Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweislastverteilung bei Steuerberaterhaftung. eingeschränkte Hinweispflicht nach Ablehnung von Empfehlungen auch gegenüber anderen Mitgliedern einer Gemeinschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Mandant muß die Pflichtverletzung des steuerlichen Beraters auch dann uneingeschränkt beweisen, wenn er behauptet, das gebotene Beratungsgespräch habe nicht stattgefunden (Abweichung BGH, 22.01.1986, IVa ZR 105/84, NJW 1986, 2570). Das Bestreiten des Beraters ist jedoch nur dann erheblich, wenn er die wesentlichen Punkte des Beratungsgesprächs in einer Weise darstellt, die erkennen läßt, wie er seiner Aufklärungs- und Hinweispflicht gerecht geworden ist.

2. Hat der vom steuerlichen Berater umfassend und zutreffend belehrte Mandant die ihm gegebene Empfehlung abgelehnt, braucht der Berater auch bei einem Dauermandat die erteilten Hinweise grundsätzlich nicht in regelmäßigen Abständen zu wiederholen. Er hat die Angelegenheit nur dann erneut zu erörtern, wenn dafür ein besonderer Anlaß besteht.

3. Lehnt derjenige, dem eine Personenmehrheit die Verhandlungen mit dem steuerlichen Berater übertragen hat, dessen Empfehlungen ab, ist der Berater in der Regel nicht verpflichtet, von sich aus den Kontakt zu anderen Mitgliedern der Gemeinschaft zu suchen.

 

Normenkette

BGB § 675; StBerG § 33; ZPO § 138

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 20.06.1995; Aktenzeichen 25 U 6404/94)

LG München II (Urteil vom 18.10.1994; Aktenzeichen 1 O 4211/94)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 20. Juni 1995 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 21. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Kläger betreiben seit 1988 eine tierärztliche Gemeinschaftspraxis. Zugleich führen sie eine Abgabestelle für Arzneimittel. Der beklagte Steuerbevollmächtigte wurde von ihnen beauftragt, sie in steuerlichen Dingen umfassend zu beraten. Bis zur Beendigung des Vertrages erstellte er die Steuererklärungen für die Praxis und die Kläger persönlich. Aufgrund einer Betriebsprüfung im Jahre 1992 wurden sämtliche Einnahmen aus der Praxis und dem Verkauf der Arzneimittel in den Jahren 1989 und 1990 der Gewerbesteuer unterworfen. Die Kläger mußten deshalb insgesamt 66.351 DM an das Finanzamt entrichten.

In Höhe dieses Betrages verlangen sie vom Beklagten Schadensersatz. Sie sind der Auffassung, sie hätten für die Einkünfte aus der Praxis keine Gewerbesteuer zahlen müssen, wenn für den Arzneimittelverkauf eine gesonderte, personenidentische Gesellschaft gegründet worden wäre. Auch die Einnahmen aus Arzneimitteln wären nicht gewerbesteuerpflichtig geworden, weil sie unter der Freigrenze von 36.000 DM gelegen hätten. Die Kläger behaupten, der Beklagte habe sie nicht ausreichend über die Rechtslage belehrt und sie nicht auf die Notwendigkeit, eine gesonderte Abgabegesellschaft zu gründen, hingewiesen.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit der Revision begehrt der Beklagte weiterhin Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Beklagte habe die Kläger nicht vertragsgerecht beraten, und hat zur Begründung ausgeführt:

Der Beklagte habe die Kläger umfassend über alle mit der Errichtung der Gemeinschaftspraxis verbundenen steuerlichen Fragen belehren und ihnen deshalb auch den sichersten Weg zur Vermeidung von Gewerbesteuer zeigen müssen. Zwar stehe aufgrund der Beweisaufnahme fest, daß der Beklagte der Klägerin zu 1) gegenüber die betreffende Problematik im Jahre 1988 angesprochen habe. Damit habe er jedoch die ihm obliegende Aufklärungspflicht nicht erfüllt. Da er jedes Jahr die steuerrechtlichen Angelegenheiten der Kläger erledigt habe, hätte er sie in den Jahren 1989 bis 1991 jeweils erneut auf die Gewerbesteuerpflicht hinweisen und die dazu gebotenen Maßnahmen anregen müssen. Der Beklagte habe den ihm obliegenden Beweis, die Belehrung jeweils wiederholt zu haben, nicht erbracht.

