Leitsatz (amtlich)

BNotO § 14 Abs. 1

Zur Amtspflicht des Notars zu wahrheitsgemäßer Bekundung.

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches OLG (Urteil vom 10.01.1991)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 10. Januar 1991 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionsinstanz, an den 4. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Diplom-Kaufmann Dieter T… kaufte im Sommer 1984 ein Mehrfamilienhaus in E…. Er plante, im Dachgeschoß zwei zusätzliche Wohnungen zu errichten, die dann insgesamt 18 Wohnungen in Wohnungseigentum umzuwandeln und sie nach dem sogenannten Erwerbermodell an Kapitalanleger weiterzuveräußern. Zur Durchführung des Projekts versprach ihm der Kläger ein Darlehen von 200.000 DM. Es sollte durch eine an den Kläger abzutretende Eigentümergrundschuld in Höhe des Darlehensbetrages an dem gekauften Grundbesitz gesichert und am 15. Januar 1985 zuzüglich 100 % Zinsen in einer Summe von 400.000 DM zurückbezahlt werden. Unter dem 12. November 1984 übermittelte der Beklagte dem der deutschen Sprache mächtigen Bruder des Klägers, der für diesen von den Vereinigten Arabischen Emiraten aus die Verhandlungen führte, ein Fernschreiben, in dem es heißt:

“Ich bestaetige Ihnen in meiner Eigenschaft als abwikkelnder Notar folgendes:

Die Grundschuldbestellungsurkunde ueber DM 200.000, – nebst 16 P/C jaehrlichen Zinsen … und die Abtretungserklaerung an Herrn Nizar A… … befinden sich bei meinen Akten.

Bitte ueberweisen Sie telegrafisch den Betrag von DM 200.000, – auf das … Notaranderkonto.

Ich werde treuhaenderisch ueber diesen Betrag nur verfuegen, wenn gewaehrleistet ist, dass in den Grundbuechern … eine Eigentuemergrundschuld in Hoehe von DM 200.000, – nebst 16 P/C Zinsen im Range nach DM 900.000, – nebst bis zu 18 P/C Zinsen eingetragen wird. Und der Zugang des Grundschuldbriefes an mich gewaehrleistet ist. Diesen Grundschuldbrief werde ich fuer Sie verwahren.

Ich sichere Ihnen zu, dass nach Eingang des Betrages von DM 200.000, – nach Gewaehrleistung der Eintragung der Eigentuemergrundschuld der Grundschuldbrief und das Original der Abtretungsurkunde auf Ihr Verlangen von mir an Herrn Nizar A… ausgehaendigt werden.

Damit ist gewaehrleistet, dass Zug um Zug gegen Auszahlung des Betrages von DM 200.000, – das fuer Herrn Nizar A… einzutragende Grundpfandrecht diesem als Berechtigten zusteht.

Fuer die vorstehende Abwicklung uebernehme ich im Sinne eines Treuhandauftrages von Herrn Nizar A… die Gewaehrleistung in meiner Eigenschaft als deutscher Notar.”

Der Bruder des Klägers antwortete mit Fernschreiben Nr. 318 vom 20. November 1984 wie folgt:

“auf Grund Ihres Tlx von 12. Nov. 1984 und Ihr Telefonat am 18.Nov. wo mit Sie mir versichert haben, dass Sie als deutscher Notar ueber die DM 200.000 Zweihunderttausend, die Herr Nazr A… an Sie ueberweist, erst verfuegen werden, wenn Sie den Eigentuemergrundschuldbrief und die originelle Abtretung von Herrn Dipl.-Kaufmann Dieter T… treu haenderlich verwahrt haben und auch dass der E… Eigentuemergrundschuldbrief im Range gleich nach dem DM 900.000 eingetragen ist,

hat Herr Nazr A… am 19. Nov. … zu ihren Unterkonto DM 200.000 ueberwiesen.

Der ist ein Darlehenvertrag zwischen Herrn Nazr A… und Herrn T… Diese Vertrag ist leider noch nicht unterschrieben und daher Sie duerfen auf keinen Fall ueber die Gelder vorlaeufig verfuegen. Zerst muss ich den unterschriebenen Darlehensvertrag in meinen Haenden haben und danach benachrichtige ich Sie und dann koenen Sie nach den Inhalt dieses Tlx handeln.”

Vom 20. bis 22. November 1984 wurden noch weitere Fernschreiben zwischen dem Beklagten und dem Bruder des Klägers gewechselt.

Da unterdessen die Gesamtfinanzierung des Projektes und damit der Zeitpunkt der Umschreibung des Eigentums auf T… und der ranggerechten Eintragung der an den Kläger abgetretenen Eigentümergrundschuld ganz ungewiß geworden war, rief Tappendorf am 23. November 1984 bei dem Bruder des Klägers an, um ihn zur sofortigen Freigabe des inzwischen auf das Notaranderkonto des Beklagten überwiesenen Darlehenbetrages zu bewegen. Der Bruder des Klägers war bereit, T… “behilflich” zu sein, und stellte die Zustimmung zur vorzeitigen Auszahlung in Aussicht, nach dem Vortrag des Klägers unter der Bedingung, daß auch bei einer der Auszahlung des Betrages nachfolgenden dinglichen Besicherung des Rückzahlungsanspruchs der vereinbarte Rang der Grundschuld nach Voreintragungen von 900.000 DM unangetastet bleibe und daß zum Ausgleich des in der vorzeitigen Freigabe liegenden wirtschaftlichen Risikos eine zusätzliche akzeptable Sicherheit beigebracht werde. Am 26. November 1984 übersandte der Beklagte dem Bruder des Klägers folgende Fernschreiben:

“Bitte bestaetigen Sie mir dieses Telex zum Zeichen Ihres Einverstaendnisses.

Das Telex Nr. 318 ist gegenstandslos.

Von den hinterlegten DM 200.000, – behalte ich zwecks Begleichung der Grunderwerbsteuer, der Notarkosten sowie der Gerichtskosten fuer die Vertragsabwicklung H…, W…str. … + …, auf dem Notaranderkonto als Sicherheit einen Betrag von DM 60.000, – zurueck. DM 140.000, – werden von mir an Herrn T… ausgezahlt, woebei derzeit – und das Nachstehende vorbehalten – davon ausgegangen werden muss, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung zwecks Eintragung der Grundschuld beim Grundbuchamt alle Voraussetzungen fuer die ranggerechte Eintragung der Grundschuld gegeben sind, wie z. B. Abwicklung des Kaufvertrages (H…/T…), Lastenfreimachung, und das Fehlen von Zwischeneintragungen, die die ranggerechte Eintragung der Grundschuld behindern.

Um umgehende Bestaetigung wird gebeten.”

Nach zwei weiteren Fernschreiben des Beklagten vom 27. und 28. November 1984 übermittelte ihm der Bruder des Klägers am 1. Dezember 1984 ein Fernschreiben mit folgendem Inhalt:

“nach Ihren oben genannten tlx wo sie bestaetigen dass Herr Dr. Thomas R… und Herr T… fuer das Darlehen-von Herrn Nazar A…-beide personenlich haften, bestaetige ich dass Sie jetzt ueber das ueberweisene Darlehenssumme von DM. 200,000 verfuegen duerfen.”

