Entscheidungsstichwort (Thema)

Doppelstockgarage. Wohnungseigentumsanlage. Bruchteilseigentum. Nutzung der einzelnen Stellplätze. Zuweisung der Gebrauchsregelung. Vereinbarung. Wohnungseigentumssache. Gebrauchsregelung. Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes. Rechtsstaatsprinzip

 

Leitsatz (amtlich)

Steht eine Doppelstockgarage in einer Wohnungseigentumsanlage im Bruchteilssondereigentum mehrerer Personen, können die Bruchteilseigentümer die Nutzung der einzelnen Stellplätze gem. §§ 745 Abs. 1, 1010 BGB regeln; zulässig ist aber auch eine Zuweisung der Stellplätze mittels Gebrauchsregelung durch Vereinbarung aller Wohnungs- und Teileigentümer gem. § 15 Abs. 1 WEG.

Streitigkeiten zwischen Bruchteilssondereigentümern über die Benutzung der Stellplätze sind unabhängig von der Rechtsgrundlage der Benutzungsregelung stets Wohnungseigentumssachen i.S.v. § 43 Nr. 1 WEG.

 

Normenkette

BGB § 745 Abs. 1; WEG § 15 Abs. 1, § 43 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Beschluss vom 04.07.2013; Aktenzeichen 7 S 8/13)

AG Wiesbaden (Entscheidung vom 13.03.2013; Aktenzeichen 92 C 1007/12 (13))

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des LG Wiesbaden vom 4.7.2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden hat.

 

Gründe

A.

Rz. 1

Die Parteien sind Miteigentümer des Sondereigentums an einem Doppelparker in einer Wohnungseigentumsanlage. Die Beklagten nutzen den oberen Stellplatz. Die Klägerin nutzt - wie zuvor ihre Rechtsvorgängerin - den unteren Stellplatz; sie will eine monatlich wechselnde Nutzungsregelung hinsichtlich der beiden Stellplätze erreichen. Der darauf gerichteten Klage hat das AG gestützt auf § 745 Abs. 2 BGB stattgegeben. Das LG Wiesbaden hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen.

B.

Rz. 2

Das Berufungsgericht sieht das LG Frankfurt/M. als das gem. § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG zuständige Gericht an. Es handele sich um eine Wohnungseigentumssache gem. § 43 Nr. 1 WEG. Denn zwischen sämtlichen Wohnungseigentümern liege eine Gebrauchsregelung i.S.d. § 15 WEG vor, nach der der Klägerin der untere und den Beklagten der obere Stellplatz zugewiesen sei. Dies ergebe sich aus einer Mitteilung des Verwalters, die als Beschluss der Wohnungseigentümer gem. § 15 WEG anzusehen sei und die Streitigkeit in der zwischen den Parteien bestehenden Bruchteilsgemeinschaft überlagere.

C.

Rz. 3

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

Rz. 4

I. Sie ist gem. §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Ein Zulassungsgrund ist gegeben, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S.v. § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Das Berufungsgericht hat den Beklagten den Zugang zu dem von der Zivilprozessordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Dies verletzt ihren Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284) und eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (BGH, Beschl. v. 23.10.2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368 m.w.N.).

Rz. 5

II. Das Rechtsmittel ist auch in der Sache begründet.

Rz. 6

1. Allerdings sieht das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht das LG Frankfurt/M. als das gem. § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG für Wohnungseigentumssachen zuständige Berufungsgericht an.

Rz. 7

a) Zu den Wohnungseigentumssachen gehören gem. § 43 Nr. 1 WEG u.a. Streitigkeiten über die sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ergebenden Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander; diese Bestimmung ist weit auszulegen (BGH, Beschlüsse v. 10.12.2009 - V ZB 67/09, ZfIR 2010, 187 Rz. 7 und vom 8.7.2010 - V ZB 220/09, NJW 2011, 384 Rz. 7). Ausschlaggebend für die Zuständigkeit des Gerichts ist nicht die jeweilige Rechtsgrundlage, aus der die Ansprüche hergeleitet werden, sondern allein der Umstand, ob das von einem Wohnungseigentümer in Anspruch genommene Recht oder die ihn treffende Pflicht in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit steht, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachsen ist (BGH, Urt. v. 30.6.1995 - V ZR 118/94, BGHZ 130, 159, 165).

Rz. 8

b) Daran gemessen ist der Rechtsstreit als Wohnungseigentumssache i.S.v. § 43 Nr. 1 WEG einzuordnen.

Rz. 9

aa) Streitigkeiten, die die internen Rechtsbeziehungen von Bruchteilssondereigentümern betreffen, sind allerdings im Grundsatz keine Wohnungseigentumssachen (BayObLG NJW-RR 1995, 588, 589; Klein in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 43 Rz. 65; Suilmann in Jennißen, WEG, 3. Aufl., § 43 Rz. 25; Staudinger/Rapp, BGB [2005], § 5 WEG Rz. 14; Reichel-Scherer, in: jurisPK/BGB, 6. Aufl., § 43 WEG Rz. 34; Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 43 Rz. 15; Riecke/Schmid/Abramenko, WEG, 3. Aufl., § 43 Rz. 10). Denn weder bilden die Bruchteilseigentümer eine Wohnungseigentümergemeinschaft noch sind deren Binnenbeziehungen Gegenstand des Gemeinschaftsverhältnisses der Wohnungseigentümer. Maßgeblich ist nicht das Wohnungseigentums-, sondern das allgemeine Zivilrecht. Daher sind die allgemeinen Zivilgerichte zuständig, wenn Wohnungseigentum im Bruchteilseigentum mehrerer Personen steht und deren Rechtsbeziehungen untereinander Gegenstand eines Rechtsstreits sind.

Rz. 10

bb) Eine Ausnahme bilden jedoch die internen Beziehungen von Bruchteilseigentümern, in deren Teileigentum eine Doppelstockgarage (bzw. ein Mehrfachparker) steht.

Rz. 11

(1) In dieser Fallgestaltung kommt die Zuweisung fester Stellplätze an die Miteigentümer auf der Grundlage von Sondernutzungsrechten i.S.v. § 5 Abs. 4 Satz 2 WEG nicht in Betracht (so aber wohl Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rz. 2836; Klein in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 13 Rz. 113; Langhein, Notar 2012, 290), weil Sondernutzungsrechte nur an gemeinschaftlichem Eigentum bestehen können (vgl. BT-Drucks. 16/887, 16). Vielmehr bedarf es einer internen Nutzungsregelung zwischen den Bruchteilseigentümern (vgl. BGH, Beschl. v. 10.5.2012 - V ZB 279/11, NJW-RR 2012, 1157 Rz. 12).

Rz. 12

(2) Eine solche auf Dauer angelegte Benutzungsregelung können Bruchteilseigentümer gem. § 745 Abs. 1 BGB treffen; in den Grenzen des § 745 Abs. 3 BGB können sie die Nutzung ihres Eigentums ganz oder in Teilen einem einzelnen Teilhaber überlassen (vgl. BGH, Hinweisbeschluss v. 20.10.2008 - II ZR 246/07, NJW 2009, 1270, 1271 m.w.N.). Gemäß § 1010 BGB bedarf eine solche Regelung allerdings der Eintragung in das Grundbuch, wenn sie auch gegenüber Sondernachfolgern wirken soll. Nach verbreiteter Ansicht, der das Berufungsgericht folgt, ist als weitere Gestaltungsmöglichkeit eine Gebrauchsregelung durch Vereinbarung aller Wohnungs- und Teileigentümer gem. § 15 Abs. 1 WEG zulässig (BayObLGZ 1994, 195 ff.; OLG Frankfurt, NZM 2001, 527; OLG Jena, ZWE 2000, 232 f.; OLG Nürnberg, ZWE 2011, 419, 420; Demharter, GBO, 29. Aufl., Anhang zu § 3 Rz. 31; Schultzky in Jennißen, WEG, 3. Aufl., § 15 Rz. 64; Frank, MittBayNot 1994, 512, 513; Schneider, Rpfleger 1998, 9, 12 f.; v. Oefele, MittBayNot 2000, 441 f.; Schmidt, ZWE 2000, 207 f.). Zuständig seien insoweit die Wohnungseigentumsgerichte (so BayObLGZ 1994, 195, 199; OLG Frankfurt, NZM 2001, 527). Andere halten derartige Gebrauchsregelungen für unzulässig (Palandt/Bassenge, BGB, 73. Aufl., § 15 WEG Rz. 1; Kümmel in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 10. Aufl., § 15 Rz. 1; Hügel, NZM 2004, 766 ff.; Schöner, Rpfleger 1997, 416 ff.; Basty, Rpfleger 2001, 169 ff.).

Rz. 13

(3) Der Senat sieht die - seit geraumer Zeit üblichen und von den Grundbuchämtern gebilligten - Gebrauchsregelungen gem. § 15 Abs. 1 WEG, die die Benutzung von Mehrfachparkern betreffen, als zulässig an. Dagegen spricht allerdings, dass die Binnenbeziehung von Bruchteilseigentümern - wie ausgeführt - im Grundsatz keinen Gemeinschaftsbezug aufweist. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Eigentümer von Mehrfachparkern - anders als Bruchteilseigentümer von Wohnungseigentum - typischerweise nicht in einer persönlichen Verbindung zueinander stehen, sondern eine zufällige Gemeinschaft bilden. Dauerhafte und klare Nutzungsregelungen, die eine Einigung der Bruchteilseigentümer untereinander entbehrlich machen, dienen daher dem Frieden in der Gemeinschaft; hierin ist ein noch ausreichender Gemeinschaftsbezug zu sehen (Riecke/Schmid/Abramenko, WEG, 3. Aufl., § 15 Rz. 8). Weil sowohl eine Benutzungsregelung nach § 745 BGB als auch eine Gebrauchsregelung nach § 15 Abs. 1 WEG zulässig ist, kann dahinstehen, ob und ggf. welche Vor- und Nachteile diese Gestaltungswege jeweils aufweisen.

Rz. 14

(4) Für die Einordnung des Rechtsstreits als Wohnungseigentumssache gem. § 43 Nr. 1 WEG ist es unerheblich, ob die Feststellungen tatsächlich den Schluss erlauben, dass hier eine Gebrauchsregelung gem. § 15 Abs. 1 WEG besteht oder ob vielmehr - wie das AG gemeint hat - eine Benutzungsregelung gem. § 745 Abs. 2 BGB zu treffen ist. Denn die Zuständigkeit des Zivil- oder des Wohnungseigentumsgerichts darf aus Gründen der Rechtswegklarheit nicht von der konkreten Ausgestaltung der Benutzungsregelung abhängen. Andernfalls würde der Rechtsschutz erschwert, wenn - wie hier - das Gericht erster Instanz eine Benutzungsregelung gem. § 745 Abs. 2 BGB trifft, während das Berufungsgericht von dem Vorliegen einer Gebrauchsregelung gem. § 15 WEG ausgeht und infolgedessen die Wohnungseigentumsgerichte für zuständig hält.

Rz. 15

2. Obwohl nach alledem das LG Frankfurt/M. zuständiges Berufungsgericht ist, hat die Verwerfung der Berufung als unzulässig den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verletzt. Denn nach der Rechtsprechung des Senats kann die Berufungsfrist in Ausnahmefällen auch durch Anrufung des funktionell unzuständigen Berufungsgerichts gewahrt und der Rechtsstreit entsprechend § 281 ZPO an das zuständige Gericht verwiesen werden. So verhält es sich, wenn die Frage, ob eine Streitigkeit i.S.v. § 43 Nr. 1 bis 4 und Nr. 6 WEG vorliegt, für bestimmte Fallgruppen noch nicht höchstrichterlich geklärt ist und man über deren Beantwortung - wie hier - mit guten Gründen unterschiedlicher Auffassung sein kann (näher BGH, Beschl. v. 10.12.2009 - V ZB 67/09, ZfIR 2010, 187 Rz. 9 ff.). Aus diesem Grund hätte das Berufungsgericht gem. § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO darauf hinwirken müssen, dass die Beklagten einen Antrag auf Verweisung an das zuständige LG Frankfurt/M. in entsprechender Anwendung von § 281 ZPO stellen.

D.

Rz. 16

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass nach den bislang getroffenen Feststellungen keine Gebrauchsregelung der Wohnungseigentümer gem. § 15 Abs. 1 WEG besteht, die die Klägerin binden könnte. Dass diese an einer solchen Vereinbarung mitgewirkt hätte, ist nicht ersichtlich. Eine Vereinbarung ist auch nicht im Grundbuch eingetragen (vgl. § 10 Abs. 3 WEG). Dass die Wohnungseigentümer einen Mehrheitsbeschluss gem. § 15 Abs. 2 WEG gefasst hätten, stellt das Berufungsgericht schon nicht fest; es verweist lediglich auf eine Aufstellung des Verwalters über die Nutzung der Stellplätze, die offenkundig keinen Beschluss der Wohnungseigentümer wiedergibt. Jedenfalls fehlte es an der erforderlichen Beschlusskompetenz. Denn nach der Rechtsprechung des Senats kann ein Sondernutzungsrecht am gemeinschaftlichen Eigentum nur durch Vereinbarung und nicht durch Mehrheitsbeschluss eingeräumt werden (BGH, Beschl. v. 20.9.2000 - V ZB 58/99, BGHZ 145, 158, 162 ff.). Nichts anderes gilt für die hier zu beurteilenden Gebrauchsregelungen, weil auch sie - in den Auswirkungen vergleichbar - mit einem Ausschluss vom Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Teileigentums einhergehen und deshalb keine Konkretisierung des Gebrauchs i.S.v. § 15 Abs. 2 WEG betreffen (vgl. zu diesem Aspekt BGH, Beschl. v. 20.9.2000 - V ZB 58/99, BGHZ 145, 158, 167).

 

Fundstellen

Haufe-Index 6705705

NJW 2014, 1879

NJW 2014, 6

BauR 2014, 1193

EBE/BGH 2014, 135

DNotI-Report 2014, 69

MittBayNot 2014, 442

NZG 2014, 576

NZM 2014, 395

ZMR 2015, 232

ZfIR 2014, 441

DAR 2014, 320

DNotZ 2014, 448

JZ 2014, 336

MDR 2014, 520

Rpfleger 2014, 362

WuM 2014, 359

ZWE 2014, 211

MietRB 2014, 172

MietRB 2014, 173

NJW-Spezial 2014, 385

NotBZ 2014, 217

ZNotP 2014, 185

BBB 2014, 60

IWR 2014, 74

MK 2014, 92

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