Leitsatz (amtlich)

Gründet ein Unternehmen eine Tochtergesellschaft und beteiligt es dann, einem bereits bei Gründung bestehenden Plan folgend, andere Unternehmen maßgeblich an der neuen Gesellschaft, kann aufgrund der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ein Anteilserwerb im Sinne des § 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 anzunehmen sein.

Hat die Gründung eines lokalen Gebietsversorgers als Gemeinschaftsunternehmen eines regionalen Stromverteilungsunternehmens und der beteiligten Gemeinden zur Folge, daß Strombezugsverträge für dieses Versorgungsgebiet zukünftig mit deutlich erhöhter Wahrscheinlichkeit nur mit dem beteiligten Regionalversorger geschlossen werden, verstärkt die erreichte langfristige Sicherung der Absatzmärkte unmittelbar eine beherrschende Stellung des Regionalversorgers auf dem vorgelagerten regionalen Stromverteilermarkt. Dies gilt auch dann, wenn der nächste Abschluß eines Strombezugsvertrages erst nach Ablauf eines vor kurzem geschlossenen Liefervertrags mit zwanzigjähriger Laufzeit zu erwarten ist.

 

Normenkette

GWB § 23 Abs. 2 Nr. 2 S. 1, § 24 Abs. 1 S. 1, § 103 a Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

KG Berlin

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Bundeskartellamts wird der Beschluß des Kartellsenats des Kammergerichts vom 20. März 1996 aufgehoben.

Die Beschwerden der Beteiligten gegen den Beschluß des Bundeskartellamts, 8. Beschlußabteilung, vom 22. Februar 1995 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten.

Der Verfahrenswert wird auf 2 Mio. DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beteiligte zu 1 (im folgenden RWE Energie) ist das größte deutsche Stromerzeugungs- und – verteilerunternehmen. Sie ist auf allen Stufen der Elektrizitätswirtschaft tätig: in der Stromerzeugung, beim überregionalen Stromtransport, in der regionalen Stromversorgung und als lokale Gebietsversorgerin. Ihr Umsatz betrug im Geschäftsjahr 1993/94 16,6 Mrd. DM, der Konzernumsatz 55 Mrd. DM. Bis Ende 1994 betrieb RWE Energie aufgrund alter, nach § 103 a Abs. 4 GWB ausgelaufener Stromkonzessionsverträge auch die (lokale) Stromversorgung der im Aggertal im Oberbergischen Kreis gelegenen Städte Gummersbach (der Beteiligten zu 3), Bergneustadt, Wiehl und der Gemeinden Engelskirchen und Overath (insgesamt etwa 140.000 Einwohner). Die Stromumsätze in diesem Gebiet beliefen sich 1993/94 auf ca. 135 Mio. DM.

Das Umland des Aggertals wird überwiegend – mit Ausnahme eines Gebiets im Westen und einiger kleinerer, im Osten angrenzender Gebiete – unmittelbar von RWE Energie versorgt. Zu den nicht von RWE Energie versorgten Gebieten gehört das im Westen gelegene Gebiet um Bergisch-Gladbach, das über die Bergischen Licht-, Kraft- und Wasserwerke (BELKAW) mittelbar von den Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerken Köln (im folgenden GEW) versorgt wird.

Am 28. Juni 1994 schlossen RWE Energie auf der einen sowie die Städte Gummersbach und Bergneustadt, die Gemeinden Engelskirchen und Overath sowie die Stadtwerke Wiehl (im folgenden Aggertalgemeinden) auf der anderen Seite einen Konsortialvertrag über die Zusammenarbeit in der Stromversorgung Aggertal GmbH (der Beteiligten zu 2, im folgenden Aggerstrom). Die Präambel dieses Vertrages lautet auszugsweise:

Die zwischen den (Aggertalgemeinden) und der RWE Energie bestehenden Stromkonzessionsverträge enden … am 31.12.1994. Die Gasversorgung der (Aggertalgemeinden) erfolgt durch die Gasgesellschaft Aggertal mbH, an der die (Aggertalgemeinden) … beteiligt sind. Die Partner haben sich darauf verständigt, die langjährige energiewirtschaftliche Zusammenarbeit ab dem 1.1.1995 in einer gemeinsamen Gesellschaft, der Aggerstrom, fortzuführen. Die Aggerstrom soll zunächst in der Sparte Elektrizität als regionales Verbundunternehmen die Stromversorgung in der Region Aggertal fortführen. .

Im einzelnen war vorgesehen, daß RWE Energie die Aggerstrom gründen und ihre Anlagen in das Gesellschaftsvermögen einbringen sollte, soweit sie der Stromversorgung der Aggertalgemeinden dienen. Sodann sollten die Aggertalgemeinden im Wege der Kapitalerhöhung an Aggerstrom beteiligt werden, wobei die Gemeinden einen Teil durch Einbringung des von ihnen gehaltenen Drittels der Anteile an der Gasgesellschaft Aggertal GmbH (im folgenden Aggergas'~ leisten sollten; zur Finanzierung der Differenzbeträge sollten die Aggertalgemeinden bei RWE Energie Darlehen mit einer zwanzigjährigen Laufzeit aufnehmen. Zunächst waren folgende Geschäftsanteile mit entsprechenden Stimmrechten an der Aggerstrom

  • RWE Energie
  • Stadt Gummersbach
  • Stadtwerke Wiehl
  • Gemeinde Engelskirchen
  • Stadt Bergneustadt
  • Gemeinde Overath

vorgesehen:

49, 999 %

25,000 %

9,584 %

6,666 %

5,000 %

3,751 %

Zu einem späteren Zeitpunkt solite RWE Energie einen Teilgeschäftsanteil an die GEW abtreten.