Der Beklagte verfügte sodann über den Darlehensbetrag entsprechend seinem Fernschreiben vom 26. November 1984. T… wurde am 12. September 1985 als Eigentümer des gekauften Grundbesitzes im Grundbuch eingetragen, nachdem bereits am 7. Mai 1985 folgende Grundschulden eingetragen worden waren: An erster Stelle eine Grundschuld für die Westdeutsche Landesbank Girozentrale über 1.473.300 DM nebst Zinsen und Nebenleistungen; an zweiter Stelle eine Grundschuld für dieselbe Bank über 163.700 DM nebst Zinsen und Nebenleistungen sowie an dritter Stelle eine Eigentümergrundschuld über 200.000 DM nebst 16 % Zinsen. T…-… zahlte das Darlehen nicht zurück. Er gab am 18. Dezember 1986 die eidesstattliche Offenbarungsversicherung ab. Vollstreckungsversuche gegen den Mitschuldner Dr. R… blieben erfolglos. Im Januar 1986 wurde die Zwangsversteigerung des von T… erworbenen Grundbesitzes angeordnet. Dieser wurde mit Beschluß vom 7. Dezember 1987 für das durch Zahlung zu berichtigende Gebot von 45.200 DM unter der Bedingung zugeschlagen, daß die an erster Stelle eingetragene Grundschuld über nominell 1.473.300 DM bestehen blieb. Die übrigen Grundschulden erloschen. Der Termin zur Verteilung des Versteigerungserlöses fand am 30. März 1988 statt.

Der Kläger wirft dem Beklagten Verletzung seiner notariellen Pflichten vor. Er hat beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 200.000 DM nebst 4 % Zinsen ab 4. Dezember 1987 zu verurteilen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger das Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der ursprüngliche Treuhandauftrag habe der Auszahlung des Darlehens durch den Beklagten nicht entgegengestanden. Dieser habe das Fernschreiben des Bruders des Klägers vom 1. Dezember 1984 nur dahin verstehen können, daß die in den Fernschreiben vom 12. und 20. November 1984 niedergelegten Treuhandauflagen nicht mehr gültig sein sollten. Die entscheidende Frage sei, ob das Fernschreiben des Beklagten vom 26. November 1984 in Verbindung mit denen vom 27. und 28. November 1984 bei dem Bruder des Klägers den Eindruck habe erwecken müssen, als wenn es bei dem Vorrang von nur 900.000 DM sicher bleiben werde. In Wahrheit sei es so gut wie sicher gewesen, daß der dem Darlehensbetrag vorgehende Betrag erheblich über 900.000 DM hinausgehen würde. Es gebe keinen vernünftigen Grund für die Annahme, daß Tappendorf den Kaufpreis für das Grundstück sonst hätte beschaffen können. Bei dieser Sachlage liege ein Verstoß gegen die allgemeine Belehrungspflicht zwar nahe. Ein solcher Verstoß sei jedoch zu verneinen, weil es sich um ein Risikogeschäft gehandelt habe und Notare nicht zu Ausfallbürgen für fehlgeschlagene Risikogeschäfte gemacht werden dürften. Jedenfalls überwiege das Mitverschulden des Klägers derart, daß daneben eine Haftung des Beklagten ausscheide.

II

Diese Erwägungen halten der rechtlichen Überprüfung nur teilweise stand.

1. Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist die Annahme des Berufungsgerichts, der ursprüngliche Treuhandauftrag habe der Auszahlung des Darlehens nicht entgegengestanden, weil der Kläger mit dem Fernschreiben vom 1. Dezember 1984 dem Sinne nach die Treuhandauflagen für gegenstandslos erklärt habe. Für die Auslegung einer Willenserklärung ist maßgebend, wie diese vom Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsauffassung zu verstehen ist (BGH, Urt. v. 5. Juli 1990 – IX ZR 10/90, WM 1990, 1549, 1551 m.w.N.). Danach läßt die dem Fernschreiben vom 1. Dezember 1984 vom Berufungsgericht gegebene Auslegung Rechtsfehler nicht erkennen.

