Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsatz der Einheitlichkeit der Berufspflichtverletzung von Steuerberatern bei mehreren Anschuldigungspunkten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Sachverhalt, der sich aus mehreren Anschuldigungspunkten zusammensetzt, muß im berufsgerichtlichen Verfahren einheitlich beurteilt und die Frage, ob ein Berufsangehöriger seine Pflichten schuldhaft verletzt hat, einheitlich entschieden werden. Es kann aber nicht über einen Sachverhalt entschieden werden, der nicht Gegenstand des Eröffnungsbeschlusses war, es sei denn, es werden Handlungen einbezogen, die auch nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen nur Teilstücke einer fortgesetzten Handlung sind.

2. Wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Berufspflichtverletzung werden für einzelne Pflichtverstöße des Steuerberaters keine der Einzelstrafe bei Tatmehrheit entsprechenden Einzelmaßnahmen festgesetzt und erst in einem zweiten Schritt zu einer Gesamtstrafe zusammengeführt. Vielmehr ist in einem Schritt eine einheitliche berufsgerichtliche Maßnahme zu verhängen.

3. Nachdem das Berufungsgericht das Verfahren über die Berufung des Steuerberaters und der Generalstaatsanwaltschaft gegen das Urteil vom 4. Mai 1987 und das Verfahren über die Berufung des Steuerberaters gegen das Urteil vom 1. Februar 1988 verbunden hatte, konnte das Urteil vom 1. Februar 1988 neben der auf die Berufung der Generalstaatsanwaltschaft verhängten Ausschließung aus dem Beruf seine Eigenständigkeit nicht behalten. Zur Klarstellung war auszusprechen, daß das Berufungsurteil die beiden erstinstanzlichen Urteile ersetzt hat, also auch das nur von dem Steuerberater angefochtene erstinstanzliche Urteil vom 1. Februar 1988 durch das Berufungsurteil aufgehoben ist.

 

Normenkette

StBerG §§ 119, 89 Abs. 2, §§ 92, 90 Abs. 2; StPO § 264

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 06.06.1988; Aktenzeichen StO 2/88)

LG Köln (Urteil vom 01.02.1988; Aktenzeichen 171 StL 41/87)

LG Köln (Urteil vom 04.05.1987; Aktenzeichen 171 StL 8/87)

 

Tenor

Das berufsgerichtliche Verfahren wird eingestellt, soweit es die Zwangsvollstreckungsfälle H. GmbH, B. und Bausparkasse S. betrifft.

Die Revision des Steuerberaters gegen das Urteil des Senats für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Oberlandesgerichts D. vom 6. Juni 1988 wird mit der Maßgabe verworfen, daß die Urteile der Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Landgerichts K. vom 4. Mai 1987 und vom 1. Februar 1988 aufgehoben sind.

Der Steuerberater hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

 

Tatbestand

I.

1. Der Berufsangehörige legte nach einer Lehre als Gehilfe in wirtschafts- und steuerberatenden Berufen am 28. September 1967 die Gehilfenprüfung ab. Anschließend war er bis zum 31. März 1973 als Beamter in der Zollverwaltung tätig. Beim zweiten Versuch bestand er am 23. Mai 1975 die Steuerbevollmächtigtenprüfung und wurde am selben Tage zum Steuerbevollmächtigten bestellt.

Ende 1979 veräußerte er seine zuletzt in B. betriebene Steuerberatungspraxis und gründete mit seiner Ehefrau und einem anderen Ehepaar die „Freizeit F. Caravan- und Freizeitmarkt GmbH” in Bergisch Gladbach. Ende 1980 verlegte er Wohnsitz und berufliche Niederlassung nach Be. Als er dort seit Frühjahr 1981 – u.a. für finanzgerichtliche Zustellungen – nicht mehr zu erreichen war, widerrief die Oberfinanzdirektion Be. durch Bescheid vom 30. Juni 1981 seine Bestellung zum Steuerbevollmächtigten. Nachdem er wenige Monate später der Steuerberaterkammer Be. mitgeteilt hatte, er habe seine Praxis ab August 1981 in L. neu eröffnet, wurde der Widerruf der Bestellung zurückgenommen.

Am 2. Juli 1982 bestand der Berufsangehörige die Steuerberaterprüfung und wurde am selben Tage zum Steuerberater bestellt. Seit 1987 ist der Steuerberater auch Alleingesellschafter und Geschäftsführer der A.-Treuhand- und Steuerberatungsgesellschaft mbH mit Sitz in Ma.

