Verfahrensgang

OLG Hamm (Urteil vom 30.10.1974)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird – unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen – das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 30. Oktober 1974 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht den Klageantrag zu I abgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Dar Klägerin werden 2/7 der Kosten der Revisionsinstanz auferlegt; die Entscheidung über die weiteren Kosten der Revision wird dem Berufungsgericht übertragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien sind Schwestern. Ihr Vater – Walter K. – und dessen verstorbener Bruder Arthur K. waren die alleinigen Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft R. Maschinenfabrik August K., die Buchbindereimaschinen herstellt und vertreibt. Arthur K. starb im Jahre 1966. Er hatte die Beklagte an Kindes Statt angenommen und durch Testament vom 26. März 1956/20. Februar 1964/19. November 1964 zur Alleinerbin bestimmt; hierbei hatte er Testamentsvollstreckung angeordnet und unter anderem folgendes festgelegt:

„Ich habe meine Erbin gebeten, weder mit ihrem Vater – meinem Bruder Walter – bzw. mit ihren Eltern noch mit ihrer Schwester Helga (Klägerin) Vereinbarungen zu schließen oder solchen zuzustimmen, die beinhalten, daß ihr Erb- oder Pflichtteils-Anspruch gegenüber ihren Eltern in irgendeiner Form zu ihrem Nachteil beeinträchtigt wird. Sollte sie solche Vereinbarungen getroffen haben oder in Zukunft treffen, dann soll nicht sie selbst, sondern ihre Kinder zu gleichen Teilen meine Erben sein.”

Die Beklagte wurde mit dem Tode Arthur K. persönlich haftende Gesellschafterin. Am 6. Mai 1968 wurde der Gesellschaftsvertrag neu gefaßt. Die Neufassung, die auch von der Klägerin unterschrieben wurde, bezeichnet die Beklagte und deren Vater als persönlich haftende Gesellschafter und bestimmt, beim Tode eines Gesellschafters werde die Gesellschaft nicht aufgelöst, sondern mit den Erben des Verstorbenen mit der Maßgabe fortgesetzt, daß nur – falls vorhanden – ein Abkömmling des Verstorbenen persönlich haftender Gesellschafter werden kann (§ 19). Nach § 4 Nr. II soll die Gesellschaft zwei angestellte Geschäftsführer haben. Bei Vertragsschluß waren die Ehemänner der Parteien die Geschäftsführer. Im Jahre 1971 wurden im Einvernehmen der Beteiligten zwei fremde Geschäftsführer angestellt und die Ehemänner der Parteien zu „Generalbevollmächtigte” bestellt. In § 25 des Gesellschaftsvertrages heißt es unter anderem:

„IV. Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages gegen die Auflagen des Testaments des früheren Gesellschafters Arthur K. verstoßen, wonach Frau He. keine Vereinbarung schließen und keiner Vereinbarung zustimmen darf, die beinhaltet, daß ihr Erb- oder Pflichtteilsanspruch gegenüber ihren Eltern in irgendeiner Form zu ihrem Nachteil beeinträchtigt wird, so ist diese Bestimmung des Vertrages rechtsunwirksam.

VI. Mit diesem Zeitpunkt verlieren alle früheren Gesellschaftsverträge und sonstigen Vereinbarungen der Gesellschafter und der mitunterzeichneten Personen über die Regelung von Gesellschaftsangelegenheiten, insbesondere der Vertrag V., ihre Gültigkeit.

Alle diese Verträge werden hiermit aufgehoben.”

Die Klägerin ist durch einen mit ihren Eltern am 28. Dezember 1968 geschlossenen Erbvertrag – im wesentlichen in Übereinstimmung mit einem früheren Testament (vgl. hierzu den Vertrag vom 18. Juni 1958 – GA 18 ff) – zu deren Alleinerbin berufen. Am 14. Mai 1968 schlossen der Vater und die Mutter der Parteien sowie die Klägerin in „Vorwegnahme der Erbfolge” einen „Unterbeteiligungsvertrag”. Die Vertragschließenden legten hierbei fest, daß es im Innenverhältnis so angesehen werden solle, als habe der Vater seine Beteiligung auf die Klägerin übertragen. Nach § 3 geschah „die Einräumung der Unterbeteiligung mit der Maßgabe, daß sie (die Klägerin) nicht befugt ist, hinsichtlich der Ausübung des Stimmrechts in der offenen Handelsgesellschaft Weisungen zu erteilen”. Am 16. Juni 1970 wurde diese Bestimmung geändert und bestimmt, daß „Walter K. sein Stimmrecht nur entsprechend den Anweisungen von Frau L. (der Klägerin) ausüben wird”.

Am 20. Mai 1968 schlossen die Ehemänner der Parteien eine Vereinbarung, durch die sie sich gegenseitig verpflichteten, „die sich durch den Tod von Herrn Arthur K. und Herrn Walter K. sowie seiner Ehefrau ergebenden Vermögensverschiebungen zwischen den Stämmen L. und He. nach folgenden Bestimmungen auszugleichen”.

In der Vergangenheit war es zwischen den Gesellschaftern und den Ehemännern der Parteien wiederholt zu Auseinandersetzungen gekommen. Nach der Bestellung der familienfremden Geschäftsführer traten Spannungen auf, die ihre Ursache darin hatten, daß der Ehemann der Klägerin im Gegensatz zu der Beklagten, deren Ehemann und dem Vater der Parteien mit den Leistungen der Geschäftsführer nicht zufrieden war. Die Klägerin verlangte – mit Schreiben ihres erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten vom 22. Februar 1973 und gestützt auf den Vertrag mit ihrem Vater der die Stimmrechtsbindung – von der Beklagten die umgehende Zustimmung zur fristgemäßen Kündigung der Anstellungsverträge beider Geschäftsführer. Zu weiteren Auseinandersetzungen kam es im April 1973, als die Klägerin gegen den Villen des Vaters und der Beklagten den Geschäftsführern schrieb, sie sollten ihre Bemühungen einstellen, einen Vertriebsleiter auf dem Arbeitsmarkt zu suchen. Am 28. Mai 1973 übermittelte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin dem Rechtsberater der Beklagten den Entwurf der Klage aus dem vorliegenden Rechtsstreit mit der Anregung, Verhandlungen zu führen; er sehe die Gefährdung, „die sich aufgrund des zweiten Nachtrages zu dem Testament von Herrn Arthur K. für die Rechtsstellung von Frau Ursula He. (die Beklagte) ergeben könnte, wenn diese Klage mit ihrer vollen Begründung dem Testamentsvollstrecker bekannt wird”.

Der Vater der Parteien und die Beklagte vereinbarten darauf am 1. Juni 1973 im Rahmen eines ohne Mitwirkung und gegen den Willen der Klägerin geschlossenen notariellen Vertrags, die offene Handelsgesellschaft R. Maschinenfabrik August K. in eine Kommanditgesellschaft umzuwandeln, an der nur noch die Beklagte und eine ihr gehörende Gesellschaft mit beschränkter Haftung beteiligt sein sollten; der Vater der Parteien sollte mit seiner bisherigen Beteiligung atypischer stiller Gesellschafter werden. Am 15. Juni 1973 kündigten sie fristlos – vorsorglich auch fristgemäß – den mit dem Ehemann der Klägerin geschlossenen „Geschäftsführervertrag” vom 6. Mai 1968 einschließlich aller Zusatzvereinbarungen und sonstigen Vereinbarungen, insbesondere auch soweit sie das „Bevollmächtigtenamt” betreffen.

Die Klägerin hält die Änderung des Gesellschaftsvertrages und die gegenüber ihrem Ehemann ausgesprochene Kündigung für unwirksam. Sie hat – soweit es in der Revisionsinstanz noch interessiert – beantragt,

I.

  1. festzustellen, daß der Vertrag vom 1. Juni 1973 gegenüber der Klägerin unwirksam ist, soweit durch ihn der Gesellschaftsvertrag der R. Maschinenfabrik August K. vom 6. Mai 1968 geändert worden ist oder Herr Walter K. und die Beklagte sich verpflichtet haben, diesen Gesellschaftsvertrag zu ändern,
  2. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, Walter K. ein entsprechendes Angebot auf Aufhebung des Vertrages vom 1. Juni 1973 zu machen;

II.

