Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbrechung des Kostenfestsetzungsverfahrens durch Insolvenz

 

Leitsatz (amtlich)

Das Kostenfestsetzungsverfahren wird auch dann durch die Insolvenz eines Verfahrensbeteiligten unterbrochen, wenn zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung die Kostengrundentscheidung bereits rechtskräftig ist (Fortführung von BGH, Beschl. v. 29.6.2005 - XII ZB 195/04, NZI 2006, 128).

 

Normenkette

ZPO §§ 104, 240

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Beschluss vom 15.08.2011; Aktenzeichen 15 W 67/11)

LG Karlsruhe (Beschluss vom 28.06.2011; Aktenzeichen 15 O 132/10 KfH)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Klägerinnen gegen den Beschluss des 15. Zivilsenats des OLG Karlsruhe vom 15.8.2011 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf bis zu 900 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Parteien haben zur Beilegung von zwei ursprünglich getrennt geführten Verfahren einen Vergleich geschlossen, dessen Zustandekommen mit Beschluss des LG vom 11.3.2011 festgestellt worden ist. Danach trägt die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten des Vergleichs und des Mehrvergleichs, welche die Parteien jeweils selbst tragen. Am 31.3.2011 haben die Klägerinnen beantragt, die ihnen entstandenen Kosten gegen die Beklagte festzusetzen. Nachdem am 16.6.2011 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet worden war, hat das LG mit Beschluss vom 28.6.2011 die Unterbrechung des Kostenfestsetzungsverfahrens festgestellt. Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

Rz. 2

Die gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§ 575 ZPO) ist unbegründet.

Rz. 3

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Das Kostenfestsetzungsverfahren sei durch die Insolvenz der Beklagten gem. § 240 ZPO unterbrochen worden. Denn das Kostenfestsetzungsverfahren gem. §§ 103, 104 ZPO stelle ein selbständiges Verfahren dar, auf welches § 240 ZPO unabhängig davon anwendbar sei, ob der zugrunde liegende Rechtsstreit noch anhängig oder - wie hier - rechtskräftig abgeschlossen sei. Auch der Sinn und Zweck des § 240 ZPO, dem Insolvenzverwalter und den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zu geben, sich auf die durch die Insolvenzeröffnung eingetretene Veränderung der Sachlage einzustellen, spreche in Übereinstimmung mit der ganz überwiegenden Auffassung in der neueren Rechtsprechung und Literatur für die Unterbrechungswirkung. Gegen eine Unterbrechung des Kostenfestsetzungsverfahrens gem. § 240 ZPO spreche, anders als die Beschwerde meine, auch nicht etwa, dass die Kostenfestsetzung "lediglich die Rechnung der Kosten" darstellen würde. Vielmehr handele es sich bei dem Kostenfestsetzungsverfahren um ein vielfach kontrovers geführtes Verfahren, das über eine bloße Berechnung feststehender Positionen auf der Grundlage einer Kostengrundentscheidung weit hinausgehe.

Rz. 4

2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das Beschwerdegericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die Insolvenz der Beklagten gem. §§ 240, 249 ZPO zur Unterbrechung des Kostenfestsetzungsverfahrens geführt hat.

Rz. 5

Der BGH hat bereits entschieden, dass ein Kostenfestsetzungsverfahren für die Kosten der Vorinstanzen auch dann unterbrochen ist, wenn die Unterbrechungswirkung erst in einem späteren Rechtszug eintritt und die Kostengrundentscheidung somit nicht rechtskräftig wird (BGH, Beschl. v. 29.6.2005 - XII ZB 195/04, NZI 2006, 128 unter II 2). Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde wird das Kostenfestsetzungsverfahren indes auch dann durch die Insolvenz eines Verfahrensbeteiligten unterbrochen, wenn zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung die Kostengrundentscheidung bereits rechtskräftig ist.

Rz. 6

Denn durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 InsO). Dies hat zur Folge, dass der Schuldner auch die Prozessführungsbefugnis verliert, soweit die Insolvenzmasse betroffen ist (BAGE 120, 27, 29; BAG NJW 2009, 3529, 3530; Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 13. Aufl., § 80 Rz. 9; vgl. RGZ 29, 29, 32 ff.), so dass ein Rechtsstreit nicht ohne Beteiligung des Insolvenzverwalters fortgeführt werden kann. Dies gilt auch für das Kostenfestsetzungsverfahren (BGH, Beschl. v. 29.6.2005 - XII ZB 195/04, a.a.O.; OLG Brandenburg OLGReport Brandenburg 2007, 424 f.; ZInsO 2011, 398 f.; KG, FamRZ 2008, 1203 f.; OLG Hamm OLGReport Hamm 2005, 95 f.). Denn das Kostenfestsetzungsverfahren ist ein selbständiges, an das Verfahren des ersten Rechtszuges angegliedertes (§ 103 Abs. 2 ZPO) Verfahren (BGH, Beschl. v. 6.12.2007 - I ZB 16/07, NJW 2008, 2040 Rz. 6; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 103 Rz. 2).

Rz. 7

Auch der Sinn und Zweck der §§ 240, 249 ZPO gebietet entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung eine Unterbrechung des Kostenfestsetzungsverfahrens (BGH, Beschl. v. 29.6.2005 - XII ZB 195/04, a.a.O.). Mit der Unterbrechung soll den Beteiligten des Verfahrens und dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit gegeben werden, sich auf die durch die Insolvenz einer Partei eingetretene Veränderung der Sachlage einzustellen. Zwar ist der Kostenerstattungsanspruch bei Vorliegen eines Titels - wie hier der Fall - bereits dem Grunde nach gegeben; die Höhe dieses Anspruchs steht jedoch erst aufgrund des - ggf. streitig zu führenden - Kostenfestsetzungsverfahrens fest. Es ist daher geboten, auch insoweit dem Verwalter Gelegenheit zu geben, sich hinsichtlich des Verfahrens sachkundig zu machen und die Aufnahme des Verfahrens zu prüfen (BGH, Beschl. v. 29.6.2005 - XII ZB 195/04, a.a.O.; KG, a.a.O.).

III.

Rz. 8

Bei der Festsetzung des Streitwertes hat der Senat 10 % der geltend gemachten Kostenausgleichsforderung zugrunde gelegt, da eine höhere Verteilungsquote im Insolvenzverfahren weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist (vgl. § 182 InsO; BGH, Beschl. v. 29.6.2005 - XII ZB 195/04, a.a.O., unter III m.w.N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 3017337

DStR 2012, 14

NJW 2012, 8

FamRZ 2012, 1213

JurBüro 2012, 474

WM 2012, 1200

ZIP 2012, 1263

MDR 2012, 990

NZI 2012, 5

NZI 2012, 625

Rpfleger 2012, 587

ZInsO 2012, 2216

AGS 2013, 36

HRA 2012, 1

InsbürO 2013, 115

RVGreport 2012, 309

ZBB 2012, 300

Mitt. 2012, 474

PAK 2012, 129

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