Leitsatz (amtlich)

Die Zustellung der in der Hauptsache ergehenden Entscheidungen der Landwirtschaftsgerichte an die Beteiligten setzt zu ihrer Wirksamkeit die gleichzeitige Belehrung über das gegen sie gegebene Rechtsmittel voraus.

Die Zustellung einer solchen Entscheidung an die obere Landwirtschaftsbehörde ist ohne Rechtsmittelbelehrung wirksam.

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Entscheidung vom 08.03.1952)

AG Bruchhausen-Vilsen (Entscheidung vom 23.04.1951)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerden der Rechtsbeschwerdeführer wird der Beschluss des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Celle vom 8. März 1952 insoweit aufgehoben, als er den Beschluss des Amtsgerichts in Bruchhausen-Vilsen vom 23. April 1951 aufgehoben und die Hälfte der Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens dem Antragsteller Johann T. sen. auferlegt hat. Die sofortige Beschwerde der Landwirtschaftskammer in H. gegen den bezeichneten Beschluss des Amtsgerichts in Bruchhausen-Vilsen wird als unzulässig verworfen.

Es wird angeordnet, dass von der Erhebung von Gebühren für das Beschwerdeverfahren, soweit es die sofortige Beschwerde der Landwirtschaftskammer zum Gegenstand hatte, und für das Rechtsbeschwerdeverfahren abzusehen ist.

 

Gründe

Der Bauer Johann T. sen. in B. ist Eigentümer der (im Grundbuch von S. Band ..., Blatt 84 eingetragenen) Vollmeierstelle Nr. 3 in S. in Grosse von 41,89,84 ha mit einem Einheitswert von 58.200 DM. Der Hof ist mit einer im März 1950 eingetragenen Grundschuld von 15.000 DM belastet und besteht aus 21,90 ha Acker, 17,05 ha Wiese und Weide, 0,80 ha Wald und 1,64 ha Hoffläche. An Vieh sind 1 Pferd, 10 Kühe, etwa 28 Stück Jungvieh und eine grössere Anzahl Schweine vorhanden.

Johann T. ist verheiratet. Aus seiner Ehe sind ein Sohn und vier Töchter, nämlich die Ehefrauen Marga H., Adeline B., Anneliese T. und Marie S., hervorgegangen. Anneliese T. ist mit einem Fuhrunternehmer in B. verheiratet; die Ehemänner der anderen Töchter sind Landwirte. Der Sohn ist im Jahre 1941 gefallen. Er war mit Wilma geb. K. verheiratet. Seiner Ehe sind zwei Söhne entsprossen, von denen der älteste, Johann, im Jahre 1939 geboren ist. Seine Witwe hat inzwischen den Landwirt S. geheiratet.

Am 13. Juni 1939 schloss Johann T. sen. mit seinem Sohn einen notariellen Erbvertrag, in dem er diesen unwiderruflich zum Anerben seines Hofes einsetzte und weiter bestimmte, dass seine vier Töchter je 5.000 RM sowie eine Naturalaussteuer im Werte von 3.000 RM oder stattdessen einen weiteren Barbetrag von 3.000 RM sowie seine Lebensversicherungssumme erhalten sollten. Diesen Erbvertrag hat der Hofeigentümer am 20. November 1950 angefochten.

Durch Vertrag vom 22. November 1950 hat Johann T. sen. seinen Hof mit Ausnahme der Parzellen 177/69 und 173/69 in Grösse von 6,11,80 ha an die Eheleute B. für die Zeit vom 1. Oktober 1950 bis zum 1. Oktober 1968 zu einem Pachtzins von insgesamt 8.226 DM verpachtet.