Nach dem Konsortialvertrag ist vorgesehen, daß die Aggerstrom von zwei Geschäftsführern geleitet werden soll, von denen der eine auf Vorschlag der Aggertalgemeinden, der andere auf Vorschlag von RWE Energie bestellt werden soll.

Ferner soll Aggerstrom einen Aufsichtsrat mit elf Mitgliedern erhalten; sechs Mitglieder sollen auf Vorschlag der Aggertalgemeinden, fünf auf Vorschlag von RWE Energie gewählt werden. Der Gesellschaftsvertrag sieht vor, daß eine Reihe von Geschäften der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf; diese Zustimmung setzt in der Regel eine einfache Mehrheit (wie bei der Zustimmung zum Abschluß von Energiebezugsverträgen), teilweise aber auch eine Dreiviertelmehrheit voraus (so etwa bei der Zustimmung zu dem in jedem Jahr zu erstellenden Wirtschaftsplan, zum Abschluß von Konzessionsverträgen, zum Erwerb oder zur Veräußerung von Grundstücken, zur ProkuraErteilung oder zur Aufnahme neuer Geschäftszweige). Für die der Gesellschafterversammlung vorbehaltenen Entscheidungen ist teilweise ebenfalls eine Dreiviertelmehrheit erforderlich (so etwa für die Änderung des Gesellschaftsvertrags, die Feststellung des Jahresabschlusses und die Ergebnisverwendung, die Erweiterung der Geschäftstätigkeit). Um die mehrheitliche Beteiligung der Aggertalgemeinden an Aggerstrom sicherzustellen, sieht der Gesellschaftsvertrag zugunsten der Aggertalgemeinden für den Fall ein Ankaufsrecht vor, daß eine von ihnen Anteile veräußern möchte.

Nach Anmeldung des Vorhabens beim Bundeskartellamt gründete RWE Energie im Dezember 1994 vereinbarungsgemäß die Aggerstrom, die seit Beginn des Jahres 1995 das Gebiet des Aggertals mit elektrischer Energie versorgt; diesen Strom bezieht Aggerstrom aufgrund eines auf zwanzig Jahre geschlossenen Liefervertrags ausschließlich von RWE Energie. Mit den Städten und Gemeinden des Aggertals wurden ebenfalls auf zwanzig Jahre befristete Konzessionsverträge geschlossen. Ende 1995 brachten die Aggertalgemeinden ihre Geschäftsanteile an der Aggergas in die Gesellschaft ein und übernahmen Anteile an der Aggerstrom in der vorgesehenen Höhe; lediglich ein kleiner Teil. des vorgesehenen 25%-Anteils der Stadt Gummersbach (0,005 %) wurde bis zum Abschluß des vorliegenden Kartellverwaltungsverfahrens von den Stadtwerken Wiehl übernommen. Ferner trat RWE Energie einen Teilgeschäftsanteil an GEW ab, so daß sie selbst nunmehr noch über einen Gesellschaftsanteil von 39,999 % verfügt.

Das Bundeskartellamt hat das Zusammenschlußvorhaben durch Beschluß vom 22. Februar 1995 (WuW/E BKartA 2713) mit folgender Entscheidungsformel untersagt:

1. Das mit Schreiben vom 15. August 1994 angemeldete

Vorhaben der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens „Stromversorgung Aggertal GmbH” wird insoweit untersagt, als die RWE Energie AG an ihm Anteile in Höhe von 49,999 % halten soll.

Für den Fall, daß die Verfügung züi 1 keinen Bestand hat, wird das ebenfalls mit Schreiben vom 15. August 1994 angemeldete Vorhaben der Stadt Gummersbach, eine Beteiligung in Höhe von 25 % an der Stromversorgung Aggertal GmbH zu erwerben, untersagt.

Auf die Beschwerde der Beteiligten hat das Kammergeri diesen Beschluß aufgehoben (KG WuW/E OILIG 5601) gelassenen) Rechtsbeschwerde begebrt das die Aufhebung dieses Beschlusses und die

Mit der (zt

Bundeskartellamt

Wiederherstellung

seiner Untersagungsverfügung. Die Beteiligten treten der Rechtsbeschwerde entgegen.

B.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Kammergerichts und zur Bestätigung der Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts.

I. Das Kammergericht hat zur Begründung seiner Entsch dung ausgeführt:

Die angefochtene Untersagungsverfügung sei nicht dadurch gegenstandslos geworden, daß RWE Energie sich von einem größeren Teilgeschäftsanteil an Aggerstrom als ursprünglich angekündigt getrennt habe und nunmehr nur eine Beteiligung von 39,999 % – statt 49,999 % – halte. Das Bundeskartellamt habe die Untersagung auf den Tatbestand des § 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 lit. a GWB gestützt; damit richte sich die Untersagung gegen jede Beteiligung oberhalb der dort genannten Quote von 25 %.

Durch die Beteiligung der RWE Energie an Aggerstrom sei der Zusammenschlußtatbestand des § 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 lit. a GWB verwirklicht. Unerheblich sei, daß Aggerstrom zunächst als hundertprozentiges Tochterunternehmen von RWE Energie gegründet worden sei und RWE Energie durch Einbringung seiner Leitungsnetze zunächst lediglich Gesellschaftsvermögen umgeschichtet habe. Denn hierbei habe es sich nur um einen unselbständigen Zwischenschritt zur Bildung des Gemeinschaftsunternehmens gehandelt. Durch den Eintritt der Aggertalgemeinden habe Aggerstrom, wie beabsichtigt, die entscheidende Aufwertung erfahren, und zwar nicht allein wegen der eingebrachten Anteile an Aggergas. Die Beteiligung der Aggertalgemeinden habe die Verfolgung der gemeinsamen Ziele erst ermöglicht.

Die Untersagungsverfügung sei jedoch aufzuheben, weil der Zusammenschluß keine Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung von RWE Energie erwarten lasse. Wegen der noch bis zum Jahr 2014 laufenden Konzessions- und Stromlieferungsverträge komme für eine Verstärkungswirkung nur die Zeit nach Ablauf dieser Verträge in Betracht. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß RWE Energie seine marktbeherrschende Stellung bis dahin verteidigen werde. Die von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, aber auch im nationalen Rahmen eingeleiteten Schritte zur Liberalisierung der Energiemärkte ließen die Prognose stabiler Marktverhältnisse nicht mehr zu; allein die Möglichkeit des Fortbestehens einer Marktbeherrschung durch RWE Energie könne keine tragfähige Grundlage für die Untersagungsverfügung darstellen.

Die Untersagung könne aber auch deswegen keinen Bestand haben, weil der Zusammenschluß keine Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung erwarten lasse. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß RWE Energie durch den Zusammenschluß ihre Absatzmöglichkeiten im Gebiet der Aggertalgemeinden über die Laufzeit der derzeitigen Konzessions- und Lieferverträge hinaus sichern könne. Aufgrund ihrer Mehrheit seien vLelmehr die Aggertalgemeinden in der Lage, den Stromlieferan-kl–en selbständig zu wählen. Andere mögliche Einflüsse wie die Verbundenheit in der Gesellschafterversammlung oder aufgrund der Darlehensgewährung seien zu vage, um darauf eine Prognose stützen zu können. Ein maßgeblicher Einfluß von RWE Energie lasse sich auch nicht mit gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten begründen; sie werde sich bei den zum sparsamen Umgang mit Haushaltsmitteln verpflichteten kommunalen Gesellschaftern nicht gegenüber günstigeren Angeboten von Wettbewerbern durchsetzen können. RWE Energie habe auch keine Handhabe, die Errichtung von Eigenerzeugeranlagen durch die Gemeinden oder durch Aggerstrom zu verhindern.

Schließlich sei auch die hilfsweise ausgesprochene Untersagung der Beteiligung der Stadt Gummersbach an dem Gemeinschaftsunternehmen Aggerstrom aufzuheben. Ein feststellender Verwaltungsakt, um den es sich hier handele, sei grundsätzlich bedingungsfeindlich, falls eine solche Möglichkeit – was für das Kartellrecht zu verneinen sei – nicht ausdrücklich vorgesehen sei.

Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde haben Erfolg.

II.1. Gegenstand der angefochtenen Untersagungsverfügung zu 1 ist der angemeldete Erwerb von Anteilen an Aggerstrom durch RWE Energie.

a) Das Bundeskartellamt ist in seiner Untersagungsverfügung davon ausgegangen, daß das angemeldete Vorhaben in dreifacher Hinsicht Zusammenschlußtatbestände i.S. des § 23 Abs. 2 GWB erfüllt, und zwar jeweils – vertikal – durch den im Rahmen der Gründung der Aggerstrom erfolgenden Erwerb von mindestens 25 % der Anteile an dieser Gesellschaft durch RWE Energie auf der einen und durch die Stadt Gummersbach auf der anderen Seite (§ 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 lit. a GWB) sowie gleichzeitig – horizontal – dadurch, daß mit der Gründung von Aggerstrom als einem Gemeinschaftsunternehmen die Stadt Gummersbach und RWE Energie auf dem Tätigkeitsgebiet der Aggerstrom (Weiterverteilung von Strom als lokaler Gebietsversorger) als zusammengeschlossen gelten (§ 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 GWB). Gegenstand der Untersagungsverfügung zu 1 ist jedoch allein der erste der genannten Tatbestände, also der – vom Bundeskartellamt so bewertete – Anteilserwerb von RWE Energie an Aggerstrom, der nach Ansicht des Amtes eine Verstärkung der beherrschenden Stellung von RWE Energie auf dem vorgelagerten Stromabsatzmarkt bewirken würde.

b) Ungeachtet des Wortlauts der Entscheidungsformel

(„insoweit untersagt, als die RWE Energie AG … Anteile in Höhe von 49,90-9 % halten soll”) hat das Bundeskartellamt das Zusammenschlußvorhaben in der angemeldeten Form untersagt. Bei diesem sollte RWE Energie – wie sich bereits aus der Anmeldung ergab – „in einem dritten Schritt” noch einen TeilgeSchäftsanteil in Höhe von 4,999 % an die GEW abtreten, so daß ihr nur ein Anteil von 45 % verbleiben sollte; hiervon ist auch cias Bundeskartellamt bei seiner Verfügung ausgegangen.

