Entscheidungsstichwort (Thema)

Zugewinnausgleich: Wertansatz negativen Anfangsvermögens; Verrechenbarkeit von Anfangsschulden mit privilegiertem Erwerb während der Ehe

 

Leitsatz (amtlich)

War ein Ehegatte bei Eheschließung überschuldet, ist sein Anfangsvermögen für die Berechnung des Zugewinns gemäß § 1374 Abs. 1 Halbs. 2 BGB mit Null anzusetzen. Eine Verrechnung der Schulden mit einem späteren privilegierten Erwerb im Sinne von § 1374 Abs. 2 BGB kommt grundsätzlich nicht in Betracht.

 

Leitsatz (redaktionell)

Zitierung: Bestätigung OLG Bamberg, 1987-10-06, 7 UF 24/87, FamRZ 1988, 506

 

Normenkette

BGB § 1374 Abs. 1 Hs. 2, Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Urteil vom 22.02.1994)

AG Albstadt (Urteil vom 17.03.1993)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 18. Zivilsenats – Familiensenat – des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 22. Februar 1994 aufgehoben.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Albstadt – Familiengericht – vom 17. März 1993 dahin abgeändert, daß der Beklagte zur Zahlung weiterer 2.451,61 DM nebst. 8 % Zinsen seit dem 20. Januar 1992 verurteilt wird.

Von den Kosten der ersten Instanz trägt die Klägerin 11/20, der Beklagte 9/20.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der Beklagte.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt vom Beklagten Zugewinnausgleich. Die Parteien waren vom 2. Oktober 1970 bis 22. Dezember 1991 verheiratet. Der Scheidungsantrag wurde am 12. April 1991 rechtshängig.

Bei Eingehung der Ehe bestand das aktive Anfangsvermögen der Klägerin in einer Bundesanleihe im Wert von 200 DM, dasjenige des Beklagten in einem Pkw im Wert von 2.000 DM. Beide Parteien nahmen vor der Ehe gesamtschuldnerisch ein Bankdarlehen in Höhe von 10.000 DM auf, das im Zeitpunkt der Eheschließung noch voll valutierte. Es wurde zum Ausbau des Dachgeschosses im Hause der Eltern der Klägerin verwandt, wo die Parteien anschließend acht Jahre mietfrei wohnten.

Während der Ehe erhielten die Parteien von ihren Eltern jeweils verschiedene Geldbeträge geschenkt, deren Höhe und Zurechnung im Laufe des Verfahrens unstreitig geworden sind.

Das Endvermögen der Klägerin betrug 80.558,06 DM, dasjenige des Beklagten 80.005,17 DM.

Zwischen den Parteien besteht Streit darüber, ob die vor der Ehe gemeinsam eingegangene Darlehensverbindlichkeit – jeweils hälftig – nur mit ihrem jeweiligen (originären) Anfangsvermögen im Sinne von § 1374 Abs. 1 BGB in der Weise zu verrechnen ist, daß dieses allenfalls auf Null gestellt wird, oder ob ein sich ergebender Negativsaldo auch das nach § 1374 Abs. 2 BGB hinzuzurechnende Anfangsvermögen schmälert.

Das Amtsgericht: hat den Negativsaldo in seine Berechnung eingestellt und das Anfangsvermögen der Parteien wie folgt festgestellt:

Anfangsvermögen der Klägerin:

Originäres Anfangsvermögen:

Bundesanleihe

200,– DM

abzgl. Darlehen

- 5.000,– DM

Negatives Anfangsvermögen:

- 4.800,– DM

Privilegierter Erwerb:

a)

Schenkung 1974

5.297,55 DM

Saldo 1974

497,55 DM

indexiert

851,– DM

b)

zuzgl. weitere Schenkungen 1975–1991, jeweils indexiert

52.863,– DM

fiktives Anfangsvermögen

53.714,– DM

Anfangsvermögen des Beklagten:

Originäres Anfangsvermögen:

Pkw

2.000,– DM

abzgl. Darlehensschuld

- 5.000,– DM

Negatives Anfangsvermögen:

3.000,– DM

Privilegierter Erwerb:

Schenkung 1986

30.000,– DM

Saldo 1986

27.000,– DM

indexiert

29.895,– DM

fiktives Anfangsvermögen

29.895,– DM

Daraus hat es den Zugewinn der Klägerin mit 26.844,06 DM (80.558,06 DM – 53.714 DM) und denjenigen des Beklagten mit 50.110,17 DM (80.005,17 DM – 29.895 DM) ermittelt und der Klägerin eine Ausgleichsforderung in Höhe der hälftigen Differenz, nämlich 11.633,06 DM (50.110,17 DM – 26.844,06 DM = 23.266,11 DM: 2) zugesprochen. Das Oberlandesgericht ist dieser Berechnungsweise gefolgt und hat die Berufung der Klägerin, mit der diese einen weiteren Zugewinnausgleich von 2.451,61 DM, insgesamt also 14.084,67 DM verfolgt, zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der zugelassenen Revision.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Die Vorinstanzen haben die vor der Ehe gesamtschuldnerisch übernommene Darlehensschuld nur mit dem hälftigen Betrag von dem jeweiligen Anfangsvermögen der Parteien abgezogen, da dies ihrer unstreitigen Ausgleichspflicht im Innenverhältnis gemäß § 426 Abs. 1 BGB entsprochen habe. Insoweit ist die Berechnung nicht, zu beanstanden. Der Senat hat eine entsprechende Berechnungsweise bei der Ermittlung des Endvermögens gebilligt, sofern der Ausgleich der Gesamtschuldner nach der Ausgleichsregel des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB zu gleichen Teilen erfolgt (BGHZ 87, 265, 273; Senatsurteil vom 30. September 1987 – IVb ZR 94/86 – FamRZ 1987, 1239, 1240). In gleicher Weise kann bei der Ermittlung des Anfangsvermögens verfahren werden. Auch die Revision erhebt hiergegen keine Einwendungen.

2. Die nach Verrechnung mit dem originären Anfangsvermögen jeweils verbleibenden Restschulden haben die Vorinstanzen von den Schenkungen abgezogen, die die Parteien nach der Eheschließung von ihren Eltern erhalten haben und die gemäß § 1374 Abs. 2 BGB ihrem Anfangsvermögen hinzuzurechnen sind. Das Oberlandesgericht hat dazu ausgeführt, das Gesetz sehe eine solche Lösung zwar nicht ausdrücklich vor. Nach § 1374 Abs. 1 Halbe 2 BGB könne das Anfangsvermögen nie weniger als Null betragen, gleichgültig, wie überschuldet ein Ehegatte bei. Eheschließung auch sei. § 1374 Abs. 2 BGB sehe andererseits beim späteren privilegierten Vermögenserwerb ausdrücklich nur den Abzug solcher Verbindlichkeiten vor, die mit dem. Vermögenserwerb in Zusammenhang Ständen. Es führe indes zu unbilligen Ergebnissen, einen späteren privilegierten Vermögenserwerb voll dem Anfangsvermögen hinzuzurechnen mit der Folge, daß dieses den Zugewinn mindere, anstatt den Vermögenserwerb zunächst mit dem früherer, defizitären Anfangsvermögen zu, verrechnen. Denn es sei nicht einzusehen, weshalb ein Ehegatte besser stehen solle, wenn er eine Erbschaft, Schenkung oder ähnliches erst während der Dauer des Güterstandes erhalte, als wenn dieser Vermögenserwerb kurz vor Eheschließung erfolge. Dieses Ergebnis könne vermieden werden, wenn man den privilegierten nachträglichen Erwerb nicht, mit dem mit Null fingierten Anfangsvermögen, sondern mit dem wirklichen (negativen) Anfangsvermögen verrechne.

3. Dagegen wendet sich die Revision. Sie räumt zwar ein, daß die Entscheidung des Gesetzgebers, beim Anfangsvermögen Schulden nur bis zur Höhe des Vermögens in Ansatz zu bringen, so daß das Anfangsvermögen immer nur Null, nie aber negativ sein könne, rechtspolitisch bedenklich sei, weil dies dazu führen könne, daß ein Ehegatte die Schulden des anderen hälftig mittrage. Indessen beruhe die gesetzliche Regelung in § 1374 Abs. 1 Halbs. 2 BGB darauf einen Ehegatten nicht mit, einer Ausgleichsschuld zu belasten, für die er mehr als die Hälfte seines Nettoendvermögens aufwenden müßte. Außerdem solle gemäß § 1374 Abs. 2 BGB dem durch eine Zuwendung Dritter begünstigten Ehegatten diese Vermögensmehrung allein zukommen. Daher sei ausdrücklich geregelt, die nicht ausgleichspflichtige Zuwendung dem Anfangsvermögen hinzuzurechnen. Eine Ausnahme für die Fälle, in denen das originäre Anfangsvermögen negativ sei, sei vom Gesetzgeber im Rahmen der schematischen Zugewinnausgleichsregelung bewußt nicht getroffen worden. Eine Korrektur unbilliger Ergebnisse komme nur auf Grund der Regelungen der §§ 1375 Abs. 2 und 1381 BGB in Betracht, die hier nicht eingriffen.

4. Dem ist im Ergebnis zu folgen.

Das Oberlandesgericht stützt sich auf eine im neueren Schrifttum verbreitete Meinung, die es für rechtspolitisch verfehlt und für unvereinbar mit den Prinzipien der Zugewinngemeinschaft hält, daß ein in der Ehe unter Mitarbeit des anderen Ehegatten erzielter Vermögenserwerb, der voll zum Ausgleich früherer Schulden eines Ehegatten verwendet werde, durch die Regelung des § 1374 Abs. 1 Halbs. 2 BGB dem Zugewinnausgleich vorenthalten werde. Denn bei wirtschaftlicher oder familiensoziologischer Betrachtung sei die Mitarbeit des anderen Ehegatten wirtschaftlich gleichwertig und dürfe nicht unterschiedlich behandelt werden, je nachdem, ob sie dazu diene, Schulden abzutragen oder das Aktivvermögen zu vergrößern. Auch sei nicht einzusehen, daß bei gleich hohem Vermögenserwerb während der Ehe der anfänglich überschuldete Ehegatte, der seinen Erwert, zur Tilgung seiner Schulden verwendet habe, vom schuldenfreien Ehegatten gegebenenfalls noch einen Zugewinnausgleich erhalten solle (vgl. Baumeister in FamGB § 1374 BGB Rdn. 6, 17–19; Erman/Heckeimann BGB 9. Aufl. § 1374 Rdn, 8; Johannsen/Henrich/Jaeger Eherecht 2. Aufl. § 1374 BGB Rdn. 16, 29; MünchKomm/Gernhuber BGB 3. Aufl. § 1374 Rdn 16; derselbe in Gernhuber/Coester-Waltjen Familienrecht 4. Aufl. § 36 III S. 543; Palandt/Diederichsen BGB 54. Aufl. § 1374 Rdn. 8, 14; Soergel/Lange BGB 12. Aufl. § 1374 Rdn. 8, 10; Schwab/Schwab Handbuch des Scheidungsrechts 2. Aufl. VII Rdn. 87; derselbe FamRZ 1984, 429, 435; Beitzke-Lüderitz Familienrecht 26. Aufl. § 14 Nr. 3 a S. 135; Johannsen WM 1978, 654, 658; Battes FuR 1990, 311, 322; Oehlers Brühler Schriften zum Familienrecht Bd. 3 S. 82 f.; kritisch insoweit auch Staudinger/Thiele BGB 12. Aufl. § 1374 Rdn. 14). Allerdings wird auch von den Vertretern dieser Meinung die als unbillig empfundene Privilegierung des überschuldeten Ehegatten nicht dadurch beseitigt, daß in allen Fällen der zur Schuldentilgung verwendete Vermögenserwerb während der Ehe dem Endvermögen zugerechnet und damit dem Zugewinnausgleich unterworfen wird. Denn das würde bedeuten, daß der Ehegatte ausgleichspflichtig wird, der keine Vermehrung seines aktiven Vermögens, sondern nur eine Entschuldung erreicht hat. Eine Korrektur wird vielmehr lediglich in den Fällen vorgenommen, in denen dem überschuldeten Ehegatten während der Ehe eine Zuwendung im Sinne des § 1374 Abs. 2 BGB zugeflossen ist, Dann soll dieser privilegierte Erwerb zunächst mit den bei Ehebeginn bestehenden Schulden, d.h. mit dem negativen Anfangsvermögen verrechnet werden.

Die Gegenmeinung hält – auch unter Berücksichtigung der Darlegungen des Rechtsausschusses in BT-Drucks. 2/3409 S. 9 – eine solche Verrechnung weder mit dem Wortlaut noch mit dem Sinn der Regelungen des § 1374 Abs. 1 Halbs. 2 und Abs. 2 BGB für vereinbar, da es nicht angehe, das gemäß § 1374 Abs. 2 BGB zugewinneutrale Vermögen auch nur teilweise zum Ausgleich der Folgen der als unbillig empfundenen Regelung des §1374 Abs. 1 Halbs. 2 BGB einzusetzen (vgl. OLG Bamberg FamRZ 1988, 506; BGB-RGRK/Finke § 1374 BGB Rdn. 9–11, 23; Staudinger/Thiele a.a.O. § 1374 Rdn. 32; AK/Fieseler § 1374 Rdn. 3; Maßfeller/Reinicke Gleichberechtigungsgesetz § 1374 Anm. 4; FamR Maßfeller/Böhmer 1 II BGB § 1375 Anm. 2; Bergerfurth Ehescheidungsprozeß 9. Aufl. Rdn. 190; Reinicke BB 1957, 759, 760 f; Schopp RPfleger 1964, 69, 71).

5. Der zuletzt genannten Auffassung ist zu folgen; denn nur sie steht mit dem Gesetz in Einklang.

Der Zugewinnausgleich wird von dem Grundsatz beherrscht, daß nur das ausgeglichen werden soll, was am maßgeblichen Stichtag (§ 1384 BGB) als Überschuß (Zugewinn) tatsächlich vorhanden ist. Der Ausgleich ist auf die Hälfte dieses Überschusses begrenzt, wobei im Interesse von Drittgläubigern eine weitere Beschränkung in § 1378 Abs. 2 BGB vorgesehen ist (Senatsbeschluß vom 18. Mai 1988 – IVb ZR 6/88 – FamRZ 1988, 925). Dazu enthält § 1374 BGB hinsichtlich des (originären und fiktiven) Anfangsvermögens, das nach Abzug vom Endvermögen zur Feststellung des tatsächlich erlangten Zugewinns führt, zwei Grundaussagen:

a) Nach § 1374 Abs. 1 Halbs. 2 BGB sollen Verbindlichkeiten, die ein Ehegatte bei Beginn des Güterstandes hat, von seinem Anfangsvermögen nur bis zu dessen Höhe abgezogen werden. Bei Überschuldung ist das Anfangsvermögen daher mit Null anzusetzen, nicht etwa mit dem negativen Wert, Damit soll vermieden werden, daß ein Ehegatte den anderen auch insoweit an seinem Zugewinn beteiligen muß, als er diesen zunächst zur Abtragung seiner anfänglich vorhandenen Schulden verwenden mußte. Dies verdeutlicht folgendes Beispiel (nach Maßfeller/Reinicke a.a.O. Anm. 2): Hat ein Ehegatte bei Ehebeginn 20.000 DM Schulden und bei Scheidung 20.000 DM Vermögen, so hat er zwar in der Ehe tatsächlich 40.000 DM erwirtschaftet, von denen er aber 20.000 DM zur Entschuldung eingesetzt hat. Sein tatsächliches Endvermögen und zugleich sein Zugewinn beträgt daher nur 20.000 DM, von dem er die Hälfte, 10.000 DM, an den anderen Ehegatten, der keinen Zugewinn erzielt hat, abgeben muß. Gäbe es den Grundsatz des § 1374 Abs. 1 Halbs. 2 BGB nicht, müßte er dagegen den Wert seines gesamten Vermögens dem anderen Ehegatten geben. Denn sein Endvermögen von 20.000 DM überstiege sein negatives Anfangsvermögen (minus 20.000 DM) um 40.000 DM, so daß die hälftige Ausgleichsforderung 20.000 DM betrüge (vgl. auch Beispiele in BT-Drucks. a.a.O. S. 9 und BGB-RGRK/Finke a.a.O. Rdn. 9 f.). Daran zeigt sich zugleich, daß der Einwand, auch die Befreiung von Schulden stelle einen in der Ehe unter Mitarbeit des anderen Ehegatten erworbenen gleichwertigen Vermögenswert dar, zu einem falschen Ansatz führt und für die Zwecke des Zugewinnausgleichs nichts hergibt. Denn dann müßte auch die Entschuldungssumme zu einem (positiven) Wertausgleich zugunsten des anderen Ehegatten führen, was nur dadurch geschehen könnte, daß der Ehegatte, der seine Schulden getilgt hat, mehr als die Hälfte seines tatsächlichen Restvermögens verliert. Der Gesetzgeber hat in den Ausschußberatungen eine solche Lösung ausdrücklich abgelehnt (BT-Drucks. aaO). Nach der gesetzgeberischen Konzeption des Zugewinnausgleichs soll es auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht ankommen und gleichgültig sein, ob bei Eheschließung vorhandene Schulden während der Ehe abgetragen werden konnten. Nur ein aktiver Überschuß soll geteilt werden, nicht aber die Entschuldung eines anfänglichen Passivvermögens. Soweit dies als rechtspolitisch verfehlt und unbillig angesehen wird, kann Abhilfe nur durch den Gesetzgeber geschaffen werden.

b) Nach § 1374 Abs. 2 BGB soll Vermögen, das ein Ehegatte nach Eintritt des Güterstandes von dritter Seite durch Erbschaft, Schenkung oder Ausstattung erwirbt, nicht in die Zugewinnausgleichsbilanz eingestellt werden, sondern ihm allein zustehen, weil der andere Ehegatte dazu weder unmittelbar noch mittelbar beigetragen hat. Der Gesetzgeber hat dies berechnungstechnisch dadurch gelöst, daß dieser Vermögenserwerb – nach Abzug der damit zusammenhängenden Verbindlichkeiten – dem Anfangsvermögen hinzugerechnet wird (sogenanntes fiktives Anfangsvermögen). Auch andere Wege wären denkbar gewesen, wie etwa die Kürzung des Endvermögens (vgl. Staudinger/Thiele a.a.O. § 1374 Rdn. 32). Der Rechtsausschuß hat dazu ausgeführt (BT-Drucks. aaO): „Die unentgeltliche Zuwendung soll dem Ehegatten, der die Zuwendung erhalten hat, in vollem Umfang allein zugute kommen. Hat der Ehegatte, der bei Eintritt des Güterstandes 10.000 DM besessen und 20.000 DM Schulden gehabt hatte, später 10.000 DM geerbt, so ist sein Anfangsvermögen einschließlich des hinzuzurechnenden Vermögens nicht etwa mit Null anzusetzen; es beträgt vielmehr 10.000 DM, weil die Erbschaft in Höhe von 10.000 DM gemäß § 1374 Abs. 2 BGB dem nach § 1374 Abs. 1 BGB errechneten Anfangsvermögen (= 0, nicht = – 10.000 DM) hinzugerechnet wird. Tilgt der Ehegatte mit seinen Einkünften, die er während der Ehe erzielt hat, die 20.000 DM Schulden und besitzt er am Ende der Ehe 20.000 DM (10.000 DM ursprüngliches Vermögen + 10.000 DM Erbschaft), so stellt dieser Betrag sein Endvermögen dar. Der Ehegatte hat demgemäß nur einen Gewinn von 10.000 DM erzielt; um diesen Betrag übersteigt das Endvermögen von 20.000 DM das Anfangsvermögen einschließlich des hinzuzurechnenden Vermögens von 10.000 DM.”

c) Die Wertansätze nach § 1374 Abs. 1 und Abs. 2 BGB müssen entsprechend diesen Grundaussagen demnach getrennt voneinander erfolgen (so zutreffend FamR Maßfeller/Böhmer a.a.O. § 1375 Anm. 2 b; a.A. Johannsen a.a.O. S. 658: „einheitlicher Rechnungsposten”). Ein Ehegatte braucht den anderen nicht – auch nicht teilweise – an der privilegierten Zuwendung zu beteiligen (Reinicke/Tiedtke WM 1982, 946, 950, 951). Zu diesem Ergebnis käme es aber, wenn ein defizitäres Anfangsvermögen mit einem solchen Hinzuerwerb verrechnet würde. Denn dies würde zu einer Schmälerung des hinzuzurechnenden Anfangsvermögens und damit zu einer Vergrößerung des Zugewinns führen. Der vom Gesetz erstrebte Schutz des Ehegatten, dem eine Zuwendung nach § 1374 Abs. 2 BGB zugeflossen ist, wäre damit nicht mehr gegeben. Daher braucht die Erbschaft, Schenkung oder ähnliches nicht dazu verwendet zu werden, die beim Eintritt des Güterstandes vorhandenen Schulden aufzufüllen (Maßfeller/Reinicke a.a.O. § 1374 Anm. 4; Staudinger/Thiele a.a.O. Rdn, 32; BGB-RGRK/Finke a.a.O. Rdn. 21, 23).

Auch beim privilegierten Hinzuerwerb gemäß § 1374 Abs. 2 BGB kann es Negativwerte geben, etwa bei einer überschuldeten Erbschaft, die aus Pietätsgründen angenommen wurde. Hier besteht jedoch – auch unter Vertretern der hier abgelehnten Auffassung (vgl. etwa Baumeister a.a.O. Rdn. 16; Schwab a.a.O. S. 435) – Einigkeit darüber, daß die Schulden entsprechend der Regelung des § 1374 Abs. 1 Halbs. 2 BGB nur bis zur Höhe des Hinzuerwerbs abgezogen werden können. Überschießende Verbindlichkeiten sollen nicht etwa mit einem originären positiven Anfangsvermögen verrechnet werden. Dieses bleibt unangetastet, die Wertansätze für das originäre und das fiktive Anfangsvermögen sind getrennt vorzunehmen. Andernfalls würde die Privilegierung des § 1374 Abs. 2 BGB in ihr Gegenteil verkehrt. Der Ehegatte würde benachteiligt, wenn sein originäres Anfangsvermögen durch die Nachlaßverbindlichkeiten unter den Stand vor dem Erbfall gedrückt würde. Denn sein Zugewinn wäre größer, als wenn er nicht geerbt hätte (RGRK Finke a.a.O. Rdn. 21). Wenn aber ein negativer Hinzuerwerb nicht mit einem positiven Anfangsvermögen verrechnet werden darf, wäre es inkonsequent, ein originäres negatives Anfangsvermögen mit dem positiven Hinzuerwerb zu verrechnen.

d) Den Vertretern der Gegenmeinung ist allerdings einzuräumen, daß derjenige Ehegatte, dem die Zuwendung erst während der Ehe zugeflossen ist, besser steht als derjenige, der sie schon vor der Ehe erhalten hat, da im zweiten Falle eine Verrechnung mit dem überschuldeten Anfangsvermögen stattfindet (Soergel/Lange a.a.O. Rdn. 10; Baumeister a.a.O. Rdn. 19). Dieses Ergebnis ist indes Ausfluß der schematisierenden Stichtagsregelung für das Anfangsvermögen, die wie jede Stichtagsregelung gewisse Härten oder Ungereimtheiten mit sich bringen kann. Der Gesetzgeber hat derartige Folgen bewußt in Kauf genommen (Maßfeller/Reinicke a.a.O. Anm. 4) und konnte dies auch, ohne sich dem Vorwurf einer unsachgerechten, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Regelung auszusetzen (vgl. BVerfGE 49, 260, 275; 80, 297, 311). Weder im Wortlaut des Gesetzes noch in der Entstehungsgeschichte findet sich ein Anhaltspunkt dafür, daß der gemäß § 1374 Abs. 2 BGB privilegierte Erwerb dem erwerbenden Ehegatten nur dann allein zugute kommen soll, wenn er über ein originäres aktives Anfangsvermögen verfügt, dagegen bei einem passiven Anfangsvermögen ganz oder teilweise dem Zugewinnausgleich unterliegen soll. Es ist nicht einzusehen, warum derjenige, der mit einem überschuldeten Partner die Ehe eingeht, an dessen privilegiertem Erwerb teilhaben soll, während dies dann, wenn das Anfangsvermögen positiv oder jedenfalls gleich Null ist, ausgeschlossen ist (OLG Bamberg aaO; vgl. auch Soergel/Lange a.a.O. Rdn. 10). Denn der Ehegatte eines überschuldeten Partners kann um so weniger mit einem nennenswerten Zugewinn im Falle der Scheidung rechnen.

e) Es wird weiter vertreten, einer Systemkorrektur im Wege der Verrechnung des negativen Anfangsvermögens mit dem privilegierten Hinzuerwerb bedürfe es zumindest dann, wenn bei gleich hohem Vermögenserwerb während der Ehe der schuldenfreie Ehegatte dem anfänglich überschuldeten Ehegatten noch einen Zugewinnausgleich zahlen müsse. Durch die Anwendung der Härteklausel des § 1381 BGB könne, wenn nicht noch sonstige Billigkeitsgesichtspunkte hinzuträten, ein gerechtes Ergebnis nicht erreicht werden (Johannsen/Henrich/Jaeger a.a.O. § 1374 Rdn. 16 und § 1381 Rdn. 5; Soergel/Lange § 1381 Rdn. 18; gegen eine Anwendung des § 1381 auch Staudinger/Thiele § 1381 Rdn. 34; MünchKomm/Gernhuber § 1381 Rdn. 2, 25; a. A. BGB-RGRK/Finke § 1381 Rdn. 13; Schwab/Schwab a.a.O. VII Rdn. 177). Dem liegt zwar der zutreffende Gedanke zugrunde, daß Härteklauseln nur der Durchsetzung der Einzelfallgerechtigkeit dienen, nicht aber der generellen Korrektur von systematischen oder methodischen Ansätzen des Gesetzgebers die als rechtspolitisch verfehlt und unbillig angesehen werden (BGHZ 46, 343, 353; vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 14. Juli 1982 – IVb ZB 741/81 – FamRZ 1982, 999, 1001 und vom 24. Mai 1989 – IVb ZB 17/88 – FamRZ 1989, 1163, 1165 m.w.N. für die rechtsähnliche Lage beim Versorgungsausgleich). Indessen vermag der Umstand, daß § 1381 BGB schon von seiner Zweckbestimmung her nicht geeignet ist, generell Abhilfe zu schaffen, eine vom gesetzlichen System des § 1374 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BGB abweichende Lösung nicht zu rechtfertigen.

Ob und gegebenenfalls unter welchen weiteren Voraussetzungen § 1381 BGB im Einzelfall, z.B. in einem Fall wie dem oben geschilderten, gleichwohl angewendet werden kann, bedarf letztlich keiner abschließenden Stellungnahme. Denn ein solcher Fall liegt nicht vor, Beide Ehegatten hatten bei Beginn des Guterstandes gleich hohe Schulden, nämlich je 5.000 DM. Lediglich durch die Verrechnung dieser Schulden mit ihrem jeweiligen aktiven Anfangsvermögen ergab sich ein unterschiedliches negatives Anfangsvermögen. Beide Ehegatten erhielten im übrigen während der Ehe Zuwendungen im Sinne des § 1374 Abs. 2 BGB, wenn auch in unterschiedlicher Höhe. Nur deren Berücksichtigung führte zu einem unterschiedlichen Zugewinn bei im übrigen fast gleich hohem Endvermögen. Der Mehrbetrag, den der Beklagte danach der Klägerin noch schuldet, überschreitet auch der Höhe nach nicht die Grenze zur Unbilligkeit. Dies zeige im einzelnen folgende Berechnung, wobei der privilegierte Hinzuerwerb mit den Indexzahlen für 1974 = 64,5 und für 1986 = 99,8 (Basisjahr 1985 = 100) hochgerechnet wurde (vgl. BGHZ 61, 385 f.):

Anfangsvermögen der Klägerin:

Originäres Anfangsvermögen:

Bundesanleihe

200,– DM

abzgl. Darlehen

- 5.000,– DM

Anfangsvermögen =

0

Privilegierter Erwerb:

a)

Schenkung 1974

5.297,55 DM × 110,5/64,5

=

indexiert 9.075,65 DM

b)

weitere Schenkungen

1975–1991

indexiert

wie festgestellt

52.863,– DM

fiktives Anfangsvermögen

61.938,65 DM

Zugewinn der Klägerin:

Endvermögen

80.558,06 DM

abzgl. fiktives Anfangsvermögen

61.938,65 DM

18.619,41 DM

Anfangsvermögen des Beklagten:

Originäres Anfangsvermögen:

Pkw

2.000,– DM

abzgl. Darlehen

- 5.000,– DM

Anfangsvermögen:

0

Privilegierter Erwerb:

Schenkung 1986

30.000,– DM × 110,5/99,8

=

indexiert 33.216,43 DM

fiktives Anfangsvermögen

33.216,43 DM

Zugewinn des Beklagten:

Endvermögen

80.005,17 DM

abzgl. fiktives Anfangsvermögen

33.216,43 DM

46.788,74 DM

6. Nach allem kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben. Da keine weiteren Feststellungen erforderlich sind, kann der Senat entsprechend der obigen Berechnung selbst entscheiden. Von der Differenz der beiderseitigen Zugewinne von (46.788,74 DM – 18.619,41 DM =) 28.169,33 DM steht der Klägerin die Hälfte = 14.084,67 DM zu, so daß sie außer den zugesprochenen 11.633,06 DM noch 2.451,61 DM zu beanspruchen hat. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind entsprechend zu ändern.

 

Unterschriften

Zysk, Krohn, Nonnenkamp, Hahne, Gerber

 

Fundstellen

BGHZ

BGHZ, 311

NJW 1995, 2165

Nachschlagewerk BGH

DNotZ 1996, 458

JZ 1996, 45

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge