Orientierungssatz

Gesamtschuldausgleich und Aufwendungsersatz in der BGB-Gesellschaft:

1. Während des Bestehens der Gesellschaft kann ein Gesellschafter, der Gesellschaftsgläubiger befriedigt hat, grundsätzlich nur dann gegen seine Mitgesellschafter Rückgriff nehmen, wenn er aus der Gesellschaftskasse keinen Ausgleich erlangen kann. Dies ist aber nicht erst der Fall, wenn die Zwangsvollstreckung ins Gesellschaftsvermögen aussichtslos wäre. Es genügt vielmehr, daß der Gesellschaft freie verfügbare Mittel nicht zur Verfügung stehen.

2. Der Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsführers einer Personengesellschaft richtet sich nur gegen das Gesellschaftsvermögen.

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 2. Juni 1978 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien und der Kaufmann B. schlossen sich durch mündlichen Vertrag zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammen, um in Duisburg-Hamborn am Hamborner Altmarkt ein Geschäfts- und Wohnhaus zu errichten und später durch Vermietung zu nutzen. An der Gesellschaft waren der Kläger und B. zu je 40 %, die Beklagte zu 20 % beteiligt. Es war vorgesehen, sämtliche Kosten einschließlich der für den Kauf des Grundstücks im Wege der Fremdfinanzierung insbesondere durch öffentliche Mittel und Darlehen der Gewerbemieter aufzubringen. Der Kläger wurde bauleitender Architekt. Er regelte die Finanzierung des Projekts und übernahm nach Beendigung der Bauarbeiten im Jahre 1965 im wesentlichen auch die Verwaltung des Hauses. Die Baukosten, die ursprünglich auf 6,1 Mio. DM veranschlagt waren, beliefen sich schließlich auf ca. 8 Mio. DM.

1971 übertrug der Kläger seinen Anteil an Rechtsanwalt Dr. Ba., jedoch nicht die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche.

Er verlangt von der Beklagten – entsprechend ihrer Beteiligung – 20 % der Aufwendungen ersetzt, die er zur Überwindung wirtschaftlicher Schwierigkeiten, in die die Gesellschaft zwei bis drei Jahre nach der Errichtung des Hauses geraten sei, erbracht habe, indem er Forderungen von Handwerkern und anderen Gesellschaftsgläubigem erfüllt sowie Zahlungen auf das Gesellschaftskonto geleistet habe und bei Umbauarbeiten, die nach Auszug eines Mieters erforderlich geworden seien, als Architekt tätig geworden sei.

Er beziffert seine Aufwendungen auf 472.771,78 DM und nimmt die Beklagte auf Zahlung von 94.554,55 DM nebst Zinsen in Anspruch.

Die Beklagte beruft sich demgegenüber auf eine Vereinbarung, nach der die Gesellschafter keine Barmittel aufbringen und freiwillige Leistungen eines Gesellschafters nur aus den erzielten Überschüssen der Gesellschaft erstattet werden sollten. Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben, ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht, weil der Kläger über die Einnahmen und Ausgaben bei der Errichtung und Verwaltung des Hauses noch keine ordnungsgemäße Abrechnung erteilt habe, und mit Schadensersatzansprüchen, die ihr die Gesellschaft abgetreten habe, aufgerechnet. Die Geltendmachung weiterer Schadensersatzansprüche hat sie sich vorbehalten, bis der Kläger Rechnung gelegt habe.

Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß der Kläger keine Drittgläubigerforderungen geltend macht, sondern ausschließlich Aufwendungen, die er zur Begleichung von Gesellschaftsschulden oder sonst in Angelegenheiten der Gesellschaft gemacht haben will. Auch seine Architektenleistung beim Umbau des Hauses habe der Kläger als Gesellschafter und nicht aufgrund eines Drittverhältnisses erbracht. Diese Beurteilung liegt im Bereich der tatrichterlichen Würdigung. Sie ist rechtlich nicht zu beanstanden und wird auch von der Revision nicht angegriffen.

Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil Ansprüche eines Gesellschafters auf Aufwendungsersatz während des Bestehens der Gesellschaft nur gegen diese zu richten seien. Die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise die Mitgesellschafter anteilig ausgleichspflichtig seien, habe der Kläger nicht dargelegt. Aus seinem Vortrag ergebe sich nicht, daß er von den Gesellschaftsgläubigern aufgrund seiner persönlichen Haftung „in Anspruch genommen worden” sei und daß er nicht zumindest durch Zwangsverwaltung oder Zwangsversteigerung des Grundstücks aus dem Gesellschaftsvermögen befriedigt werden könne.

Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung, da beim gegenwärtigen Sach- und Streitstand noch keine abschließende Entscheidung über die Ansprüche des Klägers ergehen kann.