2. Die Untersagungsverfügung hat sich nicht dadurch erledigt, daß RWE Energie inzwischen einen größeren Teilgeschaftsanteil an GEW abgetreten hat (10 % statt 4,999 %) und in Folge dessen einen etwas kleineren Geschäftsanteil an Aggerstrom hält als in der Anmeldung vorgesehen. Bei einem angemeldeten Zusammenschlußvcrhaben stellt sich die Frage der Erledigung der Hauptsache nicht schon deswegen, weil die Beteiligten nach Erlaß der Untersagungsverfügung den Zusammenschluß zunächst in einer veränderten Form vollziehen. Unabhängig davon wird der Erwerb einer Beteiligung an Aggerstrom in Höhe von 39,999 % durch RWE Energie vom Kern der Untersagungsverfügung erfaßt; denn die Abweichung gegenüber dem angemeldeten Vorhaben führt nicht aus dem Zusammenschlußtatbestand heraus und verändert das angemeldete und untersagte Vorhaben auch nicht in seinem Wesen (vgl. BGH, Beschl. v. 29.10.1985 – KVR 1/84, WuW/E 2211, 2213 f. – Morris-Rothmans).

III. Mit Recht hat das Kammergericht einen Zusammenschlußtatbestand in der Form des Anteilserwerbs nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 lit. a GWB bejaht.

Der Annahme eines Zusammenschlusses zwischen RWE Energie und Aggerstrom in der Form des Anteilserwerbs steht nicht entgegen, daß Aggerstrom zunächst von RWE Energie als eine hundertprozentige Eigengründung geschaffen worden ist. Zwar ist – trotz unterschiedlicher Begründung – allgemein anerkannt, daß eine Eigengründung, die Ausdruck internen Wachstums ist oder sich als interne Umstrukturierungsmaßnahme darstellt, kontrollfrei ist (vgl. nur Mestmäcker in Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl., § 23 Rdn. 198; Paschke in Frankfurter Kommentar zum GWB, 3. Aufl., § 23 Rdn. 64). Wie sich aus der Anmeldung und dem-Konsortialvertrag ergibt, handelt es sich im Streitfall jedoch nicht nur um eine solche Eigengründung. Vielmehr fügt sich die Errichtung der Gesellschaft in einen Gesamtplan ein, dessen zweiter Schritt die Beteiligung der Aggertalgemeinden war. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise handelt es sich daher fusionskontrollrechtlich um einen Anteilserwerb an einem durch RWE Energie auf der einen und den Aggertalgemeinden auf der anderen Seite gemeinsam gegründeten Unternehmen (vgl. BGHZ 121, 137, 152 f. – Zurechnungsklausel; zum stufenweisen Anteilserwerb BGH, Beschl. v. 19.4.1983 – KVR 1/82, WuW/E 2013, 2014 – VEW-Gelsenwasser; Harms in Gemeinschaftskommentar zum GWB, 4. Aufl.f § 24 Rdn. 64; Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, 2. Aufl., § 24 GWB Rdn. 17 u. 36).

IV. Es ist zu erwarten, daß sich die beherrschende Stellung, über die RWE Energie auf dem Regionalverteilermarkt verfügt, durch den angemeldeten Zusammenschluß verstärken wird (§ 24 Abs. 1 Satz 1 GWB).

Der sachlich relevante Markt ist der Markt der regionalen StromverteiLlung. Der räumlich relevante Markt wird durch das Versorgungsgebiet von RWE Energie bestimmt. Auf diesem Markt ist RWE Energie infolge von Gebietsschutzverträgen und infolge der Eigentumsverhältnisse an den Versorgungsanlagen beherrschend; denn es gibt dort keinen Wettbewerber (§ 22 Abs. 1 Nr. 1 GWB).

2. Das Kammergericht hat seine Annahme, daß sich die marktbeherrschende Stellung von RWE Energie durch den Zusammenschluß nicht verstärken werde, auf zwei Begründungen gestützt: Zum einen könne sich eine mögliche Verstärkung der Marktstellung von RWE Energie allenfalls im Jahre 2014 auswirken, wenn Aggerstrom erneut über den Abschluß eines Stromliefervertrags zu entscheiden habe; ob aber zu diesem Zeitpunkt RWE Energie noch marktbeherrschend sei, könne nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit vorausgesagt werden (dazu unten a). Zum anderen sei nicht anzunehmen, daß RWE Energie seine Absatzmöglichkeiten im Gebiet der Aggertalgemeinden durch den Zusammenschluß langfristig, also über die laufenden Lieferverträge hinaus, gesichert und damit seine Marktstellung konsolidiert habe (dazu unten b).

Beide Begründungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Die Verstärkung der Marktstellung von RWE Energie würde bereits mit dem Zusammenschluß eintreten. Dem Kammergericht könnte aber auch dann nicht gefolgt werden, wenn auf das Jahr 2014 abzustellen wäre.

aa) Die Auffassung des Kammergerichts, im Streitfall komme allenfalls eine Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung von RWE Energie im Jahre 2014 in Betracht, weil der Zusammenschluß bis dahin keine nachteiligen Auswirkungen auf das Wettbewerbsgeschehen haben könne, begegnet durchgreifenden Bedenken.

