Leitsatz (amtlich)

Ein Vertrag, der die Verpflichtung zum langfristigen, nicht leitungsgebundenen Bezug von Flüssiggas zum Gegenstand hat, fällt unter § 1 c Nr. 3 AbzG; er kann daher von dem Verpflichteten nach § 1 b AbzG widerrufen werden.

 

Normenkette

AbzG § 1c Nr. 3

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Urteil vom 25.11.1987)

LG Hildesheim

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 25. November 1987 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin vertreibt zur Gewinnung von Licht und Wärme bestimmtes Flüssiggas.

Am 16./19. Juni 1980 schloß sie mit der Beklagten für die Dauer von zehn Jahren einen die „Lieferung des gesamten Flüssiggasbedarfs des Kunden” umfassenden, formularmäßig gestalteten „Flüssigas-Liefervertrag zum Behälter-, Kauf- und Wartungsvertrag”. Sie verpflichtete sich darin, während der Laufzeit des Vertrages den gesamten Bedarf der Beklagten an Flüssiggas zu decken. Die Lieferung sollte „durch rechtzeitigen Abruf (spätestens bei 30% Tankinhalt)” der Beklagten erfolgen. Darüber hinaus verpflichtete sich die Beklagte, jeweils die Menge abzunehmen, die die Klägerin oder ihr Beauftragter zur Auffüllung des Lagertanks auch ohne Bestellung anlieferte. „Ergänzend zum Flüssiggasliefervertrag” schlossen die Parteien gleichfalls am 16./19. Juni 1980 einen „Behälter-, Kauf- und Wartungsvertrag”, aufgrund dessen die Klägerin der Beklagten gegen Zahlung des Kaufpreises einen 2.200 kg fassenden „unterirdischen” Tank lieferte und dessen Wartung zu einem jährlichen Pauschalpreis übernahm. Nach Nr. 4 des Vertrages durfte der Tank während der Wirksamkeit des Flüssiggasliefervertrages ausnahmslos nur mit von der Klägerin oder deren Erfüllungsgehilfen geliefertem Flüssiggas gefüllt werden. Der Vertrag sollte mit dem dazugehörigen Liefervertrag auslaufen.

Mit Schreiben vom 15. Juli 1984 kündigte die Beklagte die Vertragsverhältnisse fristlos als „lt. Grundgesetz nicht rechtens”.

Daraufhin hat die Klägerin klageweise die Feststellung begehrt, daß die Kündigung der Beklagten die Vertragsverhältnisse der Parteien gemäß den beiden Verträgen vom 16./19. Juni 1980 nicht beendet habe, und ferner die Verurteilung der Beklagten erstrebt, weiter ihren gesamten Flüssiggasbedarf bei der Klägerin zu decken, den erworbenen Tank nur mit dem Flüssiggas der Klägerin zu befüllen und – um diesen Antrag ist die Klage im zweiten Rechtszug erweitert worden – es bei Meidung eines Ordnungsgeldes zu unterlassen, Flüssiggas von Dritten zu beziehen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Verträge seien nach § 138 BGB nichtig und wegen Verstoßes zahlreicher Vertragsklauseln gegen das AGB-Gesetz nach § 6 Abs. 3 AGBG unwirksam. Außerdem hat sie den Liefervertrag in der Klageerwiderung gemäß § 1 b AbzG widerrufen.

Die Klägerin ist in beiden Vorinstanzen unterlegen. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt sie ihr Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das zulässige Klagebegehren sei unbegründet, weil die Beklagte den Liefervertrag wirksam gemäß §§ 1 b, 1 c AbzG widerrufen habe und damit auch der Behälter-, Kauf- und Wartungsvertrag hinfällig geworden sei.

II.

Dem ist zuzustimmen.