  1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, als Gesellschafterin der R. Maschinenfabrik August K. Beschlüsse zu fassen, wenn Herr Walter K. bei der Beschlußfassung einer von der Klägerin erteilten, der Beklagten bekannten Anweisung für die Beschlußfassung zuwiderhandelt,
  2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin so zu behandeln, als wäre diese Gesellschafterin der R. Maschinenfabrik August K. daß mithin die Klägerin gegenüber der Beklagten alle Rechte und Pflichten einer persönlich haftenden Gesellschafterin der R. Maschinenfabrik August K. hat.
  3. hilfsweise,

    1. dieses Unterlassungsgebot und
    2. die Feststellung für die Zeit nach Wiederinkrafttreten des Gesellschaftsvertrages vom 6. Mai 1968 auszusprechen;

III.

  1. festzustellen, daß die von der Beklagten und Herrn Walter K. gegenüber dem Ehemann der Klägerin ausgesprochene Kündigung vom 15. Juni 1973 seines Geschäftsführervertrages vom 6. Mai 1968 unwirksam ist,
  2. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, dem Ehemann der Klägerin das Angebot zu machen, den Geschäftsführervertrag vom 6. Mai 1968 mit Rückwirkung vom 15. Juni 1973 wieder in Kraft zu setzen.

Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin die vorstehend wiedergegebenen Anträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Revision ist begründet, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klageanträge zu I richtet.

Das Berufungsgericht hält die am 1. Juni 1973 von der Beklagten und ihrem Vater getroffene Vereinbarung über die Umgestaltung der offenen Handelsgesellschaft R. Maschinenfabrik August K. der Klägerin gegenüber für rechtlich wirksam und verneint deshalb auch den mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Anspruch auf Aufhebung dieser Vereinbarung. Die Beklagte habe durch den Abschluß dieses Vertrages keine gegenüber der Klägerin bestehende Pflichten verletzt. Die Klägerin sei nicht Gesellschafterin der offenen Handelsgesellschaft geworden und habe auch sonst gegenüber der Beklagten keine vertraglichen Ansprüche erworben, die ihr Rechte hinsichtlich der Gestaltung der offenen Handelsgesellschaft eingeräumt hätten. Bei der Vereinbarung vom 14. Mai 1968 handle es sich um einen atypischen Unterbeteiligungsvertrag mit Treuhandelementen, der nur Rechte und Pflichten zwischen den Vertragschließenden, der Klägerin und ihrem Vater, begründet hätte, nicht aber im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten. Die Vertragsbeziehungen zwischen der Klägerin und ihrem Vater hätten keinen Hinderungsgrund zum Abschluß des Änderungsvertrages vom 1. Juni 1973 gebildet, und zwar selbst dann nicht, wenn die Beklagte diese gekannt hätte und sich bewußt gewesen wäre, daß ihr Vater mit dem Abschluß des Änderungsvertrages den Stimmrechtsbindungsvertrag vom 16. Juni 1970 verletzte.

Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.

1. Keine rechtlichen Bedenken sind dagegen zu erheben, daß das Berufungsgericht die Gesellschafterstellung der Klägerin verneint und angenommen hat, daß zwischen der Klägerin und der Beklagten auch sonst keine vertraglichen Beziehungen bestehen, die sie berechtigen, einer Änderung des Gesellschaftsvertrages zu widersprechen.

Die Revision wendet sich insoweit gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts nur mit der Begründung, zwischen den Parteien sei durch schlüssiges Verhalten eine Vereinbarung zustande gekommen, die zwischen der Klägerin und dem Vater begründeten Beziehungen zu „respektieren” und nicht zu stören. Sie schließt dies im wesentlichen daraus, daß die Klägerin Protokolle von Gesellschafterversammlungen mitunterschrieben hat und – was das Berufungsgericht offenläßt – ihre Stellung gegenüber dem Vater mit Wissen und Willen der Beklagten erlangt habe.

