Leitsatz (amtlich)

Zur Ermittlung des Erwerbsschadens eines körperlich geschädigten selbständigen Landwirts.

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Entscheidung vom 07.12.1964)

LG Bochum

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten Heinrich S. wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 7. Dezember 1964 aufgehoben, soweit es diesen Beklagten betrifft. Die Kostenentscheidung wird aufgehoben, soweit das Urteil die Kostenpflicht im Verhältnis zwischen den Kläger und dem Beklagten Smid regelt.

Im Umfange der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer eines 32,35 ha grossen Bauernhofes in W.-St., den or seit 1931 als Landwirtschaftsmeister leitete. Am 30. Oktober 1951 wurde er durch einen vom Beklagten Heinrich S. gesteuerten Kraftwagen der Firma Gustav Ge. & Co., Aktiengesellschaft, in K.-N. - in den Vorinstanzen Beklagte zu 2 - in B. auf dem Bürgersteig der A. strasse angefahren und schwer verletzt. Nach dem der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft erstatteten Durchgangsarztbericht von Prof. Dr. R. befand sich der Kläger bei seiner Anlieferung in das E.-Hospital in B. in einem schweren Schockzustand und blutete erheblich aus dem linken Ohr. An Verletzungen wurden unter anderem festgestellt: Brüche beider Unterschenkel, ein Abbruch des Oberkiefers in seiner ganzen Breite von der Schädelbasis, ein zweifacher Bruch des Unterkiefers, eine Spaltung der Unterlippe und zahlreiche Platz- und Risswunden am Kopf.

In einem Vorprozess (2 O 151/55 LG Bochum - 3 U 233/57 OLG Hamm) hat der Kläger gegen den Beklagten S. und die Firma Ge. wegen seines bis zum 31. Dezember 1953 entstandenen materiellen Schadens sowie hinsichtlich der Verpflichtung der Beklagten, ihm allen künftigen Unfallschaden zu ersetzen - der Firma Ge. jedoch nur bis zur Höhe eines Gesamtschadens von 25.000,- DM - und gegen den Beklagten S. auch wegen seines immateriellen Schadens ein rechtskräftiges Urteil zu seinen Gunsten erwirkt.