2. Die Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Landgerichts K. hat dem Steuerberater durch Urteile vom 4. Mai 1987 – 171 StL 8/87 – und vom 1. Februar 1988 – 171 StL 41/87 – wegen Verletzung seiner Berufspflichten jeweils einen Verweis erteilt und eine Geldbuße von 10.000 DM bzw. 3.000 DM auferlegt.

Der Steuerberater hat gegen beide Urteile, die Generalstaatsanwaltschaft gegen das Urteil vom 4. Mai 1987 Berufung eingelegt.

Der Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Oberlandesgerichts D. hat beide Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden und durch Urteil vom 6. Juni 1988 die Berufungen des Steuerberaters verworfen sowie auf die Berufung der Generalstaatsanwaltschaft den Steuerberater aus dem Beruf ausgeschlossen. Der Entscheidung liegen folgende Feststellungen zugrunde:

  1. Nachdem der Steuerberater bereits zuvor in Einzelfällen gegen ihn bestehende titulierte Zahlungsansprüche nicht erfüllt hatte, ergingen in den Jahren 1983 bis 1985 in zunehmendem Maße gegen ihn Urteile und Kostenfestsetzungsbeschlüsse, die rechtskräftig wurden, ohne daß er die zugrundeliegenden Forderungen beglich. Auf mehrere gerichtliche Vergleiche mit seinen Gläubigern leistete er ebenfalls keine Zahlungen. Auch in den Jahren 1986 und 1987 wurden noch mehrere Zahlungstitel gegen den Steuerberater erlassen, ohne daß er Zahlungen leistete.

    Zwischen Dezember 1983 und … 1987 unternahmen Gläubiger zahlreiche Vollstreckungsversuche mit dem Ziel der Mobiliarpfändung oder der Verhaftung des Steuerberaters zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Diese Vollstreckungsversuche blieben im wesentlichen erfolglos. Lediglich in einigen Fällen beglich die Ehefrau des Steuerberaters beim Erscheinen des Gerichtsvollziehers geringfügige Forderungen oder wies ihm die an demselben Tage erfolgte Bezahlung nach. Der Steuerberater wurde vom Gerichtsvollzieher fast nie angetroffen. Seine Ehefrau machte unterschiedliche Angaben über seinen Aufenthaltsort; häufig gab sie an, sie lebe von ihm getrennt und er sei unbekannt verzogen. Seiner Angestellten Renz erteilte der Steuerberater die Anweisung, auf Fragen stets anzugeben, er lebe von seiner Ehefrau getrennt und halte sich nicht mehr in seinem Haus in Marienheide auf. So gelang es dem Steuerberater, obwohl gegen ihn acht Haftbefehle erlassen und eine Vielzahl von Verhaftungsversuchen, unternommen wurden, sich der Verhaftung und der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu entziehen.

  2. Am 25. Juli 1983 beantragte ein Gläubiger die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der „Freizeit Fritz Caravan- und Freizeitmarkt GmbH”. Der Steuerberater leistete einer gerichtlichen Vorladung zur Vernehmung als Zeuge über die Vermögensverhältnisse der GmbH nicht Folge, ohne sich zunächst zu entschuldigen. Vorführungsversuche blieben erfolglos. Ein festgesetztes Ordnungsgeld konnte nicht beigetrieben werden. Von der Vorführung wurde dann abgesehen, nachdem der Steuerberater sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht als Ehemann der Geschäftsführerin der GmbH berufen hatte.
  3. Am 20. August 1984 benutzte der Steuerberater den Bundesbahnzug 7.20 Uhr ab Gummersbach in Richtung K., ohne im Besitz einer Fahrkarte zu sein. Gegenüber dem Zugführer verweigerte er den Erwerb einer Tageskarte, die beim Kauf der von ihm gewünschten Wochenkarte am Bahnhof angerechnet worden wäre. Der Aufforderung, den Zug an der nächsten Station zu verlassen, kam er nicht nach. Gegen die gewaltsame Entfernung aus dem Zug setzte er sich zur Wehr und sprühte dem Zugführer Tränengas ins Gesicht.

