Verfahrensgang

AG Eschwege

OLG Frankfurt am Main

 

Gründe

I. Der am 23. April 1936 geborene Ehemann (Antragsteller) und die am 22. Oktober 1938 geborene Ehefrau (Antragsgegnerin) haben am 27. November 1959 die Ehe geschlossen, aus der zwei in den Jahren 1960 und 1967 geborene Kinder hervorgegangen sind.

Auf den am 29. Mai 1987 zugestellten Scheidungsantrag des Ehemannes hat das Amtsgericht - Familiengericht - in Eschwege durch Urteil vom 16. Mai 1988 die Ehe der Parteien vorab geschieden (insoweit rechtskräftig).

Beide Parteien haben während der Ehezeit (1. November 1959 bis 30. April 1987, § 1587 Abs. 2 BGB) Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, die für den Ehemann in der Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA, weitere Beteiligte zu 1) vom 25. August 1987 mit monatlich 1.442 DM und für die Ehefrau in der Auskunft der Landesversicherungsanstalt Hessen (LVA, weitere Beteiligte zu 2) vom 19. Juli 1988 mit monatlich 59, 80 DM mitgeteilt worden sind. Der Ehemann hat außerdem aufgrund einer seit dem 23. April 1956 andauernden Betriebszugehörigkeit bei der Firma P. H. GmbH E. (früher M. F. GmbH) ein unverfallbares Versorgungsanrecht erlangt, dessen Höhe diese für den Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahres des Ehemannes am 23. April 2001 mit einem Betrag von jährlich 4. 652, 64 DM angegeben hat. Nach der ursprünglichen Versorgungsregelung steigen die betrieblichen Versorgungsanwartschaften bei einem Verbleib des Ehemannes in dem Arbeitsverhältnis bis zur Altersgrenze einkommensabhängig weiter an; scheidet er hingegen vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis aus, dann werden die gemäß § 2 Abs. 1 BetrAVG ermittelten Anwartschaften aufgrund des § 2 Abs. 5 BetrAVG nicht weiter angepaßt.

Aufgrund einer Betriebsvereinbarung ist das ruhegeldfähige Einkommen zur Zeit auf dem Stand vom 28. Februar 1983 "eingefroren".

Das Amtsgericht - Familiengericht - hat den Versorgungsausgleich dahin geregelt, daß es von dem Versicherungskonto des Ehemannes bei der BfA Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 722, 59 DM, bezogen auf den 30. April 1987, auf das Konto der Ehefrau bei der LVA übertragen hat. Dieser Regelung hat es neben dem Rentensplitting in Höhe der Hälfte der Differenz zwischen den beiderseits erworbenen Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung (1.442 DM - 59, 80 DM = 1. 382, 20 DM; davon 1/2 = 691, 10 DM) ein erweitertes Splitting gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG in Höhe von 31, 49 DM zugrunde gelegt. Den Betrag hat es in der Weise ermittelt, daß es den auf die Ehezeit entfallenden Anteil des betrieblichen Versorgungsanrechts des Ehemannes von jährlich 2. 838, 11 DM mit Hilfe des Kapitalisierungsfaktors 4, 20 (gemäß Tabelle 1 der Barwertverordnung) und unter Anwendung der Rechengrößenverordnung in eine dynamische Rente von monatlich 62, 97 DM umgerechnet hat. Die Hälfte dieses Betrages hat das Familiengericht durch das erweiterte Splitting auf die Ehefrau übertragen.

Gegen die Entscheidung über den Ausgleich der betrieblichen Altersversorgung des Ehemannes hat die Ehefrau Beschwerde erhoben mit dem Ziel, einerseits insoweit von dem erweiterten Splitting nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG abzusehen und ihr statt dessen den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorzubehalten und zum anderen mit dem Begehren, das betriebliche Anrecht des Ehemannes höher zu bewerten als von dem Familiengericht angenommen.

Auf die Beschwerde hat das Oberlandesgericht die Entscheidung des Familiengerichts dahin abgeändert, daß Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 747, 32 DM, bezogen auf den 30. April 1987, vom Versicherungskonto des Ehemannes auf das Konto der Ehefrau übertragen werden. Die weitergehende Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.

Mit der zugelassenen weiteren Beschwerde erstrebt der Ehemann die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung. Die Ehefrau hat ihre zunächst ebenfalls eingelegte weitere Beschwerde wieder zurückgenommen.

II. Das Rechtsmittel des Ehemannes hat Erfolg.

1. Das Oberlandesgericht hat die Anwartschaften des Ehemannes auf die betriebliche Altersversorgung bei der Firma P. höher bewertet als das Familiengericht. Es hat sich unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 5. Oktober 1987 (2 UF 76/87 = FamRZ 1988, 74) auf den Standpunkt gestellt, für die Umrechnung der Anwartschaften sei hier die Tabelle 4 zur Barwertverordnung - betreffend den Barwert einer (nur) bis zum Leistungsbeginn volldynamischen Anwartschaft gemäß § 3 Abs. 2 der Verordnung - jedenfalls deshalb anzuwenden, weil der ausgleichspflichtige Ehemann mittlerweile 55 Jahre alt und sein vorzeitiges Ausscheiden bei seinem jetzigen Arbeitgeber eher unwahrscheinlich sei. Sollte sich diese Prognose dennoch als unrichtig erweisen, so benachteilige dies den Ehemann nicht, weil er dann eine Abänderung der Entscheidung nach § 10a VAHRG beantragen könne. Das Oberlandesgericht hat demgemäß die ehezeitlich erworbene betriebliche Anwartschaft des Ehemannes von jährlich 2. 838, 11 DM mit Hilfe eines Barwertfaktors von 7,50 und unter Heranziehung der Rechengrößenverordnung in eine dynamische Rente von 112, 44 DM umgerechnet. In Höhe der Hälfte dieses Betrages, von 56, 22 DM, hat es das erweiterte Splitting nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG bestätigt.

2. Hiergegen wendet sich der Ehemann zu Recht. Wie der Senat mit Beschluß vom 12. April 1989 (IVb ZB 146/86 = BGHR BGB § 1587a Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 Unverfallbarkeit 5 = FamRZ 1989, 844; bestätigt in den Beschlüssen vom 25. September 1991 - XII ZB 161/88 = BGHR BGB § 1587a Abs. 4 Dynamisierung 1 = FamRZ 1991, 1421, 1424 f. und - XII ZB 165/88 = BGHR BGB § 1587a Abs. 2 Nr. 3 Wertermittlung 5 = FamRZ 1991, 1416, 1419) entschieden hat, sind Anrechte der privaten betrieblichen Altersversorgung, die im Anwartschaftsstadium aufgrund ihrer Koppelung an die tarifliche Lohnentwicklung an sich als dynamisch anzusehen wären, deren Dynamik aber bei einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis endet, nur mit ihrem statischen Wert in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einzubeziehen. Sie sind insgesamt als statisch zu beurteilen und demzufolge unter Anwendung der Faktoren aus der Tabelle 1 der Barwertverordnung - betreffend den Barwert einer zumindest bis zum Leistungsbeginn nicht volldynamischen Anwartschaft gemäß § 2 Abs. 2 der Verordnung - in einen dynamischen Rentenbetrag umzurechnen. Das gilt auch für die hier betroffene Anwartschaft auf die betriebliche Altersversorgung bei der Firma P., da diese bei einem vorzeitigen Ausscheiden des Ehemannes aus dem Beschäftigungsverhältnis ebenfalls nicht weiter angepaßt werden würde. Soweit das Oberlandesgericht ohne nähere Begründung, allein im Hinblick auf das - zwischenzeitlich erreichte Alter des Ehemannes, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Braunschweig eine andere Auffassung vertreten hat, ist dem nicht zu folgen. Der Senat hat sich mit der Ansicht des Oberlandesgerichts Braunschweig, die auch von einigen anderen Gerichten und Autoren vertreten wird, bereits in dem Beschluß vom 12. April 1989 näher auseinandergesetzt und hat sie abgelehnt, weil der mit der Koppelung an die Lohnentwicklung verbundene Dynamisierungszuwachs der Anwartschaft durch die künftige betriebliche oder berufliche Entwicklung des Betriebsangehörigen noch beeinträchtigt werden kann. Die angefochtene Entscheidung bietet keine Veranlassung, hiervon abzugehen.

Bei dieser Sachlage bedarf es keiner näheren Prüfung, ob auch der Umstand, daß die Ansprüche des Ehemannes gegenüber der Firma P. zur Zeit auf dem Stand vom 28. Februar 1983 "eingefroren" sind, der Annahme einer Dynamik entgegenstände.

3. Da die Anwartschaften des Ehemannes auf die betriebliche Altersversorgung hiernach in dem angefochtenen Beschluß zu hoch bewertet worden sind, kann dieser nicht bestehen bleiben. Auf die weitere Beschwerde ist vielmehr die amtsgerichtliche Entscheidung wiederherzustellen.

a) Zwar sind aufgrund des am 1. Januar 1992 in Kraft getretenen Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung vom 18. Dezember 1989 (RRG 1992, BGBl I 2261) bei Entscheidungen, die nach dem 1. Januar 1992 getroffen werden, auch in Fällen mit einem - wie hier - vor diesem Zeitpunkt liegenden Ehezeitende die neuen Rechtsvorschriften anzuwenden und bei der Umrechnung von nichtdynamischen Anrechten in einen Vergleichswert der gesetzlichen Rentenversicherung neue Rechengrößen zugrunde zu legen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 7. Oktober 1992 - XII ZB 58/91 und XII ZB 132/90 -, jeweils zur Veröffentlichung bestimmt). Das führt zu einer geringfügig anderen Bewertung des betrieblichen Versorgungsanrechts des Ehemannes als nach dem Beschluß des Familiengerichts: Der ehezeitbezogene Anteil des Versorgungsanrechts von jährlich 2. 838, 11 DM ergibt, multipliziert mit dem Barwertfaktor 4, 2, einen Barwert von 11. 920, 06. Dieser ist mit dem für das Ehezeitende 1987 maßgeblichen Faktor 0, 0001417482 umzurechnen (vgl. FamRZ 1992 S. 283 unter 5; NJW 1992 S. 482 unter V). Dabei ergeben sich 1, 690 Entgeltpunkte. Multipliziert mit dem für das erste Halbjahr 1987 maßgeblichen aktuellen Rentenwert von 34, 86 (vgl. FamRZ 1992, S. 282 unter 2; NJW 1992 S. 480 unter II) führt dies zu einer dynamischen Rentenanwartschaft von monatlich 58, 90 DM.

b) In Höhe der Hälfte dieses Betrages, also von 29, 45 DM, wäre das erweiterte Splitting durchzuführen mit der Folge, daß von dem Versicherungskonto des Ehemannes insgesamt monatlich 720, 55 DM (691, 10 DM + 29, 45 DM), bezogen auf den 30. April 1987, auf das Konto der Ehefrau zu übertragen wären.

Da jedoch nur die Ehefrau die amtsgerichtliche Entscheidung mit der (Erst-) Beschwerde angefochten hat, kommt insoweit wegen des auch im Verfahren über den Versorgungsausgleich geltenden Verbots der Schlechterstellung des Beschwerdeführers (BGHZ 85, 180) eine Herabsetzung des Splittingbetrages von monatlich 722, 59 DM auf monatlich 720, 55 DM - zu Lasten der Ehefrau - nicht in Betracht. Die weitere Beschwerde des Ehemannes führt demnach zur Wiederherstellung der Splittingentscheidung des Amtsgerichts in Höhe von monatlich 722, 59 DM, bezogen auf den 30. April 1987.

Bei der Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, daß die Ehefrau ihre weitere Beschwerde zurückgenommen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993177

NJW 1993, 1921

NJW-RR 1993, 642

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