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Beklagten auf Ersatz des ihm in der Zeit vom 1. Januar 1954 bis zum 31. Dezember 1961 entstandenen weiteren materiellen Schadens in Anspruch genommen. Er hat vorgetragen, vor dem Unfall habe er täglich 12 Stunden auf seinem Hof gearbeitet. Durch den Unfall sei seine körperliche Leistungsfähigkeit erheblich herabgesetzt worden und seine Fähigkeit, den Hof zu leiten, entfallen. Bei dem Unfall habe er ausser den Brüchen eine Gehirnerschütterung und eine Gehirnquetschung erlitten. Obwohl die rein chirurgischen Unfallfolgen inzwischen abgeheilt seien, leide er immer noch unter erheblichen Nachwirkungen. Er habe ständig Kopfschmerzen und ein dumpfes Druckgefühl im Kopf. Bisweilen leide er unter Schwindelanfällen, insbesondere beim Bücken. Die erlittenen Dauerhirnschäden hätten zudem zu einer tiefgreifenden Veränderung seiner Persönlichkeit geführt. Vor dem Unfall sei er ein anerkannt guter Landwirt gewesen. Seit dem Unfall leide er unter erheblichen Antriebsstörungen und sei nicht mehr zu verantwortlichen Dispositionen in der Lage. In der Zeit vom 1. Januar 1954 bis zum 31. Dezember 1961 sei er in seinem Betrieb mit seiner körperlichen und geistigen Arbeitskraft praktisch völlig ausgefallen. Soweit sein Betrieb von seiner Ehefrau sowie teilweise auch von seinem Schwager Ob. geführt worden sei und seine Familienangehörigen verstärkt mitgearbeitet hätten, könne das den Beklagten nicht zugute kommen. Durch den Ausfall seiner Arbeitskraft habe der Hof nicht die an sich möglichen Erträge gebracht. Obwohl er nach dem Unfall Land verpachtet und verkauft habe und sowohl den Erlös daraus wie auch die aufgrund des Vorprozesses von dem Beklagten erbrachten Leistungen dem Hof zugeführt habe, sei der Hof durch Aufnahme von Bankkrediten immer mehr verschuldet. Anfang 1963 habe die Schuldenlast 90,000,- DM betragen. In einem landwirtschaftlichen Betrieb könne jedoch schon mit Rücksicht auf die schwankenden Ernten niemals konkret der Nachweis des gesamten Schadens geführt werden, obwohl klar sei, dass durch den Ausfall des Betriebsinhabers ein wesentlich höherer Schaden entstehe, als für Ersatzkräfte an Geld und Verpflegung ausgegeben werden müsse. Der Schaden des Klägers bestehe darin, dass auf seinem Hof eine leitende Persönlichkeit gefehlt habe und der Hof deshalb nicht den vollen Ertrag gebracht habe. Um einen Rückgang des Betriebes zu vermeiden, hätte er, statt sich mit landwirtschaftlichen Hilfskräften und der am 20. Mai 1958 erfolgen Einstellung eines Verwalters zu begnügen, einen Landwirtschaftsmeister einstellen müssen. Da seinem Betrieb die Arbeitskraft eines Landwirtschaftsmeisters verloren gegangen sei, könne er Schadenersatz in Höhe der Kosten verlangen, die ihm durch die Einstellung eines Landwirtschaftsmeisters entstanden sein würden. Diese hätten einschliesslich des Wertes der freien Station und der Sozialbeiträge in der Zeit vom 1. Januar 1954 bis zum 31. Dezember 1961 rund 61.300,- DM betragen. Nach Abzug der in der fraglichen Zeit von der Berufsgenossenschaft gezahlten Beträge von 9.404,58 DM verbleibe ein Schaden von 51.895,62 DM, Wenn die Beklagten ihm diesen Schaden rechtzeitig ersetzt hätten, hätte er keine Kredite aufzunehmen und dafür auch nicht durchschnittlich 9 % Zinsen und Spesen, zu zahlen brauchen. Da er Anspruch auf monatliche Zahlung der Kosten eines Landwirtschaftsmeisters gehabt habe, seien die monatlichen Beträge mit 9 % jährlich zu verzinsen. Das ergebe einen Zinsanspruch von 17.471,26 DM.

Nachdem der Kläger die Klage gegen die Firma Ge. auf Zahlung von 18.451,55 DM in Höhe von 12,921,65 DM zurückgenommen und in Höhe von 3.940,84 DM für erledigt erklärt hatte, hat er unter Berücksichtigung der Haftungsgrenze zugunsten der Firma Ge. beantragt,

  • 1)

    die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 1.588,96 DM zu zahlen.

  • 2)

    den Beklagten S. zu verurteilen, an ihn weitere 67.777,72 DM nebst 9 % Zinsen von 51.695,52 DM seit dem 1. Januar 1962 zu zahlen.

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt und entgegnet, es treffe nicht zu, dass der Kläger infolge des Unfalls arbeitsunfähig geworden sei. Dass er eine contusio cerebri erlitten habe, sei nicht nachweisbar. Allein aus den psychischen Veränderungen des Klägers könne nicht darauf geschlossen werden, dass eine Gehirnquetschung und nicht nur eine Gehirnerschütterung vorgelegen habe. Im übrigen leide der Kläger an einem Leisten- und einem Hodenbruch, habe Durchblutungsstörungen am rechten Fuss, Krampfadern sowie Senk- und Spreizfüsse. Schon wegen dieser unfallunabhängigen Leiden sei er zu schweren Arbeiten in der Landwirtschaft nicht in der Lage. Seine Wesensveränderung beruhe möglicherweise auf einer vorzeitigen Arteriosklerose. Abgesehen hiervon sei der Kläger auch noch durchaus in der Lage, seinen Hof zu leiten. Das ergebe sich schon daraus, dass er seinen Betrieb nach dem Unfall planvoll auf Viehwirtschaft umgestellt, Maschinen angeschafft und zweckmässige Investitionen vorgenommen habe, worauf im übrigen auch die Verschuldung seines Hofes zurückzuführen sei. Der Kläger könne daher auf keinen Fall als Schaden das Gehalt eines Landwirtschaftsmeisters ersetzt verlangen.

Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten S. zurückgewiesen. Die Klage gegen die Firma Ge. hat es abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt der Beklagte S. seinen Antrag auf Klageabweisung weiter. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat in eingehender und sorgfältiger Auswertung der zahlreichen, im Ergebnis übereinstimmenden fachärztlichen Gutachten, die im Vorprozess und von 1952 bis 1962 für die Berufsgenossenschaft erstattet wurden, sowie aufgrund der im vorliegenden Rechtsstreit eingeholten abschliessenden Gutachten der chirurgischen Klinik und der Universitätsnervenklinik in K.-L., durch die die Ergebnisse der Vorgutachten bestätigt wurden, die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger durch den Unfall einen dauernden Hirnschaden (contusio cerebri) erlitten hat, der eine tiefgreifende Änderung seiner Persönlichkeit im Sinne völliger Antriebslosigkeit, Reaktionsverlangsamung und Affektabilität und damit seine Unfähigkeit zur Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes zur Folge gehabt hat. Diese Würdigung wird von der Revision mit Verfahrensrügen vergeblich angegriffen.

Zu Unrecht macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe dem Beweisantrag der Beklagten auf Einholung eines psychiatrischen Obergutachtens stattgeben müssen; es handele sich, so meint sie, um schwierige Kausalitätsfragen, bei denen sich das Berufungsgericht nicht mit chirurgischen und neurologischen Gutachten habe begnügen dürfen; erfahrungsgemäss sei ein Neurologe überhaupt nicht in der Lage, aufgrund eigener Untersuchungen Gehirnschäden der behaupteten Art festzustellen; er sei stets auf Festststellungen von anderer Seite (Zeugenvernehmung und andere ärztliche Feststellungen) angewiesen.

Die Revision übersieht, dass nicht weniger als drei der Gutachter (Dr. Kr., Dr. Ro. und Dr. D.) Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie waren. Es spricht nichts dafür, dass diese Sachverständigen bei Erstattung ihrer Gutachten ihr psychiatrisches Fachwissen nicht verwertet hätten. Die von ihnen gewonnenen Ergebnisse decken sich mit dem Schlussgutachten der beiden K. Universitätskliniken.

Der Sachverständige Dr. Kr. hat in seinem Gutachten vom 5. Juli 1955 ausgeführt, es müsse angenommen werden, dass der Kläger bei dem Unfall eine sehr erhebliche Gehirnschädigung erlitten habe, wahrscheinlich eine Gehirnprellung oder -quetschung; eine abschließende Stellungnahme könne jedoch erst nach der Vernehmung von Zeugen und Einsichtnahme in die Akten der Berufsgenossenschaft erfolgen. Diese Stellungnahme gab sodann nach Beizichung der Akten der Berufsgenossenschaft und Vernehmung von drei Zeugen, die den Kläger vor und nach dem Unfall gekannt hatten, Dr. Ro. in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 18. März 1957. Er bestätigt die Annahme von Dr. Kr., der Kläger habe einen Hirndauerschaden erlitten, der seine Unfähigkeit zur Leitung eines landwirtschaftlichen Betriebes zur Folge habe, als richtig. Entgegen der Meinung der Revision haben also die Sachverständigen für Neurologie und Psychiatrie ihre Feststellungen nicht ausschliesslich aufgrund eigener Untersuchungen getroffen, sondern gerade auch die von der Revision vermissten Unterlagen benutzt und ausgewertet. Das Berufungsgericht hat danach ohne Rechtsverstoss von der Einholung des beantragten Obergutachtens abgesehen.

