Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungsausgleich

 

Leitsatz (amtlich)

Auch wenn bei Ehezeitende der Bezug von Ruhegeld einer berufsständischen Versorgung nahe bevorsteht und das Ruhegeld im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits bezogen wird, ist dem Versorgungsausgleich nicht der tatsächliche Zahlbetrag, sondern der bei Ehezeitende erreichte Wert der Versorgung zugrunde zu legen.

 

Normenkette

BGB § 1587a Abs. 3 Nr. 2; VAHRG § 10a Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

AG München

OLG München

 

Tenor

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des 16. Zivilsenats – Familiensenat – des Oberlandesgerichts München vom 2. April 1993 wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 5.807,40 DM.

 

Gründe

Die im Jahre 1927 geborenen Parteien haben am 2. April 1953 die Ehe geschlossen, aus der zwei inzwischen erwachsene Kinder hervorgegangen sind. Der Scheidungsantrag des Ehemannes (Antragsteller) ist der Ehefrau (Antragsgegnerin) am 17. Mai 1991 zugestellt worden.

In der Ehezeit (1. April 1953 bis 30. April 1991, § 1587 Abs. 2 BGB) haben beide Parteien Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Der Ehemann ist außerdem seit 1. Juli 1955 Mitglied der Bayerischen Ärzteversorgung (im folgenden BÄV, weitere Beteiligte zu 1) gewesen. Nach der Auskunft des Versorgungsträgers vom 1. Juli 1991 hat er bis zum 31. Dezember 1984 dem Zeitpunkt einer satzungsmäßigen Umstellung des Leistungsrechts, Beiträge in Höhe von 281.000 DM geleistet, aus denen sich teildynamische Versorgungsanrechte im Nennbetrag von jährlich 56.200 DM errechneten zuzüglich eines sog. Aufstockungsbetrages von 1.160,82 DM. In der Folge bis zum Ende der Ehezeit habe der Ehemann weiter volldynamische Versorgungsanwartschaften in Höhe von monatlich 119,67 DM erlangt.

Das Amtsgericht – Familiengericht – hat durch Verbundurteil die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich dahin geregelt, daß es im Wege des Splittings Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 102,12 DM auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA, weitere Beteiligte zu 2) übertragen hat. Die Versorgungsanrechte des Ehemannes bei der BÄV hat es weiter in der Weise ausgeglichen, daß es zu deren Lasten im Wege des Quasisplittings auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der BfA Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 2.366,30 DM begründet hat. Hierbei hat es an das von der BÄV ab September 1992 tatsächlich ausbezahlte Ruhegeld von monatlich 4.908,70 DM angeknüpft, daraus einen Ehezeitanteil von 4.732,60 DM errechnet und in Höhe der Hälfte davon für die Ehefrau Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung begründet.

Den Ausgleich der bei ihr bestehenden Versorgungsanrechte des Ehemannes hat die B mit der Beschwerde angegriffen und geltend gemacht, daß die Anknüpfung an das seit September 1992 ausbezahlte Ruhegeld nicht dem Gesetz entspreche. Maßgebend sei der Wert der Versorgungsanrechte zum Ende der Ehezeit am 30. April 1991. Bei einer nach den geltenden Vorschriften gebotenen Umrechnung der bis zum 31. Dezember 1984 erworbenen Anwartschaften mit Hilfe der Barwertverordung ergebe sich insgesamt nur ein durch Quasisplitting auszugleichender Betrag von monatlich 3.764,68 DM.

