Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Festsetzung eines pfändungsfreien Betrags gem. § 850k Abs. 4 ZPO ist auch der sich aus § 42 Abs. 4 SGB II (in der seit 1.8.2016 geltenden Fassung) ergebende Pfändungsschutz zu berücksichtigen.

2. Werden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch für zurückliegende Zeiträume nachgezahlt, sind bei der Bemessung des pfändungsfreien Betrages gem. § 850k Abs. 4 ZPO die nachgezahlten Beträge den Leistungszeiträumen zuzurechnen, für die sie gezahlt werden (Fortführung von BGH, Beschl. v. 25.10.2012 - VII ZB 31/12, MDR 2013, 57; vgl. Beschl. v. 24.1.2018 - VII ZB 21/17).

 

Normenkette

ZPO § 850k Abs. 4; SGB II § 42 Abs. 4 Fassung: 2016-08-01

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 27.02.2017; Aktenzeichen 51 T 55/17)

AG Berlin-Schöneberg (Beschluss vom 02.01.2017; Aktenzeichen 30 M 4938/16)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss der Zivilkammer 51 des LG Berlin vom 27.2.2017 aufgehoben. Zudem wird der Beschluss des AG - Vollstreckungsgericht - Schöneberg vom 2.1.2017 aufgehoben, soweit er über die Aufhebung der mit Beschluss vom 15.11.2016 angeordneten einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung hinausgeht.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Antrag des Schuldners vom 22.9.2016, ergänzt durch den Antrag vom 15.11.2016, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an das AG - Vollstreckungsgericht - Schöneberg zurückverwiesen.

Bis eine rechtskräftige Entscheidung über den dem Schuldner für den Monat September 2016 zustehenden pfändungsfreien Betrag getroffen worden ist, darf das Guthaben dieses Monats weiterhin nicht an die Gläubigerin geleistet werden und ist es über einen Betrag von 1.073,88 EUR hinaus weiterhin der Verfügung des Schuldners entzogen.

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid wegen einer Forderung von 478,82 EUR nebst Zinsen. Sie erwirkte im Juli 2016 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin, eine Bank, aus einem näher bezeichneten Konto gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen wurden. Das Konto wird als Pfändungsschutzkonto i.S.v. § 850k ZPO geführt.

Rz. 2

Auf Antrag des Schuldners vom 17.6.2016 bewilligte ihm das Jobcenter mit Bescheid vom 5.9.2016 für den Zeitraum vom 1.7.2016 bis 31.12.2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch i.H.v. monatlich 910 EUR. Dem Pfändungsschutzkonto des Schuldners wurden deshalb im September 2016 insgesamt 3.640 EUR gutgeschrieben, und zwar am 8.9.2016 2.730 EUR als Nachzahlung für die Monate Juli bis September 2016 und am 30.9.2016 weitere 910 EUR für Oktober 2016.

Rz. 3

Am 22.9.2016, ergänzt am 15.11.2016, hat der Schuldner bei dem AG - Vollstreckungsgericht - beantragt, den unpfändbaren Betrag für den Monat September 2016 zu erhöhen. Nachdem das AG - Vollstreckungsgericht - zunächst mit Beschluss vom 15.11.2016 einstweilen die Zwangsvollstreckung eingestellt hatte, hat es mit weiterem Beschluss vom 2.1.2017 die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aufgehoben und überdies entsprechend dem Antrag des Schuldners den pfändungsfreien Betrag für den Monat September 2016 einmalig auf 3.640 EUR festgesetzt. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde der Gläubigerin zurückgewiesen; zudem hat es angeordnet, dass der für den Monat September 2016 einen Betrag von 1.073,88 EUR übersteigende Betrag bis zur Rechtskraft seiner Entscheidung nicht an den Schuldner ausgezahlt werden dürfe. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich die Gläubigerin weiterhin gegen eine Erhöhung des pfändungsfreien Betrags für den Monat September 2016.

II.

Rz. 4

Die gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen und zur Zurückverweisung der Sache an das AG - Vollstreckungsgericht.

Rz. 5

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, das AG habe zu Recht auf Antrag des Schuldners gem. § 850k Abs. 4 ZPO den pfändungsfreien Betrag für den Monat September 2016 einmalig auf 3.640 EUR festgesetzt.

Rz. 6

Zwar ermögliche § 850k Abs. 4 ZPO nicht das Durchbrechen des sich aus § 850k Abs. 1 ZPO ergebenden Zuflussprinzips in der Weise, dass das Vollstreckungsgericht eine erfolgte Nachzahlung auf die Monate umverteilen könne, für die die Nachzahlung erfolgt sei und sich der pfändbare Betrag aus der Summe der jeweils in diesen Monaten fiktiv pfändbaren Beträge ergebe.

Rz. 7

Gemäß § 850k Abs. 4 Satz 2 ZPO sei jedoch § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII entsprechend anzuwenden. Diese Norm bestimme, dass der Anspruch auf Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch nicht gepfändet werden könne. Gemäß § 850k Abs. 4 ZPO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII habe das Vollstreckungsgericht somit auf Antrag des Schuldners auf das Konto eingehende Sozialhilfeleistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch freizustellen. Entsprechendes habe in analoger Anwendung für die Grundsicherung für Arbeitssuchende gem. § 42 Abs. 4 SGB II zu gelten. Zwar habe der Gesetzgeber die Vorschrift des § 42 Abs. 4 SGB II nach dessen Inkrafttreten am 1.8.2016 (noch) nicht in den Katalog des § 850k Abs. 4 ZPO aufgenommen. Allerdings habe der Gesetzgeber den § 42 Abs. 4 SGB II gerade mit der Intention neu gefasst, eine Gleichstellung mit der Unpfändbarkeit der Sozialhilfe gem. § 17 Abs. 1 SGB XII herbeizuführen.

Rz. 8

2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis weitgehend stand.

Rz. 9

a) Mit § 850k Abs. 4 ZPO soll sichergestellt werden, dass das Vollstreckungsgericht in den für den allgemeinen Pfändungsschutz von Arbeitseinkommen und gleichgestellter Einkünfte vorgesehenen Fällen auch bei der Kontopfändung einen anderen pfändungsfreien Betrag festlegen kann (vgl. BT-Drucks. 16/7615, 20; Smid in MünchKomm/ZPO, 5. Aufl., § 850k Rz. 41 m.w.N.). Die Regelung verpflichtet das Vollstreckungsgericht, grundsätzlich das Gesamtkonzept des Lohnpfändungsrechts auf das Pfändungsschutzkonto zu beziehen (vgl. Ahrens, VuR 2014, 117, 118; Musielak/Voit/Becker, ZPO, 14. Aufl., § 850k Rz. 5).

Rz. 10

b) Wie das Beschwerdegericht im Ergebnis zutreffend annimmt, ist bei der Festsetzung eines pfändungsfreien Betrags gem. § 850k Abs. 4 ZPO auch die neugeschaffene, seit 1.8.2016 geltende Regelung des § 42 Abs. 4 SGB II zu berücksichtigen. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass diese Vorschrift in der Verweisung des § 850k Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht erwähnt ist.

Rz. 11

aa) Weder dem Wortlaut des § 850k Abs. 4 Satz 1 ZPO noch dem Wortlaut des § 850k Abs. 4 Satz 2 ZPO ist zu entnehmen, dass die Festsetzung eines abweichenden pfändungsfreien Betrags ausschließlich aufgrund der entsprechenden Anwendung der in Satz 2 genannten Vorschriften möglich ist. Die Aufzählung ist nicht abschließend.

Rz. 12

bb) Die Gesetzgebungshistorie lässt nicht erkennen, dass der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hätte, § 42 Abs. 4 SGB II in § 850k Abs. 4 Satz 2 ZPO zu erwähnen, weil dessen Regelungsgehalt bei der Festsetzung des pfändungsfreien Betrags nicht berücksichtigt werden solle.

Rz. 13

Bei Einführung des ab dem 1.7.2010 geltenden § 850k Abs. 4 ZPO wurden in dessen Satz 2 Vorschriften des Pfändungsschutzes von Arbeitseinkommen und gleichgestellter Einkünfte aufgeführt, um den oben angesprochenen Gleichlauf für das Pfändungsschutzkonto zu ermöglichen (vgl. BT-Drucks. 16/7615, 20; BT-Drucks. 16/12714, 20). Damals existierte die Vorschrift des § 42 Abs. 4 SGB II noch nicht, so dass ihre Erwähnung nicht in Betracht kam. Vielmehr waren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch zu dieser Zeit gem. § 54 Abs. 4 SGB I wie Arbeitseinkommen pfändbar (vgl. BT-Drucks. 18/8041, 56; BGH, Beschl. v. 25.10.2012 - VII ZB 31/12, MDR 2013, 57 Rz. 10 m.w.N.).

Rz. 14

Im Jahr 2016 ordnete der Gesetzgeber in § 42 Abs. 4 SGB II die Unpfändbarkeit des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an. Den Gesetzgebungsmaterialien ist nicht zu entnehmen, dass bei Einführung des § 42 Abs. 4 SGB II eine Erweiterung des Katalogs des § 850k Abs. 4 Satz 2 ZPO überhaupt in Betracht gezogen oder gar aus inhaltlichen Gründen unterlassen worden wäre.

Rz. 15

cc) Es ist schließlich kein Grund ersichtlich, der dafür sprechen könnte, den durch § 850k Abs. 4 ZPO bezweckten grundsätzlichen Gleichlauf des Pfändungsschutzes auf dem Pfändungsschutzkonto mit dem allgemeinen Pfändungsschutz in der Weise zu durchbrechen, dass der sich aus § 42 Abs. 4 SGB II ergebende Pfändungsschutz unbeachtlich wäre. Würde man dies annehmen, stünde der Leistungsempfänger deutlich schlechter als vor der Einführung dieser Vorschrift, weil der sich nach bisheriger Rechtslage aus § 54 Abs. 4 SGB I ergebende Pfändungsschutz gemäß dem Wortlaut des § 850k Abs. 4 Satz 2 ZPO einen entsprechenden Pfändungsschutz auf dem Pfändungsschutzkonto nach sich zog. Der Gesetzgeber hat mit Einführung des § 42 Abs. 4 SGB II aber gerade keine Schlechterstellung des Leistungsempfängers beabsichtigt. Vielmehr sollte nach der Begründung des Gesetzentwurfs sichergestellt werden, dass die der Sicherung des Existenzminimums dienenden Lebensunterhaltsleistungen des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch bei den leistungsberechtigten Personen verbleiben (vgl. BT-Drucks. 18/8041, 56).

Rz. 16

Der Begründung des Gesetzentwurfs ist zudem zu entnehmen, dass die Regelung zur Unpfändbarkeit des Anspruchs auf Sozialhilfe gem. § 17 Abs. 1 SGB XII entsprechend auf das Zweite Buch Sozialgesetzbuch übertragen werden sollte (vgl. BT-Drucks. 18/8041, a.a.O.). Es steht im Einklang mit dieser beabsichtigten Gleichstellung, wenn bei Beschlüssen gem. § 850k Abs. 4 ZPO der Pfändungsschutz gem. § 42 Abs. 4 SGB II ebenso berücksichtigt wird, wie dies für den Anspruch auf Sozialhilfe gem. § 850k Abs. 4 Satz 2 ZPO, § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII ausdrücklich vorgesehen ist.

Rz. 17

c) Nicht durchzudringen vermag die Rechtsbeschwerde mit ihrer Ansicht, bei Beschlüssen gem. § 850k Abs. 4 ZPO sei der sich aus § 42 Abs. 4 SGB II ergebende Pfändungsschutz nicht zu berücksichtigen, wenn er sich auf Nachzahlungen bezüglich zurückliegender Zeiträume bezieht.

Rz. 18

aa) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, Empfänger von Arbeitslosengeld II seien im Verhältnis zu Sozialhilfeempfängern aufgrund des sozialrechtlichen Aktualitätsgrundsatzes ("in praeteritum non vivitur") vermindert schutzbedürftig, soweit es um Leistungen für zurückliegende Zeiträume geht.

Rz. 19

Die Rechtsbeschwerde weist darauf hin, dass wegen des in § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II zum Ausdruck kommenden Aktualitätsgrundsatzes der Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch für zurückliegende Zeiträume eingeschränkt sei; der Gesetzesbegründung zufolge sollten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende im besonderen Maße die Deckung gegenwärtiger Bedarfe bewirken und werden deshalb ggf. nur für vergleichsweise kurze Zeiträume rückwirkend erbracht (vgl. BT-Drucks. 17/3404, 114 f.).

Rz. 20

Der von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommene Aktualitätsgrundsatz vermag allerdings im Falle der Gewährung von Leistungen für zurückliegende Zeiträume nicht zu rechtfertigen, den Leistungsempfänger als vermindert schutzwürdig anzusehen und ihm bezüglich der gewährten Leistungen Pfändungsschutz auf dem Pfändungsschutzkonto vorzuenthalten. Denn der fehlende Pfändungsschutz auf dem Pfändungsschutzkonto hätte zur Folge, dass die Leistungen im Ergebnis nicht dem Leistungsempfänger, sondern seinen Gläubigern zugutekämen. Das aber widerspräche dem Zweck der Leistungen. Lebensunterhaltsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, insb. Arbeitslosengeld II und Sozialgeld, dienen der Sicherung des Existenzminimums und sollen daher bei den leistungsberechtigten Personen verbleiben (vgl. BT-Drucks. 18/8041, 56).

Rz. 21

bb) Entgegen der Argumentation der Rechtsbeschwerde kann auch aus der Nichterwähnung des § 42 Abs. 4 SGB II im Katalog des § 850k Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht die gesetzgeberische Wertung abgelesen werden, ein Empfänger von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch sei vermindert schutzwürdig, soweit es um Leistungen für zurückliegende Zeiträume gehe. Für den Ausdruck einer solchen Wertung wäre die Nichterwähnung des § 42 Abs. 4 SGB II im Katalog des § 850k Abs. 4 Satz 2 ZPO schon deshalb ungeeignet, weil der genannte Katalog nicht nur für Leistungen hinsichtlich zurückliegender Zeiträume von Bedeutung ist, sondern auch für Leistungen, die sich auf den gegenwärtigen Zeitraum beziehen.

Rz. 22

cc) Nicht nachvollziehbar ist schließlich die Auffassung der Rechtsbeschwerde, aus § 850k Abs. 1 Satz 3 ZPO ergebe sich, dass die nachgezahlten Beträge dem Schuldner nicht zur Verfügung stehen dürften; zwar seien die Sozialleistungen nicht auf dem Pfändungsschutzkonto des Schuldners, sondern bei dem Sozialleistungsträger angespart worden, doch rechtfertige dieser Unterschied keine Besserstellung des Schuldners. Die Rechtsbeschwerde scheint anzunehmen, es gereiche dem Schuldner zum Nachteil, wenn er Guthaben nicht verbraucht, das er nicht verbrauchen kann, weil es ihm nicht zur Verfügung steht. Das liegt indes fern und ergibt sich auch nicht aus § 850k Abs. 1 Satz 3 ZPO.

Rz. 23

d) Aus dem Umstand allein, dass dem Schuldner für zurückliegende Zeiträume gezahlte Leistungen unpfändbar gem. § 42 Abs. 4 SGB II sind, kann allerdings - entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts - nicht geschlossen werden, dass dem Schuldner im Monat der Nachzahlung gem. § 850k Abs. 4 ZPO auf dem Pfändungsschutzkonto in jedem Fall ein pfändungsfreier Betrag in Höhe der Summe der unpfändbaren Leistungen zu gewähren wäre. Vielmehr ist dem Schuldner hinsichtlich der nachgezahlten Beträge lediglich in dem Umfang ergänzender Pfändungsschutz zu gewähren, wie ihm unter Anwendung von § 850k ZPO zugestanden hätte, wenn die Beträge in den Leistungszeiträumen gezahlt worden wären, auf die sie sich beziehen (vgl. beispielhaft für eine solche Berechnung LG Nürnberg-Fürth, JurBüro 2016, 494 ff., juris Rz. 9 ff.).

Rz. 24

Die beschriebene Zurechnung nachgezahlter Beträge zu den Leistungszeiträumen, für die sie gezahlt werden, ist bei Nachzahlungen wiederkehrender Bezüge allgemein anerkannt (vgl. BGH, Beschl. v. 25.10.2012 - VII ZB 31/12, MDR 2013, 57 Rz. 20; Beschl. v. 24.1.2018 - VII ZB 21/17; Ahrens, VuR 2014, 117; jeweils m.w.N.). Sie ist, da sie zum Gesamtkonzept des Lohnpfändungsrechts gehört, auch bei Beschlüssen gem. § 850k Abs. 4 ZPO maßgeblich (vgl. Ahrens, VuR 2014, 117, 118; Rein, ZVI 2016, 50, 51; LG Deggendorf, Beschl. v. 14.3.2017 - 12 T 17/17, juris Rz. 20; PG/Ahrens, ZPO, 9. Aufl., § 850k Rz. 48; Musielak/Voit/Becker, ZPO, 14. Aufl., § 850k Rz. 5; BeckOK ZPO/Riedel, Stand: 1.12.2017, § 850k Rz. 29b).

Rz. 25

Ohne die beschriebene Zurechnung könnte es zu einer ungerechtfertigten Bevorteilung eines Schuldners kommen, der in den Monaten, auf die sich die Nachzahlung bezieht, bereits Pfändungsschutz in Anspruch genommen hat. Dem Schuldner soll jedoch im Ergebnis auf dem Pfändungsschutzkonto weder mehr noch weniger Pfändungsschutz gewährt werden, als ihm zugestanden hätte, wenn die nachgezahlten Beträge in den Leistungszeiträumen gezahlt worden wären, auf die sie sich beziehen. Wären auf dem Pfändungsschutzkonto eines Schuldners beispielsweise im August 2016 Arbeitslosengeld II i.H.v. 910 EUR sowie sonstige grundsätzlich pfändbare Zahlungen i.H.v. 800 EUR eingegangen, so wäre ein Teil der Zahlungseingänge von 1.710 EUR pfändbar gewesen; es ist nicht geboten, dem Schuldner insgesamt mehr Pfändungsschutz zu gewähren, wenn das Arbeitslosengeld II erst später nachgezahlt wird.

Rz. 26

3. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Bislang ist nicht festgestellt, in welchem Umfang dem Schuldner zusätzlicher Pfändungsschutz zugestanden hätte, wenn die nachgezahlten Beträge in den Leistungszeiträumen gezahlt worden wären, auf die sie sich beziehen. Die Sache ist daher an das AG - Vollstreckungsgericht - zurückzuverweisen, §§ 577 Abs. 4 Satz 1, 572 Abs. 3 ZPO.

Rz. 27

Bei der Bemessung des Pfändungsschutzes, der dem Schuldner zugestanden hätte, wenn ihm die Zahlung für Juli 2016 bereits in diesem Monat zugeflossen wäre, wird zu berücksichtigen sein, dass § 42 Abs. 4 SGB II erst am 1.8.2016 in Kraft getreten ist und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch zuvor gem. § 54 Abs. 4 SGB I wie Arbeitseinkommen pfändbar waren (vgl. BT-Drucks. 18/8041, 56; BGH, Beschl. v. 25.10.2012 - VII ZB 31/12, MDR 2013, 57 Rz. 10 m.w.N.; Beschl. v. 24.1.2018 - VII ZB 21/17).

Rz. 28

Bei der neuen Beschlussfassung besteht Gelegenheit, in geeigneter Form sicherzustellen, dass dem Schuldner der pfändungsfreie Betrag tatsächlich zugutekommt. Hierfür könnte etwa angeordnet werden, dass der Schuldner über den pfändungsfreien Betrag des Monats September 2016, der über 1.073,88 EUR hinausgeht, bis Ende des Kalendermonats der Rechtskraft der Entscheidung verfügen darf, sowie zu bestimmen, dass - soweit über ihn bis dahin nicht verfügt wurde - der über 1.073,88 EUR hinausgehende Teil des pfändungsfreien Betrags des Monats September 2016 entsprechend § 850k Abs. 1 Satz 3 ZPO in dem darauffolgenden Kalendermonat nicht von der Pfändung erfasst wird.

Rz. 29

4. Die einstweilige Anordnung beruht auf §§ 850k Abs. 4 Satz 3, 732 Abs. 2 ZPO und setzt die durch das Beschwerdegericht getroffene einstweilige Anordnung fort.

 

Fundstellen

NJW 2018, 9

FamRZ 2018, 941

NJW-RR 2018, 504

FA 2018, 179

WM 2018, 734

DZWir 2018, 300

JZ 2018, 343

MDR 2018, 698

NZI 2018, 493

NZI 2018, 792

Rpfleger 2018, 394

VuR 2019, 192

ZInsO 2018, 926

FoVo 2019, 2

InsbürO 2018, 282

ZVI 2018, 371

GK/Bay 2018, 385

VIA 2018, 44

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