Leitsatz (amtlich)

Gegen die Zurückweisung eines Antrags, die Aussetzung des Entschädigungsverfahrens gem. § 201 Abs. 3 Satz 1 GVG aufzuheben und das Verfahren fortzusetzen, ist nicht die sofortige Beschwerde nach § 252 ZPO, sondern nur - unter den Voraussetzungen des § 574 Abs. 1 ZPO - die Rechtsbeschwerde statthaft (Bestätigung und Fortführung des Senatsbeschlusses v. 27.6.2012 - III ZB 45/12, NJW 2012, 2449).

 

Normenkette

GVG § 201 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1; ZPO § 252

 

Verfahrensgang

OLG Braunschweig (Beschluss vom 14.05.2018; Aktenzeichen 11 EK 11/18)

LG Göttingen (Aktenzeichen 14 (2) O 1137/07)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des OLG Braunschweig vom 14.5.2018 - 11 EK 11/18 - wird als unzulässig verworfen.

Gegenstandswert: 1.800 EUR

 

Gründe

I.

Rz. 1

Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung nach §§ 198 ff. GVG wegen überlanger Dauer eines Schadensersatzprozesses in Anspruch.

Rz. 2

Das Ausgangsverfahren, dem eine Schadensersatzklage eines Kapitalanlegers gegen den hiesigen Kläger zugrunde liegt, ist seit Oktober 2007 bei dem LG G. anhängig und Bestandteil eines rund 4.500 Verfahren umfassenden Komplexes (sog. "G. Gruppe").

Rz. 3

Das für die am 6.10.2014 eingegangene Entschädigungsklage zuständige OLG hat das Verfahren mit Beschluss vom 19.6.2015 gem. § 201 Abs. 3 Satz 1 GVG mit der Begründung ausgesetzt, das parallele Betreiben von Ausgangs- und Entschädigungsverfahren würde ersteres weiter verzögern. Mit Schriftsatz vom 19.11.2017 hat der Kläger die geltend gemachte Entschädigung für immaterielle Nachteile von 5.000 EUR auf 8.900 EUR erhöht und die Fortsetzung des Verfahrens unter gleichzeitiger Erhebung einer Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 GVG beantragt. Mit Beschluss vom 14.5.2018, gegen den sich der Kläger mit der sofortigen Beschwerde wendet, hat das OLG den Antrag, die Aussetzung aufzuheben und das Verfahren fortzusetzen, zurückgewiesen.

II.

Rz. 4

Das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde ist gegen den angefochtenen Beschluss nicht gegeben (§ 201 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GVG i.V.m. §§ 252, 567 Abs. 1 ZPO).

Rz. 5

Nach § 201 Abs. 3 Satz 1 GVG kann das (erstinstanzlich zuständige) OLG das Entschädigungsverfahren aussetzen, wenn das Ausgangsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 GVG abhängt, noch andauert. § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG bestimmt, dass im Entschädigungsprozess die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den LG im ersten Rechtszug entsprechend anwendbar sind. Der danach (auch) in Bezug genommene § 252 ZPO, der das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde sowohl gegen die Anordnung der Aussetzung als auch gegen die Ablehnung der Aufnahme eines ausgesetzten Verfahrens vorsieht (vgl. OLG Nürnberg MDR 2004, 231), steht im Zusammenhang mit der Regelung des § 567 Abs. 1 ZPO (dies übersieht Lorenz, Die Dogmatik des Entschädigungsanspruchs aus § 198 GVG, S. 265). Daraus ergibt sich, dass die sofortige Beschwerde nur gegen im ersten Rechtszug ergangene Entscheidungen der AG und LG statthaft ist. Bei allen Entscheidungen der OLG kommt das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschl. v. 27.6.2012 - III ZB 45/12, NJW 2012, 2449 Rz. 4 und Urt. v. 8.10.2015 - III ZR (Ü) 1/15, WM 2016, 530 Rz. 8 jeweils zu § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO bei Versagung von Prozesskostenhilfe im Entschädigungsprozess; Heßler in Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 567 Rz. 38 m.w.N.). An ihrer Stelle ist die Rechtsbeschwerde eröffnet, die entweder die generelle Zulassung im Gesetz (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) oder die Zulassung durch das OLG im Einzelfall (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) erfordert. Da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 1 ZPO im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind, kann dahinstehen, ob die unstatthafte sofortige Beschwerde ggf. als Rechtsbeschwerde auszulegen oder in eine solche umzudeuten wäre.

 

Fundstellen

Haufe-Index 12347120

NJW 2019, 376

NJW 2019, 9

FA 2019, 22

JurBüro 2019, 53

WM 2018, 2257

JZ 2019, 40

MDR 2019, 180

Mitt. 2019, 190

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