II.

Gegen diese Erwägungen wendet sich die Revision mit Erfolg.

1. Nicht zu beanstanden ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Der Beklagte war infolge des ihm erteilten umfassenden Auftrags verpflichtet, die Kläger auch im gewerbesteuerlichen Bereich zu beraten. Ergab sich für sie die Möglichkeit, durch eine zulässige rechtliche Gestaltung die Gewerbesteuerpflicht zu vermeiden, ohne daß deshalb andere finanzielle Nachteile in gleicher Höhe drohten, so hatte der Beklagte ihnen in dieser Hinsicht die Rechtslage zu erläutern und den geeigneten Gestaltungsvorschlag zu unterbreiten (vgl. BGH, Urt. v. 7. Mai 1992 – IX ZR 151/91, NJW-RR 1992, 1110, 1111; v. 9. November 1995 – IX ZR 161/94, NJW 1996, 312, 313).

2. Das Berufungsgericht geht auch im Ergebnis richtig davon aus, daß Gewerbesteuerverbindlichkeiten nicht entstanden wären, wenn die Kläger eine gesonderte Gesellschaft für die Arzneimittelabgabe gegründet hätten.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wird ein Tierarzt, der aus seiner ärztlichen Abgabestelle für Arzneien Medikamente an die Halter der von ihm behandelten Tiere abgibt, nicht freiberuflich, sondern gewerblich tätig (BFHE 123, 199). Betreiben Tierärzte eine Praxisgemeinschaft in Form einer BGB-Gesellschaft, so ist in diesem Falle die gesamte, also auch die ärztliche Tätigkeit als gewerblich anzusehen, so daß die Einnahmen in vollem Umfang der Gewerbesteuer unterliegen (BFHE 128, 67); dies beruht darauf, daß die Tätigkeit einer Gesellschaft, die einen Gewerbebetrieb unterhält, nach § 2 Abs. 2 GewStG stets und in vollem Umfang als gewerblich angesehen wird (BFHE 123, 505, 506; 128, 67, 69). Da mehrere Personengesellschaften jedoch nicht zu einem einheitlichen gewerbesteuerrechtlichen Steuersubjekt zusammengefaßt werden können (BFHE 130, 403), hätte die Ausgliederung des Arzneimittelverkaufs zur Folge gehabt, daß das Finanzamt die tierärztliche Tätigkeit der Kläger nicht als gewerblich hätte behandeln dürfen.

3. Die Kläger haben behauptet, zu der gewerbesteuerrechtlichen Problematik nicht in dem danach notwendigen Umfang beraten worden zu seien. Sie räumen zwar ein, daß der Beklagte der Klägerin zu 1) gegenüber nach Gründung der Gemeinschaftspraxis die Frage angesprochen habe. Die Klägerin habe damals aufgrund eines Telefonats mit der Tierärztekammer die unzutreffende Auffassung vertreten, die Praxis werde schon wegen der geringen Umsätze an Medikamenten nicht gewerbesteuerpflichtig. Diesem Hinweis sei der Beklagte nicht entgegengetreten und habe danach keine weitere Aufklärung mehr erteilt. Dieses Vorbringen hat der Beklagte bestritten.

a) Wer einen Steuerberater wegen unzureichender Beratung in Anspruch nimmt, hat – nicht anders als gegenüber einem Rechtsanwalt – die behauptete Pflichtverletzung zu beweisen. Die damit verbundenen Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, daß die andere Partei zunächst im einzelnen darzulegen hat, in welcher Weise sie die Belehrung vorgenommen haben will (Senatsurt. v. 3. Dezember 1992 – IX ZR 61/92, NJW 1993, 1139, 1140; v. 11. Mai 1995 – IX ZR 130/94, NJW 1995, 2842, 2843). Bestreitet der Anwalt oder Steuerberater das ihm vorgeworfene Verhalten lediglich unsubstantiiert, gilt das Vorbringen des Mandanten als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO).

b) Die Revisionserwiderung meint, der Beklagte habe den ihm gegenüber erhobenen Vorwurf nur pauschal in Abrede gestellt. Das ist indessen nicht zutreffend.