1. Nach § 1 c Nr. 3 AbzG kann der Käufer, der – wie hier die Beklagte – nicht als Kaufmann im Handelsregister eingetragen war (§ 8 AbzG), seine auf den Vertragsschluß gerichtete Willenserklärung in entsprechender Anwendung des § 1 b AbzG binnen einer Woche widerrufen, wenn der Vertrag die Verpflichtung zum wiederkehrenden Erwerb oder Bezug von Sachen zum Gegenstand hat. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

a) Wie das Berufungsgericht mit Recht festgestellt hat und von der Revision nicht in Zweifel gezogen wird, verpflichtet der Flüssiggasliefervertrag die Beklagte, während eines Zeitraums von zehn Jahren ausschließlich von der Klägerin Flüssiggas zu beziehen. Zwar enthält der Vertrag keine Bestimmung, die diese Verpflichtung ausdrücklich regelt; vielmehr ist nach seinem Wortlaut lediglich eine Verpflichtung der Klägerin festgelegt, während der Laufzeit des Vertrages den gesamten Bedarf der Beklagten an Flüssiggas zu decken. Daß die Beklagte gehalten war, wiederkehrend Flüssiggas der Klägerin zu beziehen, ergibt sich aber aus dem Gesamtinhalt des Vertrages. Dieser ist so angelegt, daß ein – von der Klägerin zu deckender – „Bedarf” der Beklagten an Flüssiggas stets neu durch die jeweilige bestimmungsgemäße, notwendige Verbrauchsentnahme aus dem Tank entstand und die Beklagte zur Deckung dieses Bedarfes eine Nachlieferung abrufen mußte, sobald der Tankinhalt nur noch 30% betrug, oder auch ohne einen solchen Abruf die Auffüllung des Tankes dulden mußte, wenn die Klägerin von sich aus Flüssiggas anlieferte oder anliefern ließ.

b) Diese vertragliche Pflicht der Beklagten stellt eine Verpflichtung zum wiederkehrenden Bezug von Sachen im Sinne des § 1 c Nr. 3 AbzG dar. Der erkennende Senat hat die Frage, ob Bierlieferungsverträge mit einer Bezugsverpflichtung unter diese Vorschrift fallen, unter Berücksichtigung des Wortlautes, der Entstehungsgeschichte und des rechtspolitischen Zwecks der Bestimmung in ständiger Rechtsprechung bejaht (grundlegend BGHZ 78, 248). In Anlehnung an diese Rechtsprechung hat er § 1 c Nr. 3 AbzG auch auf die in einem Franchise-Vertrag enthaltene Vereinbarung über die Verpflichtung des Franchise-Nehmers zum langfristigen Bezug der Ware des Franchise-Gebers angewandt (Urteil vom 16. April 1986 – VIII ZR 79/85 = WM 1986, 795). Nichts anderes kann für die langfristige Bezugspflicht in einem Flüssiggasliefervertrag gelten.

aa) Nach dem Wortlaut der Vorschrift, mit der nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich „alle Verträge auf wiederkehrende Leistungen” erfaßt werden sollten (vgl. den Bericht des Abgeordneten Dürr in der Niederschrift der 85. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 14. März 1974 S. 5540 unter B), kann ihre Anwendbarkeit auf den vorliegen den Vertrag nicht zweifelhaft sein. Daß dieser keine Gesamt- oder Mindestabnahmemenge vorsieht, ist unerheblich. § 1 c Nr. 3 AbzG greift, wovon das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen ist, auch dann ein, wenn der Bezug – wie hier. – nach dem wechselnden Bedarf des Verpflichteten zu erfolgen hat (vgl. Senatsurteil vom 16. April 1986 a.a.O. S. 797 unter II 1 b m.w.N.).

bb) Auch der rechtspolitische Zweck der in § 1 c AbzG getroffenen Regelungen, dem Käufer beim Eingehen langfristiger Bezugsbindungen eine kurze nachträgliche Überlegungsfrist mit einem Widerrufsrecht einzuräumen (BGHZ 78, 248, 251; 97, 127, 133), gebietet die Anwendung des § 1 c Nr. 3 AbzG auf den vorliegenden Flüssiggaslieferungsvertrag.

