Leitsatz (amtlich)

a) Für das Verfahren auf Anerkennung der Vollstreckbarkeit einer ausländischen Entscheidung ist der Gerichtsstand des § 23 ZPO eröffnet, wenn der Schuldner nach dem schlüssigen Vorbringen des Antragstellers im Bezirk des angerufenen Gerichts über Vermögen verfügt, in das vollstreckt werden kann. Darauf, ob dieses zur Befriedigung des Gläubigers ausreicht, kommt es nicht an.

b) Für ein solches Verfahren im Gerichtsstand des Vermögens bedarf es jedenfalls dann, wenn ein anderer Gerichtsstand im Inland nicht zur Verfügung steht, eines über das Vorhandensein von Vermögen hinausgehenden Inlandsbezuges nicht.

 

Normenkette

ZPO §§ 722, 23

 

Tenor

Das Landgericht München I wird als das örtlich zuständige Gericht bestimmt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin, eine nach dem Recht des Staates New York (USA) rechtsfähige Niederlassung einer nigerianischen Bank, hat vor dem Supreme Court des Staates New York gegen den Antragsgegner, einen Ausländer mit Wohnsitz in Nigeria, ein auf die Zahlung von 583.953,29 US $ gerichtetes Versäumnisurteil erstritten. Nach Darstellung der Antragstellerin ist der Antragsgegner Eigentümer einer Eigentumswohnung in Hamburg, deren Wert ebenso wie der Umfang der darauf liegenden Belastungen zwischen den Parteien streitig ist. Nach Angaben der Antragstellerin steht ihm weiter eine Forderung gegen ein in O. in Bayern ansässiges Unternehmen zu. Mit Blick auf die in Hamburg belegene Eigentumswohnung beantragte die Antragstellerin mit einer beim Landgericht Hamburg eingereichten Klage die Anerkennung des Versäumnisurteils des Supreme Court of New York. Mit Beschluß vom 2. Mai 1996 hat sich das Landgericht Hamburg für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf den Hilfsantrag der Antragstellerin an das Landgericht München I verwiesen. Dieses hat sich ebenfalls für unzuständig erklärt. Mit Rücksicht auf diese Entscheidungen beantragt die Antragstellerin nunmehr, das zuständige Gericht zu bestimmen. Der Antragsgegner tritt dem Antrag entgegen.

II.

Als örtlich zuständiges Gericht ist das Landgericht München I zu bestimmen, nachdem das Landgericht Hamburg den Rechtsstreit an dieses Gericht verwiesen hat (§§ 36 Nr. 6, 281 Abs. 2, 23 ZPO). Diese Verweisung bindet das Landgericht München I, das im vorliegenden Fall jedenfalls auch zuständig ist.

1. Der Beschluß, in dem ein Gericht seine eigene Unzuständigkeit ausspricht und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verweist, ist für dieses nach dem Wortlaut des § 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO bindend mit der Folge, daß ihm grundsätzlich verwehrt ist, ebenfalls im Beschlußwege seine Unzuständigkeit auszusprechen. Von ihm ist vielmehr das Verfahren durchzuführen und die aus deren Ergebnis folgende Endentscheidung zu treffen. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes über den Wortlaut der Vorschrift hinaus nur bei einer auf Willkür beruhenden Verweisung zugelassen worden (vgl. BGHZ 71, 69, 72; BGH, Beschl. v. 13.10.1983 – I ARZ 408/83, NJW 1984, 740 u. Beschl. v. 19.1.1993 – X ARZ 845/92, NJW 1993, 1273). Auch in einem solchen Fall darf sich das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen ist, jedoch nicht mit dem Ausspruch der eigenen Unzuständigkeit begnügen. Eine bloße Verneinung der eigenen Zuständigkeit ist im Prozeßrecht, wie sich aus den §§ 281, 36 Nr. 6 ZPO ergibt, nicht vorgesehen. Ein derartiges Verfahren widerspricht auch dann, wenn der jeweilige Kläger selbst nach § 36 Nr. 6 ZPO vorgehen kann, dem allgemeinen Grundsatz des Prozeßrechts, der das Gericht zur Förderung des Verfahrens und zu einer sachlichen Entscheidung verpflichtet.

Für eine willkürliche Verweisung durch das Landgericht Hamburg sind Anhaltspunkte nicht zu erkennen. Insoweit kann dahinstehen, ob der der Feststellung seiner eigenen Unzuständigkeit zugrundeliegenden Rechtsauffassung gefolgt werden kann. In seiner Entscheidung hat das Landgericht Hamburg diese jedenfalls eingehend und unter Darlegung der in Lehre und Rechtsprechung vertretenen Auffassungen und deren Würdigung nachvollziehbar begründet. Bei einer solchen Entscheidung kann von Willkür, die gegen den Wortlaut des § 282 Abs. 2 ZPO einer Verweisung wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit die Bindungswirkung nimmt, nicht gesprochen werden.

