereicherungsanspruch nach § 814 BGB ausgeschlossen.

Damit ist ein der Rückforderung entgegenstehender Sachverhalt schon deshalb nicht dargelegt, weil § 814 BGB in dem vom Berufungsgericht im weiteren unterstellten - Fall des § 817 BGB nicht anwendbar ist (BGH Urteil vom 9. Februar 1961 - VII ZR 183/59 - LM § 762 BGB Nr. 1; RGZ 99, 161, 165 f.).

II. Der zweite für das Scheitern des unterstellten Bereicherungsanspruchs genannte Grund greift jedoch durch. § 817 Satz 2 BGB schließt die Rückforderung der Bereicherung aus.

1. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt: Bei den allein in Betracht kommenden Gründen für die Nichtigkeit des Betreuungsvertrages (Gesetzeswidrigkeit, Sittenwidrigkeit) sei davon auszugehen, daß der Empfänger (die GSG) nach dem Zweck der Leistung durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen hätte und auch dem Leistenden (der Gemeinschuldnerin) ein solcher Verstoß zur Last gefallen wäre. Mithin lägen - die Nichtigkeit des Betreuungsvertrages unterstellt - die Voraussetzungen des § 817 S. 2 BGB vor.

Gegen diese Würdigung des tatsächlichen Vorbringens des Klägers erinnert die Revision nichts. Sie ist auch rechtlich unbedenklich. Nach dem Vortrag des Klägers zu dem bewußten und gewollten Zusammenwirken der Gesellschaften liegt zutage, daß das Verdikt der Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit, sofern es begründet ist, auch die leistende Gemeinschuldnerin trifft.

2. In der bisherigen Rechtsprechung des BGH ist die Auffassung vertreten worden, der Konkursverwalter könne das vom Gemeinschuldner unter Sitten- oder Gesetzesverstoß Geleistete trotz § 817 Satz 2 BGB zurückfordern (BGHZ 19, 338, 340; BGH, NJW 1962, 483). Dem ist das Berufungsgericht, wie zuvor bereits das Landgericht, nicht gefolgt. Es hat die Klageabweisung bestätigt, weil dem Bereicherungsanspruch auch des Klägers nach dessen eigenem Vorbringen das Rückforderungsverbot des § 817 Satz 2 BGB entgegenstehe. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

a) Die Rechtsprechung, daß § 817 Satz 2 BGB den vom Konkursverwalter geltend gemachten Bereicherungsanspruch nicht hindere, geht auf eine Entscheidung des VII. Zivilsenats des Reichsgerichts (RGZ 99, 161, 166 ff.) zurück. In dem Urteil heißt es, die Vorschrift wolle nur den Leistenden treffen, der eines gleichen Verstoßes gegen die guten Sitten wie der Empfänger schuldig sei, und nur sein Recht zur Klage auf Ausgleichung der ungerechtfertigten Bereicherung aus schließen. Sie ändere nichts am Bestand des Anspruchs, sondern stelle nur ein Hindernis der Rechtsverfolgung auf und versage insoweit den Rechtsschutz. § 817 Satz 2 BGB stehe dem Leistenden selbst sowie einem etwa durch ihn Vertretenen entgegen. Auch seinen Rechtsnachfolgern sei die Vorschrift entgegenzuhalten. Wenn aber über das durch die rechtsgrundlose Bereicherung verkürzte Vermögen der Konkurs eröffnet worden sei, so fehle es an einem inneren Grund, ihre Anwendung auf diesen Tatbestand zu erstrecken und dem Konkursverwalter die Bereicherungsklage abzusprechen. Diesem könne, wenn er das Rückforderungsrecht ausübe, irgendein Sittenverstoß nicht zur Last gelegt werden. Er erfülle mit der Bereicherungsklage die ihm gesetzlich obliegende Pflicht, der seiner Verwaltung und Verfügung unterliegenden Masse Werte wieder zuzuführen, die ihr zufolge einer ungerechtfertigten Vermögensverschiebung entzogen gewesen seien.

Dieser Entscheidung hat sich nach anfänglichen Zweifeln (RGZ 111, 151, 155) der IV. Zivilsenat des Reichsgerichts angeschlossen (RG JW 1931, 2093 f.). Dem Einwand, der Konkursverwalter könne nicht mehr Rechte haben als der Gemeinschuldner, hat er entgegengehalten, jener Grundsatz gelte nicht stets, sondern lasse Ausnahmen zu. Die Konkursordnung selbst habe dem Verwalter in den §§ 17, 29 ff., 127 im Interesse der Konkursgläubiger besondere Rechte eingeräumt, die dem Gemeinschuldner nicht zuständen. Hier sei eine weitere Ausnahme anzunehmen, die sich allerdings nicht aus der Konkursordnung ergebe, sondern auf der Eigenart des § 817 Satz 2 BGB beruhe. Die Vorschrift habe Strafcharakter; sie richte sich gegen den unter Sittenverstoß Leistenden. Der Konkursverwalter sei aber nicht der Vertreter des Gemeinschuldners und leite seine Rechte auch nicht von jenem ab. Er werde vielmehr in erster Linie im Interesse der Konkursgläubiger tätig, wenn er den Bereicherungsanspruch erhebe. Die Strafvorschrift auch gegen ihn zu richten, bestehe kein innerer Grund. Im Gegenteil sei unbillig, daß der Empfänger der wider die guten Sitten erlangten Bereicherung in deren Behalten auch gegenüber den Konkursgläubigern desjenigen geschützt sein solle, auf dessen Kosten die Bereicherung erfolgt sei. Die Rechtsstellung des Konkursverwalters sei eine andere als die eines Zessionars und eines Testamentsvollstreckers.

Die Auffassung des Reichsgerichts hat im damaligen Schrifttum neben Zustimmung auch - zum Teil deutliche - Ablehnung gefunden (kritisch etwa Heck AcP 124, 1, 9 ff.; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht 13. Bearb. § 226 2 c, S. 854 und Lehmann DJZ 1921, 94; s. zum damaligen Meinungsstand im übrigen die Nachweise in der - zustimmenden - Anmerkung von Haymann JW 1931, 2093, 2094).

b) An dieser Rechtsprechung des Reichsgerichts hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs festgehalten (BGHZ 19, 338, 340). Der VII. Zivilsenat ist dem gefolgt (Urteil vom 9. November 1961 aaO.); der II. Zivilsenat hat in BGHZ 44, 1, 6 die Frage offengelassen.

c) Den Entscheidungen des IV. und des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs haben nur Teile des Schrifttums zugestimmt. Von den Erläuterungswerken pflichten ihnen außer Heimann-Trosien (BGB-RGRK 12. Aufl. § 817 Rdn. 23), soweit ersichtlich, nur Kilger (KO 15. Aufl. § 6 Rdn. 6), Palandt/Thomas (BGB 47. Aufl. § 817 Anm. 3 b) und Soergel/Mühl (BGB 11. Aufl. § 817 Rdn. 16) bei. Weiterhin hat Bernhardt (NJW 1962, 2194) Zustimmung erkennen lassen; Linke hat das Ergebnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter dem Gesichtspunkt verteidigt, die Geltendmachung des § 817 Satz 2 BGB gegenüber dem Konkursverwalter sei als eine unzulässige Rechtsausübung anzusehen (KTS 1966, 193, 217 ff.).

Die Ablehnung überwiegt jedoch. So ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insbesondere von Kuhn bekämpft worden (WM 1957, 150 und 1962, 946 f.; Kuhn/Uhlenbruck KO 10. Aufl. § 6 Rdn. 45 - 45 1). Weiter sind die neueren Monografien zum Kondiktionsrecht von Honsell (Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte, 1974, S. 48 ff.), Koppensteiner/Kramer (Ungerechtfertigte Bereicherung, 1975, S. 77) und Reuter/Martinek (Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, S. 225 ff.) sowie aus dem sonstigen Schrifttum Erman/H.P. Westermann (BGB 7. Aufl. § 817 Rdn. 18), Esser (Schuldrecht Bd. II 4. Aufl. § 103 IV 2, S. 361), Jaeger/Henckel (KO 9. Aufl. § 1 Rdn. 56), Lent (JZ 1956, 493 f.), Medicus (Bürgerliches Recht 11. Aufl. Rdn. 70l), MünchKomm/Lieb (BGB 2. Aufl. § 817 Rdn. 30, 31) und Staudinger/Lorenz (BGB 12. Aufl. § 817 Rdn. 16) zu nennen. Auch Baur (Festschrift für Friedrich Weber, 1975, S. 46), Sieg (JZ 1965, 577) und Weber (BB 1962, 1207) haben sich ablehnend geäußert.