Der Beklagte braucht nicht den Ablauf des Gesprächs in allen Einzelheiten darzustellen. Damit wäre er in Anbetracht der seither vergangenen Zeit überfordert. Der rechtliche Berater kann einen entsprechenden, mehrere Jahre zurückliegenden Vorgang in der Regel nur dann umfassend darstellen, wenn er ihn in unmittelbarem zeitlichen Anschluß schriftlich festgehalten hat. Das würde seine Arbeit jedoch im Hinblick auf die Vielzahl der von ihm wahrzunehmenden Aufgaben unzumutbar erschweren und widerspräche häufig auch dem aus der Beauftragung entstandenen Vertrauensverhältnis zum Mandanten. Daher genügt es, wenn der Berater im Prozeß die wesentlichen Punkte des Gesprächs in einer Weise darstellt, die erkennen läßt, daß er den ihm obliegenden Aufklärungs- und Hinweispflichten gerecht geworden ist. Diese Anforderungen erfüllt das Vorbringen des Beklagten im Streitfall. Danach hat er die Klägerin zu 1) darauf hingewiesen, daß eine Aufteilung in eine zweite personenidentische Gesellschaft zur Vermeidung von Gewerbesteuer notwendig sei; die Klägerin sei dem jedoch mehrfach entgegengetreten und habe es unter Berufung auf eine von der Tierärztekammer erhaltene Auskunft abgelehnt, eine zweite Gesellschaft zu gründen. Diese Verteidigung gegen den Klageanspruch ist erheblich. Sie enthält die hinreichend konkretisierte Behauptung, der Beklagte habe sowohl das steuerrechtliche Problem zutreffend erläutert als auch die danach gebotene rechtsgestaltende Maßnahme empfohlen.

Wenn der Beklagte danach letztlich die verfehlte Rechtsauffassung der Klägerin zu 1) hingenommen hat, liegt darin noch kein pflichtwidriges Verhalten. Der Beklagte mußte zwar der Klägerin die Rechtslage umfassend erläutern und ihr die im Hinblick darauf gebotenen Ratschläge geben. Eine besondere Nachdrücklichkeit und Eindringlichkeit kann dabei aber, ebenso wie bei einem Rechtsanwalt (vgl. dazu BGH, Urt. v. 5. Februar 1987 – IX ZR 65/86, NJW 1987, 1322), nicht verlangt werden (Senatsurt. v. 11. Mai 1995, aaO). Der Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin zu 1) wiederholt über die Problematik belehrt und ihr die gebotene Maßnahme, eine neue Gesellschaft zu gründen, empfohlen zu haben; dabei sei er jedoch immer auf denselben Widerstand gestoßen. Trifft das zu, hat der Beklagte der Klägerin zu 1) gegenüber die ihm obliegende Betreuung erbracht.

c) Das Berufungsgericht hat die Beweiserhebung nicht in dem Sinne gewürdigt, daß der Beklagte schon 1988 seine vertraglichen Pflichten verletzt hat. Es hat dazu nicht näher Stellung genommen, die Frage also offengelassen. Für die revisionsrechtliche Beurteilung ist demnach davon auszugehen, daß der Beklagte im Jahre 1988 vertragsgerecht beraten hat.

4. Auf dieser Grundlage war es rechtsfehlerhaft, eine Pflichtverletzung des Beklagten zu bejahen, weil er die Kläger nicht in den Jahren 1989 bis 1991 wiederum über die Problematik belehrt und die Gründung einer Arzneimittelabgabegesellschaft angeraten habe.

