Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang des Rechtsschutzes im Nebenverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Gegen eine die Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht ablehnende Entscheidung in Verfahren, in denen die Entscheidung zur Hauptsache nicht anfechtbar ist (hier: einstweilige Anordnungen nach §§ 620, 620b oder 644 ZPO), findet die sofortige Beschwerde nicht statt.

 

Normenkette

ZPO § 127 Abs. 2 S. 2 Hs. 2, § 620c S. 2

 

Verfahrensgang

OLG Bamberg (Beschluss vom 27.11.2002; Aktenzeichen 2 WF 215/02)

AG Bamberg

 

Tenor

Der Antragstellerin wird für das Verfahren der Rechtsbeschwerde ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Prof. Dr. Krämer beigeordnet.

Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats - Familiensenat - des OLG Bamberg v. 27.11.2002 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Das AG - FamG - wies den Antrag der Antragstellerin, Trennungs- und Kindesunterhalt i.H.v. zusammen 1.296 EUR monatlich durch einstweilige Anordnung nach § 644 ZPO zu regeln, durch Beschluss v. 24.7.2002 als unzulässig zurück. Ihren Antrag, ihr hierfür Prozesskostenhilfe zu gewähren, wies es mit weiterem Beschluss v. 1.10.2002 unter Hinweis auf den vorausgegangenen Beschluss zurück.

Das OLG, dessen Entscheidung in FamRZ 2004, 38 veröffentlicht ist (OLG Bamberg v. 27.11.2002 - 2 WF 215/02, OLGReport Bamberg 2003, 297 = FamRZ 2004, 38), verwarf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Prozesskostenhilfe verweigernden Beschluss als unzulässig mit der Begründung, die Entscheidung über den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung sei nach §§ 644 S. 2, 620c S. 2 ZPO unanfechtbar; deshalb sei in entsprechender Anwendung des § 127 Abs. 2 S. 2 2. Halbs. ZPO auch eine sofortige Beschwerde gegen die mit mangelnder Erfolgsaussicht begründete Versagung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der einstweiligen Anordnung nicht statthaft.

Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, die das OLG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage analoger Anwendung des § 127 Abs. 2 S. 2 2. Halbs. ZPO auf Prozesskostenhilfeentscheidungen im Rahmen einstweiliger Anordnungen zugelassen hat.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, und auch im Übrigen zulässig.

Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden, § 574 Abs. 3 S. 2 ZPO. Zwar kommt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen eine die Prozesskostenhilfe versagende Entscheidung unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) oder der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nur in Betracht, wenn es um Fragen des Verfahrens der Prozesskostenhilfe oder der persönlichen Voraussetzungen ihrer Bewilligung geht (BGH, Beschl. v. 4.8.2004 - XII ZA 6/04, BGHReport 2005, 26 = MDR 2005, 94 = FamRZ 2004, 1633 [1634]; Beschl. v. 21.11.2002 - V ZB 40/02, MDR 2003, 477 = BGHReport 2003, 407 = FamRZ 2003, 671). Das ist hier indessen der Fall, da es um die Frage geht, ob der Beschwerdeweg im Prozesskostenhilfeverfahren auch dann über den Rechtsweg der Hauptsache hinausgehen kann, wenn Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht versagt wurde.

2. Die Rechtsbeschwerde hat aber aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses keinen Erfolg.

Durch seine Verweisung auf den die einstweilige Anordnung ablehnenden Beschluss hat das AG die Verweigerung der Prozesskostenhilfe (allein) auf mangelnde Erfolgsaussicht gestützt.

Zu Recht hat das OLG eine sofortige Beschwerde hiergegen in entsprechender Anwendung des § 127 Abs. 2 S. 2 2. Halbs. ZPO als nicht statthaft angesehen.

Nach dieser Vorschrift findet die sofortige Beschwerde gegen eine die Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht verweigernde Entscheidung nicht statt, wenn der Wert des Streitgegenstandes der Hauptsache die Wertgrenze für die Zulässigkeit der Berufung (§ 511 ZPO) nicht übersteigt.

a) Hier liegt der Wert des Streitgegenstandes des Verfahrens der einstweiligen Anordnung zwar über dieser Wertgrenze. Auch sieht der Wortlaut des § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO - abgesehen von dem ausdrücklich geregelten Fall mangelnder Berufungsfähigkeit der Hauptsache wegen Nichterreichens der Berufungssumme - keine weiteren Ausnahmen von der generellen Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde gegen eine die Prozesskostenhilfe ablehnende Entscheidung vor, auch nicht für Verfahren, in denen der Rechtszug zum Beschwerde- oder Berufungsgericht von vornherein nicht eröffnet ist.

Um ein solches Verfahren handelt es sich hier. Denn einstweilige Unterhaltsanordnungen (§§ 620 Nr. 4, 644 ZPO) unterliegen keinem Rechtsbehelf, da eine sofortige Beschwerde nicht statthaft ist (§ 620c S. 2 ZPO), was verfassungsrechtlich unbedenklich ist (BVerfG, Beschl. v. 9.11.1979 - BvR 610/79, NJW 1980, 386). Unanfechtbar ist auch die Ablehnung einer einstweiligen Anordnung, und zwar auch dann, wenn der Antrag als unzulässig zurückgewiesen wurde (Zöller/Philippi, ZPO, § 620c Rz. 3, m.w.N.).

b) Dies steht einer entsprechenden Anwendung der Vorschrift aber nicht entgegen, sondern lässt sie vielmehr geboten erscheinen.

Schon vor der ZPO-Reform folgte die weit überwiegende Rechtsprechung dem Grundsatz, dass der Rechtsschutz in einem Nebenverfahren wie dem der Prozesskostenhilfe nicht über den Rechtsweg in der Hauptsache hinausgehen kann, auch um zu vermeiden, dass Instanz- und Rechtsmittelgericht im abgeschlossenen Hauptsacheverfahren und mehrstufigen Nebenverfahren zu einander widersprechenden Entscheidungen gelangen (BGHZ 53, 369 [372]; BFH, Beschl. v. 11.6.1999 - VIII B 44/98, BFH/NV 1999, 1501 f., m.w.N.; OLG Köln, Beschl. v. 27.12.2000 - 27 WF 231/00, FamRZ 2001, 1535; OLG Naumburg v. 13.3.2000 - 3 WF 23/00, FamRZ 2001, 358; OLG Frankfurt v. 29.5.1995 - 3 WF 44/95, FamRZ 1996, 746 f.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.7.1991 - 3 WF 114/91, FamRZ 1991, 1325 [1326]; OLG Koblenz v. 30.9.1988 - 13 WF 1207/88, FamRZ 1989, 200; a.A. LG Karlsruhe NJW 1978, 1168).

Bei der Vorbereitung der ZPO-Reform war diese ständige Rechtsprechung bekannt. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber ihr durch die mit Wirkung zum 1.1.2002 in Kraft getretene Neufassung des § 127 Abs. 2 ZPO teilweise den Boden hätte entziehen wollen, nämlich für Verfahren, in denen eine zweite Instanz von vornherein nicht eröffnet ist, sind nicht ersichtlich. Vielmehr sollte diese Rechtsprechung durch die Neufassung der Vorschrift Eingang in das Gesetz finden (Hannich/Meyer-Seitz/Schwartze, ZPO-Reform 2002, § 567 Rz. 40, § 127 Rz. 4 f.). So heißt es in der amtlichen Begründung zu § 127 ZPO (BT-Drucks. 14/4722, 75 f.) wörtlich:

"Damit wird erreicht, dass im Verfahren über die Prozesskostenhilfe nicht ein weiter gehender Instanzenzug zur Verfügung steht als in der Hauptsache. Insbesondere wird der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen begegnet, zu denen es käme, wenn das Beschwerdegericht die Erfolgsaussicht abweichend von dem in der Hauptsache abschließend entscheidenden Gericht des ersten Rechtszuges beurteilt."

Nur die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf Verfahren der vorliegenden Art wird daher dem mit ihrer Neufassung verfolgten Zweck gerecht. Sie vermeidet zudem Verzögerungen, die sich durch das Hin- und Hersenden der Akten zum und vom Beschwerdegericht vor allem im Hinblick darauf ergeben könnten, dass einstweilige Anordnungen dieser Art von dem Gericht, das sie erlassen hat, auf Antrag grundsätzlich jederzeit aufgehoben oder abgeändert werden können, § 620b ZPO (im Ergebnis ebenso: OLG Naumburg v. 4.2.2003 - 8 WF 248/02, OLGReport Naumburg 2003, 542 = FamRZ 2004, 478; OLG Köln v. 13.3.2003 - 14 WF 5/03, FamRZ 2004, 39 [40]; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 127 Rz. 17; Zöller/Philippi, ZPO, § 127 Rz. 47; Musielak/Fischer, ZPO, 4. Aufl., § 127 Rz. 19; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., Rz. 3; Johannsen/Henrich/Thalmann, Eherecht, 4. Aufl., § 127 ZPO Rz. 27; Eschenbruch/Klinkhammer, Der Unterhaltsprozess, Rz. 5216; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Aufl. Rz. 869; Zimmermann, Prozesskostenhilfe in Familiensachen, 2. Aufl., Rz. 738).

Soweit OLG Brandenburg (OLG Brandenburg v. 25.11.2002 - 9 WF 202/02, FamRZ 2003, 1398) in diesen Fällen die Statthaftigkeit und Zulässigkeit einer sofortigen Beschwerde bejaht, sie aber für (stets) unbegründet hält, weil die negative Beurteilung der Erfolgsaussicht durch das FamG auch für das Beschwerdegericht maßgeblich sei, ist dem entgegenzuhalten, dass es sinnlos wäre, eine sofortige Beschwerde gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe stattfinden zu lassen, die von vornherein nicht zur Abänderung dieser Entscheidung führen kann; zumindest würde das Rechtsschutzinteresse fehlen.

 

Fundstellen

BGHR 2005, 665

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