Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, welche Versagungsgründe im Verfahren der Entscheidung nach § 291 InsO geltend gemacht werden können.

 

Normenkette

InsO §§ 290-291, 295-296

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Beschluss vom 20.03.2003; Aktenzeichen 6 T 39/03)

AG Bonn

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des LG Bonn v. 20.3.2003 wird auf Kosten der Gläubigerin als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5.367,87 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Über das Vermögen des Schuldners eines vormals selbstständig tätigen Facharztes, wurde am 31.1.2001 das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. Die Gläubigerin ist in dem Verteilungsverzeichnis, Stand 31.7.2002, unter der Nr. 23 mit einer -- anerkannten -- Forderung von 53.678,65 EUR verzeichnet. Sie hat beantragt, dem Schuldner die von diesem erstrebte Ankündigung der Restschuldbefreiung (§ 291 Abs. 1 InsO) zu versagen. Das Insolvenzgericht hat den Antrag zurückgewiesen und der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde der Gläubigerin nicht abgeholfen. Das LG hat das Rechtsmittel durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Die Gläubigerin verfolgt mit diesem Rechtsmittel ihr Begehren weiter.

II.

Die gem. § 7 InsO, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO von Gesetzes wegen statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig.

1. Die Zulassungsentscheidung des LG bindet den Senat nicht. Das Beschwerdegericht besitzt keine rechtliche Kompetenz, über diese Frage zu entscheiden. Ist die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft, obliegt die Prüfung der besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO allein dem BGH als Rechtsbeschwerdegericht (BGH, Beschl. v. 20.2.2003 - V ZB 59/02, MDR 2003, 645 = BGHReport 2003, 632 = WM 2003, 1829 [1830]; v. 18.5.2004 - IX ZB 189/03).

2. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig; denn die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist auch weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 ZPO).

a) Das von der Rechtsbeschwerde angesprochene Problem, dass die Angaben des Schuldners in der Anlage 3 zum Eröffnungsantrag ("Zusatzerklärungen zum Antrag auf Restschuldbefreiung", GA I 12) unter IX ("Laufendes Einkommen", GA I 40 ff - Kopie) - für ihn ohne weiteres erkennbar - unvollständig seien und deshalb entgegen der Auffassung des LG unter den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO fielen, stellt sich nicht.

aa) Der im Eröffnungsverfahren zum Sachverständigen bestellte und jetzige Treuhänder Rechtsanwalt G. hat in dem von ihm erstatteten schriftlichen Gutachten v. 4.12.2000 u.a. ausgeführt:

"Seit dem 12.10.1999 ist der Schuldner Angestellter der Gesellschaft für Medizinische Begutachtung mbH, deren alleinige Geschäftsführerin/Gesellschafterin Frau R. U. ist. Mir liegt in Kopie der diesbezügliche Anstellungsvertrag v. 12.10.1999 vor. Dieser sieht als Tätigkeit des Schuldners die Erstellung von medizinischen Gutachten, insbes. gegenüber Versicherungen vor. Der Schuldner bezieht hiernach ein Gehalt von brutto 5.000 DM. Nach den von mir erbetenen Gehalts-Abrechnungen bis einschließlich September 2000 ergibt sich hiernach ein monatliches Netto-Gehalt i.H.v. 2.881,17 DM. Der Schuldner hat seine Gehaltsansprüche bereits unter dem 24.11.1999 an ... (die Gläubigerin) zur Sicherung aller bestehenden Forderungen abgetreten. An die Sicherungszessionarin wird seitdem monatlich ein Betrag vom Netto-Gehalt dergestalt ausgezahlt, dass dem Schuldner lediglich ein Betrag von 750 DM für sich persönlich verbleibt."

Bei der Alleingesellschafterin handelt es sich unstreitig um die Ehefrau des Schuldners.

Die in dem Gutachten geschilderte Vertragsgestaltung wird in dem von dem Schuldner gem. § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO vorgelegten Verzeichnis seines Vermögens und seines Einkommens richtig und vollständig wiedergegeben.

bb) Die Rechtsbeschwerde zweifelt dies auch nicht an. Sie hält vielmehr die gewählte Vertragsgestaltung - die Zwischenschaltung der GmbH - für missbräuchlich, weil die begünstigte Alleingesellschafterin selbst keine Tätigkeiten entfalte, aber die Gutachterhonorare kassiere, und gläubigerschützende Bestimmungen umgangen würden, wenn die erzielten Umsätze, wovon auszugehen sei, das Gehalt des Schuldners überstiegen und schließlich die von dem Treuhänder angeregten Verhandlungen mit der Alleingesellschafterin über eine Gehaltserhöhung zu einer mit der Erkrankung des Schuldners begründeten Leistungsminderung auf 30 Wochenarbeitsstunden unter Beibehaltung des Gehalts geführt hätten, was einem "Drittvergleich" in keinem Fall standhalte.

Diese von der Rechtsbeschwerde aufgezeigten Umstände betreffen Obliegenheiten des Schuldners die eine Versagung der Restschuldbefreiung nach § 296 InsO nach sich ziehen können. Hierüber ist im vorliegenden Verfahren, wie sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (vgl. § 291 Abs. 1 InsO), nicht zu befinden.

b) Damit erledigt sich auch der Zweite von der Rechtsbeschwerde angeführte Punkt, die Gläubigerin habe entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts hinreichend glaubhaft gemacht, dass der Schuldner unrichtige Angaben zu seiner Einkunftssituation gemacht habe. Gemessen an § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO ist es rechtlich zu missbilligen, wenn der Schuldner auf Einkünfte - im Ergebnis zu Gunsten seiner Ehefrau - verzichtet, die er allein oder jedenfalls ganz maßgeblich selbst durch seine Gutachtertätigkeit erwirtschaftet hat. Vom Berufungsgericht übergangene Anhaltspunkte dafür, dass die GmbH-Konstruktion ernstlich nicht gewollt ist (§§ 117 f BGB), zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf.

Das von der Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang noch angesprochene Verhältnis der Glaubhaftmachung des Versagungsgrundes (§ 290 Abs. 2 InsO) zum Amtsermittlungsgrundsatz ist durch die Rechtsprechung des BGH geklärt (BGH, Beschl. v. 11.9.2003 - IX ZB 37/03, BGHReport 2003, 1441 = MDR 2004, 172 = WM 2003, 2155).

3. Die Grundsatzbedeutung der Sache ergibt sich schließlich nicht aus der von der Rechtsbeschwerde zur Überprüfung gestellten Frage, ob die Restschuldbefreiung deshalb zu versagen ist, weil der Schuldner nicht die Möglichkeit des vorzeitigen Altersruhegeldes aus der berufsständischen Altersversorgung in Anspruch genommen hat. Auch diese Frage betrifft ersichtlich etwaige Obliegenheiten des Schuldners gegenüber der Gläubigerin und nicht die Vollständigkeit und Richtigkeit des vorgelegten Verzeichnisses, in welchem die Rentenanwartschaften aus der Ärzteversorgung unter dem Punkt "Einkommen im Rahmen des Ruhestands" aufgeführt werden.

 

Fundstellen

BGHR 2004, 1519

WM 2004, 1688

DZWir 2005, 28

MDR 2005, 55

NZI 2004, 635

Rpfleger 2004, 581

ZInsO 2004, 851

ZVI 2004, 419

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