a) Das gilt einmal schon deshalb, weil das Berufungsgericht eine solche Unterlassung des Beklagten nicht positiv festgestellt, sondern lediglich eine Beweislastentscheidung zu seinen Ungunsten gefällt hat. Das Berufungsgericht meint, der Beklagte müsse die von ihm behauptete Wiederholung der Belehrung in diesen Jahren beweisen, weil die Kläger für diesen Zeitraum bestreiten, daß neue Gespräche über das Thema der Gewerbesteuer stattgefunden hätten. Für diese Auffassung können die Tatrichter sich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom 22. Januar 1986 (IVa ZR 105/84, NJW 1986, 2570) stützen, wonach der Berater beweisen muß, daß das Beratungsgespräch stattgefunden habe. Erst wenn dies feststehe, obliege dem Mandanten der Nachweis der Pflichtverletzung. Der Senat hat schon in seinem Urteil vom 3. Dezember 1992 (IX ZR 61/92, NJW 1993, 1139, 1140) darauf hingewiesen, daß für eine solche Differenzierung kein einleuchtender Grund ersichtlich ist. Unabhängig davon, ob der Steuerberater ein gebotenes Aufklärungsgespräch sachlich verfehlt geführt oder gänzlich unterlassen hat, handelt es sich um eine positive Vertragsverletzung (vgl. BGHZ 115, 382, 390), die als Anspruchsvoraussetzung von demjenigen bewiesen werden muß, der geltend macht, dadurch geschädigt worden zu sein. Für eine Anwendung des § 363 BGB ist demnach kein Raum. Diese Vorschrift besagt auch deshalb nichts für die hier vorzunehmende Beweislastverteilung, weil der Mandant in aller Regel gar nicht beurteilen kann, ob die erhaltene Beratung eine vertragsgemäße Leistung darstellt (zutreffend Baumgärtel/Laumen, Handbuch der Beweislast 2. Aufl. § 675 Rdnr. 41 f m.w.N.). Das berechtigte Interesse des Auftraggebers, mit seiner Klage nicht infolge unerfüllbarer Beweisanforderungen zu scheitern, wird vielmehr dadurch angemessen gewahrt, daß das Bestreiten des Beraters nur erheblich ist, wenn er konkret darlegt, wie die Betreuung ausgesehen hat, die er erbracht haben will (vgl. Senatsurt. v. 5. Februar 1987, aaO; v. 11. Mai 1995, aaO). Der Senat gibt daher die entgegenstehende Rechtsprechung des früheren IVa-Zivilsenats, von der er der Sache nach schon im Urteil vom 11. Mai 1995 (IX ZR 130/94, NJW 1995, 2842, 2843) abgewichen ist, ausdrücklich auf. Einer Anrufung des Großen Senats für Zivilsachen bedarf es nicht, weil inzwischen allein der IX. Zivilsenat die Revisionen, die die Steuerberaterhaftung betreffen, zu bearbeiten hat.

b) Das Berufungsurteil ist in diesem Punkt auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil nach den bisher getroffenen Feststellungen keine Pflichtverletzung des Beklagten darin liegt, daß er es unterlassen hat, die im Jahre 1988 gegebene Belehrung später erneut zu erteilen. Hat er – wovon im Revisionsrechtszug auszugehen ist – die Klägerin zu 1) ursprünglich zutreffend und umfassend beraten, war er nicht verpflichtet, die Angelegenheit von sich aus in den folgenden Jahren wieder aufzugreifen.

Erweist sich der Mandant für die ihm eingehend erteilten Hinweise und Gestaltungsvorschläge als unzugänglich, ist es grundsätzlich nicht die Aufgabe des Beraters, die Eindringlichkeit seiner Belehrung zu steigern, deshalb nach einiger Zeit die bisher erfolglose Beratung zu wiederholen und auf diese Weise den Versuch zu unternehmen, daß der Mandant doch noch die sachgerechten Maßnahmen ergreift (vgl. BGH, Urt. v. 5. Februar 1987 – IX ZR 65/86, NJW 1987, 1322, 1323). Es muß immer die freie Entscheidung des Mandanten bleiben, ob dieser den Vorschlägen seines rechtlichen Beraters folgt oder die ihm empfohlenen Maßnahmen unterläßt. Hat der Berater die ihm obliegende Aufgabe erfüllt und zeigt sich der Auftraggeber unbedingt und endgültig uneinsichtig, entstehen daraus in der Regel keine zusätzlichen Pflichten zu weitergehender Tätigkeit. Deshalb braucht der rechtliche Berater bei einem Dauermandat die Sache nicht von sich aus in bestimmten Zeitabständen immer wieder anzusprechen, solange dafür kein hinreichender Anlaß besteht. Ein solcher wäre etwa dann gegeben, wenn der Mandant seinerseits das Thema wieder aufgreift, dem Berater in diesem Zusammenhang neue bedeutsame Umstände bekannt werden oder sich später herausstellt, daß er infolge der Weigerung, den vorgeschlagenen Weg zu gehen, weitere aus dem Mandat folgende Aufgaben nicht sachgerecht erledigen kann. Solche Besonderheiten sind jedoch im Streitfall nicht festgestellt. Gewerbesteuererklärungen hatte der Beklagte nach der von der Klägerin zu 1) damals vertretenen Auffassung, die er hinnehmen mußte, nicht abzugeben. Die Kläger haben nicht behauptet, daß es auf dieser Grundlage nicht möglich gewesen sei, die übrigen anfallenden Leistungen, insbesondere die Erklärungen zu den anderen Steuern, sachgerecht zu erbringen.