Dabei kann dahinstehen, ob der Ende 1994 entsprechend der Vereinbarung im Konsortialvertrag mit einer Laufzeit von zwanzig Jahren abgeschlossene Liefervertrag bei der Beurteilung der Folgen des angemeldeten Zusammenschlusses unberücksichtigt bleiben muß. Denn auch wenn die Marktverhältnisse hinsichtlich des Absatzes von Strom in den Aggertalgemeinden mit Blick auf die laufenden Konzessions- und Lieferverträge bis zum Jahre 2014 unverändert bleiben, würde sich doch eine langfristige Absicherung der zukünftigen Absatzchancen bereits heute verstärkend auf die Marktposition von RWE Energie auswirken. Die Marktstellung eines regionalen Stromverteilungsunternehmens – wie RWE Energie – wird nicht allein dadurch beeinflußt, daß es in dem von ihm versorgten Gebiet keinem Wettbewerb ausgesetzt ist; sie wird maßgebend auch davon geprägt, daß diese Situation durch langfristige Demarkations- und Konzessionsverträge sowie durch entsprechende langfristige Lieferverträge mit Ausschließlichkeitsbindung stabil gehalten wird. Für den Abnehmer, d.h. für den lokalen Gebietsversorger, kommt ein Wechsel im allgemeinen nur in großen zeitlichen Abständen in Betracht. Würde es RWE Energie durch einen Zusammenschluß gelingen, die durch das Gesetz (§ 103 a Abs. 1 Satz IA- GWB) vorgesehene Höchstgrenze für die Laufzeit der Konzessions- und damit auch der Lieferverträge zu überspringen und sich ein Absatzgebiet über die Veri-ragslaufzeit hinaus dauerhaft zu sichern, läge darin schon heute eine deutliche Verstärkung der bestehenden marktbeherrschenden Stellung.

bb) Doch auch wenn allein die Möglichkeit einer Verstärkung der Marktstellung vom Jahre 2014 an berücksichtigt wird, hat das Kammergericht zu Unrecht angenommen, es bestehe keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, daß RWE Energie zu diesem Zeitpunkt noch eine marktbeher–schende Stellung einnehme.

Für die im Rahmen des § 24 Abs. 1 GWB erforderliche Prognoseentscheidung sind die Wettbewerbsbedingungen, die ohne den Zusammenschluß herrschen würden, mit denen zu vergleichen, die durch den Zusammenschluß entstanden sind oder entstehen (BGHZ 76, 55, 73 – Elbe Wochenblatt 1; 82, 1, 9 – 4 Zeitungsmarkt München; BGH, Beschl. v. 27.5.1986 – KVR 7/84, WuW/E 2276, 2283 – Süddeutscher Verlag/Donau-Kurier). Geht es dabei um eine erst in Zukunft eintretende Verstärkung einer bestehenden marktbeherrschenden Stellung, muß die Prognose auch den Umstand umfassen, daß das betreffende Unternehmen zu dem zukünftigen Zeitpunkt noch marktbeherrschend ist (vgl. Harms aaO § 24 Rdn. 354).

Im Streitfall kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß RWE Energie seine marktbeherrschende Stellung in absehbarer Zeit verlieren wird. Das Kammergericht hat seine gegenteilige Auffassung in erster Linie mit den – auf europäischer und auf nationaler Ebene bestehenden – Plänen zur Liberalisierung der Energiemärkte begründet. Neben der Entwicklung der strukturellen Marktbedingungen können jedoch erwartete Entscheidungen der rechtsetzenden Organe nicht ohne weiteres in die Prognose einbezogen werden. Denn grundsätzlich ist die geltende Rechtslage Ausgangspunkt und Grundlage der Untersuchung, welche Auswirkungen ein bestimmter Zusammenschluß auf die Stellung der beteiligten Unternehmen im Markt haben wird; mögliche Veränderungen der Rechtslage können im allgemeinen nicht ihrerseits zum Gegenstand der vorausschauenden Betrachtung durch die Kartellbehörde und die Kartellgerichte gemacht werden. Dies besagt nicht, daß nicht in Ausnahmefällen eine bevorstehende Gesetzesänderung bei der Prognose berücksichtigt werden darf. Dies setzt jedoch voraus, daß für eine konkret umrissene Änderung – entsprechend den-Anforderungen, unter denen künftige Veränderungen anderer Rahmenbedingungen des Wettbewerbs zu berücksichtigen sind (vgl. BGHZ 71, 102, 114 f., 117 f. – Kfz-Kupplungen, unter Berufung auf die Begründung der 2. GWB-Novelle, BT-Drucks. VI/2520, S. 29; Harms aaO § 24 Rdn. 360; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rdn. 848; Emmerich, Kartellrecht, 7. Aufl., S. 384 f.) – eine hohe Wahrscheinlichkeit spricht.

Ob diese Voraussetzungen für die Berücksichtigung einer möglichen Änderung der Rechtslage hier vorliegen, ist zweifelhaft, kann aber im Streitfall offenbleiben. Denn es wäre weiterhin erforderlich, daß sich mit einer entsprechenden Wahrscheinlichkeit aufgrund der Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen in absehbarer Zeit die tatsächlichen Verhältnisse änderten und – auf den Streitfall bezogen – RWE Energie seine marktbeherrschende Stellung verlieren würde.