2. Ob in einem solchen Fall die Bindungswirkung gleichwohl entfällt, wenn das angerufene Gericht ebenfalls örtlich unzuständig ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I ergibt sich aus § 23 ZPO. Insoweit kann offenbleiben, ob – wie beide Landgerichte im Anschluß an die Entscheidung des Bundesgerichtshofes in BGHZ 115, 90 f. annehmen – für die Begründung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte über die Belegenheit des Vermögens im Inland hinaus weitere Voraussetzungen gelten. Zwar knüpft nach internationalem Recht die internationale Zuständigkeit an die örtliche an; das bedeutet jedoch nicht, daß dort geltende weitere Voraussetzungen auch auf die nationale örtliche Zuständigkeit durchschlagen. Anderenfalls stünde national kein Gericht zur Entscheidung über die internationale Zuständigkeit zur Verfügung.

Im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit liegen die Voraussetzungen des § 23 ZPO vor. Nach der durch das Reichsgericht begründeten und im Grundsatz durch den Bundesgerichtshof fortgeführten Rechtsprechung ist Vermögen in diesem Sinne jeder Gegenstand mit Geldwert, ohne daß es darauf ankäme, ob er zur Befriedigung des Gläubigers ausreicht oder in einem angemessenen Verhältnis zum Streitwert steht (vgl. BGHZ 115, 90, 93 m. w. N. aus der Rspr. des RG u. des BGH). Ob im Hinblick auf einen möglichen Mißbrauch dieses Gerichtsstandes eine weitere Einschränkung des Vermögensbegriffes geboten ist, wie in der Literatur zum Teil – in erster Linie allerdings im Hinblick auf die internationale Zuständigkeit – angenommen wird (vgl. dazu die Nachweise bei BGHZ 115, 90, 93), bedarf hier keiner näheren Erörterung. Für einen Mißbrauch des Vermögensgerichtsstandes durch die Antragstellerin, der seiner Anwendung im vorliegenden Fall entgegenstehen könnte, sind Anhaltspunkte nicht zu erkennen. Die Antragstellerin hat schlüssig dargelegt, daß der Antragsgegner im Inland über Vermögen verfügt, das zur Befriedigung ihrer Forderung herangezogen werden könnte. Ob ihre Forderung tatsächlich aus diesem Vermögen befriedigt werden kann, ist für die Frage der Zuständigkeit unerheblich. Nach deutschem Prozeßrecht soll die Prüfung der Sachurteilsvoraussetzungen die Entscheidung in der Sache nicht vorwegnehmen, insbesondere soll bei ihrer Bewertung nicht schon die Aufklärung zur Sache durchgeführt werden. Für die Frage der Zuständigkeit sind daher eingehende Darlegungen des Klägers zum Umfang des Vermögens nicht zu verlangen, zumal ihm dieser regelmäßig weder bekannt ist noch er sich nähere Kenntnisse mit zumutbarem Aufwand beschaffen kann. Über die schlüssige Darlegung eines Vermögensgegenstandes, der seiner Befriedigung dienen kann, hinaus bedarf es weiterer Darlegungen durch ihn daher nicht. Die Grenze einer Rechtsverfolgung im Gerichtsstand des § 23 ZPO bildet dessen Mißbrauch, dessen Vorliegen jedoch als Einschränkung des grundsätzlich bei einem im Bezirk des angerufenen Gerichts belegenen Vermögens nach allgemeinen Grundsätzen der Verteilung der prozessualen Darlegungs- und Beweislast durch den Beklagten vorzubringen wäre, nicht jedoch durch den Kläger. Dafür genügt die Darlegung eines bloß möglichen Ausfalls in der Vollstreckung nicht. Vielmehr muß der Beklagte einen Sachverhalt vorbringen und ggf. belegen, nach dem ein schutzwürdiges und anzuerkennendes Interesse des Klägers an der Inanspruchnahme dieses Gerichtes schlechthin nicht besteht, etwa weil in dessen Spruchgewalt keine Entscheidung ergehen kann, die zu einer Befriedigung des Gläubigers führen wird. Das läßt sich nach dem bisher vorliegenden Sachvortrag nicht feststellen.