d) An der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die auf derjenigen des Reichsgerichts aufbaut, kann nicht festgehalten werden. Sie versucht eine Einengung der in ihrer sachlichen Berechtigung umstrittenen Vorschrift des § 817 Satz 2 BGB, der jedoch sowohl durchgreifende rechtsdogmatische Bedenken als auch die Unausgewogenheit der dabei erzielten Ergebnisse entgegenstehen.

aa) Soweit darauf abgehoben worden ist, daß der Konkursverwalter mit der Rückforderung der Bereicherung zur Masse nur seine Pflicht erfülle und selbst nicht sittenwidrig handele, hat schon Heck (aaO. S. 10/11) überzeugend erwidert, daß § 817 Satz 2 BGB die Rückforderung ausschließt, wenn dem Leistenden ein Vorwurf zur Last fällt, hingegen nicht davon spricht, daß der Vorwurf den Fordernden treffe. Deshalb wird die Vorschrift zu Recht dem Zessionar, dem Erben und dem Pfändungspfandgläubiger entgegengehalten, denen der Vorwurf gesetzlich oder sittlich mißbilligter Leistung nicht zu machen ist. Die Redlichkeit des Konkursverwalters kann daher ihre Nichtanwendung nicht begründen.

bb) Das Streben nach möglichst weitgehender Befriedigung der Konkursgläubiger rechtfertigt die bisherige Rechtsprechung ebenfalls nicht, so erwünscht eine Vergrößerung der Konkursmasse allgemein sein mag.

Mit der Übernahme seines Amtes tritt der Konkursverwalter in die Rechte und Pflichten des Gemeinschuldners ein. Er kann deshalb grundsätzlich für die Masse nicht mehr und keine anderen Rechte beanspruchen, als dem Gemeinschuldner zustehen (BGHZ 24, 15, 18; 56, 228, 230 f.; jeweils m.w.N.). Steht das materielle Recht der Geltendmachung eines Anspruchs durch den Gemeinschuldner entgegen, so ist auch der Konkursverwalter grundsätzlich an diese Rechtslage gebunden, die er bei der Eröffnung des Verfahrens vorfindet (BGHZ 44, 1, 4 f.). Dies gilt auch für die der Rückforderung des unter Sitten- oder Gesetzesverstoß Geleisteten entgegenstehende Regelung des § 817 Satz 2 BGB, und zwar unabhängig davon, wie diese Rückforderungssperre dogmatisch verstanden wird. Könnte dem Konkursverwalter, wie bisher entschieden worden ist, das Rückforderungsverbot des § 817 Satz 2 BGB nicht entgegengehalten werden, so wäre mit der Konkurseröffnung eine Veränderung der Rechtslage in Bezug auf den Rückforderungsanspruch verbunden. Entweder entstände der bisher ausgeschlossene Anspruch neu, oder eine Einwendung fiele weg, oder - so wohl der Standpunkt der Rechtsprechung - aus einer natürlichen Verbindlichkeit würde eine einklagbare. Jede dieser Änderungen widerspräche jedoch dem - von Amts- oder Vertretertheorie unabhängigen - Grundsatz des Konkursrechts, daß der Konkursverwalter nur Ansprüche geltend machen kann, die dem Gemeinschuldner zustehen, und dies nur so, wie es auch der Gemeinschuldner könnte (Lent JZ 1956, 493).