Nach wirtschaftlicher Erfahrung kann hiervon nicht ausgegangen werden. Auch wenn eine Monopolstellung von RWE Energie nicht mehr bestünde, vielmehr auf dem hier maßgeblichen regionalen Stromverteilermarkt auch andere Versorgungsunternehmen tätig wären, käme RWE Energie doch im Hinblick auf den Marktanteil, im Hinblick auf die bestehenden Leitungsnetze und die vertraglich abgesicherten Absatzmöglichkeiten, im Hinblick auf den Zugang zu den Beschaffungsmärkten (Stromerzeugung) sowie im Hinblick auf die Finanzkraft weiterhin eine überragende Marktstellung zu, die erfahrungsgemäß wegen der Langfristigkeit der Dispositionen der Nachfrageseite und wegen der Höhe der von möglichen Wettbewerbern zu erbringenden Investitionen innerhalb überschaubarer Zeit kaum gefährdet wäre.

b) Der Annahme einer Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung von RWE Energie durch den geplanten Zusammenschluß hat das Kammergericht entgegengehalten, weder die Stellung, die RWE Energie als Gesellschafterin bei Aggerstrom einnehme, noch weitere tatsächliche Umstände verschafften ihr einen hinreichenden Einfluß auf zukünftige Nachfrageentscheidungen bei Aggerstroint. Auch dic-„se Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nichc stand. Vielmehr ist anzunehmen, daß sich aufgrund des Zusammenschlusses die Marktstellung von RWE Energie dadurch verstärkt, daß sie sich kraft ihrer Stellung bei Aggerstrom die Möglichkeit verschafft, den Stromabsatz in den Aggertalgemeinden langfristig für das eigene Unternehmen zu sichern.

aa) Im Ansatz zutreffend ist das Kammergericht zunächst davon ausgegangen, daß jedenfalls bei vertikalen Zusammenschlüssen, bei denen sich der Marktanteil des Erwerbers auf dem relevanten Markt infolge des Zusammenschlusses nicht verändert, nicht bereits der für die Bejahung des formellen Zusammenschlußtatbestandes des § 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 lit. a GWB vorausgesetzte Erwerb eines Anteils von mindestens 25 % mit der Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung i.S. von § 24 Abs. 1 Satz 1 GWB gleichgesetzt werden kann (vgl. BGHZ 73, 65, 77 – Erdgas Schwaben; BGH, Beschl. v. 12.2.1980 – KVR 4/79, WuW/E 1763, 1766 – Bituminöses Mischgut; BGH WuW/E 2013, 2016 – VEW-Gelsenwasser; Kleinmann/Bechtold aaO § 24 Rdn. 38; Harms aaO § 24 Rdn. 71 ff.; kritisch Möschel aaO Rdn. 835).

Zu Recht weist die Rechtsbeschwerde jedoch darauf hin, daß bei Märkten, die durch eine hohe Konzentration geprägt sind, bereits eine geringe Beeinträchtigung des Restwettbewerbs oder des potentiellen Wettbewerbs ausreicht, um eine Verstärkung der beherrschenden Stellung des Erwerbers zu bejahen. Je stärker der Grad der durch Konzentration eingetretenen Wettbewerbsbeschränkung ist, desto nachhaltiger ist der verbleibende oder – bei monopolistischen Märkten – potentiell aufkeimende Wettbewerb zu schützen (BGH, Beschl. v. 23.10.1979 – KVR 3/78, WuW/E 1655, 1659 – Zementmahlanlage II; BGHZ 76, 55, 73 f. – Elbe Wochenblatt 1; 82, 1, 11 – Zeitungsmarkt München).

Für die Bejahung einer Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung genügen daher bereits verhältnismäßig geringfügige Vorteile, die RWE Energie durch den Zusammenschluß zuteil werden. Im Streitfall ist – wie bereits dargelegt -auch für die absehbare Zukunft von einer gesteigerten Konzentration auf dem vorgelagerten Regionalverteilermarkt auszugehen. Andererseits kommt für die Versorgung des Gebietes der Aggertalgemeinden nach den unbeanstandet gebliebenen Feststellungen des Bundeskartellamts und des Kammergerichts künftig nicht allein RWE Energie in Betracht, so daß nicht angenommen werden kann, die Versorgung dieses Gebietes werde RWE Energie ungeachtet der Beteiligung an Aggerstrom ohnehin zufallen.

bb) Der Zusammenschluß verstärkt die Marktstellung von RWE Energie auf dem regionalen Stromverteilermarkt dadurch, daß die Aussicht von RWE Energie, mit dem von ihr geliefer-,Cen Strom das Gebiet der Aggertalgemeinden zu versorgen, unabhängig von der Höchstlaufzeit der Konzessions- und Lieferverträge langfristig verbessert und die eigene Stellung im Markt dadurch konsolidiert w3.rd. Dies reicht als Verstärkungswirkung i.S. des § 24 Abs. 1 Satz 1 GWB aus (vgl. BGHZ 73, 65, 75 – Erdgas Schwaben; BGH, Beschl. v. 10.12.1991 – KVR 2/90, WuW/E 2731, 27-„-17 – Inlandstochter; BGHZ 119, 117, 135 – Warenzeichenerwerb).

Die im Rahmen des 5 24 Abs. l Satz 1 GWB anzustellende Wahrscheinlichkeitsprognose erfordert einen Vergleich: Die Entwicklung, die sich als Folge des Zusammenschlusses ergibt, muß mit der Wettbewerbslage verglichen werden, die ohne den Zusammenschluß bestehen würde. Letztere wird bestimmt durch den Rhythmus, der sich aus der (Höchst-)Laufzeit der Konzessionsverträge ergibt (§ 103 a Abs. 1 Satz 1 GWB). Danach besteht für die Strom nachfragenden Aggertalgemeinden spätestens nach zwanzig Jahren die Möglichkeit, neue Verträge mit einem nachstoßenden Wettbewerber zu schließen oder dazu überzugehen, die Versorgung ganz oder teilweise selbst zu übernehmen, wobei allerdings die Versorgungseinrichtungen vom früheren Versorgungsunternehmen übernommen werden müssen. Um jedenfalls in größeren zeitlichen Abständen einen Restwettbewerb um die Versorgungsgebiete zu ermöglichen, läßt das Gesetz unter keinen Umständen eine längerfristige Bindung zu.

