Leitsatz (amtlich)

Ansprüche eines GmbH-Geschäftsführers und Mehrheitsgesellschafters auf fortlaufende Ruhegeldzahlungen aus einem mit der GmbH geschlossenen Pensionsvertrag sind nach § 850 Abs. 2 ZPO als Arbeitseinkommen anzusehen und nach Maßgabe der Tabelle als Anlage zu § 850c Abs. 3 ZPO pfändbar.

 

Normenkette

ZPO § 850 Abs. 2, § 850c Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Münster (Beschluss vom 02.10.2015; Aktenzeichen 5 T 373/15)

AG Warendorf (Entscheidung vom 13.05.2015; Aktenzeichen 3 M 1049/14)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Münster vom 2.10.2015 wird zurückgewiesen.

Die Gläubigerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil des LG M. vom 13.11.2013 wegen einer Forderung i.H.v. ca. 2.000.000 EUR.

Rz. 2

Der Schuldner war alleiniger Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der jetzt in Liquidation befindlichen Drittschuldnerin und ist ihr Liquidator. Am 17.9.1993 hatte der Schuldner mit der Drittschuldnerin einen Pensionsvertrag geschlossen, mit dem er gegenüber der Drittschuldnerin einen Anspruch auf Altersrente erwarb. Die Drittschuldnerin schloss daraufhin mehrere Lebensversicherungen zugunsten des Schuldners als versicherte Person als Rückdeckungsversicherungen ab. Dem Schuldner wurden jeweils erstrangige Pfandrechte eingeräumt. Nach Ablauf der Rückdeckungsversicherungen wurden die Versicherungssummen an die Drittschuldnerin ausgezahlt und auf ihr Konto Nr. ... bei der C. Bank eingezahlt. Das Konto ist an den Schuldner bzw. dessen Ehefrau verpfändet. Die Drittschuldnerin ist nur gemeinsam mit dem Schuldner und dessen Ehefrau verfügungsbefugt. Ab Oktober 2008 leistete die Drittschuldnerin an den Schuldner die vereinbarte Altersrente von 50 % des vor dem Ausscheiden zuletzt bezogenen monatlichen Gehalts, dies entspricht 8.300 EUR brutto. Die Gläubigerin erwirkte vor dem LG M. am 24.9.2009 eine einstweilige Verfügung, mit der dem Schuldner untersagt wurde, die Beträge von der Drittschuldnerin einzuziehen.

Rz. 3

Auf Antrag der Gläubigerin hat das AG - Vollstreckungsgericht - am 28.7.2014 einen Pfändungsbeschluss erlassen, mit dem Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin aus dem Pensionsvertrag vom 17.9.1993 samt Nachtragsvereinbarung vom 23.6.1998 und der damit in Zusammenhang stehenden Gesellschafterbeschlüsse vom 18.9.1993 und vom 14.12.2006, gerichtet auf Auszahlung von Pensionsleistungen oder anderen Altersbezügen i.H.v. 8.300 EUR je Monat und/oder auf Auszahlung von Guthaben auf Konten der Drittschuldnerin, insb. bei der C. Bank, Filiale H., Konto Nr. ..., einschließlich der künftig fällig werdenden Beträge aus dem gleichen Rechtsgrund, gepfändet worden sind.

Rz. 4

Hiergegen hat der Schuldner Erinnerung eingelegt und beantragt, den Pfändungsbeschluss dahin abzuändern, dass die Leistungen der Drittschuldnerin aus Pensionszusagen nur nach Maßgabe von § 851c ZPO i.V.m. der Tabelle zu § 850c Abs. 3 ZPO in der jeweils gültigen Fassung gepfändet werden könnten. Das AG - Vollstreckungsgericht - hat der Erinnerung des Schuldners abgeholfen und den Pfändungsbeschluss vom 28.7.2014 antragsgemäß abgeändert. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat das Beschwerdegericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Pfändungsbeschluss vom 28.7.2014 dahingehend abgeändert wird, dass Leistungen der Drittschuldnerin aus Pensionszusagen, insb. aus dem Pensionsvertrag vom 17.9.1993 samt Nachtragsvereinbarungen und damit in Zusammenhang stehenden Gesellschafterbeschlüssen, nur nach Maßgabe des § 850 Abs. 2 ZPO i.V.m. der Tabelle zu § 850c Abs. 3 ZPO in der jeweils gültigen Fassung gepfändet sind.

