Verfahrensgang

LG Kassel (Urteil vom 25.11.2005)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten H. Y. wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 25. November 2005 im Gesamtstrafenausspruch, soweit es den Angeklagten betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

2. Die Revisionen der Angeklagten D. Y., J. Y. und N. G. werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat.

3. Die Angeklagten D. Y. und N. G. haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die den Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Es wird davon abgesehen, den Angeklagten J. Y. mit den Kosten seines Rechtsmittels zu belasten.

 

Gründe

Rz. 1

1. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe hat hinsichtlich des Angeklagten H. Y. keinen Bestand. Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde der Angeklagte durch Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 29. November 2004 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe und Munition zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Nähere Angaben zu dieser Vorstrafe enthält das Urteil nicht, insbesondere ist der Vollstreckungsstand der Strafe nicht mitgeteilt. Der Senat kann daher nicht prüfen, ob die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe zu Recht unterblieben ist oder ob ggf. ein Härteausgleich zu gewähren war.

Rz. 2

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat zwar im Urteil vom 17. Februar 2004 (BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Anwendungspflicht 4) entschieden, das Schweigen eines Urteils zum Vollstreckungsstand einer gesamtstrafenfähigen Entscheidung stelle keinen Erörterungsmangel dar, weil in diesem Fall grundsätzlich davon auszugehen sei, dass dem Tatrichter insoweit Feststellungen nicht möglich waren. Gegen diese Rechtsansicht hat der Senat Bedenken. Hierauf kommt es vorliegend jedoch nicht an. Aus den Urteilsgründen ergeben sich hier nämlich konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Tatrichter die Möglichkeit einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung übersehen hat.

Rz. 3

2. Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass die Annahme des Landgerichts, die Tatopfer S. und K. hätten sich zu Beginn der Auseinandersetzung mit den Angeklagten in einer Notwehrsituation befunden, rechtlichen Bedenken begegnet. Nach den Feststellungen waren beide Seiten gewillt, eine körperliche Auseinandersetzung unter Einsatz gefährlicher Werkzeuge zu suchen. Im Rahmen einer solchen einverständlichen Schlägerei sind beide Seiten gleichermaßen Angreifer und Verteidiger; ein Notwehrrecht steht den Beteiligten schon deshalb nicht zu (BGH NJW 1990, 2263, 2264; OLG Stuttgart NJW 1992, 850, 851), weil es ihnen am Verteidigungswillen fehlt.

Rz. 4

Auf die fehlerhafte Wertung des Landgerichts kommt es jedoch hier nicht an, denn eine Rechtfertigung konnte sich hier auch nicht aus einer Einwilligung ergeben. Eine Rechtfertigung der von den Angeklagten vorgenommenen Tathandlungen kam hier aufgrund der Unwirksamkeit des anfänglichen Einverständnisses gemäß § 228 StGB nicht in Betracht.

 

Unterschriften

Rissing-van Saan, RiBGH Dr. Otten ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Rissing-van Saan, Fischer, Sost-Scheible, Roggenbuck

 

Fundstellen

Haufe-Index 2554841

NStZ-RR 2006, 376

www.judicialis.de 2006

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