Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerberater haftet bei fehlerhafter Verschmelzungsberatung zweier GmbH für Steuerschaden der Nachfolgegesellschaft. Aktivlegitimation

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Steuerberater, der seine Pflicht, zwei Kapitalgesellschaften über die steuerlich günstigste Art ihrer Verschmelzung zu beraten, schuldhaft verletzt, hat der nach der Verschmelzung übrigbleibenden Gesellschaft den Schaden zu ersetzen, der darin besteht, daß es bei ihr zu einer höheren Steuerbelastung kommt, als es bei einer Verschmelzung auf die untergegangene Gesellschaft der Fall gewesen wäre.

2. § 28 Abs. 2 KapErhG ist nicht auf einen Anspruch gegen einen Steuerberater anwendbar, der einen infolge ungünstiger Vertragsgestaltung bei der Verschmelzung begründeten Steuerschaden zu ersetzen hat.

 

Leitsatz (redaktionell)

Wenn es Aufgabe des Steuerberaters war, durch richtige Vertragsgestaltung dafür zu sorgen, daß nach der Verschmelzung diejenige Gesellschaft fortbestand, die die größtmöglichen Steuervorteile in Anspruch nehmen konnte, dann muß bei der Schadensbeurteilung die Vermögenslage der tatsächlich übernehmenden Gesellschaft mit derjenigen verglichen werden, in der sich die Gesellschaft befände, auf die bei richtiger Gestaltung die Verschmelzung vorgenommen worden wäre. Daß es sich jeweils um einen anderen Rechtsträger handelt, spielt dabei keine Rolle; denn wirtschaftlich geht es immer um dieselbe Vermögensmasse, deren Bestand durch zutreffende Gestaltung der Verschmelzung gesichert werden sollte.

 

Normenkette

BGB § 249; KapErhG § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 28 Abs. 2, § 29 Abs. 1; StBerG § 33

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Urteil vom 29.02.1996; Aktenzeichen 12 U 3/95)

LG Köln (Urteil vom 24.11.1994; Aktenzeichen 83 O 45/94)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 29. Februar 1996 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Beklagte, eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, erstellte für die Klägerin und die GfB unter anderem die Jahresabschlüsse und Steuererklärungen. Alleingesellschafter der Klägerin und Mehrheitsgesellschafter der GfB war G. F.; an dieser Gesellschaft war neben ihm ein weiterer Gesellschafter mit 18 % beteiligt. F. war Geschäftsführer beider Gesellschaften. Diese schlossen aus betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Gründen nach Beratung durch die Beklagte am 28. Dezember 1989 einen Verschmelzungsvertrag, durch den die GfB auf der rechtlichen Grundlage des § 19 Abs. 1 Nr. 1 des damals noch geltenden Kapitalerhöhungsgesetzes (KapErhG) ihr Vermögen als Ganzes auf die Klägerin übertrug. Zum Ausgleich gewährte die Klägerin ihrem Gesellschafter F. einen zusätzlichen Geschäftsanteil von 80.000 DM und dem anderen Gesellschafter der GfB einen Anteil von 20.000 DM; zu diesem Zweck erhöhte sie ihr Stammkapital von 300.000 DM auf 400.000 DM. Verschmelzung und Kapitalerhöhung wurden am 4. Juni 1991 in das Handelsregister eingetragen. Die der Verschmelzung zugrunde gelegten Bilanzen zum 30. Juni 1989 wiesen für die GfB einen Gesamtverlust von rd. 817.000 DM und für die Klägerin einen solchen von rd. 482.000 DM aus. Nach der Verschmelzung machte die Klägerin bei der Körperschaftsteuerveranlagung die Verrechnung des von der GfB erwirtschafteten Verlustes mit späteren eigenen Gewinnen geltend. Dies lehnte das Finanzamt – nach übereinstimmender Auffassung der Parteien zu Recht – ab.

Die Klägerin wirft der Beklagten vor, sie bei der Verschmelzung falsch beraten zu haben; steuerlich günstiger wäre es gewesen, sie, die Klägerin, auf die GfB zu verschmelzen, weil in diesem Fall deren Verluste steuerlich nicht verloren gegangen wären, während ihre eigenen Verluste mit durch die Verschmelzung aufgedeckten stillen Reserven hätten verrechnet werden können. Die Vorinstanzen haben die Schadensersatzklage auf Zahlung von zuletzt 1.389.640 DM und auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz weitergehender Schäden abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

1. Das Berufungsgericht hat unterstellt, daß die Beklagte verpflichtet war, der Klägerin und deren Schwestergesellschaft aus steuerlichen Gründen von der Verschmelzung auf die Klägerin abzuraten und statt dessen die Verschmelzung auf die GfB zu empfehlen. Davon ist für die revisionsrechtliche Prüfung auszugehen.

2. Das Berufungsgericht hat gleichwohl gemeint, der Klägerin sei kein ihr zu ersetzender Schaden entstanden. Der dem zugrunde liegenden rechtlichen Beurteilung kann nicht gefolgt werden.

a) Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der Klägerin selbst kein Schaden entstanden, weil der Steuervorteil, der bei der von ihr für richtig gehaltenen Verschmelzung auf die GfB eingetreten wäre, dieser letzteren Gesellschaft, nicht aber ihr selbst zugute gekommen wäre; denn sie wäre infolge einer solchen Verschmelzung untergegangen. Auf der anderen Seite sei, so hat das Berufungsgericht ausgeführt, auch bei der GfB, solange diese existiert habe, kein Schaden entstanden, der im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Klägerin hätte übergehen können.

Diese Sicht der Schadensentstehung wird den steuerlichen Interessen, die die Beklagte bei ihrer Beratung zu berücksichtigen hatte, nicht gerecht. Wenn es ihre Aufgabe war, durch richtige Vertragsgestaltung dafür zu sorgen, daß nach der Verschmelzung diejenige Gesellschaft fortbestand, die die größtmöglichen Steuervorteile in Anspruch nehmen konnte, dann muß bei der Schadensbeurteilung die Vermögenslage der tatsächlich übernehmenden Gesellschaft – also der Klägerin – mit derjenigen verglichen werden, in der sich die Gesellschaft befände, auf die bei richtiger Gestaltung die Verschmelzung vorgenommen worden wäre. Daß es sich jeweils um einen anderen Rechtsträger handelt, spielt dabei keine Rolle; denn wirtschaftlich geht es immer um dieselbe Vermögensmasse, deren Bestand durch zutreffende Gestaltung der Verschmelzung gesichert werden sollte. Dies verbietet es, darauf abzustellen, ob die Schadensentstehung sich insgesamt bei einer der beiden Gesellschaften vollendet hat.

Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, die Richtigkeit seiner Ansicht der Rechtsprechung entnehmen zu können, wonach auf den Erben als Gesamtrechtsnachfolger nur solche Ersatzansprüche übergehen können, die auch der Erblasser selbst schon hätte geltend machen können. Das Berufungsgericht verneint unter diesem Gesichtspunkt einen Anspruch der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der BfG, weil dieser daraus, daß nicht sie, sondern die Klägerin das Gesamtvermögen übernommen habe, kein eigener Schaden entstanden sei. Jene Rechtsprechung bezieht sich indessen auf Fälle, in denen die Erben eines durch Unfall Getöteten infolge des Todes einen eigenen Vermögensschaden erleiden. Sie haben gegen den Unfallschuldigen außerhalb der Vorschriften der §§ 844, 845 BGB keinen Schadensersatzanspruch, weil durch die unerlaubte Handlung nicht in ihre nach den §§ 823 ff BGB geschützten Rechtsgüter eingegriffen worden ist (BGHZ 7, 30, 34; BGH, Urt. v. 20. Februar 1962 – VI ZR 65/61, NJW 1962, 911 f, v. 8. Januar 1968 – III ZR 32/67, VersR 1968, 554, 555 und v. 25. Januar 1972 – VI ZR 75/71, VersR 1972, 460, 461). Schadensfolgen, die aufgrund der Beeinträchtigung von Leben und Gesundheit des Erblassers erst im Vermögen der Erben – mag dieses auch vom Erblasser stammen – eintreten, geben diesen grundsätzlich keinen Anspruch gegen den Schädiger, weil das verletzte Rechtsgut selbst unvererblich ist (Staudinger/Medicus, BGB 12. Aufl. § 249 Rdnr. 187 f). Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um die Verletzung eines höchstpersönlichen und damit unvererblichen Rechtsguts, sondern um einen durch eine Vertragsverletzung bewirkten Schaden zweier Gesellschaften, deren Vermögensinteressen die Beklagte aufgrund des ihr erteilten Auftrags zu wahren hatte (vgl. auch Senatsurt. v. 10. Oktober 1985 – IX ZR 153/84, NJW 1986, 581, 582).

b) In einer Hilfsbegründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, ein etwa doch bereits bei der GfB eingetretener Schaden wäre nach § 29 Abs. 1 KapErhG nicht von der Klägerin, sondern von einem nach dieser Vorschrift zum Zweck der Durchsetzung eines solchen Schadens zu bestellenden besonderen Vertreter geltend zu machen. Auch das ist nicht richtig.

Nach § 28 Abs. 2 KapErhG (jetzt § 25 Abs. 2 UmwG; ebenso früher § 349 Abs. 2 AktG für die Verschmelzung von Aktiengesellschaften) gilt die übertragende Gesellschaft für Ersatzansprüche gegen Mitglieder ihrer Organe sowie für „weitere Ansprüche” wegen Schäden, die sie durch die Verschmelzung erleidet, als fortbestehend; solche Ansprüche gehen nicht auf die übernehmende Gesellschaft über, sondern sind von dem nach § 29 Abs. 1 KapErhG zu bestellenden besonderen Vertreter geltend zu machen. Obwohl es sich dabei rechtlich um Ansprüche der übertragenden Gesellschaft handelt, beziehen sie sich auf durch die Verschmelzung bewirkte Nachteile, die wirtschaftlich die Gesellschafter und Gläubiger der übertragenden Gesellschaft dadurch erleiden, daß sie für den Verlust ihrer Beteiligung bzw. der ihnen bisher zur Verfügung stehenden Haftungsmasse keinen ausreichenden Ausgleich erlangen. Da solche Nachteile sich zugunsten der übernehmenden Gesellschaft auswirken, wäre es interessenwidrig, wenn diese als Rechtsnachfolgerin der übertragenden Gesellschaft zur Geltendmachung derartiger Ansprüche legitimiert wäre (Hachenburg/Schilling/Zutt, GmbHG 7. Aufl. § 77 Anh. II § 29 KapErhG Rdnr. 19; Scholz/Priester, GmbHG 7. Aufl. Anh. Umw. § 28 KapErhG Rdnr. 8; GKAktG/Schilling 3. Aufl. § 349 Rdnr. 18).

An einem solchen Interessengegensatz zwischen der übernehmenden und der übertragenden Gesellschaft fehlt es, wenn es, wie hier, um die Aufgabe des steuerlichen Beraters geht, die Verschmelzung so zu gestalten, daß steuerliche Vorteile nicht verloren gehen und damit dem Fiskus zugute kommen. Die Anwendung der §§ 28 Abs. 2, 29 KapErhG kommt in einem solchen Fall nicht in Betracht.

3. Die Revisionserwiderung macht geltend, es sei jedenfalls deswegen kein von der Beklagten zu ersetzender Schaden entstanden, weil, wie schon das Landgericht ausgeführt habe, auch bei Verschmelzung auf die GfB deren Verlustvortrag nicht mit den nach der Verschmelzung erzielten Gewinnen hätte verrechnet werden dürfen. Hierauf läßt sich indessen im gegenwärtigen Prozeßstadium eine Klageabweisung nicht stützen.

Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG setzt der Verlustabzug bei einer Körperschaft voraus, daß diese nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat. Gemäß Satz 2 der Vorschrift liegt wirtschaftliche Identität in diesem Sinne insbesondere dann nicht vor, wenn unter anderem mehr als 75 % der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen werden. Diese Voraussetzung wäre hier nicht gegeben gewesen. Die Revisionserwiderung meint aber, dies schließe es nicht aus, die wirtschaftliche Identität nach Satz 1 jener Bestimmung zu verneinen. Daran hätte es hier gefehlt, weil durch die Verschmelzung der Gesellschaftszweck der GfB grundlegend geändert und die Gesellschaft mit dem für sie überwiegend neuen Betriebsvermögen der Klägerin fortgesetzt worden wäre. Dem kann nicht zugestimmt werden. Es ist zwar streitig, ob neben der Regelung in Satz 2 des § 8 Abs. 4 KStG die allgemeinere Bestimmung des Satzes 1 auf Kapitalgesellschaften anwendbar ist (verneinend Streck, KStG 4. Aufl. § 8 Rdnr. 152; Streck/Schwedhelm FR 1989, 153, 156; Hörger/Kemper DStR 1989, 15, 19 u. DStR 1990, 539, 542; bejahend Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 11. Juni 1990, BStBl. I S. 252). Auch wenn man, wie die Finanzverwaltung es tut, § 8 Abs. 4 KStG trotz seiner Entstehungsgeschichte, die auf die frühere, später geänderte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Mantelkauf verweist (vgl. BFH BStBl. II 1987, 310, 312 f; dazu Streck/Schwedhelm aaO S. 154), unter anderem auch auf Verschmelzungen anwendet, setzt das doch voraus, daß unmittelbar oder mittelbar Gesellschaftsanteile von mehr als 75 % den Inhaber wechseln oder auf ähnliche Weise – etwa durch Stimmrechtsübertragungen – eine vergleichbare Wirkung eintritt (Erlaß v. 11. Juni 1990 aaO; Hörger/Kemper DStR 1990, 539, 541). Daran fehlt es im Streitfall. Tatsächlich ist es in der Praxis üblich, bei Verschmelzungen ohne nennenswerten Gesellschafterwechsel das Vermögen aus steuerlichen Gründen auf diejenige Gesellschaft zu übertragen, bei der der (höhere) Verlustvortrag entstanden ist (Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht 9. Aufl. S. 598).

Die ebenfalls umstrittene Frage, ob neben § 8 Abs. 4 KStG für die Anwendung des § 42 AO Raum bleibt (dazu Hörger/Kemper DStR 1989, 15, 19), ist hier nicht zu entscheiden, solange es an tatsächlichen Feststellungen dazu fehlt, ob ein Gestaltungsmißbrauch im Sinne dieser Vorschrift in Betracht kommt.

4. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das nunmehr festzustellen haben wird, ob die Beklagte schuldhaft ihre Pflichten verletzt hat und ob sowie ggf. in welcher Höhe daraus ein Steuerschaden entstanden ist. Der Senat weist dazu darauf hin, daß der geltend gemachte Schadensersatzanspruch entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht ohne weiteres ausgeschlossen wäre, wenn die Behauptung der Beklagten zutreffen sollte, der Geschäftsführer der Klägerin habe die Anweisung gegeben, die Verschmelzung auf sie und nicht auf die GfB vorzunehmen, damit sie als am Markt eingeführte werbende Gesellschaft bestehenbleibe. Auch in diesem Fall hätte die Beklagte ihre Auftraggeber auf etwaige Steuernachteile im Vergleich mit einer Verschmelzung auf die GfB hinweisen müssen. Denn der Steuerberater ist aufgrund seiner besonderen Sachkunde verpflichtet, den Mandanten auch ungefragt über die bei Erledigung des Auftrags auftauchenden steuerrechtlichen Fragen, insbesondere auch über die Möglichkeiten einer Steuerersparnis zu belehren (BGHZ 128, 358, 361; BGH, Urt. v. 28. November 1966 – VII ZR 132/64, DB 1967, 244). Erst dann ist der Auftraggeber in der Lage, seine Entscheidung auf der Grundlage umfassender Information sachgerecht zu treffen.

 

Fundstellen

NJW 1997, 1001

NWB 1997, 588

ZIP 1997, 322

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