Das Oberlandesgericht hat der Beschwerde entsprochen und die amtsgerichtliche Entscheidung dahin abgeändert, daß die zugunsten der Ehefrau im Wege des Quasisplittings bei der BfA begründeten Rentenanwartschaften auf einen Betrag von monatlich 1.882,35 DM herabgesetzt werden. Mit der – zugelassenen – weiteren Beschwerde erstrebt die Ehefrau die Wiederherstellung –, der amtsgerichtlichen Entscheidung.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Nach den Darlegungen des Senats in der Entscheidung BGHZ 85, 194 sind bei der BÄV erworbene Versorgungsanrechte im Anwartschaftsstadium statisch und im Leistungsstadium volldynamisch. Der Ehezeitanteil ist gemäß § 1587a Abs. 2 Nr. 4 c BGB aus 20% der in der Ehezeit geleisteten Beiträge zu errechnen und gemäß Abs. 3 Nr. 2 der Vorschrift mit Hilfe der Barwertverordung zu dynamisieren (s.a. Senatsbeschluß vom 21. Oktober 1987 – IVb ZB 63/85 – nicht veröffentlicht). Seit der späteren Umstellung auf das offene Deckungsplanverfahren (ab 1. Januar 1985) geht das Versorgungswerk davon aus (ebenso etwa MünchKomm/Glockner 3. Aufl. § 1587a Rdn. 399 unter BÄV), daß künftig erworbene Anrechte sowohl im Anwartschafts- als auch im Leistungsteil volldynamisch und ohne Umrechnung in den Ausgleich einzubeziehen sind. Die Beurteilung in diesem Rahmen hat der Senat in seinem Beschluß vom 21. September 1988 – IVb ZB 70/85 – FamRZ 1988, 1254, 1255) offengelassen, aus den Übergangsvorschriften der §§ 72, 73 der neuen Satzung ergebe sich, jedenfalls, daß der Charakter der unter der Geltung des alten Systems erworbenen Versorgungsanrechte unverändert bleibe und weiterhin nach den Grundsätzen der Entscheidung BGHZ 85, 194 zu beurteilen sei. Auch im vorliegenden Fall in dem das Oberlandesgericht hinsichtlich der nach dem 1. Januar 1985 erworbenen Anrechte entsprechend der Rechtsauffassung der BÄV verfahren ist, kann die Beurteilung der neuen Anrechte dahinstehen, weil es sich um die für die Ehefrau günstigste Annahme handelt. Soweit die BÄV im vorliegenden Verfahren Bedenken geäußert hat, ob die bis zum 31. Dezember 1994 erworbenen Anrechte wegen einer rückläufigen Entwicklung der Anpassungsraten noch als Volldynamisch im Leistungsstadium angesehen werden können, braucht dem ebenfalls nicht nachgegangen zu werden, weil allein die Ehefrau Beschwerde eingelegt hat und sie infolgedessen in diesem Punkt gegenüber der angefochtenen Entscheidung nicht schlechtergestellt werden kann (Senatsbeschluß BGHZ 85, 100); das Oberlandesgericht ist nämlich entsprechend der bisherigen Senatsrechtsprechung von der Volldynamik im Leistungsstadium ausgegangen.

Der Auffassung der weiteren Beschwerde, die vor dem 31. Dezember 1984 erworbenen Versorgungsanrechte seien auch im Anwartschaftsstadium volldynamisch, kann nicht gefolgt werden. Soweit sie sich auf § 28 Abs. 3 Satz 2 der neuen Satzung bezieht, wonach eine Anpassung sowohl der Anwartschaften als auch der laufenden Versorgungsleistungen vorgesehen ist, übersieht sie, daß diese Bestimmung nur für die ab 1. Januar 1985 erworbenen Anrechte gilt. Aus den Übergangsbestimmungen für die zuvor erworbenen Anrechte 72, 73) läßt sich jedenfalls eine Dynamik schon im Anwartschaftsstadium nicht ableiten, wie der Senat bereits in seinem Beschluß vom 21. September 1988 (aaO) angenommen hat. Es besteht kein Anlaß, an der Richtigkeit der Auskünfte des Versorgungsträgers zu zweifeln, daß eine Anwartschaftsdynamisierung insoweit nach wie vor nicht stattfindet. Was die in § 73 der Satzung geregelten „Aufstockungsbeträge” betrifft, so handelt es sich um Zuschläge auf die bereits eingewiesenen Versorgungsleistungen, die zusammen mit diesen geschäftsplanmäßig dynamisiert werden (§ 73 Satz 2 i.V. mit § 72 Abs. 1 Satz 2 der Satzung). Daß hierin „der Sache nach” eine Anwartschaftsdynamisierung liege, kann wegen des ausschließlichen Bezugs auf die eingewiesenen Leistungen nicht angenommen werden. Soweit die weitere Beschwerde die Richtigkeit des in den erteilten Auskünften mit jährlich 1.160,82 DM errechneten Aufstockungsbetrages in Frage stellt, geben ihre Ausführungen, die insbesondere den Einfluß des nach der Satzung zu berücksichtigenden „versicherungstechnischen Geschäftsplans” außer acht lassen, keinen Anlaß für begründete Zweifel.

2. Mit Recht hat es das Oberlandesgericht auch abgelehnt, bei der Bemessung der Höhe des Ausgleichsbetrages von dem tatsächlich ab September 1992 ausbezahlten Betrag des Altersruhegeldes auszugehen. Derartiges kommt bei im Leistungsteil volldynamischen Versorgungsanrechten der vorliegenden Art nur in Betracht, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte an dem nach dem Gesetz maßgebenden Stichtag, dem Ende der Ehezeit, bereits eine laufende Rente bezieht; für solche Fälle gibt es auch keine für eine Umrechnung gemäß § 1587a Abs. 3 Nr. 2 BGB geeignete Tabelle der Barwertverordnung (vgl. Senatsbeschluß vom 25. September 1991 – XII ZB – 68/90 – FamRZ 1992, 47). Im vorliegenden Fall, in dem das Ende der Ehezeit 16 Monate vor der Einweisung des Ehemannes in das Altersruhegeld liegt, ist nicht gerechtfertigt, von dem Grundsatz des Gesetzes abzuweichen, daß maßgebend für die Höhe der auszugleichenden Versorgung ihr bei Ehezeitende erreichter Wert ist, zumal danach erworbene Anwartschaften auf Beitragszahlungen außerhalb der Ehezeit beruhen (vgl. etwa Senatsbeschluß BGHZ 81, 100, 123). Daß im Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich das Altersruhegeld bereits eingewiesen war, ist ohne Belang. Zwar hat es der Senat seit Einführung des Abänderungsverfahrens nach § 10a VAHRG aus Gründen der Verfahrensökonomie zugelassen, Änderungen tatsächlicher Art, die zwischen dem Ehezeitende und der Entscheidung über den Versorgungsausgleich eingetreten sind, bereits bei der Erstentscheidung zu berücksichtigen, um ein späteres Abänderungsverfahren zu vermeiden (ständige Rechtsprechung seit Senatsbeschluß vom 6. Juli 1988 – IVb ZB 151/84 FamRZ 1988, 1148). Dieser Gesichtspunkt greift bei Konstellationen der vorliegenden Art aber nicht durch, weil auch dann, wenn bei Ehezeitende der Bezug von Altersruhegeld nahe bevorsteht, für die Berechnung des Wertunterschiedes im Sinne von § 10a Abs. 1 Nr. 1 VAHRG nicht von dessen tatsächlichem Zahlbetrag auszugehen ist, sondern von dem sich aus den gesetzlichen Bewertungsvorschriften ergebenden Betrag. Eine Diskrepanz zwischen der Anwartschaftsbewertung und späterem Zahlbetrag der Rente ist kein Umstand, der rückwirkend den auf das Ende der Ehezeit bezogenen Wert der Versorgung verändern könnte, wie es für ein Abänderungsverfahren nach § 10a VAHRG erforderlich wäre (vgl. BT-Drucks. 10/6369 S. 21; s.a. Senatsbeschluß vom 25. September 1991 – XII ZB 161/88-, – FamRZ 1991, 1421, 1424 f). Sie ist auf den pauschalierenden und typisierenden Charakter der Barwertverordnung zurückzuführen und von dem ausgleichsberechtigten Ehegatten hinzunehmen (vgl. dazu MünchKomm/Dörr aaO § 10a- VAHRG Rdn. 48 ff.). Eine den Ausgleich nicht beeinflussende Diskrepanz ergibt sich etwa auch bezüglich künftiger Anpassungsraten bei der auszugleichenden Versorgung einerseits und bei den für den ausgleichsberechtigten Ehegatten begründeten Anrechten der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits (letztere sind erfahrungsgemäß vorteilhafter, vgl. die Übersicht bei Gutdeutsch FamRZ 1994, 612, 615). Das Oberlandesgericht hat nach allem zu Recht den Ehezeitanteil der bis zum 31. Dezember 1984 erworbenen Versorgungsanrechte des Ehemannes bei der BÄV gemäß § 1587a Abs. 2 Nr. 4 c BGB ermittelt und eine Dynamisierung mit Hilfe der Barwertverordnung vorgenommen (Abs. 3 Nr. 2 der Vorschrift). Die angesetzten Beträge, das Rechenwerk und die angewandte Ausgleichsform (§ 1 Abs. 3 VAHRG) lassen Fehler zum Nachteil der Ehefrau nicht erkennen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI609865

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