Der in dem Fernschreiben des Beklagten vom 12. und dem des Bruders des Klägers vom 20. November 1984 niedergelegte Treuhandauftrag sah im wesentlichen vor, daß der Beklagte über den Darlehensbetrag nur verfügen durfte, wenn gewährleistet war, daß eine Eigentümergrundschuld von 200.000 DM nebst Zinsen im Range nach 900.000 DM nebst bis zu 18 % Zinsen im Grundbuch eingetragen wurde und der Grundschuldbrief bei dem Beklagten verblieb. Indessen wies der Beklagte den Bruder des Klägers bereits mit Fernschreiben vom 20. November 1984 auf eine angebliche Vereinbarung zwischen diesem und T… hin, wonach er – Beklagter – “nunmehr ohne jede andere treuhänderische Bindung” – über den Betrag von 200.000 DM verfügen könne, und bat um Gegenbestätigung dafür, daß der Treuhandauftrag laut Fernschreiben vom 12. und 20. November 1984 damit hinfällig sei. Die erbetene Bestätigung erfolgte zunächst nicht. Indessen kam es am 23. November 1984 zu einem Anruf, in dem T… den Bruder des Klägers um sofortige Freigabe des Betrages bat, welche dieser gegen eine zusätzliche akzeptable Sicherheit in Aussicht gestellt haben will, sofern der vereinbarte Rang der Grundschuld nach Voreintragungen von 900.000 DM erhalten bleibe.

Eine Freigabe des Geldes ohne Einhaltung der mit den Fernschreiben vom 12. und 20. November 1984 geregelten Auszahlungsvoraussetzungen hatte unausweichlich zur Folge, daß der Beklagte von der zugesagten Gewährleistung der Eintragung einer dem Kläger zustehenden Eigentümergrundschuld über 200.000 DM im Range nach 900.000 DM nebst bis zu 18 % Zinsen entbunden war. Diese Gewährleistung war der wesentliche Inhalt der zuletzt genannten Fernschreiben. Sie entfiel notwendigerweise, wenn “sofort”, das heißt ohne vorherige Herstellung der Voraussetzungen für die gewünschte Eintragung, über das Geld verfügt werden durfte. Das Festhalten des Bruders des Klägers an dem vereinbarten Rang der Eigentümergrundschuld ist damit nicht unvereinbar. Diesem Umstand konnte dann allerdings nur noch die Bedeutung zu kommen, daß Tappendorf dem Kläger gegenüber verpflichtet blieb, eine ranggerechte Eintragung der Eigentümergrundschuld herbeizuführen. Der Beklagte als Notar war indessen mit der vorzeitigen Freigabe des Geldes notwendigerweise von den ihm gemachten Auflagen entbunden.

Es kann deshalb als Folge des Telefongesprächs zwischen Tappendorf und dem Bruder des Klägers gewertet werden, daß der Beklagte mit Fernschreiben vom 26. November 1984 bat, der Bruder des Klägers möge bestätigen, “das Telex Nr. 318” sei “gegenstandslos”, daß er mit Fernschreiben vom 27. November 1984 nach Übermittlung der Erklärungen der Mitschuldübernahme und der Zwangsvollstreckungsunterwerfung durch Dr. R… erneut um Bestätigung dafür bat, er dürfe “nunmehr über den hinterlegten Darlehensbetrag – wie … bereits mitgeteilt – teilverfügen”, und daß er diese Bitte im Fernschreiben vom 28. November 1984 mit leicht abgewandeltem Wortlaut wiederholte. Unter diesen Umständen ist aus Rechtsgründen nichts gegen die Annahme des Berufungsgerichts zu erinnern, das Fernschreiben des Bruders des Klägers vom 1. Dezember 1984, in dem dieser im Hinblick auf die persönliche Haftung von T… und Dr. R…bestätigte, daß der Beklagte jetzt über die überwiesene Darlehenssumme von 200.000 DM verfügen dürfe, habe vom Beklagten nur dahin verstanden werden können, der Kläger wolle an den mit Fernschreiben vom 12. und 20. November 1984 verabredeten Auszahlungsvoraussetzungen nicht mehr festhalten.

Die Revision meint demgegenüber, der Kläger habe in seinem Fernschreiben vom 1. Dezember 1984 lediglich die vorgeschlagene Auszahlung der Darlehenssumme genehmigt, habe aber nicht auf die vereinbarte grundbuchmäßige Absicherung verzichten wollen. Deshalb könne nicht angenommen werden, der Kläger habe mit dem Fernschreiben den Treuhandauftrag für gegenstandslos erklärt. Dies ergebe sich aus dem weiteren Inhalt des Fernschreibens des Beklagten vom 26. November 1984. Dem ist nicht zu folgen.

