Leitsatz (amtlich)

Zur vorzeitigen Aufhebung einer zu Wohn- und Gewerbezwecken genutzten Grundstücksgemeinschaft aus wichtigem Grund.

 

Normenkette

BGB § 749 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 10.11.1993)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. November 1993 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien sind Miteigentümer des im Außenbereich von W.… gelegenen 2.644 qm großen Grundstücks Flur 14, Flurstück 9. Durch notariellen Vertrag vom 7. September 1981 haben sie für die Dauer von zwanzig Jahren das Recht ausgeschlossen, die Aufhebung der Grundstücksgemeinschaft zu verlangen. Später haben sie verschiedene Regelungen über die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums getroffen. Sie bewohnten verschiedene Etagen des auf dem Grundstück errichteten Wohnhauses und nutzen das Anwesen im übrigen gewerblich; die Beklagte betreibt eine Hundezucht, der Kläger eine Hundepension.

Seit einigen Jahren haben die Parteien ihren Streit um das jeweils ihnen zustehende Nutzungsrecht und die von ihnen zu erfüllenden Pflichten in zahlreichen Verfahren gerichtlich ausgetragen. Mit Rücksicht darauf hält der Kläger das Vertrauensverhältnis zu der Beklagten für so nachhaltig gestört, daß eine ordnungsgemäße Verwaltung und Nutzung des Gemeinschaftseigentums nicht mehr gewährleistet sei. Da hierfür allein die Beklagte verantwortlich sei und ein wichtiger Grund im Sinne des § 749 Abs. 2 S. 1 BGB vorliege, hat er nunmehr von ihr die Zustimmung zur Aufhebung der Gemeinschaft im Wege der Auseinandersetzungsversteigerung verlangt. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage entsprochen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Dieses hat gemeint, mit Rücksicht auf die Feindschaft der Parteien und ihre zu Tage getretene mangelnde Kooperationsbereitschaft bestehe ein wichtiger Grund zur vorzeitigen Aufhebung der Gemeinschaft. Da den Kläger an dem unhaltbaren Zustand jedenfalls kein überwiegendes Verschulden treffe und die Beklagte nicht in der gebotenen Form dargelegt habe, daß die Aufhebung der Gemeinschaft sie über die im Gesetz vorgesehenen Folgen hinaus unzumutbar hart treffen werde, sei das Aufhebungsverlangen des Klägers gerechtfertigt. Dies hält, wie die Revision mit Recht geltend macht, revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.

2. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt der Erwägungen des Berufungsgerichts. Die Parteien haben das Recht, jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen zu können (§ 749 Abs. 1 BGB); für die Dauer von zwanzig Jahren wirksam ausgeschlossen. Hieran sind sie dann nicht gebunden, wenn während dieser Zeit ein wichtiger Grund eintritt, der es ihnen unzumutbar macht, die Gemeinschaft bis zu dem vereinbarten Zeitpunkt fortzusetzen. Für die Prüfung, ob ein solcher wichtiger Grund vorliegt, sind nicht die im Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 723 BGB) entwickelten Maßstäbe heranzuziehen, weil es bei der Gemeinschaft nicht um die Verfolgung und Verwirklichung eines gemeinsamen Zwecks geht und die Zusammenarbeit der Gemeinschafter nicht von wechselseitigem Vertrauen getragen sein muß. Unzumutbar ist deswegen die Fortsetzung der Gemeinschaft nicht bereits dann, wenn Uneinigkeit oder Feindschaft zwischen den Betroffenen besteht, erforderlich ist vielmehr, daß eine ordnungsgemäße gemeinschaftliche Nutzung und Verwaltung unter Abwägung aller den Einzelfall prägenden Umstände unmöglich ist und der Gemeinschafter, welcher die vorzeitige Aufhebung begehrt, den wichtigen Grund nicht allein oder überwiegend herbeigeführt hat. Schließlich hat das Gericht zu prüfen, ob das Aufhebungsverlangen auch bei Vorliegen der Voraussetzungen im übrigen ausnahmsweise rechtsmißbräuchlich ist (vgl. im einzelnen: Sen. Urt. v. 30. April 1984 – II ZR 202/83, WM 1984, 873; v. 29. Januar 1962 – II ZR 3/60, WM 1962, 464 ff.; BGHZ 63, 348, 352 f.; OLG Hamburg NJW 1961, 610, 611; Erman/Aderhold, BGB, 9. Aufl., § 749 RdNr. 6 f.; RGRK- v. Gamm BGB, 12. Aufl., § 749 RdNr. 6; Soergel/Hadding, BGB 11. Aufl., § 749 RdNr. 9; Münch. Komm/K. Schmidt, BGB, 2. Aufl. § 749 RdNr. 11, 13; Staudinger/Huber, BGB, 12. Aufl., § 749 RdNr. 77 f.; ferner zur Kündigung der Übertragung des Verwaltungsrechts: Sen. Urt. v. 12. Juli 1982 – II ZR 130/81, NJW 1983, 449, 450). Diesen von ihm richtig wiedergegebenen Grundsätzen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.