Diese Angriffe können schon deshalb nicht durchdringen, weil aus dem Umstand, daß ein Gesellschafter von einer Abmachung eines Mitgesellschafters mit einem Dritten Kenntnis nimmt oder ihr zustimmt, noch nicht entnommen werden kann, dieser wolle damit selbst in ein Rechtsverhältnis zu den Parteien jener Vereinbarung treten, seine Gesellschafterrechte ihnen gegenüber einschränken und eigene Verpflichtungen gegenüber dem Dritten oder dem Mitgesellschafter übernehmen. Dies gilt auch dann, wenn in dieser Weise zwischen dem Gesellschafter und dem Dritten ein Unterbeteiligungs- oder Treuhandverhältnis begründet wird. Unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall etwas anderes angenommen werden kann, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Bei der gebotenen Berücksichtigung der Interessen der Beklagten (§§ 133, 157 BGB) könnte die Billigung dieser Vereinbarung schon aus folgenden Gründen nicht als Mitbeteiligung gewertet werden mit der Folge, daß die Beklagte nunmehr verpflichtet wäre, die Zustimmung der Klägerin zu Änderungen des Gesellschaftsvertrages einzuholen:

Nach den in anderem Zusammenhang getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts (BU 31/32) wußten alle an den hier in Frage stehenden Vereinbarungen Beteiligten (die Parteien, ihr Vater und ihre Ehemänner), daß die Erbenstellung und damit die Gesellschafterstellung der Beklagten mit der Auflage verbunden war, keinerlei „Vereinbarungen zu schließen oder solchen zuzustimmen, die beinhalten, daß ihr Erb- oder Pflichtteilsanspruch gegenüber ihren Eltern in irgendeiner Form zu ihrem Nachteil beeinträchtigt wird”. Um auch nur den Anschein zu vermeiden, sie verstoße gegen diese Bestimmung des Erblassers, hat sich die Beklagte mit Billigung der übrigen Beteiligten an den neben dem Gesellschaftsvertrag geschlossenen Vereinbarungen nicht als Vertragschließende beteiligt und insoweit keine Verpflichtungen übernommen. Gerade auch die Vereinbarung vom 20. Mai 1968, durch die die Vermögensverschiebungen zwischen den Stämmen L. und He. finanziell ausgeglichen werden sollten, die durch den Tod Arthur K. und der Eltern der Parteien eintreten, wurde nur von den Ehemännern der Parteien geschlossen. Unter diesen Umständen hätte es über die von der Klägerin behauptete Billigung der getroffenen Vereinbarungen hinaus eindeutiger Erklärungen der Beklagten oder der Darlegung sonstiger Umstände bedurft, aus denen sich ergibt, daß das zwischen der Klägerin und ihrem Vater bestehende Rechtsverhältnis unmittelbar in das Gesellschaftsverhältnis zwischen der Beklagten und ihrem Vater eingreifen sollte. Das Berufungsgericht hat insoweit zu Recht die Tatsache, daß die Klägerin längere Zeit Protokolle von Gesellschafterversammlungen mit unterzeichnet hat, als nicht ausreichend angesehen.

2. Entgegen der Auffassung der Revision können im vorliegenden Fall nicht die Rechtsgrundsätze über den Vollmachtsmißbrauch herangezogen und die Vereinbarungen vom 1. Juni 1973 unter diesem Gesichtspunkt als unwirksam angesehen werden. Hierbei bedarf es keiner Entscheidung, ob es sich bei dem Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und ihrem Vater um ein echtes Treuhandverhältnis handelt – wie die Klägerin meint – oder um eine der Treuhand angenäherte Unterbeteiligung (so das Berufungsgericht).

Mit Urteil vom 4. April 1967 (II ZR 26/67, NJW 1968, 1471) hat es der Senat abgelehnt, auf das Rechtsverhältnis eines Gesellschaftertreuhänders die Grundsätze zu übertragen, wonach aus einem Rechtsgeschäft keine Rechte abgeleitet werden können, das der Bevollmächtigte unter Mißbrauch seiner Vollmacht abgeschlossen hat. Für ein Unterbeteiligungsverhältnis der hier vorliegenden Art kann nichts anderes gelten. Denn dieses unterscheidet sich in ähnlicher Weise wie das Treuhandverhältnis von dem Vertretungsverhältnis. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Vater der Parteien alleiniger Inhaber der Beteiligung geblieben und nur im Innenverhältnis zur Klägerin in der im Unterbeteiligungsvertrag im einzelnen festgelegten Weise verpflichtet, die Beteiligung so zu behandeln, als habe er sie auf die Klägerin übertragen.