    Aufgrund dieses Sachverhalts wurde der Steuerberater wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 60 DM verurteilt. Im Berufungsrechtszug wurde das Verfahren gemäß § 153 a StPO eingestellt. Die dem Zugführer als Nebenkläger zu erstattenden Kosten hat der Steuerberater nicht bezahlt.

  4. Am 15. April 1985 suchte der Steuerberater den Rechtsanwalt M. in K. auf, der ihn in Zivilrechtsstreitigkeiten vertreten hatte, und verlangte mehrere zu seinen Gunsten ergangene Kostenfestsetzungsbeschlüsse heraus. Einen dieser Beschlüsse hatte der Rechtsanwalt einem anderen damals für den Steuerberater tätigen Rechtsanwalt übersandt. Als der Steuerberater bei dem anderen Rechtsanwalt anrufen wollte, um sich die Angaben des Rechtsanwalts bestätigen zu lassen, verweigerte dieser das und forderte ihn auf, die Kanzlei zu verlassen. Daraufhin ergriff der Steuerberater die auf dem Schreibtisch liegende Handakte des Rechtsanwalts und wollte sie aus dem Büro mitnehmen. Als der Rechtsanwalt ihm die Akte zu entreißen versuchte, kam es zu einem Handgemenge, bei dem der Steuerberater den Rechtsanwalt zeitweilig auch in den „Schwitzkasten” nahm und ihn erst wieder losließ, als es diesem gelang, ihm von hinten ins Haar und in die Augen zu greifen. Plötzlich entnahm der Steuerberater seiner Tasche eine Spraydose und sprühte dem Rechtsanwalt aus nächster Nähe Tränengas ins Gesicht.

    Aufgrund dieses Sachverhalts wurde der Steuerberater wegen versuchten schweren Raubes angeklagt. Da er zur Hauptverhandlung nicht erschien, erließ das Schöffengericht Haftbefehl. Verhaftungsversuche blieben erfolglos. In der Hauptverhandlung am 28. Februar 1986 stellte das Schöffengericht das Verfahren gemäß § 153 a StPO ein.

  5. Seinem Mandanten Mario Ma. gab der Steuerberater nach dessen Ende Januar 1986 ausgesprochener Kündigung des Mandatsverhältnisses eine Reihe von Unterlagen (Kassenbelege, Lohnsteuerkarten, Sozialversicherungshefte) nicht zurück. Der Mandant erwirkte eine einstweilige Verfügung, die nach Widerspruch des Steuerberaters vom Amtsgericht aufrechterhalten wurde. Der Steuerberater ließ es zunächst zur Vollstreckung kommen und erklärte dem Gerichtsvollzieher, die Unterlagen befänden sich bei seinem Rechtsanwalt. Erst mehr als sechs Wochen später übersandte der Steuerberater den größten Teil der Unterlagen. Wegen des Restes lud das Amtsgericht den Steuerberater auf Antrag des Mandanten zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Der Steuerberater erschien zu dem anberaumten Termin nicht. Erst im Termin über die von dem Steuerberater eingelegte Berufung gegen die einstweilige Verfügung übergab der Steuerberater die restlichen Unterlagen.
  6. Am 12. September 1986 überwies das Finanzamt K. auf das Konto des Steuerberaters einen seiner Mandantin Dr. S. zustehenden Betrag von 1.302 DM. Auf die Aufforderung der Mandantin, ihr das Geld zu überweisen, reagierte der Steuerberater zunächst nicht. Nachdem die Mandantin sich beschwerdeführend an die Steuerberaterkammer K. gewandt hatte, erhielt sie von dem Steuerberater ein Schreiben, in dem er die Aufrechnung mit Honorarforderungen und Mahngebühren erklärte. Zwei der dem Schreiben beigefügten Honorarrechnungen entsprachen nicht der Steuerberatergebührenordnung. Den zuviel geforderten und durch die Verrechnung seinem Vermögen zugeflossenen Betrag von insgesamt 167,78 DM hat der Steuerberater der Mandantin nicht zurückgezahlt.

    Gegen das am 6. Juni 1988 in Abwesenheit des Steuerberaters verkündete und ihm am 27. Juli 1988 zugestellte Berufungsurteil hat der Verteidiger des Steuerberaters am 3. August 1988 Revision eingelegt und das Rechtsmittel durch Schriftsatz vom 2. September 1988, eingegangen am 5. September 1988 (Montag), begründet. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision bleibt erfolglos.

1. Die Verfahrensrügen sind teilweise begründet.

a) Zu Recht beanstandet die Revision, daß das Berufungsgericht mehrere Fälle, in denen der Berufsangehörige Verbindlichkeiten nicht beglichen und die Zwangsvollstreckung gegen sich hat durchführen lassen, ohne förmliche Anschuldigung in das Verfahren und in seine Entscheidung einbezogen hat.

Im berufsgerichtlichen Verfahren muß ein Sachverhalt, der sich aus mehreren Anschuldigungspunkten zusammensetzt, einheitlich beurteilt und die Frage, ob ein Berufsangehöriger seine Pflichten schuldhaft verletzt hat, einheitlich entschieden werden (vgl. Gehre, StBerG, 1981, § 119 Rn. 5). Das bedeutet jedoch nicht, daß über einen Sachverhalt entschieden werden kann, der nicht Gegenstand des Eröffnungsbeschlusses war; denn mehrere pflichtwidrige Handlungen werden erst durch den Eröffnungsbeschluß oder einen gerichtlichen Verbindungsbeschluß zu einer einheitlichen Pflichtverletzung (BGHSt 24, 87., 86). Verzichtbar ist eine gesonderte Anschuldigung und Verfahrenseröffnung, wenn Handlungen einbezogen werden, die auch nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen nur Teilstücke einer fortgesetzten Handlung sind (vgl. Hürxthal in KK-StPO 2. Aufl. § 264 Rn. 19).

Die Voraussetzungen des Fortsetzungszusammenhangs hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Dazu reicht nicht aus, daß dem Berufsangehörigen – wie im vorliegenden Falle geschehen – in der Anschuldigungsschrift mehrere gleichartige Verletzungen derselben Berufspflicht vorgeworfen werden. Vielmehr muß der Täter mit Gesamtvorsatz gehandelt haben (vgl. u.a. BGHSt 1, 313, 315; 15, 268, 271; 26, 4, 7). Dafür reicht der allgemeine Entschluß, künftig eine Reihe gleichartiger Straftaten zu begehen, nicht aus (BGHSt 12, 148, 155; BGH Beschluß vom 20. Januar 1988 – 3 StR 434/87 – BGHR StGB vor § 1/fortgesetzte Handlung Gesamtvorsatz 10). Vielmehr handelt der Täter nur dann mit Gesamtvorsatz, wenn sein Tatentschluß die als fortgesetzte Handlung zusammenzufassenden Teilakte der Handlungsreihe in den wesentlichen Grundzügen ihrer künftigen Gestaltung nach Ort, Zeit und ungefährer Ausführungsart umfaßt (BGH Urteil vom 15. Dezember 1987 – 5 StR 518/87 – BGHR StGB vor § 1/fortgesetzte Handlung Gesamtvorsatz 9). Einen solchen Gesamtvorsatz hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

Das berufsgerichtliche Verfahren war daher hinsichtlich der betroffenen Teilakte einzustellen.

b) Rechtlich nicht zu beanstanden ist es dagegen, daß das Berufungsgericht aus dem Umstand, daß der Berufsangehörige in einer Reihe von Fällen durch seinen Verteidiger zum Beweis der inzwischen erfolgten Erfüllung von Verbindlichkeiten Belege hat vorlegen lassen, den Schluß gezogen hat, die Verbindlichkeiten, deren Erfüllung der Berufsangehörige nicht behauptet habe, bestünden noch. Darin liegt keine unzulässige Verwertung eines Schweigens des Beschuldigten. Wenn ein Beschuldigter sich – wie hier – grundsätzlich zur Sache einläßt, ist es dem Gericht nicht verwehrt, daraus Schlüsse zu ziehen, daß er sich zu bestimmten Einzelfragen nicht äußert (BGHSt 20, 298, 300).