Am 14. Dezember 1950 hat der Hofeigentümer mit seinen beiden Töchtern Adeline B. und Anneliese T. einen notariellen Abfindungsvertrag geschlossen, nach dem die beiden Töchter die Parzellen 177/69 und 178/69 als Miteigentümerinnen je zur Hälfte erhalten sollen, um sie wegen ihrer Erbansprüche und ihrer besonderen Arbeitsleistungen auf dem Hofe abzufinden. Dementsprechend haben die beiden Töchter in dem Vertrage ihrem Vater gegenüber auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichtet. Ausserdem ist bestimmt, dass die Ehefrau B. hinsichtlich des Grundstücksanteils der Ehefrau T. und diese hinsichtlich des Grundstücksanteils der Ehefrau B. das Vorkaufsrecht in allen Verkaufsfällen haben soll; falls dieses Vorkaufsrecht seitens einer der Berechtigten nicht ausgeübt wird, soll es dem jeweiligen Eigentümer des Hofes zustehen.

Der Bauer Johann T. sen. hat die Genehmigung dieses Abfindungsvertrages bei der unteren Landwirtschaftsbehörde nachgesucht, die diese Sache an das Amtsgericht abgegeben hat. Zur Begründung des Vertrages hat er angeführt: Angesichts seines Alters von 66 Jahren und seines Gesundheitszustands, der sich in den letzten Jahren erheblich verschlechtert habe, lege er Wert darauf, die Erbangelegenheiten noch zu seinen Lebzeiten zu regeln. Die in dem Vertrage angeführten Grundstücke sollten notfalls dazu dienen, seiner Tochter Adeline B. die Schaffung einer Anbauer- oder Siedlerstelle zu ermöglichen. Falls dies zu gegebener Zeit nicht möglich sei, müssten die Parzellen verkauft werden. Für diesen Fall seien die Vorkaufsrechte vereinbart. Die Grundstücke lägen isoliert vom Hofe und seien erst im Jahre 1932 erworben worden.

Das Amtsgericht hat den Abfindungsvertrag genehmigt.

Diese Entscheidung ist der oberen Landwirtschaftsbehörde, der Landwirtschaftskammer in H., am 30. April 1951 und dem Rechtsanwalt Dr. van H. als Bevollmächtigten des Vormunds des minderjährigen Johann T. jun. am 28. April 1951 zugestellt worden. Dieser hat den Beschluss des Amtsgerichts am 3. Mai 1951 mit der sofortigen Beschwerde angegriffen. Am 15. Juni 1951 hat auch die obere Landwirtschaftsbehörde vorsorglich sofortige Beschwerde eingelegt und dabei der Ansicht Ausdruck gegeben, die Beschwerdefrist sei noch nicht verstrichen, weil der angefochtene Beschluss keine Rechtsmittelbelehrung enthalten habe.

Die Beschwerdeführer haben um Versagung der Genehmigung gebeten und den Standpunkt vertreten, der Vertrag würde zu einer ungesunden Bodenverteilung fühlten und sogenanntes loses Land schaffen, da die Ehefrau T. ihren Wohnsitz in B. habe und die Schaffung einer Siedlerstelle für die Ehefrau B. angesichts der bis 1968 laufenden Pachtung auf Jahre hinaus nicht in Betracht kommen werde. Die Beschwerdeführer haben weiter geltend gemacht, die Übertragung der Parzellen solle lediglich zum Zwecke einer wertbeständigen Abfindung vorgenommen werden, wozu kein stichhaltiger Grund vorhanden sei.

Der Antragsteller hat demgegenüber geltend gemacht, die sofortige Beschwerde der Landwirtschaftskammer sei verspätet eingelegt worden, denn es sei nicht anzunehmen, dass bei der Zustellung der Entscheidung an sie die Rechtsmittelbelehrung gefehlt habe, die ihm zugleich mit dem amtsgerichtlichen Beschluss zugegangen sei. In der Sache selbst hat er betont, dass es sich um eine Abfindung der beiden Töchter handle, die durch Ländereien erfolgen solle, die früher nicht zum Hof gehört hätten und auch isoliert von dem übrigen Land lägen. Er hat sich weiter gegen die Auffassung gewandt, dass loses Land geschaffen werde, und darauf hingewiesen, dass die Begründung einer Siedlerstelle von rund 24 Morgen in Aussicht genommen sei.

Das Beschwerdegericht hat durch Beschluss vom 8. März 1952 die sofortige Beschwerde des Johann T. jun. als unzulässig verworfen; auf die Beschwerde der oberen Landwirtschaftsbehörde hat es den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und dem Abfindungsvertrage vom 14. Dezember 1950 die Genehmigung versagt.

Hiergegen richten sich die Rechtsbeschwerden des Bauern Johann T. sen. und seiner Töchter Adeline B. und Anneliese T., mit denen sie die Genehmigung des Abfindungsvertrages erstreben. Die Obere Landwirtschaftsbehörde bittet um Zurückweisung der Rechtsmittel.

Die Rechtsbeschwerden sind begründet.

Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde des Johann T. jun. als unzulässig verworfen, weil es sich bei dem Abfindungsvertrage um ein Rechtsgeschäft unter Lebenden handle, durch dessen Genehmigung Rechte des Vertragserben nicht beeinträchtigt würden, so dass er nicht beschwerdeberechtigt sei. Es hat weiter die Rechtzeitigkeit der sofortigen Beschwerde der oberen Landwirtschaftsbehörde bejaht, da ihr Vertreter in der mündlichen Verhandlung glaubhaft erklärt habe, dass bei der Zustellung dem amtsgerichtlichen Beschluss eine Rechtsmittelbelehrung nicht beigelegen habe.

Die Rechtsbeschwerden wenden sich gegen die Annahme des Oberlandesgerichts, dass die sofortige Beschwerde der oberen Landwirtschaftsbehörde rechtzeitig eingelegt worden sei, und meinen, dieses Rechtsmittel hätte wegen Versäumung der Beschwerdefrist ebenfalls als unzulässig verworfen werden müssen. Sie machen geltend, dass nur den Beteiligten eine Rechtsmittelbelehrung zu erteilen sei, die obere Landwirtschaftsbehörde aber nicht zu den Beteiligten im Sinne des § 13 Abs. 4 LVO gehöre, sondern eine Sonderstellung einnehme, weshalb auch ihr Beschwerderecht in einer besonderen Vorschrift geregelt worden sei. Die Rechtsbeschwerdeführer sind dementsprechend der Ansicht, dass es einer Rechtsmittelbelehrung der Landwirtschaftskammer nicht bedurft habe und die Beschwerdefrist mit der Zustellung am 30. April 1950 begonnen habe, also bei Eingang des Rechtsmittels bereits verstrichen gewesen sei. Sie ziehen ferner in Zweifel, ob es zur Inlaufsetzung der Beschwerdefrist einer Rechtsmittelbelehrung überhaupt bedürfe oder ob die unterlassene Belehrung dem Betreffenden gegebenenfalls nicht lediglich einen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gebe. Im übrigen machen die Rechtsbeschwerden geltend, die Rechtsmittelbelehrung habe dem der Landwirtschaftskammer zugestellten Beschluss beigelegen, denn die Belehrung erfolge durch Vordrucke, die den Beschlüssen stets formlos beigefügt würden, so dass sich ihr Zugang nicht urkundlich nachweisen lasse und das Beschwerdegericht zu Unrecht den Beweis der Zustellung verlangt habe. Sie rügen ausserdem das von dem Beschwerdegericht eingeschlagene Verfahren und meinen, wenn das Oberlandesgericht auf den Zugang der Belehrung habe abstellen wollen, hätte es über diese Frage ordnungsmässig Beweis erheben müssen, was nicht geschehen sei, da die Erklärung des Vertreters der oberen Landwirtschaftsbehörde nur als Parteibehauptung zu werten sei, die nicht einmal protokolliert worden sei. Sie weisen auch darauf hin, dass der Vertreter der oberen Landwirtschaftsbehörde nur seine eigenen Wahrnehmungen habe wiedergeben können, dass er aber die eingehende Post nicht selbst öffne und daher garnicht - insbesondere nicht nach Wochen und Monaten - wissen könne, was sie im Einzelfall enthalten habe. Die Rechtsbeschwerdeführer glauben, das Beschwerdegericht hätte die mit der Sache befassten Angestellten des Amtsgerichts und der Landwirtschaftskammer hören müssen, und sehen in dieser Unterlassung eine Verletzung der Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts.

Diesen Rügen war der Erfolg nicht zu versagen. Der Ansicht der Rechtsbeschwerdeführer, die sofortige Beschwerde der oberen Landwirtschaftsbehörde sei verspätet eingelegt worden und infolgedessen unzulässig gewesen, ist beizutreten. Sie ziehen zwar zu Unrecht in Zweifel, dass der Beginn der Beschwerdefrist von der vorgeschriebenen Rechtsmittelbelehrung abhängig ist. Das Gesetz sagt das allerdings nicht ausdrücklich. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 LVO beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des Beschlusses. Diese Zustellung ist in § 21 Abs. 5 Satz 1 LVO vorgeschrieben. Im § 21 Abs. 6 LVO ist sodann bestimmt, dass die Beteiligten bei der Zustellung des Beschlusses über die Zulässigkeit einer sofortigen Beschwerde zu belehren sind. Nach der Fassung des Gesetzes könnte es immerhin zweifelhaft sein, ob zur Wirksamkeit der Zustellung die Beifügung der Rechtsmittelbelehrung erforderlich ist. Dass der Gesetzgeber die angeführten Vorschriften dahin verstanden wissen wollte, dass die Beschwerdefrist nur dann zu laufen beginnt, wenn der Entscheidung bei ihrer Zustellung eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt ist, ergibt sich aus der amtlichen Begründung zur Verfahrensordnung für Landwirtschaftssachen, in der gesagt ist, die Rechtsmittelbelehrung sei von besonderer Bedeutung, da ihr Unterbleiben die Zustellung unwirksam mache und somit die Entscheidung nicht rechtskräftig werden könne (vgl. ZJBl 1948 Seite 32 ff unter IV). Soweit ersichtlich, wird dementsprechend in Rechtsprechung und Schrifttum einhellig die Meinung vertreten, dass die Rechtsmittelbelehrung eine wesentliche Voraussetzung für den Beginn der Beschwerdefrist sei und ihr Unterbleiben nicht lediglich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründen könne (vgl. Barnstedt-Meyer, Verfahrenordnung für Landwirtschaftssachen, § 21 Anm. 9 und § 23 Anm. 3 a; Lange-Wulff, Höfeordnung, 3. Aufl. Seite 597 Anm. 603; Fischer in GesuR 1948, Heft 48, § 21 LVO Anm. 6; Wöhrmann in RechtdLandw 1950, Seite 5). Die von den Rechtsbeschwerden geäusserten Zweifel hinsichtlich der Folgen einer unterbliebenen Rechtsmittelbelehrung sind danach nicht gerechtfertigt.

Eine andere Frage ist es hingegen, ob es im vorliegenden Falle einer Rechtsmittelbelehrung bedurfte. Nach § 21 Abs. 6 LVO sind die Beteiligten bei der Zustellung des Beschlusses über die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde zu belehren. Eine Rechtsmittelbelehrung der oberen Landwirtschaftsbehörde würde danach nur erforderlich sein, wenn sie als Beteiligte im amtsgerichtlichen Verfahren anzusehen wäre. Das ist indessen nicht der Fall. Nach § 13 Abs. 4 LVO kommen als Beteiligte an einem Verfahren alle Personen in Betracht, deren Rechte oder Pflichten durch die Regelung der Angelegenheit unmittelbar betroffen werden können. Wenn hier von der Regelung einer "Angelegenheit" die Rede ist, so können darunter nur die Angelegenheiten verstanden werden, für welche nach § 1 LVO die Verfahrensordnung für Landwirtschaftssachen gilt. Als Personen, deren Rechte oder Pflichten unmittelbar betroffen werden können, sind dementsprechend diejenigen Personen anzusprechen, die eine unter § 1 LVO fallende Angelegenheit geregelt wissen wollen und mit diesem Anliegen die untere Landwirtschaftsbehörde oder das Gericht angehen. Im vorliegenden Falle handelt es sich um ein Genehmigungsverfahren. In diesem Verfahren ist nach § 4 Abs. 4 LVO ebenso wie in Angelegenheiten der Landbewirtschaftungsordnung in erster Linie die untere Landwirtschaftsbehörde zuständig. Sie ist also in diesem Verfahren nicht etwa "Beteiligte", sondern die zunächst zur Entscheidung berufene Stelle, die dabei die öffentlichen Interessen, soweit sie nach dem Gesetz zu berücksichtigen sind, zu wahren hat und der die obere Landwirtschaftsbehörde als übergeordnete Behörde zu diesem Zwecke Weisungen erteilen kann. Wird gemäss § 29 Abs. 1 LVO gegen die Entscheidung der unteren Landwirtschaftsbehörde Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, so hat nunmehr das Amtsgericht in der betreffenden Angelegenheit zu befinden. An diesem amtsgerichtlichen Verfahren sind die Landwirtschaftsbehörden an sich nicht beteiligt. Das Amtsgericht kann von ihnen nach § 18 LVO zwar eine gutachtliche Äusserung einholen; in diesem Falle werden sie aber lediglich als sachverständige Stelle tätig, die ihre Meinung über die in Rede stehende Frage äussert. Die Landwirtschaftsbehörden können ihrerseits von den ihnen im § 30 Abs. 2 LVO eingeräumten Rechten Gebrauch machen und nach § 20 Abs. 6 LVO an der mündlichen Verhandlung teilnehmen und verlangen, dass sie zur Sache gehört werden. Wenn die Landwirtschaftsbehörden diese Befugnisse ausüben, so werden sie dadurch aber nicht "Beteiligte" in dem oben dargelegten Sinne, vielmehr werden sie nur tätig, um die öffentlichen Interessen zur Geltung zu bringen, die bei Veräusserung, Belastung und Verpachtung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke Berücksichtigung erheischen, aber nicht Gegenstand des Genehmigungsverfahrens sind. Nun steht der oberen Landwirtschaftsbehörde allerdings nach § 30 Abs. 1 LVO die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts zu, und § 23 Abs. 2 LVO gibt dieses Rechtsmittel jedem Beteiligten, dessen Recht durch die Entscheidung beeinträchtigt ist. Daraus könnte gefolgert werden, die obere Landwirtschaftsbehörde zähle doch zu den Beteiligten des amtsgerichtlichen Verfahrens. Ein derartiger Schluss wäre aber verfehlt. Sofern die obere Landwirtschaftsbehörde von ihrem Beschwerderecht Gebrauch macht, ist sie an dem Beschwerdeverfahren allerdings beteiligt. Sie ist in diesem Falle zu dem Beschwerdeverfahren hinzuzuziehen, zur mündlichen Verhandlung zu laden und ihr sind die ergehenden Entscheidungen zuzustellen (so auch Barnstedt-Meyer a.a.O., § 30 Anm. 2). Das Beschwerderecht der oberen Landwirtschaftsbehörde und damit ihr Recht, sich an dem Verfahren in der Rechtsmittelinstanz zu beteiligen, beruht auf § 30 Abs. 1 Satz 2 LVO, hat also eine Sonderregelung erfahren. Ebenso ist ihr Recht, gegen bestimmte Entscheidungen der Oberlandesgerichte Rechtsbeschwerde einzulegen, neben diesem Recht der Beteiligten in § 1 Abs. 2 LVR besonders hervorgehoben. Eine Sonderstellung nimmt die obere Landwirtschaftsbehörde auch insofern ein, als sie nach § 6 Abs. 2 LVR von dem Anwaltszwang befreit ist. Dies alles zeigt, dass der Gesetzgeber sie nicht als Beteiligte im Sinne des § 23 Abs. 2 LVO angesehen hat. Damit stimmt überein, dass es sich nach dem oben Gesagten im Genehmigungsverfahren nicht um eine "Angelegenheit" der oberen Landwirtschaftsbehörde handelt und sie nach den Vorschriften der Verfahrensordnung für Landwirtschaftssachen zu dem amtsgerichtlichen Verfahren auch nicht zugezogen zu werden braucht. Die obere Landwirtschaftsbehörde ist danach nicht Beteiligte im Sinne des § 23 Abs. 2 LVO. Sie kann dann aber auch nicht Beteiligte im Sinne des § 21 Abs. 6 LVO sein, da der Begriff des Beteiligten in § 13 Abs. 4 LVO festgelegt ist und für alle Fälle gilt, in denen die Verfahrensordnung für Landwirtschaftssachen von "Beteiligten" spricht. Danach bedarf es bei der Zustellung der Entscheidungen der Amtsgerichte an die obere Landwirtschaftsbehörde einer Rechtsmittelbelehrung nicht. Dieses Ergebnis entspricht auch dem Zweck, der mit der Rechtsmittelbelehrung verfolgt wird. In dem Verfahren vor dem Amtsgericht können die Beteiligten ihre Interessen selbst wahrnehmen, sie sind also nicht genötigt, sich eines rechtskundigen Beistands, insbesondere eines Rechtsanwalts, zu bedienen. Da von ihnen nicht erwartet werden kann, dass sie über die Möglichkeit einer Anfechtung der amtsgerichtlichen Entscheidung unterrichtet oder doch stets in der Lage sind, sich hierüber rechtzeitig und zuverlässig zu informieren, sollen sie über die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde belehrt werden und damit zugleich einer Häufung von unzulässigen Beschwerden und Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorgebeugt werden. Diese Gesichtspunkte scheiden bei der oberen Landwirtschaftsbehörde aus, die nicht vor Rechtsnachteilen geschützt, sondern der durch die Zustellung, der ergangenen Entscheidung nur Gelegenheit zur Wahrung etwa in Frage kommender öffentlicher Interessen gegeben werden soll. Dazu genügt es, dass sie Kenntnis von der ergangenen Entscheidung erhält, denn bei ihr setzt der Gesetzgeber als selbstverständlich voraus, dass sie über die ihr gegebenen Möglichkeiten zur Wahrung der öffentlichen Interessen unterrichtet ist. Es wäre also, ein leerer Formalismus, wenn man die Wirksamkeit der Zustellung an sie von der Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung abhängig machen wollte. Es hat daher seine Berechtigung, dass das Gesetz eine solche Belehrung nur für die Zustellung der Entscheidung an die "Beteiligten" vorschreibt. Dies stimmt im übrigen mit der Regelung überein, die in § 31 Abs. 1 RPO getroffen war, nach der die Beschlüsse des Pachtamts den Beteiligten und dem Kreisbauernführer bzw. Kreisjägermeister zuzustellen, aber nur die Vertragsteile über die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde zu belehren waren.

Bedurfte es nach alledem bei der Zustellung der Entscheidung des Amtsgerichts an die obere Landwirt Schaftsbehörde einer Rechtsmittelbelehrung nicht, so ist die Zustellung am 30. April 1951 wirksam vorgenommen und damit die Beschwerdefrist für diese Behörde in Lauf gesetzt worden. Die am 15. Juni 1951 eingelegte sofortige Beschwerde war danach wegen Versäumung der Beschwerdefrist unzulässig. Da die Unzulässigkeit eines Rechtsmittels in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen ist, war die Entscheidung des Oberlandesgerichts, soweit sie angefochten worden ist, aufzuheben und die sofortige Beschwerde der Landwirtschaftskammer als unzulässig zu verwerfen.

Da die Rechtsbeschwerden Erfolg hatten und die sofortige Beschwerde der Landwirtschaftskammer unzulässig war, der Landwirtschaftsbehörde nach den §§ 48 Abs. 1, 51 Abs. 1 LVO Kosten aber nicht auferlegt werden können, erschien die Anordnung geboten, dass von der Erhebung von Gebühren in dem gekennzeichneten Umfang abzusehen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018507

NJW 1953, 345

NJW 1953, 345 (amtl. Leitsatz)

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