3. Dagegen könnten die Klageanträge zu I unter dem Gesichtspunkt der §§ 138, 826 BGB begründet sein.

a) Nach dem Vorbringen der Parteien und den Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, daß die Klägerin nach dem Erbvertrag vom 28. Dezember 1968 zur alleinigen Erbin ihrer Eltern berufen ist und in Verbindung mit der Nachfolgeklausel des Gesellschaftsvertrages vom 6. Mai 1968 (§ 19) mit dem Tode ihres Vaters in die Stellung der persönlich haftenden Gesellschafterin der offenen Handelsgesellschaft R. Maschinenfabrik einrücken soll.

Nach § 2285 BGB kann zwar der durch Erbvertrag gebundene Erblasser durch Rechtsgeschäft unter Lebenden grundsätzlich unbeschränkt über sein Vermögen verfügen. Im vorliegenden Falle ist der Vater der Klägerin jedoch nicht nur erbvertraglich (von Todes wegen) sondern auch durch Rechtsgeschäft unter Lebenden gegenüber der Klägerin gebunden (zur Zulässigkeit vgl. BGHZ 59, 343, 350 i.V.m. BGHZ 31, 14, 18). Nach dem „in Vorwegnahme der Erbfolge” geschlossenen Unterbeteiligungsvertrag vom 14. Mai 1968, der durch den Erbvertrag (§ 3) bestätigt worden ist, sollte der Klägerin wirtschaftlich „der gesamte Gesellschaftsanteil” ihres Vaters mit Wirkung vom 1. Januar 1968 zustehen; im Innenverhältnis sollte es so angesehen werden, als habe der Vater seine Beteiligung auf die Klägerin übertragen (sie sollte nach diesem Vertrag allerdings nicht befugt sein, hinsichtlich der Ausübung des Stimmrechts Weisungen zu erteilen; der Vater behielt sich außerdem das Recht vor, in dem Unternehmen tätig zu werden). Der Vater der Parteien unterliegt demgemäß einer besonderen Treuepflicht – wobei es keiner Entscheidung bedarf, ob neben einer gesellschaftsvertraglichen auch eine treuhänderische Bindung begründet worden ist – und ist unabhängig von der Vereinbarung vom 16. Juni 1970, durch die der Vater auch eine Stimmrechtsbindung eingegangen ist, als verpflichtet anzusehen, die Interessen der Klägerin zu wahren und alles zu unterlassen, was deren (jetzige und künftige) Stellung beeinträchtigen könnte.

Der Unterbeteiligungsvertrag ist rechtswirksam. Nach dem gegenwärtigen Prozeß stand ist außerdem davon auszugehen, daß die dadurch begründeten Bindungen fortbestehen und nicht durch Kündigung beendet worden sind. Nach § 2 des Unterbeteiligungsvertrages soll sich die Stellung der Klägerin – insbesondere hinsichtlich „Kündigung, Tod und dergleichen” – nach dem Gesellschaftsvertrag der R. Maschinenfabrik vom 6. Mai 1968 auch insoweit richten, als es um den Unterbeteiligungsvertrag geht. Das bedeutet, daß er – durch die Bezugnahme auf § 3 des oHG-Vertrages – als bis zum 31. Dezember 1978 abgeschlossen gilt und sich jeweils um fünf Jahre verlängert, wenn er nicht mit einer Frist von einem Jahr gekündigt wird. Er kann nicht wie eine für unbestimmte Zeit vereinbarte Unterbeteiligung jederzeit gekündigt werden (vgl. hierzu BGHZ 50, 318).

