Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschlagung der Erbschaft. Anspruch auf Ersatz verauslagter Bestattungskosten gegen totenfürsorgeberechtigten Nichterben

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Anspruch auf Ersatz der Bestattungskosten nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 670, 677, 683 BGB gegen den totenfürsorgeberechtigten und -verpflichteten Angehörigen kann demjenigen zustehen, der die Beerdigung eines Verstorbenen veranlasst, auch wenn der Totenfürsorgeberechtigte nicht Erbe ist. § 1968 entfaltet gegenüber einem solchen Anspruch keine Sperrwirkung.

 

Normenkette

BGB §§ 670, 677, 683, 1968

 

Verfahrensgang

LG Göttingen (Urteil vom 27.05.2011; Aktenzeichen 4 S 3/10)

AG Herzberg am Harz (Entscheidung vom 05.05.2010; Aktenzeichen 4 C 618/09)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Göttingen vom 27.5.2011 durch Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen.

 

Gründe

Rz. 1

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Erstattung von ihm verauslagter Beerdigungskosten i.H.v. 3.958,41 EUR nach dem am 20.6.2007 verstorbenen Erblasser in Anspruch. Die Beklagte ist eine Tochter des Erblassers, der Kläger sein Bruder. Die am 13.12.1965 geborene Beklagte kannte den Erblasser, dessen Ehe mit ihrer Mutter am 23.10.1965 geschieden wurde, nicht und hatte mit ihm zu Lebzeiten keinen Kontakt. Nachdem das Nachlassgericht die Beklagte am 5.3.2008 darüber unterrichtet hatte, dass sie als gesetzliche Erbin in Betracht komme, schlug sie die Erbschaft am 10.3.2008 aus.

Rz. 2

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.

Rz. 3

II. Die Voraussetzungen für eine Zulassung liegen nicht vor; die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

Rz. 4

1. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Dies ist nur der Fall, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschl. v. 27.3.2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288 [291]). Auch eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen Divergenz nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO ist nicht geboten.

Rz. 5

a) Voraussetzung eines Anspruchs des Klägers auf Ersatz der Beerdigungskosten gem. § 1968 BGB ist die Erbenstellung der Beklagten. Diese hat das Berufungsgericht nicht feststellen können, da die Beklagte die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe. Gemäß § 1944 Abs. 1 BGB beträgt die Ausschlagungsfrist sechs Wochen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt (§ 1944 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die Beklagte hat behauptet, sie habe erstmals von einem möglichen Anfall der Erbschaft durch das Schreiben des Nachlassgerichts vom 5.3.2008 erfahren. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, der Kläger habe eine zeitlich frühere Kenntnis nicht bewiesen.

Rz. 6

Soweit die Revision die Auffassung vertritt, die Beklagte und nicht der Kläger sei darlegungs- und beweisbelastet für die Rechtzeitigkeit der Ausschlagung, ist dies unzutreffend. Zwar trifft die Beweislast für die wirksame Ausübung des Ausschlagungsrechts, d.h. dessen Existenz, Zeitpunkt und Formwirksamkeit denjenigen, der sich darauf beruft. Den Wegfall des Ausschlagungsrechts durch Fristablauf als rechtsfolgenvernichtende Tatsache hat dagegen derjenige zu beweisen, der sich auf den Verlust des Ausschlagungsrechts beruft (Senat, Urt. v. 5.7.2000 - IV ZR 180/99, ZEV 2000, 401 unter 2b; Staudinger/Otte, BGB [2008] § 1944 Rz. 30; Leipold in MünchKomm/BGB, § 1944 Rz. 29). Ein Anlass dafür, von der bisherigen Senatsrechtsprechung abzuweichen, besteht nicht.

Rz. 7

b) Bedenken begegnet dagegen die Auffassung des Berufungsgerichts, ein Anspruch des Klägers komme auch nicht nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 677 ff. BGB in Betracht.

Rz. 8

aa) § 1968 BGB stellt keine abschließende Regelung für die Erstattung der Beerdigungskosten dar, wie §§ 1615 Abs. 2, 844 Abs. 1 BGB, § 74 SGB XII oder § 75 Abs. 2 SeemG zeigen. Daher kann sich ein Anspruch auf Erstattung verauslagter Beerdigungskosten aus Geschäftsführung ohne Auftrag ergeben (Bamberger/Roth/Lohmann, § 1968 Rz. 3; Soergel/Stein, § 1968 Rz. 4; Palandt/Weidlich, § 1968 Rz. 1; Erman/Schlüter, BGB, 13. Aufl., § 1968 Rz. 4). Das kommt etwa in Betracht, wenn ein nicht Totenfürsorgeberechtigter die Bestattung vorgenommen hat und Ersatz der Kosten vom Erben verlangt (vgl. OLG Saarbrücken OLGReport Saarbrücken 2002, 228).

