Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Verjährung von Schadensersatzansprüchen, die ein Käufer unter dem Gesichtspunkt der schuldhaften Schlechtlieferung der Kaufsache gegen den Verkäufer geltend macht.

 

Normenkette

StPO § 477

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Urteil vom 12.01.1979)

LG Lüneburg

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 12. Januar 1979 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

 

Tatbestand

Die Klägerin hatte im Jahre 1976 als Subunternehmerin den Auftrag, beim Ausbau der Turnhalle in der Sonderschule K. einen Holzfußboden – und zwar unter Verwendung von Spanplatten der Normentype V 100 – zu erstellen. Die dazu benötigten Plattenbestellte sie bei der Beklagten, die sich ihrerseits das Material bei der Firma B. GmbH beschaffte und es am 5. Juli 1976 zu einem Rechnungsbetrag von 1 776,03 DM nebst Mehrwertsteuer der Klägerin unmittelbar auf die Baustelle anlieferte. Die Platten wurden alsbald von der Klägerin verarbeitet; anschließend wurde der Fußboden von einer anderen Firma mit PVC belegt.

Ende 1976/Anfang 1977 – der genaue Zeitpunkt ist zwischen den Parteien umstritten – zeigten sich erste Schäden an dem Fußboden. Die den Bau betreuende Firma ließ zunächst im Januar 1977 Schäden im Geräteraum der Turnhalle- der Fußboden war dort an einigen Stellen durchgebrochen – von einer dritten Firma ausbessern und stellte dafür der Klägerin 1 466,04 DM in Rechnung. Diese wandte sich wegen der Schäden mit Schreiben vom 11. und 26. Januar 1977 an die Beklagte und leitete, nachdem diese eine Verantwortung abgelehnt hatte, mit Schriftsatz vom 29. April 1977 beim Amtsgericht Hamburg ein Beweissicherungsverfahren ein. Der in diesem Verfahren bestellte Gutachter kam in seinem Gutachten vom 12. September 1977 zu dem Ergebnis, daß das von der Beklagten gelieferte Material hinsichtlich der Biege- und Querzugsfestigkeit nicht den für Spanplatten der Normentype V 100 maßgeblichen Mindestgütebedingungen nach DIN 68 763 entspreche.

Im Verlaufe des Jahres 1977 erneuerte die Klägerin unter Einsatz eigener Leute und unter Verwendung von Material, das sie sich von dritter Seite beschafft hatte, den schadhaften Fußboden und belegte ihn anschließend neu mit einem PVC-Belag. Für diese Arbeiten und Materialkosten hat sie – unter Einbezug des Betrages von 1.466,04 DM und unter Berücksichtigung von Aufrechnungen mit kleineren Gegenforderungen – die Beklagte mit ihrer am 30. März 1978 eingegangenen und am 19. April 1978 zugestellten Klage auf Zahlung von 12.882,02 DM nebst Zinsen sowie auf Erstattung der ihr durch das Beweissicherungsverfahren entstandenen Kosten in Anspruch genommen. Die Beklagte hat sich darauf berufen, daß sie an der angeblich mangelhaften Lieferung kein Verschulden treffe, die Klägerin im übrigen die Mängel nicht rechtzeitig gerügt habe und überdies nach ihren für den Vertrag maßgeblichen Verkaufs- und Lieferungsbedingungen Schadensersatzansprüche ausgeschlossen seien; zudem hat sie sich auf Verjährung berufen.