2. Die Würdigung des Berufungsgerichts, der Steuerberater habe durch das angeschuldigte Verhalten seine Berufspflichten verletzt, läßt keine Rechtsfehler zum Nachteil des Steuerberaters erkennen.

a) Ohne Erfolg rügt die Revision, die Feststellungen des Berufungsgerichts über den Hergang der Auseinandersetzung des Berufsangehörigen mit dem Rechtsanwalt M. seien widersprüchlich. Die Feststellung, die Augen des Rechtsanwalts seien bei den Sprühangriff durch eine Brille geschützt gewesen, müssen nicht in Widerspruch zu der Feststellung stehen, die Brille des Anwalts sei auf den Boden gefallen und erheblich beschädigt worden; letzteres kann gerade infolge des Sprühangriffs und einer plötzlichen Reaktion des Angegriffenen darauf geschehen sein. Im übrigen handelt es sich hier um einen Nebenpunkt, der die Bewertung des Verhaltens des Berufsangehörigen durch das Berufungsgericht nicht gefährden kann.

b) Auch der von der Revision gerügte Widerspruch in den Feststellungen des Berufungsgerichts zum Fall des Mandanten Ma. besteht nicht. Das Berufungsgericht hat vielmehr festgestellt, daß nach dem Erlaß der einstweiligen Verfügung „deren”) die Vollstreckung gegen den Steuerberater versucht wurde. Auf welche noch nicht herausgegebenen Unterlagen der Antrag des Mandanten, den Berufsangehörigen zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vorzuladen, sich bezog, ist für die Beurteilung der Pflichtverletzung des Steuerberaters ohne Bedeutung.

Ohne Erfolg rügt die Revision auch, das Berufungsgericht habe ein Zurückbehaltungsrecht des Steuerberaters an den Unterlagen dieses Mandanten nicht berücksichtigt. Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß der Steuerberater über noch offene Honoraransprüche nichts Konkretes vorgetragen habe, wird von der Revision nicht mit einer durchgreifenden Verfahrensrüge in Frage gestellt. Im übrigen weist das Berufungsgericht zutreffend darauf hin, daß der Steuerberater sich gegenüber den im amtsgerichtlichen Verfahren ergangenen Herausgabetiteln nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen konnte.

c) Zu Unrecht vermißt die Revision ausdrückliche Feststellungen des Berufungsgericht zu der Frage, ob die außerberuflichen Pflichtverletzungen des Steuerberaters nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet seien, Achtung und Vertrauen in einer für die Ausübung der Berufstätigkeit oder für das Ansehen des Berufs bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 89 Abs. 2 StBerG). Angesichts von Zahl und Art dieser Pflichtverletzungen lagen die Voraussetzungen der Ahndung nach § 89 Abs. 2 StBerG offensichtlich vor.

d) Das gleiche gilt für die Nichterwähnung des § 92 StBerG hinsichtlich des Falles C. (oben I 2 c). Aus dem Zweck der Ausschließung aus dem Beruf, die das Berufungsgericht ausgesprochen hat, ergibt sich die Unerheblichkeit der anderweitigen Ahndung dieser Pflichtverletzung (vgl. Gehre, aaO § 92 Rn. 3), zumal diese nur einen kleinen Teil der gesamten dem Steuerberater angelasteten Pflichtverletzung bildet.

3. Auch den Rechtsfolgenausspruch beanstandet die Revision ohne Erfolg.

a) Die Teileinstellung des Verfahrens hinsichtlich der Fälle H. GmbH, B. und Bausparkasse S. gefährdet den Maßnahmenausspruch nicht. Es handelt sich dabei nur um einen geringen Teil der dem Steuerberater zur Last gelegten Pflichtverletzungen. Überdies hätte das Berufungsgericht diese Vorfälle, auch ohne sie in den Schuldspruch einzubeziehen, bei der Bemessung der Rechtsfolge berücksichtigen können (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember 1986 – StbSt(R) 3/86).

b) Das Berufungsgericht war nicht gehindert, bei der Begründung der Ausschließung aus dem Beruf auch das Verhalten des Steuerberaters zu berücksichtigen, das Gegenstand des erstinstanzlichen Urteils vom 1. Februar 1988 war. Dem stand nicht der Umstand entgegen, daß gegen dieses Urteil nur der Steuerberater auf das Strafmaß beschränkt Berufung eingelegt hatte.

Im Hinblick auf den im Berufsrecht der steuerberatenden Berufe – wie im anwaltlichen Standesrecht – geltenden Grundsatz der Einheitlichkeit der Berufspflichtverletzung werden für einzelne Pflichtverstöße des steuerlichen Beraters keine der Einzelstrafe bei Tatmehrheit entsprechenden Einzelmaßnahmen festgesetzt und erst in einem zweiten Schritt zu einer Gesamtstrafe zusammengeführt. Vielmehr ist in einem Schritt eine einheitliche berufsgerichtliche Maßnahme zu verhängen. Dieser Unterschied zum Strafverfahren kann aber nicht dazu führen, daß das Verhalten des steuerlichen Beraters, das der nur von dem Berufsangehörigen auf den Maßnahmenausspruch beschränkt angefochtenen Entscheidung zugrunde liegt, nicht bei der Bildung dieser einheitlichen Maßnahme berücksichtigt werden dürfte.

Die Geltung des Verschlechterungsverbots in den Fällen, in denen eine als fortgesetzte beurteilte und vor dem erstinstanzlichen Urteil beendete Tat sich im Rechtsmittelverfahren als umfangreicher darstellt (Gollwitzer in LR-StPO § 331 Rn. 15), bildet dazu keinen Widerspruch. In diesem Fall ist die Strafklage verbraucht; im berufsgerichtlichen Verfahren tritt ein solcher Verbrauch hinsichtlich unbekannt gebliebener Pflichtverletzungen aber trotz des Einheitlichkeitsgrundsatzes nicht ein, weil die Einheitlichkeit der Berufspflichtverletzung durch den Eröffnungsbeschluß begrenzt wird (BGHSt 24, 81, 86; BGH Urteil vom 28. November 1977 – Stb StR 2/77 – und vom 27. August 1979 – Stb StR 6/79).

Dem Berufsangehörigen entsteht dadurch kein Nachteil. Auch wenn er überhaupt kein Rechtsmittel eingelegt hätte und das eine berufsgerichtliche Verfahren deshalb nicht mit dem zweiten in der Berufungsinstanz hätte verbunden werden können; wäre sein rechtskräftig abgeurteiltes Verhalten bei der Entscheidung, ob in dem zweiten Verfahren auf Ausschließung aus dem Beruf zu erkennen ist, jedenfalls mit zu berücksichtigen. Hier gilt nichts anderes als bei der strafschärfenden Berücksichtigung von Taten, für die bereits rechtskräftig Vorstrafen verhängt worden sind. Gegenüber dieser Fallgestaltung erlangt der Berufsangehörige durch sein auf den Maßnahmenausspruch beschränktes Rechtsmittel lediglich den Vorteil, daß die von ihm angefochtene Maßnahme neben der Ausschließung aus dem Beruf keinen Bestand haben kann (§ 90 Abs. 2 StBerG).

b) Die von der Revision beanstandeten Widersprüche in der Bezifferung der Verbindlichkeiten des Berufsangehörigen bestehen nicht. Die von ihr aufgestellte Gegenrechnung ist nicht nachvollziehbar. Die diesbezüglichen Feststellungen des Berufungsgerichts entbehren auch nicht der für die Bemessung der berufsrechtlichen Maßnahme erforderlichen Genauigkeit.

c) Schließlich zeigen die Ausführungen des Berufungsgerichts auch, daß es sich der besonderen Voraussetzungen bewußt gewesen ist, unter denen die schwerste berufsgerichtliche Maßnahme der Ausschließung aus dem Beruf verhängt werden darf (vgl. hierzu BGHSt 20, 73 f.). Seine Würdigung der Berufspflichtverletzung des Steuerberaters läßt insoweit Rechtsfehler zu seinem Nachteil nicht erkennen.

4. Zur Klarstellung war auszusprechen, daß das Berufungsurteil die beiden erstinstanzlichen Urteile ersetzt hat, also auch das nur von dem Steuerberater angefochtene erstinstanzliche Urteil vom 1. Februar 1988 durch das Berufungsurteil aufgehoben ist.

Nachdem das Berufungsgericht das Verfahren über die Berufung des Steuerberaters und der Generalstaatsanwaltschaft gegen das Urteil vom 4. Mai 1987 und das Verfahren über die Berufung des Steuerberaters gegen das Urteil vom 1. Februar 1988 verbunden hatte, konnte das Urteil vom 1. Februar 1988 neben der auf die Berufung der Generalstaatsanwaltschaft verhängten Ausschließung aus dem Beruf seine Eigenständigkeit nicht behalten (vgl. § 90 Abs. 2 StBerG). Diese Auffassung entspricht derjenigen des Berufungsgerichts (vgl. UA E. 47), die Rechtsfolge ist jedoch in der Formel des Berufungsurteils nicht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gekommen. Der Senat hat dies klargestellt.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1974792

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