Die Revision beanstandet, über die Auswirkungen unfallunabhängiger Ursachen (Alt ersabbau, Durchblutungsstörungen, Senk- und Spreizfüsse, Leisten- und Hodenbruch, Krampfadern, verkrümmte Zehennägel) enthalte keines der Gutachten eine Würdigung; die Auffassung des Berufungsgerichts, es sei ausgeschlossen, dass derartige Ursachen für eine Erwerbsunfähigkeit des Klägers den Sachverständigen entgangen sein könnten, werde durch § 287 ZPO nicht getragen.

Die Rüge ist nicht begründet. Die angeführten Schäden sind im wesentlichen von den Sachverständigen selbst, insbesondere in den Gutachten der K. Universitätskliniken, aufgezeigt worden. Das Gutachten der chirurgischen Universitätsklinik führt ausdrücklich als unfallunabhängige Schäden mässige Durchblutungsstörungen an, die jedoch bisher keine Beschwerden verursacht hätten, sowie geringgradige Krampfadern und beiderseitige Senk- und Spreizfüsse. Wenn unter diesen Umständen das Berufungsgericht der Auffassung ist, dass die angeführten Leiden als Ursache für die Erwerbsminderung des Klägers nicht ins Gewicht fielen, weil sonst die Gutachter mit Sicherheit darauf hingewiesen hätten, so hält sich diese Würdigung durchaus im Rahmen des dem Tatrichter durch § 287 ZPO eingeräumten freien Ermessens.

II.

Das Berufungsgericht billigt dem Kläger als Ersatz des durch den Ausfall seiner Arbeitskraft entstandenen Schadens die Beträge zu, die er für einen Landwirtschaftsmeister hätte aufwenden müssen, und zwar ohne Rücksicht darauf, dass er einen solchen tatsächlich nicht eingestellt hat, und ohne auf die Frage einzugehen, ob und in welchem Umfang die Erträge des landwirtschaftlichen Betriebes infolge des Wegfalls der Arbeitskraft des Klägers zurückgegangen sind. Es bezieht sich auf die Entscheidung des erkennenden Senats BGHZ 38, 55, in der ausgesprochen ist, dass einer durch unerlaubte Handlung körperlich verletzten Ehefrau wegen ihrer Beeinträchtigung in der Führung des Haushalts ein eigener Schadensersatzanspruch zusteht, und dass die Schadenshöhe aufgrund der Aufwendungen ermittelt werden kann, die eine durch den Wegfall der Arbeitskraft der Ehefrau notwendig gewordene Einstellung einer Hilfskraft erfordert. Das Berufungsgericht meint, die Grundsätze dieser Entscheidung seien auch im vorliegenden Fall anwendbar. Der konkrete Schaden des Klägers bestehe darin, dass er wegen der Unfall folgen mit seiner Arbeitskraft für seinen landwirtschaftlichen Betrieb praktisch ausgefallen sei. Der Kläger benötige - ebenso wie im Falle der Entscheidung BGHZ 38, 55 die klagende Ehefrau einer Hilfskraft bedürfe - zur ordnungsmäßigen Fortführung seines Hofes als Ausgleich für den Ausfall seiner Arbeitskraft eine Ersatzkraft. Er sei deshalb berechtigt, die Kosten für diese Ersatzkraft von dem Schädiger ersetzt zu verlangen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob er die Ersatzkraft in der hier fraglichen zeit tatsächlich beschäftigt habe oder nicht. Als Krsatzkraft sei ein Landwirtschaftsmeister erforderlich. Der Kläger könne daher seiner Schadensberechnung das Gehalt eines Landwirtschaftsmeisters zugrunde legen.