Zu Unrecht beruft sich das angefochtene Urteil in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 15. Mai 1991 (IV ZR 85/90, VersR 1991, 873). Abgesehen davon, daß jenes Urteil allein die versicherungsrechtliche Frage betrifft, ob darin, daß ein Steuerberater in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren bei Abgabe der Steuererklärung den rechtlich gebotenen Hinweis unterläßt, mehrere deckungspflichtige Schadensfälle liegen, unterscheidet sich der Streitfall in einem entscheidenden Punkt von dem jenem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt. Hier ist – wie bereits dargelegt – davon auszugehen, daß der Steuerberater zunächst die ihm obliegende Beratung rechtzeitig und vollständig vorgenommen hatte. Zu der Frage, ob er die bereits sachgerecht erbrachte Leistung periodisch wiederholen muß, äußert sich das Urteil des IV. Zivilsenats vom 15. Mai 1991 nicht.

5. Eine Pflichtverletzung des Beklagten ist schließlich nicht darin zu sehen, daß er das Beratungsgespräch lediglich mit der Klägerin zu 1) geführt hat. Gewerbesteuerschuldner war allein die Gesellschaft (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Die Klägerin zu 1) führte die Verhandlungen mit dem Beklagten für diese; sie war unstreitig dazu befugt. Überträgt eine Personenmehrheit einem ihrer Mitglieder die Aufgabe, die Verhandlungen mit dem rechtlichen Berater im Namen der Gemeinschaft zu führen, kann dieser mindestens nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht davon ausgehen, daß es genügt, die notwendigen Belehrungen und Empfehlungen dem Vertreter zu erteilen (vgl. auch BGH, Urt. v. 11. Juli 1991 – IX ZR 180/90, NJW 1991, 2839). Der Beklagte durfte daher, solange sich für ihn keine dem entgegenstehenden Anhaltspunkte ergaben, annehmen, die Klägerin zu 1) habe schon wegen ihres eigenen unmittelbaren Interesses an der Angelegenheit ihren Mitgesellschafter vollständig vom Inhalt der Gespräche mit dem Beklagten unterrichtet, und dieser habe sich der von ihr vertretenen Meinung angeschlossen. Der Beklagte brauchte daher, nachdem die Klägerin zu 1) seine Vorschläge abgelehnt hatte, nicht von sich aus an den Kläger zu 2) heranzutreten und den Versuch zu unternehmen, diesen davon zu überzeugen, daß zur Vermeidung der Gewerbesteuerpflicht eine zweite Gesellschaft gegründet werden mußte. Dazu bestand für den Beklagten – sein Vorbringen als richtig unterstellt – im übrigen auch deshalb keine Veranlassung, weil sich die Klägerin zu 1) seinen Ratschlägen entschieden widersetzt hatte und eine weitere Gesellschaft nicht ohne ihre Zustimmung gegründet werden konnte.

III.

Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, daß die Kläger eine unzureichende Beratung des Beklagten zur Gewerbesteuerproblematik im Zusammenhang mit der Gründung der Gemeinschaftspraxis im Jahre 1988 bewiesen haben, wird zu prüfen sein, ob der Anscheinsbeweis dafür spricht, daß sie bei vertragsgerechter Beratung eine zweite Gesellschaft gegründet hätten (vgl. BGHZ 123, 311, 315 ff; BGH, Urt. v. 11. Mai 1995 – IX ZR 140/94, NJW 1995, 2108, 2111; v. 9. November 1995 – IX ZR 161/94, NJW 1996, 312, 314).

Der Beklagte hat dann auch Gelegenheit, die mit der Revision erhobenen Einwände gegen die Schadensberechnung der Kläger vorzutragen.

 

Fundstellen

BB 1996, 2064

NJW 1996, 2571

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