Die Stellung, die RWE Energie aufgrund des Zusammenschlusses in der Aggerstrom einnimmt, vermittelt ihr demgegenüber eine Reihe von Vorteilen, die zwar nicht zwingend, aber doch mit einiger Wahrscheinlichkeit bewirken, daß ihr die Aggertalgemeinden als Absatzgebiet auf lange Sicht erhalten bleiben:

(1) Ohne das Gemeinschaftsunternehmen Aggerstrom würde die spätestens nach zwanzig Jahren anstehende Entscheidung darüber, bei welchem regionalen Stromversorger der Strom für die Versorgung des fraglichen Gebiets nachgefragt wird, von den Städten und Gemeinden getroffen. Sie bestimmen darüber, mit welchem Versorgungsunternehmen der nächste Konzessionsvertrag geschlossen wird. Nachdem die Aggertalgemeinden die Aggerstrom als Unternehmen der lokalen Gebietsversorgung gegründet haben, ist dagegen absehbar, daß dieses Unternehmen erneut die Konzessionen für das gesamte Gebiet der Aggertalgemeinden erhalten wird. Die aus der Sicht von RWE Energie maßgebliche Entscheidung, die wiederum spätestens nach zwanzig Jahren ansteht, ist nunmehr nicht diejenige über den Partner des Konzessionsvertrags, sondern die Entscheidung darüber, mit wem Aggerstrom den nächsten Strombezugsvertrag abschließen wird. Diese Entscheidung treffen nicht die Gemeinderäte der beteiligten Gemeinden, sondern Aggerstrom, also eine Gesellschaft, deren größte Gesellschafterin RWE Energie ist. Ungeachtet der rechtlich abgesicherten sowie der weiteren tatsächlichen Einflußmöglichkeiten bietet allein der Umstand, daß es sich um eine gemeinsam zu treffende Entscheidung handelt, einen nicht unerheblichen Vorteil für RWE Energie.

(2) Aufgrund ihrer rechtlichen Stellung kann RWE Energie bei AggersCrom sowohl das laufende Geschäft als auch grundlegende Entscheidungen beeinflussen: einer der beiden Geschäftsführer wird auf Vorschlag von RWE Energie bestellt, fünf der elf Aufsichtsratsmitglieder werden auf Vorschlag von RWE Energie gewählt. In der Gesellschafterversammlung und im Aufsichtsrat steht RWE Energie bzw. den auf ihren Vorschlag zu wählenden Aufsichtsratsmitgliedern bei grundlegenden Entscheidungen eine Sperrminorität zu; dies sind in der Gesellschafterversammlung vor allem die Satzungsänderung sowie die Entscheidungen über die Ergebnisverwendung und über eine Erweiterung der Geschäftstätilgkeit, im Aufsichtsrat die Entscheidungen über Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken sowie über die Aufnahme neuer Geschäftszweige.

(3) Diese rechtliche Stellung ermöglicht es RWE Energie entgegen der Meinung des Keiiimergerlichts, eine Errichtung von Eigenerzeugungsanlagen durch Aggerstrom zu unterbinden. Denn in der Errichtung und dem Betrieb von Stromerzeugungseinrichtungen liegt die Aufnahme eines neuen Geschäftszweigs, die der mit Dreiviertelmehrheit zu treffenden Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 11 und Satz 2 des Gesellschaftsvertrages); die Errichtung von Eigenerzeugungseinrichtungen setzt somit voraus, daß zumindest drei der auf Vorschlag von RWE Energie gewählten Aufsichtsratsmitglieder ihr zustimmen. Zudem kann RWE Energie ihren satzungsrechtlichen Einfluß in jedem Fall gegen die für eine Errichtung von Stromerzeugungseinrichtungen notwendigen Investitionsentscheidungen geltend machen, indem sie in der Gesellschafterversammlung einer entsprechenden Ergebnisverwendung nicht zustimmt oder ihren Einfluß im Aufsichtsrat dazu nutzt, daß einem entsprechenden Wirtschaftsplan sowie dem Erwerb oder der Belastung von Grundstücken nicht zugestimmt wird.

(4) Auch bei der Entscheidung über den Abschluß eines Strombezugsvertrags hat RWE Energie eine besonders starke Stellung. Sie hat zwar bei der vom Aufsichtsrat zu treffenden Entscheidung keine Sperrminorität; es reicht aber aus, daß die auf ihren Vorschlag gewählten Mitglieder lediglich eines der weiteren sechs Mitglieder auf ihre Seite ziehen oder zur Stimmenthaltung bewegen, um im Aufsichtsrat die Mehrheit zu erreichen und gegebenenfalls die Zustimmung zu einem Strombezugsvertrag mit einem Wettbewerber zu versagen.

(5) Bei der von Aggerstrom zu treffenden Entscheidung, von wem sie den Strom bezieht, sprechen indessen zugunsten von RWE Energie auch tatsächliche Umstände, die als Auswirkungen des Zusammenschlusses ebenfalls zu berücksichtigen sind (vgl. nur BGH WuW/E 2013, 2016 – VEW-Gelsenwasser).