Zwar wird in Literatur und Rechtsprechung teilweise die Auffassung vertreten, der Bezug von Gas falle vom Gesetzeszweck her nicht unter diese Vorschrift {Palandt/Putzo, BGB, 47. Aufl., § 1 c AbzG Anm. 1 a; Soergel/Hönn, BGB, 11. Aufl.; § 1 c AbzG Rdn. 9; BGB-RGRK/Kessler, 12. Aufl., § 1 c AbzG Rdnr. 4; MünchKomm-Westermann, BGB, § 1 c AbzG Rdn. 6; Erman/Weitnauer-Klingsporn, BGB, 7. Aufl., § 1 c AbzG Rdn. 4; Löwe in NJW 1974, 2257, 2262; OLG München in NJW 1977, 1691; a.A. Reich in JZ 1975, 550, 554; Klauss/Ose, Kommentar zum Gesetz betr. die Abzahlungsgeschäfte, Rdn. 348; Ott, Das Recht der Abzahlungsgeschäfte, 2. Aufl., S. 25). Dieser Meinung, der sich auch die Revision angeschlossen hat, kann jedenfalls nicht ausnahmslos, insbesondere nicht für Flüssiggaslieferverträge der vorliegenden Art gefolgt werden. Sie stützt sich auf den oben erwähnten Bericht des Abgeordneten Dürr (a.a.O.), wonach der Bundesrat in einem vierten Begehren Abs. 1 des § 1 d (= § 1 c in der Gesetz gewordenen Fassung) nicht auf Verträge angewandt wissen wollte, die die „öffentliche Versorgung mit Gas und Wasser” zum Inhalt haben, der Vermittlungsausschuß dem Begehren des Bundesrates, dies in einem Absatz 2 klarzustellen, aber nicht gefolgt ist, weil er diese Ergänzung nicht für erforderlich hielt. Damit waren jedoch Verträge über die Lieferung von Flüssiggas, die in Flaschen oder – wie hier – Tankwagen erfolgt, nicht angesprochen.

Es ist schon zweifelhaft, ob eine solche Versorgung mit Flüssiggas überhaupt unter den – in § 2 Abs. 2 EnergiewirtschaftsG definierten – Begriff der „öffentlichen Versorgung” mit Gas fällt (vgl. § 4 der 3. VO zur Duchführung des Energiewirtschaftsgesetzes in der Fassung der VO vom 12. Dezember 1985 – BGBl. I S. 2252 –, wonach das Energiewirtschaftsgesetz auf Flüssiggas nur insoweit anzuwenden ist, als es für leitungsgebundene öffentliche Gasversorgung verwendet wird). Jedenfalls ergibt sich aus der Begründung des von dem Abgeordneten Dürr erwähnten vierten Begehrens des Bundesrates (BR-Drucksache 52/74 vom 15.2.1974, S. 5 f.) eindeutig, daß nur Versorgungsverträge aus dem leitungsgebundenen Tarifkundenbereich von der Anwendung des § 1 c AbzG ausgenommen werden sollten. Die Begründung lautet: „Durch § 1 d werden möglicherweise auch die in der öffentlichen Gas- und Wasserversorgung üblichen Verträge erfaßt. Hierzu besteht kein Bedürfnis. Es sollte klargestellt werden, daß diese Verträge nicht unter § 1 d fallen. Bei der Vielzahl der Schuldverhältnisse in der Gas- und Wasserversorgung ist eine Kontrolle der Einzelabnehmer darauf, ob nur nach Wahrung der Bestimmungen des Abzahlungsgesetzes … Gas und Wasser verbraucht wird, praktisch nicht möglich. Im übrigen wird darauf hingewiesen, daß nach der derzeitigen Rechtslage solche Verträge auch durch schlüssiges Handeln geschlossen werden können, was z.B. im Falle eines Wohnungswechsels zwecks kontinuierlicher Versorgung im Interesse des Verbrauchers liegt. Ein sofortiges und unbedingtes Wirksamwerden des Versorgungsvertrages mit der faktischen Aufnahme der Versorgung ist auch aus sicherheitstechnischen Gründen notwendig, weil erst hierdurch die entsprechenden Verpflichtungen für den Abnehmer begründet werden”. Diese Erwägungen treffen nur auf Massenschuldverhältnisse zu, wie sie im Tarifkundenbereich auf der Grundlage fester Tarife und normativ geregelter Bedingungen bestehen. In diesem Versorgungsbereich fehlt in der Tat auch ein Bedürfnis, die Abnehmer durch Einräumung eines Widerrufsrechts nach dem Abzahlungsgesetz zu schützen. Deren Interessen sind und waren auch zur Zeit der Schaffung des § 1 c Nr. 3 AbzG bereits hinreichend dadurch gewahrt, daß notwendiger Bestandteil der Verträge – gleichgültig ob sie ausdrücklich abgeschlossen oder schlüssig durch Entnahme der Energie aus den Versorgungsleitungen zustande gekommen sind – die durch Rechtsverordnung geregelten Allgemeinen Bedingungen für die jeweilige Energieversorgung sind und waren (vgl. für die Gasversorgung: ab 1. April 1980 § 1 Abs. 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden – AVBGasV – und für die Zeit davor § 1 Abs. 1 der durch Anordnung des Generalinspektors für Wasser und Energie vom 27. Januar 1942 (Reichsanzeiger Nr. 39) für allgemein verbindlich erklärten Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Gas aus dem Versorgungsnetz). Zudem steht und stand den Abnehmern ein relativ kurzfristiges Kündigungsrecht zu (vgl. § 32 Abs. 1 AVBGasV und Abschn. IX Abs. 1 der früher geltenden Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Gas).