cc) Der Hinweis, daß die Rechtsstellung des Konkursverwalters auch sonst besser sei als die des Gemeinschuldners, und zwar insbesondere durch sein Anfechtungsrecht, führt nicht weiter. Als Ausnahmeregelung (BGHZ 44, 1, 4) knüpft die Anfechtung an die Benachteiligung der Gläubiger an. Diese wird erst durch den Konkurs rechtserheblich. Eine Leistung, die gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstößt, verliert hingegen diese Eigenschaft nicht dadurch, daß der unter Gesetz- oder Sittenverstoß Leistende in Konkurs gerät (Kuhn WM 1957, 150; Lent aaO.; Honsell aaO. S. 50). Eine bessere als die Rechtsposition des Gemeinschuldners kann den Konkursgläubigern nur durch die Konkursanfechtung - unter deren Voraussetzungen - verschafft werden (vgl. Reuter/Martinek aaO. S. 226). Bei verbots- oder sittenwidrigen Leistungen des Gemeinschuldners - etwa Bestechungsgeldern oder Zahlungen im Rahmen wettbewerbswidriger Absprachen - geht es nicht um unter Gläubigerbenachteiligung begangene Verkürzungen der Masse, denen mit der Anfechtung begegnet werden könnte (so richtig Kuhn/Uhlenbruck aaO. § 6 Rdn. 45 c). Stellen sie sich im Einzelfall auch als solche dar, kann in der dafür vorgesehenen Frist des § 41 KO angefochten werden.

dd) Das Reichsgericht hatte ausgeführt, es fehle an einem "inneren Grund" dafür, dem Konkursverwalter die Bereicherungsklage abzusprechen (RGZ 99, 166, 168; RG JW 1931, 2093, 2094). Der Bundesgerichtshof hat dies zu verdeutlichen gesucht: Bei dem Einwand des § 817 Satz 2 BGB handele es sich um ein besonders geartetes Rechtshindernis, das der an sich zur Herausgabe Verpflichtete dem Bereicherungsanspruch entgegensetzen könne. Möge man die Rechtfertigung der Bestimmung darin finden, daß sie den Gläubiger des Herausgabeanspruchs für seinen eigenen Gesetzes- oder Sittenverstoß bestrafen wolle, oder aber darin, daß der staatliche Rechtsschutz dem zu versagen sei, der selbst sitten- oder gesetzeswidrig gehandelt habe: keiner der beiden Gründe bestehe zu Recht, wenn der Konkursverwalter wieder zur Masse ziehe, was ein rechtlich mißbilligtes Verhalten des Bereicherten dem Vermögen des Gemeinschuldners entzogen habe. Wirtschaftlich betrachtet komme das Rückfließen der Bereicherung in die Konkursmasse den Konkursgläubigern und in der Regel allein ihnen zugute. Auf ihre Kosten dem Bereicherten, der sitten- oder gesetzeswidrig gehandelt habe, sein unrechtmäßig Erworbenes zu belassen, könne nicht der Sinn einer Bestimmung sein, die aus ausschließlich moralisch zu wertenden Gesichtspunkten einem an sich gegebenen Anspruch die Durchführung im Rechtsweg versagen wolle. Ähnlich ist in BGH NJW 1962, 483 ausgeführt, es sei nicht einzusehen, daß dem Bereicherten selbst in dem Falle, daß er selbst gesetz- oder sittenwidrig gehandelt habe, sein verwerflicher Erwerb auf Kosten der Konkursgläubiger verbleibe.