b) Durch den Abschluß der Vereinbarungen vom 1. Juni 1973 hat der Vater der Parteien die gegenüber der Klägerin übernommenen Verpflichtungen verletzt. Dabei kann es hier dahingestellt bleiben, ob und welche vermögensrechtlichen Einbußen die Klägerin hierdurch erleidet; das Berufungsgericht führt insoweit nur an, der „Änderungsvertrag” habe zu keiner Verschiebung der „wirtschaftlichen” Beteiligung geführt, insbesondere die Kapital- und Darlehenskonten seien nicht verändert worden. In jedem Falle werden die für die Klägerin vorgesehenen Mitverwaltungsrechte in erheblichem Umfange beeinträchtigt. Sie sollte nach dem Unterbeteiligungsvertrag in Verbindung mit dem oHG-Vertrag für sich und den Gesellschafterstamm L. die Rechtsstellung der – neben der Beklagten – gleichberechtigten persönlich haftenden Gesellschafterin erlangen, müßte sich aber nach den Vereinbarungen vom 1. Juni 1973 mit einer stillen Beteiligung begnügen.

c) Die Beklagte bestreitet zwar, die die Rechtsstellung der Klägerin begründenden Vereinbarungen seien mit ihrem Wissen und Willen – wenn auch ohne eigene Bindung – zustande gekommen. Unstreitig ist jedoch, daß die Beklagte sie vor Abschluß der Vereinbarungen vom 1. Juni 1973 kennengelernt hat (vgl. insbesondere ihre Ausführungen GA 186/187, 260). Außerdem war der Beklagten aufgrund des von ihr unterzeichneten Gesellschaftsvertrages vom 6. Mai 1968 bekannt, daß die offene Handelsgesellschaft von den „Gesellschafterstämmen He. und L.” fortgesetzt werden sollte (vgl. insbesondere § 20 Abs. IV des Gesellschaftsvertrages). Die Beklagte und ihr Vater sahen demgemäß in der Klägerin auch bereits die künftige persönlich haftende Gesellschafterin und Repräsentantin ihres Stammes, deren Eintritt in die Gesellschaft im Rahmen des Unterbeteiligungsvertrages vorbereitet werden sollte. Sie wurde insbesondere zu Gesellschafterversammlungen beigezogen und hat eine Vielzahl von Niederschriften über Gesellschafterversammlungen mit unterschrieben. Wenn dadurch auch – ebensowenig wie durch ihre Unterschrift unter den Gesellschaftsvertrag der offenen Handelsgesellschaft – keine gesellschaftsvertraglichen Rechte im Rahmen der offenen Handelsgesellschaft begründet worden sind (vgl. hierzu die Ausführungen zu I 1), so ergibt sich daraus doch, daß die Beklagte die Klägerin als künftige Mitgesellschafterin akzeptiert hat.

d) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Beteiligung eines Dritten an dem Vertragsbruch einer Vertragspartei im allgemeinen nicht schon dann als sittenwidrig anzusehen, wenn der Dritte von dem vertragswidrigen Verhalten Kenntnis hat. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzukommen. Angesichts der vorstehend dargelegten tatsächlichen Verhältnisse und Beziehungen der Parteien untereinander sind diese Voraussetzungen hier als gegeben anzusehen, wenn die Beklagte wußte, daß die am 1. Juni 1973 getroffenen Vereinbarungen mit dem Inhalt der vertraglichen Bindungen nicht vereinbar sind, die ihr Vater gegenüber der Klägerin übernommen hat, es sei denn, sie durfte ihr Verhalten nach Lage der Dinge als gerechtfertigt ansehen (vgl. hierzu auch das Urt. d. Sen. v. 24.2.54 – II ZR 3/53, BGHZ 12, 308). Beim gegenwärtigen Prozeßstand kann dies nicht angenommen werden.

