Verfahrensgang

LG Dresden (Urteil vom 22.06.2020; Aktenzeichen 424 Js 34441/19 14 KLs)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten H. wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 22. Juni 2020 dahin geändert, dass die Aussetzung der Vollstreckung der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe entfällt.

Die Staatskasse hat die Kosten dieses Rechtsmittels und die dem Angeklagten H. hierdurch erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

2. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das vorbenannte Urteil im Strafausspruch aufgehoben. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieses Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

Rz. 1

Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Den Angeklagten S. hat es wegen eines Falles des versuchten und zwei Fällen des vollendeten schweren Bandendiebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das auf die Aussetzung der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung beschränkte, mit der Sachrüge geführte Rechtsmittel des Angeklagten H. hat Erfolg. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten S. führt zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Rz. 2

1. Der Ausspruch über die Aussetzung der gegen den Angeklagten H. verhängten Freiheitsstrafe von neun Monaten kann nicht bestehen bleiben. Die Strafe war bereits im Zeitpunkt des Urteils durch die fast ein Jahr dauernde Untersuchungshaft verbüßt (§ 51 Abs. 1 Satz 1 StGB). Das Landgericht hat auch nicht gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 StPO von der Anrechnung abgesehen. Ist aber die Strafe infolge der Anrechnung bereits vollständig vollstreckt, entfällt die Strafaussetzung zur Bewährung (vgl. BGH, Beschluss vom 8. August 2017 – 3 StR 179/17 mwN). Der Senat ändert das Urteil in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO.

Rz. 3

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 3 StPO.

Rz. 4

2. Die Revision des Angeklagten S. hat teilweise Erfolg. Während der Schuldspruch keinen rechtlichen Bedenken begegnet, hat der Strafausspruch keinen Bestand.

Rz. 5

Das Landgericht hat eine Strafmilderung nach § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB nicht erörtert, obwohl es sich aufgrund seiner Feststellungen dazu hätte gedrängt sehen müssen. Danach hat sich der Angeklagte S. bereits im Ermittlungsverfahren teilgeständig eingelassen und sich zu den Mittätern geäußert, während der nicht revidierende Mitangeklagte K. eine Tatbeteiligung bestritten hat. Die Strafkammer hat ihm daher bei der Strafzumessung zugutegehalten, dass er den Strafverfolgungsbehörden zur „Aufklärung” der Taten verholfen habe. Angesichts dessen hätte sie sich mit einer Strafmilderung nach § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB auseinandersetzen müssen, um eine revisionsrechtliche Überprüfung seiner Strafrahmenwahl zu ermöglichen. Dass der Angeklagte lediglich ein Teilgeständnis abgelegt hat, steht der Anwendung des § 46b Abs. 1 StGB nicht entgegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Februar 2013 – 4 StR 553/12, BGHR StGB § 46b Abs. 1 Nr. 1 Aufdeckung 1; vom 27. März 2012 – 3 StR 83/12, NStZ-RR 2012, 201).

Rz. 6

Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO), weil der Senat trotz der verhängten milden Strafen nicht ausschließen kann, dass die Strafkammer ohne ihn noch niedrigere Einzelstrafen und eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe festgesetzt hätte. Es kann daher dahinstehen, ob es einen durchgreifenden Rechtsfehler darstellt, dass das Landgericht das Vorliegen eines minder schweren Falles nach § 244a Abs. 2 StGB nicht erörtert hat. Angesichts des bereits kurz nach der Festnahme abgelegten (Teil-)Geständnisses und der bisherigen Unbestraftheit des Angeklagten hätte jedenfalls im Fall der nicht über das Versuchsstadium hinausgelangten Tat eine Prüfung nicht ferngelegen (vgl. zur Bedeutung der Unbestraftheit BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2015 – 3 StR 416/15, StV 2017, 34).

 

Unterschriften

Cirener, Gericke, Köhler, Resch, von Häfen

 

Fundstellen

Dokument-Index HI14284979

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