Das Landgericht hat etwaige Ansprüche der Klägerin als verjährt angesehen und die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit ihrer zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat Zweifel, ob die Beklagte – als Voraussetzung für einen gewährleistungsrechtlichen Schadensersatzanspruch (§§ 463, 480 Abs. 2 BGB) – überhaupt eine Eigenschaft der gelieferten Spanplatten zugesichert habe und ob von der Klägerin – als Voraussetzung für einen auf schuldhafte Schlechtlieferung gestützten Anspruch aus positiver Vertragsverletzung – ein Verschulden der Beklagten schlüssig behauptet worden sei. Jedenfalls – so meint das Berufungsgericht – seien derartige Ansprüche bereits verjährt gewesen, als die Klägerin mit Einleitung des Beweissicherungsverfahrens im April 1977 die erste zur Unterbrechung der Verjährung geeignete Maßnahme ergriffen habe. Für die von der Klägerin geltend gemachten, auf Ersatz von sogen. Mangelfolgeschäden gerichteten Ansprüche sei die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 477 BGB maßgebend. Diese Frist habe aber bereits mit der Ablieferung der Ware am 5. Juli 1976 begonnen. Der in Rechtsprechung und Schrifttum gelegentlich vertreten Ansicht, daß bei auf Ersatz von Mangelfolgeschäden gerichteten Ansprüchen der Lauf der Verjährungsfrist erst mit dem Entstehen des Schadens oder seiner Erkennbarkeit beginne, hat sich das Berufungsgericht nicht angeschlossen.

II.

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.

1. Die Abweisung der Klage wäre, ohne daß es auf die vom Berufungsgericht als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage der Verjährung ankäme, bereits dann gerechtfertigt, wenn der Klägerin aufgrund ihres eigenen Sachvortrags ein Anspruch auf Ersatz des geltend gemachten Schadens nicht zustehen würde, ihr Vorbringen mithin nicht schlüssig wäre. Das ist jedoch nicht der Fall.

a) Zwar kann die Klägerin aus §§ 463, 480 Abs. 2 BGB den geltend gemachten Schadensersatzanspruch nicht herleiten, weil es insoweit an einer – wenn auch nur stillschweigenden – Eigenschaftszusicherung (§ 459 Abs. 2 BGB) fehlt. Über diese an sich in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter vorbehaltene Frage kann der Senat selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht sie zwar angeschnitten, letztlich aber offen gelassen hat. Daß der Verkauf einer Sache, für die DIN-Vorschriften bestehen, nicht ohne weiteres die stillschweigende Zusicherung durch den Verkäufer enthält, die verkaufte Sache weise die in der Norm genannten Mindestbedingungen auf, hat der Senat wiederholt ausgeführt (Senatsurteile vom 25. September 1968 – VIII ZR 108/66 = NJW 1968, 2238 = WM 1968, 1249 und vom 11. November 1974 – VIII ZR 137/73 = WM 1974, 1204). Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzukommen, aus denen sich aus der Sicht des Käufers eine Bereitschaft des Verkäufers herleiten läßt, für das Vorhandensein dieser Mindestanforderungen auch ohne Verschulden – im Sinne einer Garantenhaftung – einstehen zu wollen (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Juni 1975 – VIII ZR 244/73 = WM 1975, 895 = NJW 1975, 1693 m.w.Nachw.). Dafür ist hier nichts ersichtlich. Die Beklagte hatte lediglich die Bestellung der Klägerin über „Spanplatten Typ V 100” entgegengenommen, diese Bestellung an ihren Vorlieferanten weitergegeben und in dem Lieferschein an die Klägerin als gelieferten Gegenstand „Verlegerspanplatten” vermerkt. Daß sie von der Klägerin vor oder bei Vertragsabschluß über den besonderen Verwendungszweck dieser Platten und die zu erwartenden Druckbelastungen im einzelnen aufgeklärt worden sei, hat die Klägerin selbst nicht behauptet. Bei einer solchen Sachlage liegen aber die besonderen Anforderungen, die angesichts der weitgehenden Haftungsübernahme (BGHZ 59, 158) an eine stillschweigende, über die bloße Warenbezeichnung und die Angabe des bestimmungsgemäßen Verwendungszwecks hinausgehende Eigenschaftszusicherung zu stellen sind, nicht vor.

b) Wohl aber könnten der Klägerin nach ihrem Sachvortrag Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung zustehen.