aa) Das Berufungsgericht hat – wenn auch unter einem anderen Blickpunkt – gemeint, das Verhalten der Beklagten sei deshalb nicht sittenwidrig, weil sie ihr Handeln für rechtmäßig gehalten habe. Sie habe nach dem Inhalt des oHG-Vertrages – der für die Übertragung und Belastung von Gesellschaftsanteilen die ausdrückliche Zustimmung des ändern Gesellschafters fordere – davon ausgehen dürfen, daß der Unterbeteiligungsvertrag unwirksam sei, weil sie selbst nicht ausdrücklich schriftlich zugestimmt habe. Mit dieser Begründung kann das angefochtene Urteil jedoch schon deshalb nicht aufrechterhalten werden, weil der Unterbeteiligungsvertrag nach der hier bestätigten Auslegung des Berufungsgerichts die Gesellschafterstellung des Vaters unangetastet ließ, ihm vielmehr nur schuldrechtliche Bindungen auferlegte. Die Beklagte würde sich insoweit auch in Widerspruch zum oHG-Vertrag und zu dem Willen aller Beteiligten setzen, wonach die Gesellschaft unter den Stämmen He. und Lange fortgesetzt werden soll. Es ist zwar nicht zu verkennen, daß die Gesellschafterstellung der Beklagten mit Rücksicht auf die letztwillige Verfügung ihres Adoptivvaters gefährdet war und diese deshalb – wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt – geradezu davon abhängig ist, daß sie keine die Klägerin begünstigenden Erklärungen abgibt, welche ihr eigenes Erb- oder Pflicht teils recht mindern könnten. Darum geht es in diesem Zusammenhange jedoch nicht. Zu entscheiden ist darüber, ob die Beklagte zusammen mit ihrem Vater die durch Erbvertrag, Unterbeteiligungsvertrag und oHG-Vertrag weitgehend abgesicherte Stellung der Klägerin als künftige persönlich haftende Gesellschafterin der R. Maschinenfabrik OHG aushöhlen darf.

bb) Etwas anderes könnte allerdings für den Einwand der Beklagten gelten, die Vereinbarungen vom 1. Juni 1973 seien getroffen worden, „um den für die Familien und die Firmen nachteiligen Einfluß von Herrn Herwig L. zu reduzieren” (vgl. den Eingang zu den Vereinbarungen vom 1.6.1973). Sie habe insoweit mit ihrem Vater lediglich eine Abwehrstellung gegen den bestimmenden Einfluß des Ehemannes der Klägerin errichtet, den sie für schädlich gehalten habe (BU 36 unten). Die hierzu getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts lassen jedoch eine abschließende Entscheidung nicht zu. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Vereinbarungen vom 1. Juni 1973 aufgrund des Verhaltens des Ehemannes der Klägerin sachlich gerechtfertigt sind und die Beklagte subjektiv dieser Auffassung sein durfte, sind alle Umstände des Falles zu berücksichtigen. Es kommt nicht allein darauf an – wie das Berufungsgericht offenbar meint –, was dem Ehemann der Klägerin im einzelnen vorzuwerfen ist, sondern auch darauf, ob der behauptete schädliche Einfluß auch in anderer Weise ausgeschaltet werden kann, d.h. durch Maßnahmen, die Rechtsstellung der Klägerin weniger beeinträchtigen.

4. Aus der Sittenwidrigkeit der Vereinbarung vom 1. Juni 1973 würde allerdings noch nicht folgen, daß die Klageanträge zu I in ihrer gegenwärtigen Gestalt begründet sind. Nach dem allgemeinen Vertragsrecht ergäbe sich bei Anwendung des § 138 BGB die Nichtigkeit mit der Folge, daß der Gesellschaftsvertrag vom 6. Mai 1968 nach wie vor gälte. Aus § 826 BGB ergäben sich in Verbindung mit § 249 BGB Verpflichtungen, die dem Hilfsantrag zu I 2 entsprechen würden. Eine derartige Rechtsfolge käme gegebenenfalls auch dann in Betracht, wenn auf die Vereinbarung angesichts der Tatsache, daß es sich um die Änderung eines Gesellschaftsvertrags handelt, die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft angewendet würden.

Ob und in welchem Umfange diese Rechtsfolgen im vorliegenden Falle eingreifen, kann beim gegenwärtigen Prozeß stand jedoch nicht beurteilt werden. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob und in welcher Weise die in der Vereinbarung vom 1. Juni 1973 vorgesehenen neuen Gesellschaften gegründet und in Vollzug gesetzt worden sind. Es kann deshalb insbesondere nicht entschieden werden, ob die Änderungen derart sind, daß eine rückwirkende Beseitigung nicht oder nur schwer möglich ist und ob ein Bedürfnis nach Bestandsschutz der von der Klage betroffenen Regelung besteht (vgl. hierzu SenUrt. v. 10.12.73 – II ZR 53/72, WM 1974, 192, 195 zu II 4).