Rz. 5

Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Gläubigerin.

II.

Rz. 6

Die gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde der Gläubigerin ist nicht begründet.

Rz. 7

1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Beschwerde sei zulässig. Insbesondere sei sie - ebenso wie zunächst die Erinnerung - wirksam eingelegt worden, da die Bevollmächtigung der Rechtsanwälte S. durch den Schuldner durch Vorlage der Vollmacht vom 19.12.2014 in Kopie und die Bevollmächtigung der Rechtsanwälte G. durch Vorlage diverser Vollmachten nachgewiesen worden sei.

Rz. 8

Die Bezüge des Schuldners aus dem Pensionsvertrag vom 17.9.1993 seien nur nach Maßgabe der Pfändungsfreigrenzen laut der Tabelle zu § 850c Abs. 3 ZPO pfändbar. Gepfändet seien vorliegend Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin aufgrund des Pensionsvertrags vom 17.9.1993 sowie diesbezüglicher Nachtragsvereinbarungen. Bei der gepfändeten Forderung handele es sich um Ruhegeld i.S.d. § 850 Abs. 2 ZPO. Schon das laufende Gehalt des GmbH-Geschäftsführers sei aus einem Dienstverhältnis gewährtes fortlaufendes Einkommen im Sinne dieser Vorschrift, da das Dienstverhältnis die Erwerbstätigkeit des Schuldners vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehme und die wiederkehrend zahlbaren Vergütungen die Existenzgrundlage des Schuldners sichern sollten.

Rz. 9

Die Vorschrift des § 851c ZPO sei hingegen nicht anzuwenden. Der in § 851c ZPO geregelte Fall liege nicht vor. Insbesondere seien nicht die dem Schuldner verpfändeten Ansprüche aus den Rückdeckungslebensversicherungen gepfändet worden, die im Übrigen auch längst ausgezahlt worden seien.

Rz. 10

2. Dies hält der rechtlichen Überprüfung stand.

Rz. 11

a) Der Schuldner hat gegen den am 28.7.2014 erlassenen Pfändungsbeschluss wirksam Erinnerung eingelegt. Die Rechtsanwälte S. waren bevollmächtigt, im Namen des Schuldners Erinnerung gegen den Pfändungsbeschluss vom 28.7.2014 zu erheben. Bei der Vollmacht handelt es sich um eine Sachurteilsvoraussetzung, deren Vorliegen nach entsprechender Rüge (§ 88 ZPO) in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen ist (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.2002 - VII ZR 193/01, NJW 2002, 1957, 1958, juris Rz. 14). Die Gläubigerin hat die bereits im Beschwerdeverfahren erhobene Rüge, der Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners sei nicht von diesem bevollmächtigt gewesen, auch im Rechtsbeschwerdeverfahren aufrechterhalten. Der Schuldner hat daraufhin die Bevollmächtigung der Rechtsanwälte S. durch Vorlage der Vollmacht im Original nachgewiesen.

Rz. 12

b) Das Beschwerdegericht hat angenommen, Gegenstand der Pfändung der Gläubigerin seien nur Ansprüche aus dem zwischen dem Schuldner und der Drittschuldnerin geschlossenen Pensionsvertrag vom 17.9.1993 sowie den diesen betreffenden Nachtragsvereinbarungen und den damit im Zusammenhang stehenden Gesellschafterbeschlüssen und nicht die dem Schuldner verpfändeten Ansprüche aus den von der Drittschuldnerin zu seinen Gunsten geschlossenen Rückdeckungslebensversicherungen. Hiergegen erinnert die Rechtsbeschwerde nichts. Diese Erwägungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken.

Rz. 13

c) Zutreffend geht das Beschwerdegericht weiter davon aus, dass die Ansprüche des Schuldners aus dem mit der Drittschuldnerin geschlossenen Pensionsvertrag vom 17.9.1993 und der diesen betreffenden Nachtragsvereinbarungen nach § 850 Abs. 2 ZPO als Arbeitseinkommen anzusehen und nur nach Maßgabe der Tabelle als Anlage zu § 850c Abs. 3 ZPO pfändbar sind.

Rz. 14

aa) Gemäß § 850 Abs. 2 ZPO sind Arbeitseinkommen im Sinne dieser Vorschrift die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten, Arbeits- und Dienstlöhne, Ruhegelder und ähnliche nach dem einstweiligen oder dauernden Ausscheiden aus dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis gewährte fortlaufende Einkünfte, ferner Hinterbliebenenbezüge sowie sonstige Vergütungen für Dienstleistungen aller Art, die die Erwerbstätigkeit des Schuldners vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen. Als Arbeitseinkommen gelten auch sonstige Vergütungen für Dienstleistungen aller Art, die die Erwerbstätigkeit des Schuldners vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen. Vergütungen für Dienstleistungen werden dabei unabhängig davon erfasst, ob die Entgelte aufgrund eines freien oder abhängigen Dienstvertrags gewährt werden. Wesentlich ist vielmehr, dass es sich um wiederkehrend zahlbare Vergütungen für selbständige oder unselbständige Dienste handelt, die die Existenzgrundlage des Dienstpflichtigen bilden (vgl. BGH, Beschl. v. 12.12.2003 - IXa ZB 165/03, NJW-RR 2004, 644, juris Rz. 6; Urt. v. 24.11.1988 - IX ZR 210/87, NJW-RR 1989, 286, 287 f., juris Rz. 30; Urt. v. 5.12.1985 - IX ZR 9/85, BGHZ 96, 324, 327, juris Rz. 13; Urt. v. 8.12.1977 - II ZR 219/75, NJW 1978, 756, juris Rz. 71; BAG, NJW 1962, 1221 f., juris Rz. 17 ff.; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 850 Rz. 9; Smid in MünchKomm/ZPO, 5. Aufl., § 850 Rz. 21; Musielak/Voit/Becker, ZPO, 13. Aufl., § 850 Rz. 4; Schuschke/Walker/Kessal-Wulf/Lorenz, ZPO, 6. Aufl., § 850 Rz. 9). Zum Arbeitseinkommen gehören auch Ruhegelder, die nach Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis des Schuldners als fortlaufende Einkünfte vom Dienstherrn gezahlt werden (vgl. BGH, Urt. v. 8.12.1977 - II ZR 219/75, a.a.O.; Zöller/Stöber, a.a.O.; Smid in MünchKomm/ZPO, a.a.O., § 850 Rz. 34; Musielak/Voit/Becker, a.a.O., § 850 Rz. 9; Brehm in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 850 Rz. 34; Lohkamp/Fiala, VersR 2006, 331, 335; Timm, ZIP 1981, 10, 11).

Rz. 15

bb) Nach diesen Maßgaben ist der Anspruch des Schuldners aus der im Rahmen des Anstellungsvertrags mit der Drittschuldnerin getroffenen Pensionsvereinbarung, aufgrund derer diesem ein Ruhegehalt in Abhängigkeit zu der zuletzt bezogenen Dienstvergütung in monatlichen Beträgen gezahlt werden sollte, als Arbeitseinkommen i.S.d. § 850 Abs. 2 ZPO anzusehen. Der Schuldner erhält aufgrund dieser Vereinbarung nach seinem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis von der Drittschuldnerin eine fortlaufende Zahlung, durch die seine Altersversorgung sichergestellt werden soll.

Rz. 16

cc) Für die Einstufung solcher Ruhegeldzahlungen als Arbeitseinkommen i.S.d. § 850 Abs. 2 ZPO kommt es nicht darauf an, ob es sich bei dem Geschäftsführer um einen Mehrheitsgesellschafter handelt oder nicht (vgl. Timm, ZIP 1981, 10, 11; a.A. OLG Naumburg, VersR 2012, 1287, 1289, juris Rz. 50 ff.; noch offen gelassen in BGH, Urt. v. 8.12.1977 - II ZR 219/75, NJW 1978, 756, juris Rz. 70).

Rz. 17

§ 850 Abs. 2 ZPO differenziert seinem Wortlaut nach nicht danach, ob es sich um Vergütungen des Schuldners für eine Tätigkeit aus einem freien oder abhängigen Dienstvertrag handelt. Erforderlich aber auch ausreichend ist, dass der Schuldner die Vergütung als wiederkehrende Leistungen von dem Dienstherrn für seine Erwerbstätigkeit oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses für seine Altersversorgung erhält. Nach dem mit § 850 Abs. 2 ZPO vorausgesetzten wirtschaftlichen Schutzbedürfnis und dem mit der Vorschrift verfolgten Zweck, die Versorgung des dienstverpflichteten Schuldners sicherzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 8.12.1977 - II ZR 219/75, a.a.O.), ist eine vom Dienstherrn nach Eintritt in den Ruhestand bezogene Vergütung, die der Schuldner im Anschluss an die Erwerbstätigkeit als Altersversorgung erhält und die seine Existenzgrundlage sichert, dem Pfändungsschutz von Arbeitseinkommen zu unterstellen. Dieser Schutzzweck greift sowohl für den weisungsabhängigen Fremdgeschäftsführer als auch für den geschäftsführenden Mehrheitsgesellschafter ein, der seine Tätigkeit aufgrund der von ihm mehrheitlich mitbestimmten Beschlussfassung der Gesellschafter frei gestalten kann.

Rz. 18

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist der geschäftsführende Mehrheitsgesellschafter einer GmbH nicht einem freiberuflich Tätigen gleichzustellen. Anders als der Geschäftsführer einer GmbH, der aufgrund des mit der Gesellschaft geschlossenen Anstellungsvertrags dieser gegenüber Dienstleistungen gegen Vergütung erbringt (st.Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 10.5.2010 - II ZR 70/09, NJW 2010, 2343 Rz. 8; Urt. v. 10.1.2000 - II ZR 251/98, NJW 2000, 1864, 1865, juris Rz. 5 f.; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl., Anhang § 6 Rz. 3; MünchKomm/GmbHG/Jaeger, 2. Aufl., § 35 Rz. 278 m.w.N.), steht der freiberuflich Tätige im Hinblick auf seine berufliche Tätigkeit in keinem Dienst- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis. Die Rechtsprechung des BGH, wonach Selbständige entsprechend ihrem rechtlichen Status weder bei einem Dienstherrn noch einem Arbeitgeber Rentenansprüche erwerben können und zu ihren Gunsten im Rahmen des § 850 Abs. 2 ZPO für einen Pfändungsschutz von Rentenansprüchen von vornherein kein Raum ist (vgl. BGH, Beschl. v. 15.11.2007 - IX ZB 34/06, NJW-RR 2008, 496 Rz. 12 ff.), ist auf den zur Leistung von Diensten gegenüber der Gesellschaft verpflichteten Geschäftsführer einer GmbH nicht zu übertragen.

III.

Rz. 19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 10162201

DB 2017, 119

DStR 2017, 14

NJW 2017, 12

NWB 2017, 320

NJW-RR 2017, 161

BetrAV 2017, 180

FA 2017, 91

JurBüro 2017, 210

NZG 2017, 224

WM 2017, 149

WuB 2017, 286

ZIP 2017, 201

ZIP 2017, 5

DGVZ 2017, 89

DZWir 2017, 150

JZ 2017, 186

JZ 2017, 187

LGP 2017, 21

MDR 2017, 237

Rpfleger 2017, 292

ZInsO 2017, 161

FoVo 2017, 173

GmbHR 2017, 193

InsbürO 2017, 166

NWB direkt 2017, 102

RÜ 2017, 163

ZVI 2017, 113

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