Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückabtreteung des übergegangenen Unterhaltsanspruchs

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Unterhaltsgläubiger ist nicht befugt, Unterhaltsansprüche, die vor Rechtshängigkeit der Klage nach §§ 91 Abs. 1 Satz 1 BSHG, 7 Abs. 1 Satz 1 UVG auf den Träger der öffentlichen Leistung übergegangen sind, in gewillkürter Prozeßstandschaft zur Zahlung an den Leistungsträger geltend zu machen.

 

Tatbestand

Die Parteien sind Ehegatten, die seit dem 9. April 1993 voneinander getrennt leben. Aus der Ehe sind die Töchter Aileen, geboren am 3. Februar 1989, und Debby, geboren am 14. November 1990, hervorgegangen, die seit dem 16. September 1993 bei der Klägerin leben, der die elterliche Sorge für sie übertragen wurde.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Trennungs- und Kindesunterhalt in Anspruch. Sie bezog seit dem 20. April 1993 Sozialhilfe in unterschiedlicher Höhe sowie seit dem 16. September 1993 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz in Höhe von 256 DM monatlich für jede der beiden Töchter. Darüber hinaus erhielt sie Kindergeld von monatlich 200 DM und seit Januar 1994 den Kindergeldzuschlag von monatlich 65 DM.

Mit Schreiben ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 29. April 1993 forderte sie den Beklagten zur Zahlung von Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 1.000 DM auf. In dem dem Beklagten Anfang November 1993 zugegangenen Prozeßkostenhilfeantrag machte sie rückständigen Trennungsunterhalt von 6.000 DM (monatlich 1.000 DM für die Zeit von Mai bis Oktober 1993) und laufenden Trennungsunterhalt ab November 1993 in Höhe von monatlich 1.070 DM sowie Kindesunterhalt in Höhe von monatlich jeweils 320 DM ab November 1993 geltend. Nachdem ihr lediglich teilweise Prozeßkostenhilfe bewilligt wurde, beantragte sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht nur noch rückständigen Trennungsunterhalt in Höhe von 3.735 DM und laufenden Unterhalt von monatlich 747 DM (ab November 1993) sowie Kindesunterhalt von monatlich jeweils 285 DM (ab November 1993).

Mit dem Prozeßkostenhilfeantrag reichte die Klägerin ein Schreiben der Samtgemeinde S. vom 20. September 1993 an ihre Prozeßbevollmächtigten ein, mit dem diesen eine Durchschrift der dem Beklagten übersandten Rechtswahrungsanzeige zugeleitet wurde und das im übrigen die folgende Mitteilung enthielt:

"Sie sind weiterhin aktivlegitimiert, die Unterhaltsansprüche von Frau Petra M. gegen Herrn Holger M. durchzusetzen. Ohne meine Zustimmung ist Frau M. allerdings nicht berechtigt, einen Verzicht über den Anspruch auf Unterhalt für sich auszusprechen."

Das Amtsgericht verurteilte den Beklagten, an die Klägerin rückständigen Trennungsunterhalt von 3.050 DM und laufenden Trennungsunterhalt ab November 1993 in Höhe von monatlich 747 DM sowie Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 285 DM je Kind ab November 1993 zu zahlen. Die weitergehende Klage wies es ab.

Mit der hiergegen gerichteten Berufung begehrte der Beklagte, die Klage abzuweisen, soweit er zur Zahlung höheren Trennungsunterhalts als monatlich 295 DM für die Zeit von Mai bis Dezember 1993 und höheren Kindesunterhalts als monatlich 260 DM für jedes Kind für November und Dezember 1993 sowie, soweit er überhaupt zu Unterhaltsleistungen für die Zeit ab Januar 1994 verurteilt worden war. Er machte geltend, das Amtsgericht habe sein Einkommen seit der Einführung der 4-Tage-Woche bei seinem Arbeitgeber, der Firma V. AG, zu hoch angesetzt und seine Belastungen nicht ausreichend berücksichtigt.

Mit Verfügung vom 12. September 1994 wies das Oberlandesgericht die Klägerin darauf hin, daß die Ermächtigung des Sozialamts den Kindesunterhalt nicht umfasse; der Anspruch sei insoweit auf das Unterhaltsvorschuß leistende Land N. übergegangen. Außerdem gab es der Klägerin auf, den für Oktober 1993 geltenden Sozialhilfebescheid sowie den Bescheid über die Zahlung von Unterhaltsvorschuß einzureichen. Daraufhin legte die Klägerin das Schreiben des Landkreises S. vom 26. September 1994 vor, in dem es u.a. heißt:

"Wir ermächtigen hiermit die Kinder Aileen und Debby M., vertreten durch ihre Mutter, Frau Petra M., für das von uns vertretene Land N. die Klage hinsichtlich der übergegangenen Unterhaltsansprüche zu führen und Zahlungen in Höhe unserer Leistungssätze für die Zeit ab 16. September 1993 an das Land N. zu fordern."

Ferner reichte die Klägerin einen Bescheid des Landkreises S. vom 8. November 1993 über die Gewährung von Unterhaltsvorschußleistungen ein sowie Sozialhilfebescheide für die Zeit ab Mai 1994 nebst einer Gesamtaufstellung über die Sozialhilfeleistungen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vom 16. Februar 1995 beantragte sie, die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß in Höhe des für die Kinder geleisteten Unterhaltsvorschusses und der an sie geleisteten Sozialhilfe Zahlung an die jeweiligen Träger der Sozialleistungen erfolgen solle.

Das Berufungsgericht hat das angefochtene Urteil teilweise abgeändert und den Beklagten verurteilt, an die Klägerin rückständigen Trennungsunterhalt in Höhe von 2.245,50 DM sowie Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 260 DM je Kind für November und Dezember 1993 und von monatlich 241 DM je Kind ab März 1995 zu zahlen. Im übrigen hat es die Klage - hinsichtlich der Zeit von Mai 1993 bis März 1994 als unzulässig - abgewiesen, bezüglich des Kindesunterhalts von April 1994 bis Februar 1995 allerdings nur, soweit der Beklagte zu höheren Unterhaltszahlungen als monatlich 241 DM je Kind verurteilt worden ist. Die weitergehende Berufung hat das Oberlandesgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Beklagte Kindesunterhalt für April 1994 bis Februar 1995 in Höhe von monatlich 241 DM für jedes Kind an den Landkreis S. zu zahlen habe.

Soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist, hat die Klägerin zugelassene Revision eingelegt, mit der sie ihr Begehren auf Zurückweisung der Berufung des Beklagten weiterverfolgt

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in FamRZ 1995, 1172 veröffentlicht ist, hat die Prozeßführungsbefugnis der Klägerin zur Geltendmachung des bis einschließlich März 1994 fällig gewordenen Unterhalts - hinsichtlich der Monate November und Dezember 1993 nur über die vom Beklagten nicht angefochtene Verurteilung zur Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 260 DM je Kind hinaus - verneint. Hierzu hat es ausgeführt: Die Prozeßstandschaft der Klägerin zur Geltendmachung des Kindesunterhalts nach § 1629 Abs. 3 BGB sei im Umfang der für die Kinder gewährten Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz entfallen, weil damit nach dessen § 7 die Unterhaltsansprüche der beiden Töchter gegen den Beklagten insoweit auf das Land N. übergegangen seien. Das gelte gemäß § 265 Abs. 2 ZPO nur in dem Umfang nicht, als die Vorschußleistungen nach Eintritt der Rechtshängigkeit erfolgt seien. Bis zum Ende des Monats, in dem die Rechtshängigkeit eingetreten sei (die Vorschußleistung erfolge zum Monatsanfang), fehle es an einem Unterhaltsanspruch der Kinder, den die Klägerin geltend machen könne. Daran ändere es nichts, daß der Landkreis S. in Vertretung des Landes N. die durch die Klägerin vertretenen Töchter ermächtigt habe, die Klage hinsichtlich der übergegangenen Ansprüche zu führen und Zahlung in Höhe der Leistungssätze an das Land N. zu fordern. Die wirksame Übertragung der Prozeßführungsbefugnis setze ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Ermächtigten an der Prozeßführung im eigenen Namen voraus. Daran fehle es, wenn die begehrte Entscheidung die Rechtslage des Ermächtigten nicht beeinflusse. Das sei hier der Fall. Da die Klage frühestens am 3. März 1994 rechtshängig geworden sei, könne die Klägerin bis zum Ablauf des Monats März 1994 in Höhe des Unterhaltsvorschusses fällig gewordenen Kindesunterhalt nicht selbst einklagen. Ebensowenig könne sie weitergehenden Kindesunterhalt sowie den Trennungsunterhalt bis einschließlich März 1994 im Umfang des Sozialhilfebezugs geltend machen, da mit der Sozialhilfeleistung die Unterhaltsansprüche auf den Landkreis Übergegangen seien. Die mit Schreiben vom 20. September 1993 erteilte Ermächtigung der vom Landkreis gemäß § 4 Nds. AG BSHG zur Durchführung herangezogenen Samtgemeinde 5. sei - ebenso wie diejenige des Landkreises - mangels schutzwürdigen eigenen Interesses nicht als geeignete Grundlage für eine gewillkürte Prozeßstandschaft anzusehen. Hinsichtlich der Geltendmachung von Kindesunterhalt sei eine Ermächtigung der Samtgemeinde im übrigen nicht erteilt worden.

 

Entscheidungsgründe

II.

Diese rechtliche Beurteilung greift die Revision ohne Erfolg an.

Mit dem Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG vom 23. Juni 1993, BGBl. I 944, 952) hat der Gesetzgeber die frühere Regelung der im Ermessen des Sozialhilfeträgers stehenden Oberleitung von Unterhaltsansprüchen gemäß §§ 90, 91 BSHG a.F. durch einen gesetzlichen Forderungsübergang ersetzt. Nach § 91 Abs. 1 BSHG n.F., der nunmehr als Spezialvorschrift ausschließlich Unterhaltsansprüche erfaßt, geht ein nach bürgerlichem Recht gegebener Unterhaltsanspruch des Hilfeempfängers für die Zeit, für die ihm Hilfe gewährt wird, bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen kraft Gesetzes mit dem Bewirken der Leistungen auf den Träger der Sozialhilfe über. Dieser gesetzliche Forderungsübergang erfaßt auch Unterhaltsansprüche, die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung am 27. Juni 1993 entstanden waren, wenn deren Voraussetzungen für eine Geltendmachung für die Vergangenheit - sei es durch Verzug gemäß § 1613 BGB oder Rechtswahrungsanzeige - zwar gegeben waren, aber noch keine Oberleitung auf den Sozialhilfeträger nach § 90 Abs. 1 BSHG a.F. erfolgt war (Senatsbeschluß vom 15. März 1995 - XII ZR 269/94 - FamRZ 1995, 871). Das war hier der Fall. Insbesondere war der Beklagte durch Schreiben der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vom 29. April 1993 wegen Trennungsunterhalts in Höhe von monatlich 1.000 DM in Verzug gesetzt worden.

Ein gesetzlicher Forderungsübergang findet nach § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG auch hinsichtlich der Unterhaltsansprüche eines Kindes gegen den Elternteil, bei dem es nicht lebt, statt, und zwar für die Zeit, für die ihm Unterhaltsleistungen nach diesem Gesetz gewährt werden, und in deren Höhe. Im Umfang der durch die Gewährung der Sozialleistungen eingetretenen Legalzession stehen der Klägerin bzw. den Kindern, deren Unterhaltsansprüche sie grundsätzlich im Wege der gesetzlichen Prozeßstandschaft gemäß § 1629 Abs. 3 BGB geltend machen kann, für die Vergangenheit keine Unterhaltsansprüche mehr zu, so daß für die Klage insoweit die Aktivlegitimation fehlt.

Die Klägerin wäre allerdings gleichwohl prozeßführungsbefugt, wenn sie durch die Samtgemeinde S. bzw. den Landkreis S. rechtswirksam zur Prozeßführung im eigenen Namen ermächtigt worden wäre und den Rechtsstreit deshalb als gewillkürte Prozeßstandschafterin führen könnte. Das ist aber nicht der Fall.

Ob eine derartige Ermächtigung zur Geltendmachung von in der Vergangenheit fällig gewordenen, kraft Gesetzes auf den öffentlichen Leistungsträger übergegangenen Unterhaltsansprüchen rechtlich zulässig ist, wird in Rechtsprechung und Schrifttum nicht einheitlich beantwortet. Der Senat hat in dem am selben Tag verkündeten Urteil in dem Verfahren

XII ZR 99/95 entschieden, daß die rechtliche Möglichkeit, dem Hilfeempfänger insoweit eine Einziehungsermächtigung zu erteilen, nicht besteht. Bei der Prozeßstandschaft kann es zwar - bedingt durch die Notwendigkeit einer zwischen der Zahlung an den Sozialhilfeträger einerseits und den Hilfeempfänger andererseits differenzierenden Antragstellung - anders als bei der Einziehungsermächigung nicht zu einer den Hilfeempfänger möglicherweise benachteiligenden Auseinandersetzung darüber kommen, inwieweit der eingeklagte Unterhalt ihm und inwieweit er dem Sozialhilfeträger zusteht. Die weiter herangezogenen Gesichtspunkte der fehlenden Rückabtretbarkeit der betreffenden Ansprüche (vgl. zu diesem Erfordernis bei der gewillkürten Prozeßstandschaft allgemein Zöller/Vollkommer ZPO 19. Aufl. vor § 50 Rdn. 46; Thomas/Putzo ZPO 19. Aufl. § 51 Rdn. 36) und des fehlenden eigenen rechtlichen Interesses an deren Geltendmachung haben aber auch bei der hier beabsichtigten gewillkürten Prozeßstandschaft zur Folge, daß eine solche Ermächtigung nicht rechtswirksam erteilt werden kann. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer II 2 des vorgenannten Urteils Bezug genommen.

Fehlt es demgemäß - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - an der Prozeßführungsbefugnis der Klägerin im Umfang der kraft Gesetzes übergegangenen Ansprüche, ist die Klage im Umfang der Sozialleistungen hinsichtlich der Zeit von Mai 1993 bis März 1994 (dem Ende des Monats, in dem die Klage rechtshängig geworden ist) zu Recht als unzulässig abgewiesen worden, soweit der Beklagte das Urteil des Amtsgerichts angefochten hat.

III.

Zu der Frage, inwieweit die Klägerin selbst noch Unterhaltsansprüche geltend machen kann, hat das Oberlandesgericht ausgeführt: Der Beklagte schulde bei bereinigten Einkünften von monatlich 2.258, 52 DM (1993) bzw. monatlich 1.705, 14 DM (1994) entsprechend der vereinbarungsgemäß vorab durchzuführenden Berechnung des Kindesunterhalts für jede der Töchter Unterhalt gemäß Gruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle in Höhe von 241 DM (291 DM abzüglich anteiliges Kindergeld von 50 DM). Mit Ausnahme der Monate November und Dezember 1993 - insoweit sei das erstinstanzliche Urteil nicht angefochten worden - übersteige deshalb der Unterhaltsvorschuß die Unterhaltsansprüche, so daß diese in voller Höhe auf das Land N. übergegangen seien. Erst ab April 1994 habe der Beklagte daher monatlich 241 DM je Kind an Kindesunterhalt zu zahlen, und zwar bis einschließlich Februar 1995 an das Land N. zu Händen des Landkreises S.

Trennungsunterhalt schulde der Beklagte an sich in Höhe einer Quote von 3/7 seines bereinigten Einkommens abzüglich des Kindergeldzuschlags. Mit Rücksicht auf den ihm zuzubilligenden Selbstbehalt von 1.450 DM (bis Oktober 1993) und von 1.300 DM (ab November 1993) sei er jedoch nur in Höhe von monatlich 808 DM bis Oktober 1993, von monatlich 338 DM für November und Dezember 1993 und von monatlich 255 DM von Januar bis März 1994 leistungsfähig. Ab April 1994 sei er zur Zahlung von Trennungsunterhalt außerstande. Die für die Klägerin regelmäßig gezahlte Sozialhilfe habe von Mai bis Mitte September 1993 monatlich 309 DM, in der Folgezeit bis zum Jahresende monatlich 971, 89 DM und ab Januar 1994 monatlich 943, 66 DM betragen. Sie übersteige somit ab 16. September 1994 den der Klägerin zustehenden Unterhalt, der insoweit vollständig auf den Landkreis übergegangen sei. Für die Zeit vom 1. Mai bis 15. September 1993 verbleibe ein die Sozialhilfe übersteigender Anspruch von monatlich (808 DM - 309 DM) 499 DM, in viereinhalb Monaten mithin 2.245, 50 DM.

Soweit die Revision die vorstehend dargelegte Herabsetzung des von der Klägerin verfolgten Unterhalts erfaßt, ist das Rechtsmittel nicht begründet worden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518946

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