Anders liegt es dagegen bei der nicht leitungsgebundenen Versorgung mit Flüssiggas. Für diese gilt die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden nicht (vgl. § 1 AVBGasV i.V.m. § 6 Abs. 1 EnergiewirtschaftsG; Eckert in Tegethoff/Büdenbender/Klinger, Das Recht der öffentlichen Energieversorgung, Bd. II, § 1 AVBGasV Rdn. 3). Vielmehr sind die Vertragsbedingungen frei aushandelbar. Hier besteht daher bei längerfristigen Bezugsbindungen die naheliegende Gefahr, daß der Abnehmer sich unüberlegt mit einer Verpflichtung belastet, die sich nach Dauer und Höhe erst in Zukunft realisiert. Deshalb muß vom Schutzzweck des § 1 c Nr. 3 AbzG her gesehen auch dem Abnehmer von Flüssiggas die Befugnis zustehen, sich durch Widerruf von einer langfristig eingegangenen Bindung zu lösen.

c) Die Beklagte hat ihre auf Abschluß des Liefervertrages gerichtete Willenserklärung auch wirksam widerrufen.

Ob ein solcher Widerruf bereits in ihrem Kündigungsschreiben vom 15. Juli 1984 zu erblicken ist, kann offenbleiben, weil er in der Klageerwiderung ausdrücklich unter Berufung auf § 1 b AbzG erklärt worden ist. Diese Erklärung ist rechtzeitig abgegeben. Die einwöchige Widerrufsfrist hatte mangels einer Belehrung der Beklagten über das ihr zustehende Widerrufsrecht noch nicht zu laufen begonnen.

2. Der Widerruf hatte zur Folge, daß der Liefervertrag nicht wirksam geworden ist. Damit entbehrt der „ergänzend” geschlossene Behälter-, Kauf- und Wartungsvertrag nach § 139 BGB gleichfalls der Wirksamkeit. Diese Vorschrift findet auch bei äußerlich getrennten Rechtsgeschäften Anwendung, wenn diese nach dem Willen der Vertragspartner miteinander „stehen und fallen” sollen. Einen solchen Willen der Parteien hat das Berufungsgericht rechtlich bedenkenfrei festgestellt. Verfahrensrügen hat die Revision hiergegen nicht erhoben. Darauf, ob sich dasselbe rechtliche Ergebnis auch aus Nr. 4 des Behälter-, Kauf- und Wartungsvertrages ableiten ließe, kommt es danach nicht an.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI856979

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