Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer auf Scheinrechnungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die zur Verschleierung von Bestechungsgeldern in Scheinrechnungen ausgewiesene und abgeführte Umsatzsteuer ist nicht vom Wert des Erlangten abzuziehen (Bruttoprinzip). Grundsätzlich gilt bei der durch eine gegenständliche Betrachtungsweise geprägten Abschöpfung, dass bewusst in Verbotenes Investiertes – hier die Umsatzsteueraufwendungen zur Aufrechterhaltung des Verschleierungssystems – unwiederbringlich verloren ist. Das verfassungsrechtliche Übermaßverbot gebietet nicht den Abzug der abgeführten Umsatzsteuerbeträge, um welche der Angeklagte entreichert ist.

2. Gegen das Übermaßverbot wird hier auch deswegen nicht verstoßen, weil der Angeklagte die Erstattung der abgeführten Umsatzsteuerbeträge nach Beseitigung der Scheinrechnungslage und Rückzahlung abgezogener Vorsteuern durch die Rechnungsempfängerin bewirken konnte. Dass eine solche Rückgängigmachung faktisch an der Insolvenz des Rechnungsempfängers scheitern könnte, fällt allein in den Risikobereich des Rechnungsausstellers.

 

Normenkette

UStG § 14c Abs. 2 S. 2 Alt. 2; StGB § 73 Abs. 1, § 73d Abs. 1 S. 2 Hs. 1

 

Verfahrensgang

LG Augsburg (Entscheidung vom 03.03.2023; Aktenzeichen 7 KLs 502 Js 107309/21)

 

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 3. März 2023 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend zur Wirksamkeit der Revisionsbeschränkung und zu den Rechtsausführungen im angefochtenen Urteil ist auszuführen:

1. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73 Abs. 1 Alternative 1, § 73c Satz 1 StGB) ist wirksam (§ 318 StPO). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die isolierte Anfechtung der Einziehungsanordnung möglich, ohne dass dies den Strafausspruch berührt. Denn die Nebenfolge der Einziehung ist weder eine Strafe noch eine strafähnliche Maßnahme (BGH, Urteile vom 13. Oktober 2022 - 4 StR 102/22 Rn. 6 und vom 10. Februar 2021 - 3 StR 184/20 Rn. 10; jeweils mN). Der Beschränkung steht nicht entgegen, dass die Höhe des - abzuschöpfenden - Erlangten (der „Tatbeute“), die auf Seiten des Verletzten dem Schadensumfang entspricht, zugleich regelmäßig ein bestimmender Strafzumessungsgrund (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO), die Feststellung des Schadensausmaßes also in diesem Sinne „doppelrelevant“ ist. Einziehungsanordnung und Strafzumessung lassen sich jeweils „losgelöst“ voneinander prüfen (vgl. zur isolierten Anfechtung des Strafausspruchs etwa BGH, Urteile vom 24. November 2022 - 4 StR 175/22 Rn. 9 und vom 19. Oktober 2022 - 1 StR 269/22 Rn. 8; jeweils mwN), auch wenn die zugehörigen und stets der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterfallenden Feststellungen beiden Entscheidungsteilen gleichermaßen zugrunde liegen und eine Fehleridentität möglich ist.

2. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei die vom Angeklagten in den unter seinem Einzelunternehmen ausgestellten Scheinrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 60.653,13 €, die er tatsächlich an das Finanzamt abführte, nicht vom abgeschöpften Geldbetrag abgezogen (§ 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StGB; „Bruttoprinzip“). Mit diesen Scheinrechnungen (§ 14c Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 UStG) tarnten der Angeklagte und der ihn bestechende nichtrevidierende Mitangeklagte R.    die Bestechungsgelder als Entgelt für - nicht erbrachte - Vermittlungen oder Projektbetreuungsleistungen. Grundsätzlich gilt bei der durch eine gegenständliche Betrachtungsweise geprägten Abschöpfung, dass bewusst in Verbotenes Investiertes - hier die Umsatzsteueraufwendungen zur Aufrechterhaltung des Verschleierungssystems - unwiederbringlich verloren ist (BT-Drucks. 18/11640, S. 79; zuletzt BGH, Beschluss vom 9. August 2023 - 1 StR 125/23 Rn. 10 mwN). Das verfassungsrechtliche Übermaßverbot gebietet nicht den Abzug der abgeführten Umsatzsteuerbeträge, um welche der Angeklagte entreichert ist.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf der Täter durch Vermögensabschöpfung und Besteuerung zwar nicht doppelt belastet werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 1990 - 1 BvL 4/87 u.a., BVerfGE 81, 228, 239 f.). Dem ist bei Bestimmung des Einziehungsumfangs jedoch nur dann Rechnung zu tragen, wenn die Tatbeute als „Substrat“ und zugleich die vom Täter durch nachfolgende Steuerverkürzungen erzielte Ersparnis in Höhe der auf das Erlangte anfallenden Umsatz- und Ertragsteuern im Wege der Titulierung des staatlichen Zahlungsanspruchs abgeschöpft werden sollen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. April 2023 - 1 StR 436/22 Rn. 4; vom 10. März 2022 - 1 StR 515/21 Rn. 14; vom 10. August 2021 - 1 StR 399/20 Rn. 41; vom 25. März 2021 - 1 StR 242/20 Rn. 10 und vom 5. September 2019 - 1 StR 99/19, BGHR StGB § 73c Satz 1 Erlangtes 3 Rn. 8-11). Mit einer solchermaßen abzuwendenden übermäßigen Abschöpfung ist die verfahrensgegenständliche Konstellation des § 14c Abs. 2 UStG nicht vergleichbar. Denn derjenige, dessen Steuerschuld sich nur aus dieser Vorschrift ergibt, erzielt keine abschöpfbaren Vermögensvorteile in der Form von Steuerersparnissen (st. Rspr.; zuletzt BGH, Urteil vom 27. Juni 2023 - 1 StR 374/22 Rn. 12 mwN); damit drohte hier zu Lasten des Angeklagten von vornherein keine strafrechtliche Titulierung von Steueransprüchen neben der Einziehung des Bestechungslohns. Zudem ist nicht allein auf die Belastungen beim Angeklagten abzustellen, sondern in die einziehungsrechtliche Betrachtung einzubeziehen, dass die Rechnungsempfängerin, die B.               GmbH & Co. KG, unberechtigt die Vorsteuern aus den Scheinrechnungen geltend machen konnte. Dieser Gefährdung des Steueraufkommens soll gerade durch die gemäß § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG begründete Umsatzsteuerlast des Angeklagten begegnet werden.

b) Gegen das Übermaßverbot wird in dieser Konstellation auch deswegen nicht verstoßen, weil der Angeklagte über § 14c Abs. 2 Sätze 3-5, § 17 UStG die Erstattung der abgeführten Umsatzsteuerbeträge nach Beseitigung der Scheinrechnungslage und Rückzahlung gezogener Vorsteuern durch die Rechnungsempfängerin bewirken konnte. Dass eine solche Rückgängigmachung faktisch an der Insolvenz der B.                GmbH & Co. KG scheitern könnte, fällt dabei allein in den Risikobereich des Angeklagten.

c) Andernfalls müssten letztendlich nicht nur die erklärten und abgeführten, sondern stets die aus den (allgemeinen) Straftaten resultierenden Steuern einziehungsmindernd berücksichtigt werden. Dies widerspräche aber dem Willen des Gesetzgebers, dass die Strafgerichte von der regelmäßig aufwendigen exakten Ermittlung der Steuern entlastet werden sollen (BT-Drucks. 18/11640 S. 78 f.). Die infolge der Einziehung gebotenen steuerlichen Korrekturen sind dem Besteuerungsverfahren zugewiesen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. September 2019 - 1 StR 99/19, BGHR StGB § 73c Satz 1 Erlangtes 3 Rn. 9).

Jäger     

Bellay     

Bär

Leplow     

Munk     

 

Fundstellen

wistra 2024, 114

wistra 2024, 157

wistra 2024, 3

NStZ-RR 2024, 79

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