3. Nach dem bisher zu erkennenden Sachverhalt sind die nationalen Gerichte im Gerichtsstand der Belegenheit des Vermögens auch international zuständig. Das ergibt sich hier aus der Eröffnung des Gerichtsstandes und § 23 ZPO, dessen Vorliegen – wie allgemein eine im Inland eröffnete örtliche Zuständigkeit – (vgl. dazu BGH, Urt. v. 26.1.1979 – V ZR 75/76, NJW 1979, 1104; BGHZ 69, 37, 44; 80, 1, 3) die internationale indiziert. Dabei kann dahinstehen, ob es im Erkenntnisverfahren grundsätzlich über die Belegenheit von Vermögen im Inland hinaus eines weitergehenden Inlandsbezuges der Sache bedarf (vgl. dazu BGHZ 115, 90 f. m. w. N.; zum Streitstand s. a. Fricke, IPrax 1991, 159 ff.; ders. NJW 1992, 3066 ff.; Thode, WuB VII A § 23 ZPO 2.91; Schlosser, IPrax 1992, 140 ff.; Hartwieg, JZ 1996, 109 ff.). Auf ein Verfahren wie das vorliegende lassen sich die in diesem Zusammenhang angestellten Überlegungen nicht übertragen. Sie betreffen allein das auf die erstmalige Geltendmachung von Ansprüchen gerichtete Erkenntnisverfahren. Für dieses kommen aus der Sicht des internationalen Prozeßrechtes in erster Linie die für den Sitz des Beklagten zuständigen Gerichte in Betracht. Wie etwa auch die Art. 5 f. EGVÜ erkennen lassen, ist die Durchsetzung dieser Ansprüche vor anderen Gerichten eher die Ausnahme. Das mag es rechtfertigen, für solche Verfahren die Inanspruchnahme des Gerichtsstandes der Belegenheit eines Vermögens von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig zu machen.

Für das Verfahren auf Anerkennung einer ausländischen Entscheidung mit dem Ziel, im Inland den Zugriff auf dort vorhandenes Vermögen zu eröffnen, lassen sich diese Gedanken indessen allenfalls dann heranziehen, wenn insoweit ein weiterer inländischer Gerichtsstand zur Verfügung steht. Fehlt es – wie im vorliegenden Fall nach dem vorgetragenen, insoweit unstreitigen Sachverhalt – daran, hätte das Verlangen nach weiteren Voraussetzungen, insbesondere einem weitergehenden Inlandsbezug zur Folge, daß für die Anerkennung der ausländischen Entscheidung kein Gerichtsstand mehr zur Verfügung steht. Diese Anerkennung kann lediglich durch ein inländisches Gericht ausgesprochen werden. Damit wäre ein Zugriff auf hier vorhandenes Vermögen ausgeschlossen, wollte man die Inanspruchnahme der nationalen Gerichte von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig machen. Eine solche Folge ist mit dem Inhalt der §§ 722, 23 ZPO nicht zu vereinbaren. Diese wollen nicht dem Gläubiger haftendes Vermögen entziehen; Zweck des Anerkenntnisverfahrens ist vielmehr allein die Prüfung der Frage, inwieweit die ausländische Entscheidung mit der inländischen Rechtsordnung zu vereinbaren ist. Damit wird das berechtigte und schutzwürdige Interesse des Schuldners einer ausländischen Verurteilung hinreichend gewahrt; ein weitergehendes Vertrauen darauf, durch Verbringen ins Inland ausländisches Vermögen seinen Gläubigern entziehen zu können, ist demgegenüber nicht schutzwürdig.

Auch für die Frage der internationalen Zuständigkeit bedarf es keiner abschließenden Prüfung der Erfolgsaussicht der nach einer Anerkennungsentscheidung beabsichtigten Vollstreckung. Für die Zulässigkeit der im Inland erhobenen Klage muß vielmehr genügen, daß hier Vermögen vorhanden ist, das jedenfalls theoretisch zur Befriedigung des Gläubigers herangezogen werden kann (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 22.11.1988 – VI ZR 226/87, MDR 1989, 345 = NJW 1989, 1154; OLG Düsseldorf, NJW 1991, 3108 sowie OLG München, NJW-RR 1993, 701). Auch hier findet die in einem solchen Fall grundsätzlich zulässige Klage auf Anerkennung des ausländischen Urteils ihre Grenze dort, wo der Gläubiger das Verfahren im Inland mißbraucht. Einen solchen Sachverhalt hat indessen bislang weder der Antragsgegner schlüssig vorgetragen noch ist er durch die Landgerichte bei ihren die Zuständigkeit verneinenden Entscheidungen festgestellt worden. Daß das hier vorhandene Vermögen möglicherweise nicht ausreicht, um den Anspruch der Antragstellerin voll oder teilweise zu befriedigen, genügt in diesem Zusammenhang nicht. Diese Frage wird letztlich erst bei einer Vollstreckung zu klären sein. Wollte man bereits vorher die Verfolgung des Anerkennungsbegehrens an der Zuständigkeit scheitern lassen, weil eine solche Vollstreckungsmöglichkeit nicht gesichert ist, würde das wiederum lediglich dem Schuldner die Möglichkeit eröffnen, haftendes Vermögen seinen Gläubigern zu entziehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 604847

NJW 1997, 325

JR 1997, 462

ZIP 1997, 159

EuZW 1997, 224

JZ 1997, 362

MDR 1997, 496

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