3. Die Revision rügt mit Recht, daß das Berufungsgericht zu seiner Annahme, eine ordnungsgemäße Nutzung und Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums sei angesichts der unstreitig bestehenden tiefgreifenden Spannungen der Parteien ausgeschlossen, nur aufgrund einer unvollständigen Würdigung des Sachverhalts gelangt ist. Im Ergebnis rechtfertigt es das Aufhebungsverlangen allein mit der zwischen den Parteien bestehenden Feindschaft, seine Begründung wird jedoch den Gegebenheiten des konkreten Falls nicht gerecht. Dieser ist davon geprägt, daß die Parteien schon vor Jahren durch Nutzungsvereinbarungen das Wohnhaus, den Hundestall und die Grundstücksflächen in einer Weise abgegrenzt haben, daß jedem Gemeinschafter bestimmte Teile des Grundstücks zur alleinigen Nutzung zugewiesen sind. Die Streitigkeiten, die die Parteien teilweise auch vor Gericht ausgetragen haben, betreffen allein drei Punkte, für die nicht ohne weiteres ersichtlich ist, daß sie nicht ebenfalls durch ergänzende Abreden beigelegt werden können, sondern zu fortdauernden “täglichen Reibereien” (vgl. Sen. Urt. v. 29. Januar 1962 aaO WM 1962, 464, 466) führen müssen, die die vorzeitige Aufhebung der Gemeinschaft rechtfertigen sollen.

a) Nach dem Vortrag der Beklagten hat der Kläger formell und materiell baurechtswidrig unmittelbar vor den Fenstern der von ihr genutzten Wohnung Holzhäuser errichtet, in denen er in Pension genommene Hunde unterbringt; das Bellen und Jaulen dieser Tiere unmittelbar vor den Wohn- und Schlafräumen der Beklagten führt nach ihrem für die Revisionsinstanz als richtig zu unterstellenden Vortrag zu – vor allem nachts – unzumutbaren Störungen. Wenn die Beklagte diesen Zustand nicht hinnimmt, sondern auf eine Verlegung der Holzhäuser dringt, kommt hierin nicht – wie das Berufungsgericht angenommen hat – ohne weiteres mangelnde Kooperationsbereitschaft oder der Wunsch zum Ausdruck, dem Kläger eine sachgerechte Entwicklung seines Hundepensionsbetreibs und damit die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums zu verwehren. Gegen eine solche Annahme spricht im übrigen der von dem Berufungsgericht nicht gewürdigte Umstand, daß die Beklagte sich in einem mit dem Kläger geschlossenen zivilgerichtlichen Vergleich verpflichtet hat, sich an den Kosten der Verlegung der Hundehäuser an eine andere Stelle des Grundstücks mit einem Betrag von 7.000,– DM zu beteiligen. Sofern es dem Kläger aus baurechtlichen Gründen nicht gelingen sollte, die erforderliche Baugenehmigung für die beabsichtigte Verlegung dieser Häuser zu erhalten, ist dies zunächst sein Risiko und kann allenfalls Anlaß dazu sein, andere Lösungen für eine sachgerechte, die Beklagte nicht unzumutbar in ihrem Nutzungsrecht beeinträchtigende Unterbringung der Pensionshunde zu suchen, anstatt den Konflikt in der Weise zu lösen, daß entweder die Beklagte sich mit dem formell und materiell baurechtswidrigen Zustand und den durch die bestimmungsgemäße Verwendung der Holzhäuser eingetretenen Störungen abzufinden oder in die Aufhebung der Gemeinschaft einzuwilligen hat.

b) Ähnlich hat das Berufungsgericht bei dem weiteren Streitpunkt, der die Feststellung des Kaltwasserverbrauchs in der Hundehalle der Beklagten betrifft, deren fehlende und den nach Meinung des Oberlandesgerichts wichtigen Grund für die Aufhebung der Gemeinschaft darstellende Kooperationsbereitschaft nicht ordnungsgemäß festgestellt. Aus der von den Parteien unter dem 26. Januar 1983 geschlossenen Vereinbarung ergibt sich, daß insofern zwischen den Parteien bereits vor langer Zeit eine Lösung gefunden worden ist, die eine sachgerechte Nutzung und Verwaltung möglich macht. Nach dem Vortrag der Beklagten, der für die Revisionsinstanz ebenfalls als zutreffend zu unterstellen ist, ist diese Abrede umgesetzt worden, indem ein den Wasserverbruauch der Beklagten erfassender Unterzähler gesetzt worden ist, den der Kläger später eigenmächtig entfernt hat.

c) Schließlich ist auch hinsichtlich der Klärung der Abwässer des Anwesens, um die mehrfache Auseinandersetzungen geführt worden sind, offenbar eine Trennung der Anlagen in die Wege geleitet worden, so daß ohne nähere tatsächliche Feststellungen nicht ersichtlich ist, inwiefern wegen dieses Streitpunkts eine sachgerechte Nutzung des Gemeinschaftseigentums entsprechend den getroffenen Abreden bis zum Ende des vereinbarten Zeitraumes ausgeschlossen sein soll.