aa) Es entspricht seit jeher gefestigter Rechtsprechung des Reichsgerichts (vgl. etwa RG DR 1941, 637 f) wie auch des Bundesgerichtshofs, daß neben den kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüchen im eigentlichen Sinn (§§ 459 ff BGB) der Käufer Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung wegen schuldhafter Schlechtlieferung insoweit verlangen kann, als er durch die Schlechtlieferung Schaden an anderen Rechtsgütern als an der Kaufsache selbst erlitten hat (sogen. Mangelfolgeschaden, auch mittelbarer Schaden; vgl. Senatsurteil vom 8. März 1967 – VIII ZR 4/65 = JZ 1967, 321 = MDR 1967, 759; siehe auch die Rechtsprechungsübersichten bei Rebe/Rebell, Juristische Arbeitsblätter 1978, S. 544 ff; Erman/Weitnauer 6. Aufl. Vorbem. zu § 459 Rdn. 47; Larenz, Schuldrecht, Besonderer Teil, 11. Aufl. S. 58 ff). Nur hinsichtlich des in der Kaufsache selbst begründeten, sich unmittelbar aus der Nichterfüllung ergebenden Schadens (sogen. Mangelschaden, auch unmittelbarer Schaden, Nichterfüllungsschaden; vgl. dazu Mezger, BGB-RGRK, 12. Aufl. § 462 Rdn. 6 m.w.Nachw.) enthält das Gesetz in §§ 459 ff BGB hinsichtlich der möglichen Schadensersatzansprüche (§§ 463, 480 Abs. 2 BGB) eine abschließende Regelung, so daß insoweit für ein Zurückgreifen auf die Anspruchsgrundlage der positiven Vertragsverletzung kein Raum ist.

An dieser Rechtsprechung hält der Senat nach nochmaliger Überprüfung fest. Sie trägt dem Umstand Rechnung, daß durch die an besondere Voraussetzungen (Eigenschaftszusicherung, Arglist) geknüpften gewährleistungsrechtlichen Schadensersatzansprüche zwar die Interessen des Käufers an dem Erlangen einer vertragsgemäßen Leistung („Äquivalenzinteresse”), nicht aber sein Interesse an dem Schutz seiner sonstigen Güter vor Schädigungen durch eine mangelhafte Lieferung der Kaufsache („Integrationsinteresse”) hinreichend gewahrt werden (vgl. dazu Rengier, Die Abgrenzung des positiven Interesses vom negativen Vertragsinteresse und dem Integrationsinteresse, S. 19 ff, 53 ff, 58 ff).

bb) Was im einzelnen zum Mangelfolgeschaden und zum Mangelschaden zu rechnen ist, mag in den Grenzbereichen oft zweifelhaft sein. Grundsätzlich zählt zum Mangelfolgeschaden derjenige Schaden, der dem Käufer an seinen übrigen Rechtsgütern außerhalb der Kaufsache – etwa an Gesundheit, Leben, Eigentum, aber auch an sonstigem Vermögen – entstanden ist. Mangelschaden umfaßt dagegen denjenigen Schaden, der unmittelbar durch die mangelhafte Lieferung verursacht ist; dazu gehören etwa die fehlende oder eingeschränkte Gebrauchstauglichkeit der Kaufsache, die zur Beseitigung der Mängel erforderlichen Aufwendungen (Reparaturkosten), der bleibende Minderwert, Nutzungsausfall und Gewinnentgang (vgl. dazu etwa Senatsurteil vom 5. Juli 1978 – VIII ZR 172/77 = WM 1978, 1172 = NJW 1978, 2241 unter I 2 a m.w.Nachw.).

cc) Im vorliegenden Fall verlangt die Klägerin Erstattung derjenigen Kosten, die ihr durch die notwendig gewordenen Wiederherstellungsarbeiten entstanden sind. Diese Wiederherstellung betraf allerdings nicht die mangelhaften Platten selbst, sondern den mit ihnen von der Klägerin hergestellten Fußboden, der wegen der Ungeeignetheit der Platten für den bestimmungsgemäßen Zweck insgesamt mangelhaft errichtet worden war. Zu seiner Neuerstellung mit anderen Spanplatten und dem neu zu verlegenden PVC-Belag hat die Klägerin Aufwendungen aus ihrem Vermögen machen müssen. Zudem ist sie aus diesem Anlaß in Höhe von 1 466,04 DM mit Schadensersatzansprüchen Dritter überzogen worden. Es spricht manches dafür, daß derartige Schäden den Mangelfolgeschäden zuzuordnen sind, – mit der Folge, daß die Klägerin ihren Ersatz unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung verlangen kann; jedenfalls für den Fall, daß der Käufer seinerseits von dritter Seite wegen notwendig werdender Wiederherstellungsarbeiten – wie hier in Höhe von 1 466,04 DM – auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, hat der Senat dies in seinem Urteil vom 8. März 1967 (VIII ZR 4/65 – JZ 1967, 321 = LM BGB § 276 [K] Nr. 3; vgl. auch Mezger a.a.O. § 462 Rdn. 6) ausgesprochen.

Diese Fragen können jedoch hier letztlich auf sich beruhen; denn jedenfalls wäre ein solcher auf Ersatz von Mangelfolgeschäden gerichteter Schadensersatzanspruch gemäß § 477 BGB verjährt.

3. Wie der Senat wiederholt entschieden hat, unterliegen im Kaufrecht auch derartige, auf Ersatz von Mangelfolgeschäden gerichteten Ansprüche, soweit sie sich unmittelbar auf einen Sachmangel gründen, der kurzen gewährleistungsrechtlichen Verjährungsfrist des § 477 BGB (BGHZ 60, 9, 11; Senatsurteil vom 1. Dezember 1971 – VIII ZR 143/70 = WM 1972, 161 = NJW 1972, 246 m.w. Nachw.). Das ergibt sich für die aus einer Eigenschaftszusicherung hergeleiteten Ansprüche, soweit diese im Einzelfall den Ersatz von Mangelfolgeschäden mitumfassen (vgl. dazu BGHZ 50, 200), bereits aus dem Wortlaut des § 477 Abs. 1 BGB. Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung wegen Schlechtlieferung sind zwar in dieser Vorschrift – wie überhaupt im Bürgerlichen Gesetzbuch – nicht ausdrücklich genannt. Ihre Unterstellung unter die kurze Verjährungsfrist folgt aber aus dem rechtspolitischen Sinn der gewährleistungsrechtlichen Verjährung, im Kaufrecht möglichst bald nach Vertragsabwicklung den Rechtsfrieden wiederherzustellen und die mit zunehmendem Zeitablauf schwieriger werdenden Ermittlungen darüber entbehrlich zu machen, ob und in welchem Umfang Mängel bei Gefahrübergang vorhanden waren und welche Schäden sie verursacht haben (BGHZ 60, 9, 11). Diesem Anliegen des Gesetzgebers kommt angesichts des gerade im Kaufrecht häufig raschen und wiederholten Warenumsatzes insbesondere bei Massengütern sowie der Kurzlebigkeit vieler Waren – und dadurch unterscheidet sich die Sachlage weitgehend von den vergleichbaren Regelungen im Werkvertragsrecht (§§ 635, 638 BGB) – ausschlaggebende Bedeutung zu. Gerade weil erfahrungsgemäß als Folge einer mangelhaften Lieferung die ins Gewicht fallenden Schäden ohnehin zumeist Mangelfolgeschäden sind, würde die in § 477 BGB bewußt einschneidend ausgestaltete Verjährungsregelung weithin leerlaufen, wenn Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung wegen Schlechtlieferung nicht von ihr erfaßt, sondern der dann maßgeblichen 30-jährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB) unterliegen würden. Dabei mag dahinstehen, ob die Unzuträglichkeiten, die mit einer sehr späten Geltendmachung von Ansprüchen verbunden wären, durch den dann eingreifenden Einwand der Verwirkung in engen Grenzen gehalten werden könnten; über einen längeren, die Verjährungsfrist von sechs Monaten übersteigenden Zeitraum würde es jedenfalls bei einer Ungewißheit auf seiten des Verkäufers, ob er noch mit Schadensersatzansprüchen aus Vertragsrecht rechnen muß, bleiben, – ein Zustand, den der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 477 BGB aber gerade vermeiden wollte.

4. Unterstellt man Ansprüche auf Ersatz von Mangelfolgeschadenwegen Schlechtlieferung unter die Verjährungsregelung des § 477 BGB, so beginnt die Verjährungsfrist mit Gefahrübergang.

a) Das kann – und zwar unabhängig davon, ob die Ansprüche aus §§ 463, 480 Abs. 2 BGB hergeleitet oder auf positive Vertragsverletzung gestützt werden – zur Folge haben, daß bei versteckten Mängeln die Verjährungsfrist bereits abgelaufen ist, bevor der Käufer den Mangel und den dadurch ausgelösten Schaden erkennen und eine zur Verjährungsunterbrechung geeignete Maßnahme ergreifen konnte. Für das Gewährleistungsrecht im engeren Sinne und damit auch für die aus §§ 463, 480 Abs. 2 BGB hergeleiteten Schadensersatzansprüche hat dies der Gesetzgeber im Interesse einer möglichst raschen Wiederherstellung des Rechtsfriedens hingenommen; denn § 477 BGB stellt nicht darauf ab, ob ein versteckter Mangel innerhalb der Verjährungsfrist erkennbar war (vgl. dazu Mezger a.a.O. § 477 Rdn. 14 m.w.Nachw:).

b) Da sich in solchen Fällen aus der verkäuferfreundlichen Regelung des § 477 BGB Unbilligkeiten ergeben können, hat der Senat in mehreren Entscheidungen – ohne daß es darauf allerdings im jeweils entschiedenen Falle angekommen wäre – die Frage aufgeworfen, ob der Vertragsbeginn bei Ansprüchen auf Ersatz von Mangelfolgeschäden aus Schlechtlieferung nicht schon mit der Ablieferung der Kaufsache, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnen müsse, – etwa mit der Entstehung des Schadens, seiner Erkennbarkeit oder ganz allgemein dem Eintritt der Möglichkeit, derartige Ansprüche im Einzelfall in verjährungsunterbrechender Weise geltend zu machen (BGHZ 60, 9, 13 f; Senatsurteile vom 1. Dezember 1971 – VIII ZR 143/70 = WM 1972, 161 = NJW 1972, 246, vom 14. März 1973 – VIII ZR 137/71 = WM 1973, 730 = NJW 1973, 843, vom 11. Januar 1978 – VIII ZR 1/77 1978, 328 = NJW 1978, 1051 sowie vom 5. Juli 1978 VIII ZR 172/77 = WM 1978, 1172 = NJW 1978, 2241).

c) Das Schrifttum hat zu dieser vom Senat aufgeworfenen Frage unterschiedlich Stellung genommen. So halten etwa Emmerich (Münchener Kommentar, vor § 275 Anm. 288), Palandt/Putzo (BGB 39. Aufl, § 477 Anm. 2 b), Larenz (aa0, S. 62), Esser/Weyers (Schuldrecht 5. Aufl, Teil 2 Bd. 1. 80 ff), Schubert (JR 1977, 458, 460) und Rengier (JZ 1977, 347) – wenn auch mit teilweise unterschiedlicher Begründung – eine Verschiebung des Beginns der Verjährungsfrist auf den Zeitpunkt der Erkennbarkeit der Schäden für vertretbar und geeignet, die sich aus einer zu verkäuferfreundlichen gesetzlichen Regelung ergebenden Unzuträglichkeiten in vertretbaren Grenzen zu halten. Demgegenüber halten etwa Staudinger/Honsell (BGB 12. Aufl. § 477 Anm. 30), Mezger (a.a.O. § 477 Rdn. 14), Erman/Weitnauer (BGB 6. Aufl. § 477 Rdn. 9), Schmitz (NJW 1973, 2081, 2083 f) und Rebe/Rebelle Juristische Arbeitsblätter 1978, S. 610) die in Erwägung gezogene Abweichung von der in § 477 getroffenen Regelung für gesetzeswidrig und mit dem rechtspolitischen Anliegen der gewährleistungsrechtlichen Verjährung, den Rechtsfrieden möglichst bald wiederherzustellen und das Risiko einer Inanspruchnahme für den Verkäufer überschaubar zu machen, nicht für vereinbar.

d) Diese Bedenken hält auch der Senat nach nochmaliger Überprüfung für durchgreifend.

aa) Für die Gewährleistungsrechte im eigentlichen Sinn (Wandlung, Minderung, Schadensersatz bei Eigenschaftszusicherung) hat der Gesetzgeber in § 477 BGB hinsichtlich des Beginns der Verjährungsfrist – und zwar ersichtlich in Kenntnis der Problematik, daß damit u.U. der Käufer bei versteckten Mängeln überhaupt an der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gehindert sein könnte (vgl. dazu Motive II, 239) – eine eindeutige Regelung getroffen. An sie sind die Gerichte gebunden. Schadensersatzansprüche gemäß §§ 463, 480 Abs. 2 BGB verjähren damit, soweit sie auf Ersatz des – damals vom Gesetzgeber allein in Betracht gezogenen – Mangelschadens gerichtet sind, bei beweglichen Sachen sechs Monate nach Gefahrübergang. Es sind aber keine zwingenden Gründe ersichtlich, insoweit zwischen der Verjährung von Ansprüchen auf Ersatz von Mangelschäden einerseits und solchen auf Ersatz von Mangelfolgeschäden andererseits zu unterscheiden; der bloße Umstand, daß Mangelfolgeschäden den Käufer im Regelfall härter und nachhaltiger belasten als bloße Mangelschäden, rechtfertigt jedenfalls eine unterschiedliche Handhabung des Verjährungsbeginns nicht. Auch ist kein durchschlagender Grund ersichtlich, Ansprüche auf Ersatz von Mangelfolgeschäden, soweit sie aus einer Eigenschaftszusicherung und damit aus §§ 463, 480 Abs. 2 BGB hergeleitet werden können (vgl. dazu BGHZ 50, 200), hinsichtlich des Verjährungsbeginns anders zu behandeln als Ansprüche, die auf positive Vertragsverletzung wegen Schlechtlieferung gestützt werden.

bb) Die gewährleistungsrechtliche Verjährung dient der baldigen Wiederherstellung des Rechtsfriedens und damit zugleich auch der Rechtssicherheit. Der Verkäufer, dem – insbesondere im Massengeschäft – auch bei sonst sorgfältigem Verhalten immer einmal Schlechtlieferungen unterlaufen können, soll damit rechnen können, daß er nach Ablauf einer feststehenden, für ihn überschaubaren Frist jedenfalls nicht mehr mit einer Inanspruchnahme aus Vertragshaftung rechnen muß. So kann er das ihm verbleibende Risiko hinreichend sicher einschätzen und u.U. versicherungsmäßig abdecken. Diese Möglichkeit würde ihm aber genommen, wenn er in dem großen Bereich der Haftung für Mangelfolgeschäden, würde man den Verjährungsbeginn an die Erkennbarkeit des Schadens bzw. Mangels für den Käufer knüpfen, u.U. noch nach langer Zeit eine Inanspruchnahme hinnehmen müßte.

cc) Die gewährleistungsrechtliche Verjährungsfrist von nur sechs Monaten bei beweglichen Sachen wird vor allem angesichts der Möglichkeit, daß sich mängelbedingte Schäden bei zusammengesetzten oder weiterverarbeiteten Produkten oft erst nach längerer Zeit herausstellen, für viele Fälle jedenfalls heute als zu kurz angesehen. Das Einheitliche Kaufgesetz (EKG) geht – dieser tatsächlichen Entwicklung Rechnung tragend – bei den vergleichbaren Regelungen in Art. 39 und 49 von einer einjährigen Frist aus, die ihrerseits – wenn auch innerhalb eines festen Zeitraums von längstens zwei Jahren – hinsichtlich ihres Beginns an die Erkennbarkeit der Vertragswidrigkeit geknüpft ist. Durch eine solche Regelung können – unter Wahrung der schutzwürdigen Belange des Verkäufers – die vorstehend geschilderten, sich aus der Verjährungsregelung für den Käufer ergebenen Nachteile auf ein vertretbares Maß zurückgeführt werden. Konsequenzen daraus für die innerstaatliche Verjährungsregelung (§§ 477 ff BGB) kann aber nur der Gesetzgeber ziehen.

5. Auch wenn die Verjährung aller Gewährleistungsansprüche einheitlich mit dem Gefahrübergang beginnt, bleibt stets im Einzelfall besonders sorgfältig zu prüfen, ob dann, wenn bei Erkennbarkeit des Mangels bzw.: Schadens die Verjährungsfrist bereits abgelaufen war, der Verkäufer durch eine Berufung auf die Verjährung angesichts seines eigenen sonstigen Verhaltens rechtsmißbräuchlich handelt; grundsätzlich ist allerdings dem Verkäufer auch in solchen Fällen die Berufung auf die eingetretene Verjährung nicht verwehrt. Auch kann im Einzelfall – etwa bei einer Eigenschaftszusicherung – u.U. eine stillschweigende Garantie des Verkäufers vorliegen, die – je nach der konkreten Ausgestaltung – die Verlängerung der Verjährungsfrist oder eine Verschiebung des Zeitpunktes ihres Beginns zum Inhalt haben kann. Auch dadurch lassen sich etwaige Unbilligkeiten der starren gesetzlichen Regelung für den Käufer in vertretbaren Grenzen halten. Schließlich bleibt dem Käufer – insbesondere wenn er, wie häufig im Bauvertragsrecht, selbst gegenüber seinem Auftraggeber längere Gewährleistungsfristen hinnehmen muß – die Möglichkeit, auch von seinem Lieferanten eine entsprechende Verlängerung der Gewährleistungsfrist zu verlangen (§ 477 Abs. 1 Satz 2 BGB).

6. Im vorliegenden Fall sind allerdings Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagte die Klägerin an der rechtzeitigen Unterbrechung der Verjährung gehindert oder eine irgendwie geartete stillschweigende „Garantie” (s. dazu oben unter II 1 a) übernommen hätte, nicht ersichtlich. Mit Recht hat daher das Berufungsgericht darauf abgestellt, daß die am 5. Juli 1976 in Lauf gesetzte Verjährungsfrist Anfang Januar 1977 abgelaufen war und die Einleitung des Beweissicherungsverfahrens Ende April 1977 die abgelaufene Verjährung nicht mehr rechtswirksam unterbrechen konnte. Damit sind die geltend gemachten Schadensersatzansprüche verjährt. Auf die vom Berufungsgericht nicht geprüfte Frage, ob derartige Ansprüche durch die Verkaufs- und Lieferungsbedingungen der Beklagten nicht ohnehin ausgeschlossen wären, kommt es mithin nicht an.

III.

Die Revision war daher – mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO – zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 749252

BGHZ

BGHZ, 215

NJW 1980, 1950

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1980, 880

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