5. Das angefochtene Urteil kann nach alledem nicht bestehen bleiben. Soweit der Klageantrag zu I in Betracht kommt, bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen und der tatrichterlichen Beurteilung unter den dargelegten Gesichtspunkten. Die Sache muß deshalb in diesem Punkte zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

II. Im übrigen hält das Berufungsurteil im Ergebnis den Angriffen der Revision stand.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, daß sowohl der „Unterbeteiligungsvertrag” vom 14. Mai 1968 als auch die Stimmrechtsbindungsvereinbarung vom 16. Juni 1970 – deren Rechtswirksamkeit hier unterstellt werden kann – keine vertraglichen Verpflichtungen zu Lasten der Beklagten begründet hat. Der Vater der Parteien und die Beklagte sind danach nach wie vor allein Gesellschafter der R. Maschinenfabrik August K., und das Stimmrecht des Vaters ist nicht auf die Klägerin übergegangen; seine Stimmabgabe ist grundsätzlich wirksam, auch wenn sie gegenüber der Klägerin pflichtwidrig sein sollte.

Im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten können deshalb hinsichtlich der Klageanträge zu II und III als Anspruchsgrundlage ebenfalls nur die §§ 138, 826 BGB sowie unter Umständen § 266 StGB in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB in Betracht kommen.

Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind jedoch nicht schon dann gegeben, wenn der Vater sich nicht an die Anweisungen der Klägerin hält und der Beklagten dies bei der Beschlußfassung bekannt ist. Denn daraus ergäbe sich, daß die Mitgesellschafter die – offene – Stimmrechtsbindung immer zu beachten hätten. Das aber wäre mit dem Wesen der offenen Handelsgesellschaft nicht zu vereinbaren und würde in Widerspruch dazu stehen, daß es sich nur um eine schuldrechtliche Bindung handelt und aus der gesellschaftlichen Treuepflicht geradezu eine Verpflichtung entstehen kann, gegen eine Weisung zu stimmen. Diese Frage kann deshalb nur von Fall zu Fall entschieden werden. Sie beurteilt sich nach dem Gesamtbild, das sich unter Berücksichtigung aller Umstände aus Inhalt, Beweggrund und Zweck des einzelnen Gesellschafterbeschlusses ergibt. Hieraus folgt für die Klageanträge zu II und III:

  1. Ein allgemeiner und umfassender Anspruch im Sinne des Klageantrags zu II 1 und des Hilfsantrags zu II 3 a ist ausgeschlossen. Eine Stimmabgabe des Vaters der Parteien kann auch dann wirksam sein, wenn dieser Weisungen der Klägerin zuwiderhandelt. Ebenso scheidet eine allgemeine Feststellung – im Sinne des Klageantrags zu II 2 und des Hilfsantrags zu II 3 b – dahin aus, daß die Klägerin gegenüber der Beklagten das Recht habe, so behandelt zu werden, als wäre sie Gesellschafterin der Rahdener Maschinenfabrik August K..
  2. Der Klageantrag zu III – einschließlich Hilfsantrag – betrifft zwar einen Einzelfall. Er ist jedoch nur darauf gegründet, daß der Gesellschafterbeschluß über die Kündigung des Geschäftsführervertrages des Ehemannes der Klägerin gegen den Widerspruch der Klägerin gefaßt worden ist. Die Klägerin hat keine besonderen Umstände dargetan, die den Schluß zuließen, die Beklagte habe die Pflichtverletzung ihres Vaters zum Schaden der Klägerin in verwerflicher Weise ausgenutzt. Dies wäre schon deshalb notwendig gewesen, weil die Klägerin insoweit eine Geschäftsführungsmaßnahme beanstandet, die ihre eigenen Belange nicht unmittelbar berührt.
 

Unterschriften

Stimpel, Dr. Schulze, Fleck, Dr. Kellermann, Dr. Skibbe

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1722814

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