Der in dem Fernschreiben vom 26. November 1984 gegebene Hinweis des Beklagten, derzeit müsse davon ausgegangen werden, daß im Zeitpunkt der Antragstellung zwecks Eintragung der Grundschuld beim Grundbuchamt alle Voraussetzungen für die ranggerechte Eintragung der Grundschuld gegeben seien, konnte vom Kläger oder seinem Bruder bei Berücksichtigung der erwähnten besonderen, ihnen bekannten Umstände schlechterdings nicht dahin verstanden werden, die in den Fernschreiben vom 12. und 20. November 1984 gemachten Auszahlungsauflagen und damit eine Pflicht des Beklagten zur Gewährleistung der gewünschten Absicherung sollten gleichwohl aufrechterhalten bleiben. Der Kläger oder sein Bruder konnten es nach dem Inhalt des Fernschreibens vom 26. November 1984 lediglich für wahrscheinlich halten, daß auch ohne Einhaltung der Auflagen eine ranggerechte Eintragung der Grundschuld erfolgen werde. Mit der Revision kann auch angenommen werden, daß der Kläger weiter auf dieser Absicherung bestand. Der Beklagte hat dies nicht in Zweifel gezogen. Das bedeutet indessen lediglich, daß T… weiter verpflichtet blieb, für eine entsprechende Absicherung Sorge zu tragen. Es geht jedoch nicht an, aus dem Festhalten an der ranggerechten Absicherung des Darlehens den Willen des Klägers zu folgern, die Treuhandauflagen sollten weiterbestehen. Diese könnten entfallen, ohne daß der Kläger zugleich auf die gewünschte Absicherung verzichtete. Diese hing jedoch nur noch von den Möglichkeiten T…-…s ab und war damit weniger gewiß geworden.

2. Die weiteren Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht eine Amtspflichtverletzung des Beklagten verneint, halten den Angriffen der Revision nicht stand.

An sich zutreffend stellt das Berufungsgericht die entscheidende Frage dahin, ob das Fernschreiben des Beklagten vom 26. November 1984, in dem der Beklagte ausführt, derzeit müsse davon ausgegangen werden, daß alle Voraussetzungen für die ranggerechte Eintragung der Grundschuld im Zeitpunkt der Antragstellung beim Grundbuchamt gegeben seien, bei dem Bruder des Klägers den falschen Eindruck erwekken mußte, es werde bei dem Vorrang von nur 900.000 DM bleiben. Dazu stellt das Berufungsgericht fest, es sei so gut wie sicher gewesen, daß der dem Darlehensbetrag von 200.000 DM vorgehende Betrag erheblich über 900.000 DM hinausgehen würde; es gebe keinen vernünftigen Grund zu der Annahme, daß T… das Geld für den Grundstückskaufpreis sonst hätte beschaffen können. Danach ist davon auszugehen, daß schon bei Absendung des Fernschreibens vom 26. November 1984 alles dafür sprach, es werde nicht zu der dem Kläger von T… geschuldeten ranggerechten Absicherung des Darlehens kommen. Dann war der Inhalt des Fernschreibens objektiv falsch. Denn entgegen seinem insoweit unmißverständlichen Wortlaut war gerade nicht davon auszugehen, daß im Zeitpunkt der Antragstellung alle Voraussetzungen für eine ranggerechte Eintragung der Grundschuld gegeben waren. Die Unrichtigkeit hat der Beklagte – wenn es keinen vernünftigen Grund zu der Annahme gab, T… hätte den Kaufpreis ohne Inanspruchnahme von über 900.000 DM hinausgehenden vorrangigen Sicherheiten beschaffen können – entweder gekannt oder jedenfalls bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können und müssen.