Indessen ist auch dieses Argument der bisherigen Rechtsprechung nicht tragfähig. Die Rückabwicklung der Bereicherung wirkt sich auch zugunsten des Gemeinschuldners aus. Die ihn nach dem Abschluß des Konkursverfahrens noch belastenden Verbindlichkeiten werden geringer. In - wenn auch seltenen - Ausnahmefällen kann das Zurückfließen der unter Sittenverstoß erbrachten Leistung sogar zu einem dem Gemeinschuldner verbleibenden Überschuß der Masse führen. Zudem wird mit der Argumentation des Bundesgerichtshofs, wie mit Grund beanstandet worden ist (Kuhn/Uhlenbruck aaO. Rdn. 45 d), die Frage nach der Bereicherung nicht nur für den Zeitpunkt der Vornahme der Leistung, sondern ein zweites Mal für den Augenblick nach der Konkurseröffnung gestellt; erst jetzt können die Interessen der Gläubiger des Leistenden ins Spiel gebracht werden. Freilich können Nichtigkeit nach §§ 134, 138 BGB und Anfechtbarkeit nach §§ 29 ff. KO in Ausnahmefällen nebeneinander vorliegen und dann im selben Verfahren geltend gemacht werden. Die Tatbestände haben jedoch jeweils ihre eigenen Voraussetzungen und Rechtsfolgen; zu ihnen gehört bei Nichtigkeit nach den §§ 134, 138 BGB die Nichtrückforderbarkeit für den Fall, daß auch den Leistenden der Vorwurf des Gesetzes- oder Sittenverstoßes trifft. Diese im materiellen Recht aufgerichtete Rückforderungssperre trifft wie jeden Rechtsnachfolger des Leistenden auch den voll- streckenden Pfändungspfandgläubiger. Die kollektiv Befriedigung suchenden Konkursgläubiger können nicht von ihr befreit werden.

ee) Die Vorschrift des § 817 Satz 2 BGB gestattet dem Leistungsempfänger, den verwerflichen Erwerb zu behalten. Diese Rechtslage tritt mit der Leistung ein und hängt nicht von der wirtschaftlichen Lage des Leistenden ab. Daß sie sich - und sei es auch dadurch, daß die Berufung auf die Vorschrift zur unzulässigen Rechtsausübung würde (vgl. Haymann aaO. und Linke aaO.) - änderte, wenn später der Leistende in Vermögensverfall gerät und seine Gläubiger im Konkursverfahren gleichmäßige Befriedigung suchen, kann nach allem nicht anerkannt werden.

ff) Auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung würde sich ergeben, daß der Empfänger die ihm unter Sittenverstoß erbrachte Leistung zunächst behalten könnte, sie ab Konkurseröffnung auf Klage herausgeben müßte, im Falle der Einstellung des Konkursverfahrens bei noch nicht beendetem und vom (bisherigen) Gemeinschuldner fortgeführten Herausgabeprozeß aber wieder behalten dürfte, so daß es infolge der Beendigung des Konkursverfahrens zur Abweisung der fortgeführten Klage käme. Auch dieses Ergebnis spricht gegen die Richtigkeit der bisherigen Auffassung des Bundesgerichtshofs (Baur in Festschrift für Friedrich Weber, 1975, S. 45 f.).

3. a) In Würdigung aller genannten Umstände ist der Senat der Auffassung, daß die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht beibehalten werden kann. Sie wird aufgegeben § 817 Satz 2 BGB kann auch dem Konkursverwalter mit Erfolg entgegengehalten werden.

b) Diese Änderung der Rechtsprechung setzt keine Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs (§ 136 Abs. 1 GVG) voraus. Das Urteil BGHZ 19, 338 hat der IV. Zivilsenat erlassen, der nicht mehr besteht. Deshalb ist insoweit eine Vorlage nicht geboten (vgl. Senatsbeschluß. vom 3. März 1982 - IVb ZR 637/80 - FamRZ 1982, 480, 482 m.w.N.). Auch die Abweichung von dem Urteil des VII. Zivilsenats (NJW 1962, 483) veranlaßt keine Vorlage an den Großen Senat, weil das Bereicherungsrecht nach der Geschäftsverteilung jetzt nicht mehr in die Zuständigkeit des VII. Zivilsenats, sondern in die des erkennenden Senats fällt (s. dazu BGHZ 28, 16, 28).

B) Das Berufungsgericht hat weiter ausgeführt, der Klageanspruch sei auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen einer unerlaubten Handlung nicht begründet. Das begegnet keinen rechtlichen Bedenken; auch die Revision erhebt solche nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2992968

BGHZ 106, 169

BGHZ, 169

BB 1989, 376

NJW 1989, 580

BGHR BGB § 817 Satz 2 Konkursverwalter 1

DRsp I(144)118a

WM 1989, 191

ZIP 1989, 107

JuS 1989, 407

MDR 1989, 338

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