Diese Ausführungen sind nicht frei von rechtlichen Bedenken. Der Ausfall der Arbeitskraft des Klägers stellt entgegen der. Auffassung des Berufungsgerichts für sich allein noch keinen Vermögensschaden dar; er ist lediglich geeignet, einen solchen herbeizuführen. Ein Erwerbsschaden liegt erst dann vor, wenn sich der Ausfall der Arbeitskraft materiell nachteilig auf die Erträgnisse des Hofes ausgewirkt hat. Hierüber hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen, es hat diese Frage überhaupt nicht erörtert. Die Schadensschätzung des Berufungsgerichts ermangelt daher einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage.

Der Auffassung des Berufungsgerichts, der vorliegende Fall sei dem der Entscheidung BGHZ 38, 55 gleich gelagert, kann nicht gefolgt werden. Dort ist der klagenden Ehefrau ein eigener Schadensersatzanspruch zuerkannt worden, weil sie infolge der erlittenen Körperschäden nicht mehr in der Lage war, die Arbeiten im Haushalt so auszuführen, wie sie willens war und ohne den Körperschaden verpflichtet gewesen wäre; ihr Schaden bestand in den Auslagen für die dadurch erforderlich gewordene Einstellung einer Hilfskraft. Der Kläger dagegen verlangt Ersatz seines Erwerbsschadens, der nach seinem eigenen Vorbringen in einem Rückgang der Erträgnisse seines Hofes und einer darauf beruhenden starken Verschuldung besteht und den er auf den Ausfall seiner Arbeitskraft zurückführt.

Der Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe in den Wirtschaftjahren 1948/49 und 1949/50 mit Verlust und 1950/51 (Unfalljahr) mit einem Gewinn von nur 195,- DM gearbeitet; die Verschuldung vor dem Unfall habe bereits 14.834,- DM betragen; die weitere Verschuldung nach dem Unfall beruhe auf einer - nicht unfallbedingten - Modernisierung und Umstellung des Betriebes. An diesen Behauptungen durfte das Berufungsgericht nicht völlig vorüber gehen. Eine Wahrscheinlichkeitsschätzung nach §§ 252 BGB, 287 ZPO kann nur auf dem Boden einer ausreichenden tatsächlichen Grundlage vorgenommen werden, die den Schluss darauf gestattet, wie sich die Einkommensverhältnisse ohne das Sch densereignis gestaltet haben würden. Eine völlig abstrakte Berechnung ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Entwicklung des Betriebes kann daher nicht als zulässig angesehen werden (vergl. Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, 8. Aufl. S. 519 mit Nachweisen aus der Rechtssprechung des BGH). Die Auffassung von Bauer, DAR 1959, 113 ff, der körperlich geschädigte Betriebsinhaber könne seinen Erwerbsschaden allein nach dem Wert seiner ausgefallenen Arbeitskraft abstrakt berechnen, und zwar ohne Rücksicht auf die Entwicklung der Ertragslage des Betrieben infolge des Wegfalls seiner Arbeitskraft, wird daher von Wussow a.a.O. mit Recht als zu weitgehend bezeichnet.

Das angefochtene Urteil kann danach, soweit es den Beklagten S. betrifft, nicht bestehen bleiben. Da noch tatsächliche Erörterungen erforderlich sind, war der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Wenn das Berufungsgericht bei der Überprüfung zu ähnlichen Ergebnissen wie daß Landgericht kommen sollte, das als erwiesen angesehen hat, dass die bis zum 31. Dezember 1961 trotz grösserer Landverkäufe und Pachteinnahmen eingetretene Verschuldung des Hofes von 100.111.57 DM zumindest in Höhe des zugesprochenen Betrages auf dem Unfall beruht, so würde es nicht gehindert sein, ebenso wie das Landgericht den Schaden in Anwendung des § 287 ZPO in der Höhe des Gehalts eines Landwirtschaftsmeisters zu schätzen.

III.

Das angefochtene Urteil kann, soweit Verzugszinsen zugesprochen werden, auch um deswillen keinen Bestand haben, weil das Berufungsgericht die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des Schuldnerverzuges nicht geprüft hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018622

MDR 1967, 120

MDR 1967, 120-121 (Volltext mit amtl. LS)

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