1. Soweit der KlägerGesellschaftsgläubiger, denen alle Gesellschafter gesamtschuldnerisch haften,befriedigt hat, kann ihm gegen die Beklagte ein anteiliger Ausgleichsanspruch nach § 426 BGB zustehen. Dieser Anspruch ist unabhängig davon, ob der Kläger von sich aus fällige Gesellschaftsschulden bezahlt hat oder ob er von den Gesellschaftsgläubigern in Anspruch genommen worden ist. Denn auch die freiwillige Zahlung beruht auf einer rechtlichen Verpflichtung, die alle Gesellschafter in gleicher Weise trifft. Dem Kläger stehen deshalb entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts grundsätzlich Ausgleichsansprüche gegen die Mitgesellschafter zu, wenn und soweit er die Zwangsverwaltung von Gesellschaftsgrundstücken durch Zahlungen aus eigenen Mitteln an die Süddeutsche Bodenkreditbank abgewendet sowie Zahlungen auf den Gesellschaftskredit der C. geleistet hat; darauf, daß er damit zugleich die Verwertung von Sicherheiten abgewendet hat, die er und seine Ehefrau für den Kredit gewährt hatten, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

Während des Bestehens der Gesellschaft kann ein Gesellschafter, der Verbindlichkeiten der Gesellschaft erfüllt, zwar grundsätzlich nur dann gegen seine Mitgesellschafter Rückgriff nehmen, wenn er aus der Gesellschaftskasse keinen Ausgleich erlangen kann (BGHZ 37, 299, 505). Das heißt aber nicht, wie das Berufungsgericht meint, daß die subsidiäre Haftung der Mitgesellschafter nur eingreifen würde, wenn selbst eine Zwangsvollstreckung ins Gesellschaftsvermögen aussichtslos wäre. Es genügt vielmehr, daß der Gesellschaft zur Bezahlung frei verfügbare Mittel nicht zur Verfügung stehen. Das ist hier offenbar der Fall. Im übrigen gelten jene Grundsätze ohnehin nur für die der Gesellschaft angehörenden Gesellschafter. Der Ausgeschiedene steht nicht mehr innerhalb der Rechtsbeziehung, zu deren Inhalt es mit Selbstverständlichkeit gehört, daß Gesellschaftsverbindlichkeiten in erster Linie von der Gesellschaft zu begleichen sind. Der Kläger als ausgeschiedener Gesellschafter ist daher auch deshalb nicht generell gehindert, sich an die Beklagte zu halten.

Läßt sich nach alledem eine Ausgleichspflicht der Beklagten nach allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen nicht ausschließen, so könnte doch dem Anspruch des Klägers die von der Beklagten behauptete besondere Vereinbarung der Parteien entgegenstehen, daß eine persönliche Inanspruchnahme der Beklagten schlechterdings nicht in Betracht kommen solle. Hierzu muß das Berufungsgericht jedoch zunächst noch die erforderlichen Feststellungen treffen, möglicherweise auch zu der Behauptung, daß der Kläger Verbindlichkeiten erfüllt hat, die er unter Überschreitung seiner Geschäftsführungsbefugnisse eingegangen und deretwegen die Beklagte im Innenverhältnis möglicherweise nicht zur Zahlung verpflichtet ist.

2. Wegen seiner weiteren Aufwendungen zugunsten der Gesellschaft steht dem Kläger ein Ersatzanspruch nach §§ 713, 670 BGB zu, wenn er die Aufwendungen den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Dieser Anspruch richtet sich jedoch nur gegen das Gesellschaftsvermögen. Denn der Geschäftsführer einer Personengesellschaft darf grundsätzlich nur solche Aufwendungen machen, für die das Gesellschaftsvermögen aufkommen kann. Für darüber hinausgehende Aufwendungen brauchen die Gesellschafter nicht einzustehen, weil sie nach § 707 BGB zur Erhöhung ihrer Beiträge nicht verpflichtet sind. Sie gehen bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages mit dem Versprechen ihrer jeweiligen Beiträge begrenzte Verpflichtungen ein, die der Geschäftsführer nicht einseitig erweitern kann. Allerdings können die Gesellschafter durch abweichende Vereinbarungen einen besonderen Verpflichtungsgrund schaffen. Das kann sich auch schlüssig aus den Umständen ergeben, etwa wenn sich mehrere Personen zur Verwirklichung eines sachlich und wirtschaftlich begrenzten Projekts zusammenschließen und keine der Höhe nach festgelegten Beiträge versprechen, sondern sich ausdrücklich oder stillschweigend verpflichten, entsprechend ihrer Beteiligung an der Gesellschaft das zur Erreichung dieses Zwecks Erforderliche beizutragen (vgl. BGH, Urt. v. 7. 11. 60 – II ZR 216/59 – WM 61, 32). Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt hat das Berufungsgericht den Vortrag der Parteien bisher ebensowenig gewürdigt, wie es die bereits erwähnte gegenteilige Behauptung der Beklagten bislang nicht geprüft hat, daß ihre Inanspruchnahme mit dem Privatvermögen in keinem Fall in Betracht kommen soll. Es wird im weiteren Verfahren auch hierzu noch die erforderlichen Feststellungen treffen und sich gegebenenfalls im einzelnen damit auseinandersetzen müssen, ob der Kläger seine Aufwendungen den Umständen nach für erforderlich halten durfte und ob er nicht – wie die Beklagte behauptet – die Notwendigkeit der Aufwendungen selbst zu vertreten hat.

Falls der Kläger Aufwendungen unter Überschreitung seiner Aufgaben als Geschäftsführer gemacht hat, hat er allenfalls einen Bereicherungsanspruch gegen die Gesamthand, da diese Aufwendungen in das Gesellschaftsvermögen geflossen sind und, soweit bisher ersichtlich, zu keiner unmittelbaren Bereicherung der Beklagten geführt haben.

 

Unterschriften

Stimpel, Dr. Schulze, Dr. Kellermann, Bundschuh, Dr. Skibbe

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 02.07.1979 durch Kaufmann Justizobersekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 647933

NJW 1980, 339

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