4. Mit Recht wendet sich die Revision ferner gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe das die Gemeinschaft berührende Zerwürfnis zumindest nicht überwiegend verschuldet. Auch insofern ist der Sachvortrag der Beklagten nicht vollständig gewürdigt worden. Nach ihren für das Revisionsverfahren als richtig zu unterstellenden Behauptungen liegen die Ursachen für alle drei oben genannten Streitpunkte, an denen sich die Auseinandersetzungen der Parteien entzünden, in dem eigenmächtigen, provokativen und teilweise schikanösen Verhalten des Klägers, der damit beabsichtigt, die Beklagte zu zermürben und das Anwesen allein in die Hand zu bekommen. Wenn der Kläger die von ihm installierte Wasseruhr eigenmächtig entfernt und zweimal die Wasserzufuhr zu dem von der Beklagten genutzen Hundestall unterbricht, auch sonst mit Hilfe der von ihm kontrollierten Wasserleitung die Beklagte schikaniert, dann ist dies ebenso ein ins Gewicht fallendes Fehlverhalten wie die formell und materiell baurechtswidrige Errichtung von Holzhäusern unmittelbar vor den Fenstern der von der Beklagten genutzten Wohnräume und die Unterbringung von ständig bellenden und jaulenden Pensionshunden in diesen Hütten. Dasselbe gilt für die nach dem Vortrag der Beklagten eigenmächtigte Errichtung einer biologischen Kläranlage und den Anschluß derselben an die vorhandene, für beide Grundstücksteile bestimmte Klärgrube. Da der Kläger den Nachweis nicht erbracht haben soll, daß auch die Abwässer aus den Hundeställen zulässigerweise auf diese Art entsorgt werden können, er aber faktisch auch die Beklagte an diese Abwasseranlage angeschlossen hat, hat er auch sie der Gefahr ausgesetzt, daß gegen ihren Hundezuchtbetrieb ordnungsbehördlich eingeschritten wird.

Diesen von der Beklagten vorgetragenen Einzelumständen wird die pauschale Betrachtung des angefochtenen Urteils nicht gerecht.

5. Schließlich begegnen die Ausführungen des Berufungsurteils durchgreifenden rechtlichen Bedenken, mit denen es den auf § 242 BGB gestützten Einwand der Beklagten für nicht durchgreifend erachtet hat. Der Verlust der wirtschaftlichen Existenzgrundlage ist ein Umstand, der bei der Prüfung, ob vorzeitig die Aufhebung der Gemeinschaft verlangt werden kann, in besonderer Weise zu würdigen ist, wie der Senat bereits früher ausgesprochen hat (Sen. Urt. v. 29. Januar 1962 aaO WM 1962, 464, 466). Dem ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts der Fall nicht ohne weiteres gleichzusetzen, daß der Gemeinschafter durch die Teilungsversteigerung das Recht verliert, das im Miteigentum stehende Haus weiter bewohnen zu können und u.U. gehalten ist, die durch den Versteigerungserlös nicht getilgten Lasten weiter abtragen zu müssen (Sen. Urt. v. 30. April 1984 – II ZR 202/83, WM 1984, 873 f.). Für die Beklagte geht es nämlich nicht allein um den Verlust ihrer Wohnung, der ihr nach ihrem ungeprüften und deswegen als richtig zu unterstellenden Vortrag droht, weil sie bei der Teilungsversteigerung nicht mitbieten kann, sondern zusätzlich darum, daß sie ihre Betriebsstätte und damit ihre Lebensgrundlage verliert. Angesichts des Umstandes, daß Hunde nicht an jedem beliebigen Ort gezüchtet werden können, es vielmehr großer Flächen und eines hinreichenden Abstands zu einer normalen Wohnbebauung bedarf, ist es ohne nähere Prüfung der Einzelumstände nicht ausgeschlossen, daß die zum gegenwärtigen Zeitpunkt betriebene Teilungsversteigerung des Grundstücks – sofern das Berufungsgericht zu der Überzeugung gelangen sollte, daß die Voraussetzungen des § 749 Abs. 2 S. 1 BGB im übrigen vorliegen – die Beklagte unzumutbar hart treffen würde. Dabei wird das Berufungsgericht ggfs. auch die persönlichen Lebensumstände der Beklagten und den Umstand zu würdigen haben, daß die Aufhebung der Gemeinschaft nur auf Zeit vertraglich ausgeschlossen und der vereinbarte Zeitraum zu Zweidritteln bereits jetzt verstrichen ist.

6. Damit das Berufungsgericht die fehlenden Feststellungen treffen kann, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

 

Unterschriften

Boujong, Röhricht, Dr. Henze, Dr. Goette, Dr. Greger

 

Fundstellen

Haufe-Index 1377493

ZIP 1995, 113

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