Damit hat der Beklagte seine ihm gegenüber dem Kläger obliegenden Amtspflichten schuldhaft verletzt (§ 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO). Bei allen Amtsgeschäften hat der Notar vor allem die Wahrheit zu bezeugen. Er darf nur bekunden, was er nach gewissenhafter Prüfung als zutreffend erkannt hat. Er muß die Wahrheit deutlich sagen und jeden falschen Schein vermeiden (Arndt, BNotO 2. Aufl. § 14 II B 2.0. = S. 169). Mit seinen Amtspflichten ist es unvereinbar, wenn er durch seine Tätigkeit einen falschen Anschein erweckt, durch den geschützte Dritte in die Gefahr eines folgenschweren Irrtums geraten (vgl. BGH, Urt. v. 30. Mai 1972 – VI ZR 11/71, LM BNotO § 14 Nr. 2 = VersR 1972, 956, 958 m.w.N.; Urt. v. 4. Mai 1984 – V ZR 255/82, WM 1984, 1230; Haug, Die Amtshaftung des Notars Rdn. 656). Im Streitfall war der Beklagte gehalten, dem Kläger, der die Amtstätigkeit des Beklagten in Anspruch genommen und auf dessen Anderkonto den Tappendorf versprochenen Darlehensbetrag überwiesen hatte, keine erkennbar unrichtigen Aussagen über die Wahrscheinlichkeit der vertragsgemäßen Eintragung der verabredete Sicherheit zu geben. Er mußte damit rechnen, daß diese Prognose die Entscheidung des Klägers über die Aufhebung der Treuhandauflagen beeinflussen konnte.

Diese Anforderungen an das Verhalten eines Notars hat das Berufungsgericht verkannt. Es hat das Fernschreiben vom 26. November 1984 allein unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen die allgemeine Belehrungspflicht gewürdigt. Damit ist es der besonderen Problematik des Streitfalls schon im Ansatz nicht gerecht geworden. Vielmehr ist dem Beklagten eine Verletzung seiner Amtspflichten auch dann vorzuwerfen, wenn eine Pflicht zur Belehrung des Klägers über die Folgen, die mit einer Aufgabe der verabredeten Auszahlungsvoraussetzungen verbunden waren, nicht bestand (zu den Voraussetzungen der allgemeinen Belehrungspflicht vgl. BGH, Urt. v. 7. Februar 1991 – IX ZR 24/90, WM 1991, 1046, 1049). Deshalb kann jedenfalls im gegenwärtigen Verfahrensstand auf sich beruhen, ob das Berufungsgericht eine Pflicht des Beklagten zur Belehrung darüber, daß mit dem Wegfall der Auflagen eine Garantie für eine ranggerechte Eintragung der Grundschuld nicht gegeben war, mit Recht verneint hat. Insbesondere bedarf es keines näheren Eingehens auf die – angesichts der in den Fernschreiben vom 12. und 20. November 1984 niedergelegten Auszahlungsvoraussetzungen erkennbar neben der Sache liegende – Annahme des Berufungsgerichts, das zwischen Tappendorf und dem Kläger vereinbarte Geschäft habe “von vornherein mit den Händen zu greifende Risiken” geborgen, und es könne nicht zweifelhaft sein, daß bei solchen Geschäften die Beteiligten keiner besonderen Belehrung über die eingegangenen Risiken bedürften. Das angefochtene Urteil kann vielmehr schon wegen des unrichtigen Prüfungsansatzes keinen Bestand haben.

Es erweist sich entgegen der von der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung auch nicht deshalb als im Ergebnis zutreffend, weil das Berufungsgericht eine Amtspflichtverletzung verneint hat und es deshalb an einem Verschulden des Beklagten fehlte. Der Grundsatz, daß ein Verschulden des Notars regelmäßig ausscheidet, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht sein Verhalten als objektiv rechtmäßig gebilligt hat, greift hier nicht ein. Er ist nur eine allgemeine Richtlinie für die rechtliche Beurteilung des im Einzelfall gegebenen Sachverhalts und deshalb unanwendbar, wenn ein Kollegialgericht in entscheidenden Punkten von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist oder diesen nicht erschöpfend gewürdigt hat (vgl. BGH, Urt. v. 5. Juli 1990 aaO; Urt. v. 19. Dezember 1991 – IX ZR 8/91, WM 1992, 527, 530). Hier hat das Berufungsgericht die Pflicht des Notars zu wahrheitsgemäßer Bezeugung nicht in seine Erwägungen einbezogen.

III.

Eine Entscheidung in der Sache selbst durch das Revisionsgericht kommt mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen nicht in Betracht (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

Insbesondere fehlt es an der Feststellung, daß die dargelegte Amtspflichtverletzung des Beklagten für die Aufhebung der in den Fernschreiben vom 12. und 20. November 1984 verabredeten Auszahlungsvoraussetzungen und damit für den geltend gemachten Schaden ursächlich geworden ist. Das hängt davon ab, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten genommen hätten und wie die Vermögenslage des Klägers sein würde, wenn der Beklagte die Pflichtverletzung nicht begangen, sondern pflichtgemäß gehandelt hätte (vgl. BGH, Urt. v. 8. Februar 1990 – IX ZR 63/89, WM 1990, 940, 942; Urt. v. 5. Juli 1990 aaO). Es wird mithin unter Anwendung von § 287 ZPO zu prüfen sein, ob der in Rede stehende Hinweis des Beklagten, durch den das mit einer Aufhebung der Treuhandauflagen verbundene Risiko in entscheidender Weise verkleinert wurde, den Kläger oder seinen Bruder veranlaßt hat, den Darlehensbetrag zur sofortigen Auszahlung freizugeben (vgl. Haug aaO Rdn. 845 ff m.w.N.).

Für ein Mitverschulden des Klägers sind bislang Anhaltspunkte nicht ersichtlich.

Ferner bedarf es näherer Feststellungen zur Höhe des Schadens, den der Kläger durch die Aufhebung der ursprünglichen Auszahlungsvoraussetzungen erlitten hat. Dieser Schaden ist nicht ohne weiteres mit 200.000 DM anzunehmen. Es ist zu bedenken, daß der Grundschuld des Klägers Belastungen von 900.000 DM nebst bis zu 18 % Zinsen vorgehen durften. Bei Grundschulden ist auch der Anspruch auf Zinsen abstrakt. Er ist deshalb grundsätzlich in vollem Umfang bei der Erlösverteilung zu berücksichtigen; insbesondere deckt er ohne besondere Absprache nicht lediglich schuldrechtliche Zinsansprüche ab (vgl. Zeller/Stöber, ZVG 13. Aufl. § 114 Anm. 7.6 Buchst. g). Der Termin zur Verteilung des Erlöses aus der Versteigerung des Grundbesitzes fand am 30. März 1988 statt. Unterstellt, die Grundschuldzinsen waren ab Eintragung der Grundschulden (7. Mai 1985) bis zum Tage vor dem Verteilungstermin (vgl. Zeller/Stöber aaO § 114 Anm. 5.30) zu entrichten, wären ca. 52 % Zinsen angefallen (zu deren Rang vgl. § 10 Nr. 4, § 13 ZVG). Bei einem Versteigerungserlös von 1.473.300 DM (Nominalbetrag der bestehenbleibenden Grundschuld) nebst 45.200 DM (Bargebot) hätten dem Kläger bei ranggerechter Eintragung seiner Grundschuld mithin lediglich ca. (1.518.500 – 1.368.000 =) 150.500 DM zugestanden. Die Differenz ist gegebenenfalls noch um den Anteil zu kürzen, der von dem bar zu entrichtenden Betrag von 45.200 DM auf Verfahrenskosten entfällt, die nach § 109 Abs. 1 ZVG vorrangig aus dem Versteigerungserlös zu entnehmen sind.

IV.

Die Sache ist danach an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.

 

Unterschriften

Brandes, Schmitz, Kreft, Kirchhof, Zugehör

 

Fundstellen

Haufe-Index 1384500

DNotZ 1992, 819

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge