Leitsatz (amtlich)

a) Beschlüsse, durch die ein Zivilgericht eine Rechtssache gem. § 46 WEG an das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit abgibt, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

b) Gegen ein Urteil, durch das ein Oberlandesgericht ein landgerichtliches Urteil aufhebt und die Sache gem. § 46 WEG an das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit abgibt, findet unter den in den §§ 545 Abs. 1, 546 ZPO genannten Voraussetzungen die Revision statt.

c) Die Abgabe einer Sache an das für Wohnungseigentumssachen zuständige Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist dann unzulässig, wenn dieses Gericht seine Zuständigkeit bereits rechtskräftig verneint hat.

 

Normenkette

WEG § 46; ZPO § 11

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Urteil vom 08.02.1984)

LG Berlin

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 8. Februar 1984 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte schloß als Verwalter der Wohnungseigentumsanlage G. Straße 19 in B. eine Gebäudeversicherung bei der Deutschen Lloyd Versicherungs-AG ab.

Das Grundstück G. Straße 19 hatte früher im Eigentum des Klägers gestanden, der es mit Teilungserklärung vom 23. Oktober 1972 in 22 Eigentumswohnungen bzw. Gewerbe-Teileigentum aufgeteilt hatte.

Am 9. Mai 1982 entstand ein Brandschaden in der Eigentumswohnung der Eheleute Gabriel und Hedda-Maria N. Am 25. Juni 1982 trat Herr Gabriel N. „alle Ansprüche gegen die Deutsche Lloyd Versicherung auf Schadenregulierung” wegen des Brandschadens vom 9. Mai 1982 an den Kläger ab; mit Schreiben an den Kläger vom 27. Mai 1983 bestätigte er diesem, daß die Abtretung vom 25. Juni 1982 „gleichzeitig auch” für seine Ehefrau Hedda-Maria N. erfolgt sei.

Der Kläger möchte die Regulierung des Schadens für die Eheleute N. vornehmen und verlangt vom Beklagten die Abgabe der nach dem Versicherungsvertrag dazu erforderlichen Zustimmungserklärung. Mit einem an das Amtsgericht Charlottenburg als Gericht der freiwilligen Gerichts barkeit gerichteten Antrag hat Herr G. N. vom Beklagten als Verwalter der Wohnanlage die Einwilligung begehrt, daß der Wohnungseigentümer seine Ansprüche gegen den Versicherer unmittelbar durch seinen Beauftragten, den jetzigen Kläger, geltend mache. Der Kläger ist dem dortigen Verfahren beigetreten und hat hilfsweise vom Beklagten die Zustimmung dazu begehrt, daß er, der Kläger, die Entschädigungszahlung wegen des Brandschadens – Schaden an Sondereigentum und Mietverlust – unmittelbar vom Versicherer verlange. Durch Beschluß vom 25. März 1983 – 70 II 191/82 – hat das Amtsgericht Charlottenburg beide Anträge zurückgewiesen.

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage die Zustimmungserklärung des Beklagten – als Versicherungsnehmer – dazu, daß die Eheleute N. – als Versicherte – oder von ihnen bestimmte Personen die Zahlung der Entschädigung vom Versicherer verlangen.

Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen.

Auf die Berufung des Klägers hat das Kammergericht das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht Charlottenburg zur Erledigung im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit abgegeben (§ 46 Abs. 1 WEG). Mit seiner (zugelassenen) Revision erstrebt der Kläger die Aufhebung des Berufungsurteils und die Verurteilung des Beklagten nach Klageantrag.

 

Entscheidungsgründe

I.

1. Das Berufungsgericht hat für die Abgabe des Rechtsstreits an das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Form des Urteils gewählt. Das war richtig. Da bereits ein Urteil vorlag, durch das über den geltend gemachten Anspruch sachlich entschieden worden war, setzte die Abgabe eine Aufhebung dieses Urteils voraus. Die Aufhebung konnte nur durch Urteil ausgesprochen werden. In diesem Urteil war gleichzeitig die Abgabe anzuordnen (BGHZ 10, 155, 163).

2. Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision ist zulässig.

In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, ob gegen Entscheidungen, durch die ein Zivilgericht einen Rechtsstreit gemäß § 46 WEG an das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit abgibt, ein Rechtsmittel stattfindet (verneint von OLG Bamberg NJW 1965, 1491; LG Berlin MDR 1970, 330; Ring bei Staudinger BGB 11. Aufl. § 46 WEG Rdn. 2; Westermann bei Erman BGB 6. Aufl. § 46 WEG Anm. 2; Vollkommer Rechtspfleger 1976, 4; ebenso für § 18 Hausratsverordnung: OLG Hamm JMBlNRW 1960, 132; OLG Karlsruhe NJW 1969, 1442; OLG München ZMR 1956, 248; OLG Saarbrücken NJW 1967, 1616; Ronke bei Erman 6. Aufl. § 18 Hausratsverordnung Anm. 2; Hoffmann/Stephan EheG 2. Aufl. § 18 Hausratsverordnung Anm. 1; ebenso für § 12 LwVG: OLG Schleswig NJW 1959, 200; bejaht von OLG Celle Nds Rpfl 1978, 33; OLG Hamburg NJW 1961, 1168; OLG Koblenz ZMR 1977, 87; OLG Köln NJW 1964, 1678; OLGZ 1979, 19; OLG München NJW 1968, 994; LG Heilbronn in „Die Justiz” 1974, 268; Merle NJW 1969, 1859; Bärmann/Pick/Merle WEG 5. Aufl. § 46 Rdn. 11; Weitnauer WEG 6. Aufl. § 46 Anm. 1 a; Ganten bei Erman BGB 7. Aufl. § 46 WEG Rdn. 2; ebenso für § 18 Hausratsverordnung OLG Braunschweig NJW 1964, 872; OLG Düsseldorf NJW 1967, 452; OLG Schleswig SchlHA 1974, 169; ebenso für § 12 LwVG: OLG Celle RdL 1958, 99, NJW 1963, 865; OLG Hamm NJW 1954, 1655). Da das Gesetz keine spezielle Regelung der Anfechtbarkeit einer Abgabeentscheidung enthält, die Anfechtung also weder ausdrücklich zuläßt noch ausdrücklich ausschließt, kommt es entscheidend darauf an, ob die allgemeinen Voraussetzungen vorliegen, unter denen gegen gerichtliche Entscheidungen ein Rechtsmittel stattfindet. Dabei ist zwischen der Anfechtung der in Form eines Beschlusses und der in Form eines Urteils ergangenen Entscheidungen zu unterscheiden:

a) Soweit das Gesetz die Beschwerde nicht ausdrücklich zuläßt, findet sie nur gegen solche, eine vorherige mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen statt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen wird (§ 567 Abs. 1 ZPO). Die Anfechtbarkeit von Abgabebeschlüssen ließe sich demnach nur mit der Erwägung begründen, in dem gestellten Sachantrag liege gleichzeitig das das Verfahren betreffende Gesuch, über den Sachantrag möge von dem angerufenen Gericht entschieden werden Diese Ansicht wird in der Tat vielfach vertreten; sie kann jedoch nicht als richtig anerkannt werden. Wer einen Sachantrag stellt, bringt damit notwendigerweise zum Ausdruck, daß er von dem angerufenen Gericht eine Entscheidung über diesen Antrag in der gewählten Verfahrensart erwartet. Darin kann jedoch kein selbständiges, vom Sachantrag zu trennendes Verfahrensgesuch gesehen werden. Abgabebeschlüsse sind demnach unanfechtbar.

b) Anders ist es dagegen, wenn das Berufungsgericht eine Sachentscheidung der ersten Instanz aufhebt und den Rechtsstreit durch Urteil an ein Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit abgibt. Urteile des Berufungsgerichts, durch die ein Endurteil der ersten Instanz aufgehoben wird, sind stets Endurteile im Sinne des § 545 Abs. 1 ZPO; das gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht keine ersetzende Entscheidung zur Sache selbst getroffen, sondern diese einer anderen Stelle (dem erstinstanzlichen Gericht oder einem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit) überlassen hat. Das ist insbesondere bei zurückverweisenden Urteilen nach § 538, 539 ZPO seit jeher anerkannt (RGZ 5, 375; 5, 411; 6, 423; 7, 421; 9, 323; 17, 358; 24, 429; 102, 217). Diese Auffassung steht nicht im Widerspruch zu dem Urteil BGHZ 2, 278. In dieser Entscheidung wurde die Revision gegen ein Urteil, durch das der Rechtsstreit gemäß § 276 ZPO (jetzt § 281 ZPO) an das zuständige Gericht verwiesen wurde, für unzulässig erklärt. Begründet wurde dies damit, daß § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO eine Anfechtung solcher Verweisungen ausdrücklich ausschließe (ebenso jetzt § 281 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1). Eine vergleichbare Bestimmung enthält jedoch § 46 WEG nicht. Einen allgemeinen Grundsatz, daß verweisende Entscheidungen der Anfechtung entzogen sind, gibt es nicht; für Verweisungen nach § 17 GVG ist die Anfechtbarkeit in der Rechtsprechung anerkannt (BGHZ 40, 1; vgl. auch BGHZ 28, 349).

Die Zulässigkeit der Revision ist allerdings auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen entweder die Beschwer des Revisionsklägers 40.000 DM übersteigt oder in denen – wie im vorliegenden Fall – das Berufungsgericht die Revision ausdrücklich zugelassen hat.

II.

Die Revision ist auch begründet.

1. Das Berufungsgericht hat mit überzeugender Begründung dargelegt, daß für die Entscheidung über den im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Anspruch die Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständig sind. Dennoch war eine Abgabe nach § 46 WEG nicht zulässig, weil das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit bereits rechtskräftig seine Zuständigkeit verneint hatte und das Berufungsgericht in entsprechender Anwendung von § 11 ZPO an diese Entscheidung gebunden war. Die genannte Gesetzesvorschrift betrifft zwar an sich nur das Verhältnis zwischen verschiedenen Gerichten der streitigen Gerichtsbarkeit. Beim Erlaß der Zivilprozeßordnung hatte der Gesetzgeber keine Veranlassung, eine entsprechende Regelung für das Verhältnis zwischen streitiger und freiwilliger Gerichtsbarkeit zu treffen; da zur damaligen Zeit echte Streitsachen in aller Regel nicht in die Zuständigkeit der Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit fielen, waren Zuständigkeitskonflikte zwischen streitiger und freiwilliger Gerichtsbarkeit nicht zu befürchten. Nachdem inzwischen der Gesetzgeber eine große Zahl von echten Streitsachen der Zuständigkeit der Prozeßgerichte entzogen und den Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugewiesen hat, besteht auch insoweit ein Bedürfnis, der unterschiedlichen Beurteilung der Zuständigkeitsfrage durch verschiedene Gerichte vorzubeugen. Der Grundgedanke, von dem sich der Gesetzgeber beim Erlaß des § 11 ZPO hat leiten lassen, trifft auch für das Verhältnis zu den Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu (Stein/Jonas/Schumann ZPO 20. Aufl. § 11 Rdn. 9; Wieczorek ZPO 2. Aufl. § 11 Anm. A I a).

Der Beschluß des Amtsgerichts Charlottenburg vom 3. Mai 1983 (70, II 191/82) ist formell rechtskräftig. Gemäß § 45 Abs. 2 WEG kommt ihm auch im Verhältnis zwischen den Verfahrensbeteiligten materielle Rechtskraft zu. In der Revisionserwiderung wird zwar die Ansicht vertreten, der Kläger des vorliegenden Rechtsstreits sei im Verfahren vor dem Amtsgericht Charlottenburg nur Nebenintervenient und daher nicht Beteiligter im Sinne des § 45 Abs. 2 WEG gewesen. Das ist indes nicht zutreffend. Richtig ist, daß das Verfahren durch einen Antrag des Zedenten Gabriel Nick eingeleitet wurde. Der jetzige Kläger ist dem Verfahren durch Schriftsatz vom 17. Januar 1983 als „Nebenintervenient” beigetreten. In der mündlichen Verhandlung vom 25. März 1983 (Bl. 111 Rückseite Beiakten) hat er hilfsweise den Antrag gestellt, „im anhängigen Verfähren anstelle des bisherigen Antragstellers als Antragsteller zugelassen zu werden”; diese Erklärung ist dahin aufzufassen, daß er nicht mehr, wie bis dahin, nur den Antrag des Zedenten Nick als „Nebenintervenient” unterstützen, sondern auch als Hauptpartei einen eigenen Anspruch verfolgen wolle. Das Amtsgericht hat beide Anträge, sowohl den des ursprünglichen Antragstellers Nick als auch den des „Nebenintervenienten” abgewiesen, den ersteren, weil N. seinen Anspruch abgetreten habe und daher nicht mehr legitimiert sei, den letzteren, weil der jetzige Kläger nicht Wohnungseigentümer sei und daher seinen Anspruch nur im ordentlichen Rechtsweg, nicht aber im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit verfolgen könne. Das Amtsgericht hat also den jetzigen Kläger nicht mehr als bloßen Nebenintervenienten behandelt, der lediglich den Antrag des ersten Antragstellers unterstützt; es hat in ihm vielmehr eine zweiten Antragsteller gesehen; es hat nicht nur beide Anträge im Tenor auseinandergehalten, sondern sie auch in den Entscheidungsgründen unterschiedlich gewürdigt. Daß der jetzige Kläger im Beschluß vom 25. März 1983 als Nebenintervenient bezeichnet ist, kann nicht entscheidend sein; maßgeblich ist der sachliche Inhalt der Entscheidung, so wie er sich aus dem Tenor und den Gründen des Beschlusses insgesamt ergibt.

Es ist demnach zwischen den Parteien des vorliegenden, Rechtsstreits rechtskräftig festgestellt, daß der Kläger seinen Anspruch nicht vor den Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit verfolgen kann.

2. Nach der Ansicht des Beklagten geht in denjenigen Fällen, in denen ein Gericht den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verweist, das vorher seine sachliche Zuständigkeit verneint hatte, die Bindungswirkung aus § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO der aus § 11 ZPO vor. Im Revisionsverfahren ist jedoch nicht darüber zu entscheiden, welche Wirkung die Abgabeentscheidung des Berufungsgerichts hätte, wenn sie rechtskräftig würde, sondern darüber, ob das Berufungsgericht die Sache abgeben durfte. Das ist aber, wie oben ausgeführt, zu verneinen, da es an den rechtskräftigen Beschluß des Amtsgerichts Charlottenburg gebunden war.

 

Unterschriften

Dr. Hoegen, Rottmüller, Dehner, Dr. Zopfs, Dr. Ritter

 

Fundstellen

Haufe-Index 875194

BGHZ

BGHZ, 287

NJW 1986, 1994

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