Das Kammergericht hat angenommen, RWE Energie werde sich bei der Vergabe des Anschlußauftrages gegenüber günstigeren Angeboten der Konkurrenz nicht durchsetzen können. Wie die Rechtsbeschwerde mit Erfolg rügt, wird dabei nicht hinreichend beachtet, daß die Vergleichbarkeit der verschiedenen Angebote nicht inuner gewährleistet ist und daß sich das billigste Angebot nicht notwendig als das günstigste erweist. Den Organen der Aggerstrom, die über einen neuen Bezugsvertrag entscheiden, bleibt danach ein Spielraum, den sie zugunsten von RWE Energie nutzen können. RWE Energie hat dabei über den auf ihren Vorschlag bestellten Geschäftsführer und über die auf ihren Vorschlag gewählten Aufsichtsratsmitglieder die Möglichkeit, innerhalb der Entscheidungsgremien nachdrücklich auf die Vorzüge des eigenen Angebots hinzuweisen.

Ebenfalls mit Recht verweist die Rechtsbeschwerde darauf, daß die wirtschaftlichen Umstände eine Nachfrageentscheidung der Aggerstrom zugunsten von RWE Energie begünsti gen. In der von der Rechtsbeschwerde angeführten Senatsentscheidung „Bituminöses Mischgut” (BGH WuW/E 1763, 1767 f.)' ging es freilich worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung zutreffend hinweist um die umgekehrte Konstellation; der Senat hat -Aort angenommen, es entspreche wirtschaftlicher Vernunft, daß ein an einem Gemeinschaftsunternehmen beteiligtes Unternehmen seinen Bedarf irt, Falle der Gleichpreisigkeit bei diesem deckt. Doch auch wenn – wie im Streitfall – das nachfragendie Gemeinschaftsunternehmen von der Muttergesellschaft- bei-L.elLer~t wird, ergibt sich aus der gesellschaftsrechtlichen Verbindung ein wirtschaftlicher Vorteil: RWE Energie kann aufgrund ihrer Stellung als Gesellschafterin der Aggerstrom damit rechnen, daß ihr ein Teil eines gewährten Preisnachlasses als Gewinn wieder zufließt. Denn je günstiger der Preis ist, den RWE Energie Aggerstrom berechnet, desto höher fällt tendenziell der Gewinn von Aggerstrom aus, an dem RWE Energie maßgeblich beteiligt ist. Dies verschafft RWE Energie im Preiswettbewerb mit anderen Anbietern einen Vorteil.

Für eine Nachfrageentscheidung zugunsten von RWE Energie kann ferner der Umstand sprechen, daß die technische und kaufmännische Betriebsführung der Aggerstrom nach dem Konsortialvertrag in den Händen eines Tochterunternehmens von RWE Energie, der Regionalversorgung EW Siegerland, liegen soll (§ 5 Abs. 2 des Konsortialvertrags). Auch wenn beabsichtigt ist, daß Aggerstrom nach Ablauf der zwanzigjährigen Laufzeit des Betriebsführungsvertrags in die Rechte und Pflichten aus den entsprechenden Arbeitsverhältnissen eintritt (§ 613 a BGB), liegt doch zunächst das gesamte Know how weiterhin bei RWE Energie.

Schließlich kann die starke Stellung, die RWE Energie bei Aggerstrom einnimmt, andere Anbieter davon abhalten, sich um die Belieferung von Aggerstrom zu bemühen. Auch wenn die Vorzüge, die RWE Energie genießt, nicht zu einer sicheren Erwartung einer für sie günstigen Nachfrageentscheidung führen, besteht jedenfalls die Gefahr, daß (potentielle) Wettbewerber entmutigt und von einem aggressiven Wettbewerbsverhalten in bezug auf die Belieferung von Aggerstrom abgeschreckt werden. Damit steigert der Zusammenschluß die Fähigkeit von RWE Energie, nachstoßenden Wettbewerb abzuwehren (vgl. BGHZ 71, 102, 119 ff. – Kfz-Kupplungen; 73, 65, 75 – Erdgas Schwaben; BGH, Beschl. v. 25.6.1985 – KVR 3/84, WuW/E 2150, 2157 – Edelstahlbestecke).

V. Da die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts mit der Ziffer 1 Bestand hat, ist Ziffer 2 der Verfügung, durch die das Bundeskartellamt den Erwerb eines Anteils der Stadt Gummersbach an Aggerstrom für den Fall der Aufhebung der Ziffer 1 untersagt hat, gegenstandslos. Auf die im Beschwerdeverfahren erhobenen Einwände gegen die Zulässigkeit eines solchen Vorgehens kommt es daher nicht mehr an.

Die Entscheidung des Kammergerichts ist danach auf die Rechtsbeschwerde des Bundeskartellamts aufzuheben. Die Beschwe–den der Beteiligten gegen die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts sind zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Satz 1 und 2 GWB.

 

Unterschriften

Geiß, v. Ungern-Sternberg, Goette, Melullis, Bornkamm

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 15.07.1997 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 609944

BGHZ

BGHZ, 268

BB 1998, 121

DB 1998, 305

NJW 1998, 2440

Nachschlagewerk BGH

WM 1998, 194

WuB 1998, 629

AG 1998, 338

WRP 1998, 194

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