Rz. 9

bb) Noch nicht abschließend geklärt ist, ob ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag gegen einen Totenfürsorgeberechtigten geltend gemacht werden kann, der selbst nicht Erbe ist und auch nicht für die Bestattung gesorgt hat. Teilweise wird ein derartiger Anspruch für möglich erachtet (vgl. LG Bonn, Urt. v. 2.7.2009 - 8 S 122/09, bei juris für den Anspruch der nichtehelichen Lebensgefährtin des Erblassers gegen dessen Kinder; AG Neustadt/Rübenberg FamRZ 1995, 731 für den Anspruch der geschiedenen Ehefrau gegen ihren früheren Ehemann auf anteiligen Ersatz der Beerdigungskosten für ein gemeinsames Kind trotz Ausschlagung der Erbschaft durch die Eltern; MünchKomm/BGB/Küpper, § 1968 Rz. 3).

Rz. 10

Soweit das Berufungsgericht dies mit der Begründung abgelehnt hat, dass die Totenfürsorge lediglich ein Recht der nächsten Angehörigen des Verstorbenen begründe, diese aber nicht verpflichte, für die Bestattung des Erblassers zu sorgen, liegt dem ein fehlerhaftes Verständnis der Totenfürsorge zugrunde. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die nächsten Angehörigen, wenn und soweit ein erkennbarer Wille des Verstorbenen hinsichtlich seiner Bestattung nicht vorliegt, das Recht und die Pflicht trifft, über den Leichnam zu bestimmen und über die Art der Bestattung sowie die letzte Ruhestätte zu entscheiden (RGZ 154, 269 [270 f.]; BGH, Urt. v. 26.10.1977 - IV ZR 151/76, FamRZ 1978, 15 unter 1; BGH, Urt. v. 26.2.1992 - XII ZR 58/91, NJW-RR 1992, 834 unter II 1).

Rz. 11

cc) Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck des § 1968 BGB kann hergeleitet werden, dass dieser Ansprüche gegen weitere Verpflichtete als den Erben aus einem anderen Rechtsgrund von vornherein ausschließt. Insbesondere wird durch die Zubilligung eines Anspruchs auf Ersatz der Beerdigungskosten gegen den Totenfürsorgeberechtigten über die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht die Wertung des § 1968 BGB umgangen. Sind die Kosten zunächst beim Totenfürsorgeberechtigten angefallen, sei es, dass er selbst für die Beerdigung gesorgt hat, sei es, dass ein Dritter diese durchgeführt hat und die Kosten von ihm erstattet verlangt, so steht ihm gem. § 1968 BGB ein Regressanspruch gegen den Erben zu. Kann ein derartiger Anspruch nicht durchgesetzt werden, weil die Erben nicht feststehen, der Nachlass überschuldet ist oder der Fiskus als Erbe die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass geltend macht, fällt dies in den Risikobereich des Anspruchstellers und folgt aus seiner Pflicht zur Totenfürsorge.

Rz. 12

dd) Der vom Berufungsgericht herangezogene Vergleich mit der öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht überzeugt nicht. Diese ist unabhängig von zivilrechtlichen Verpflichtungen, der Erbenstellung oder dem Totenfürsorgerecht. Sie besteht vorrangig aus Gründen der Gefahrenabwehr. Kommen die nahen Angehörigen der Beerdigungspflicht nicht nach, sind die Ordnungsbehörden veranlasst, die Bestattung im Wege der Ersatzvornahme durchführen zu lassen, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insb. Gesundheitsgefahren, auszuschließen (vgl. BVerwG NVwZ-RR 1995, 283; OVG Lüneburg FamRZ 2004, 458). Entsprechend knüpfen die Bestattungsgesetze der Länder an die Angehörigeneigenschaft an und bestimmen, dass die zuständige Gemeinde die Bestattung zu veranlassen hat, wenn hierfür niemand sorgt. Ihr steht dann ein Erstattungsanspruch gegen die Angehörigen zu (vgl. etwa § 8 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 und 2 Niedersächsisches BestattG). Hiervon unabhängig ist die privatrechtliche Verpflichtung der nächsten Angehörigen, für die Beerdigung zu sorgen.

Rz. 13

ee) Gleichwohl liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nicht vor, weil die vom Berufungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich ist und deshalb keine die Entscheidung tragende Divergenz zu der dargestellten Gegenauffassung vorliegt. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Beklagte nicht zur Totenfürsorge verpflichtet gewesen sei, sondern in erster Linie der Kläger, so dass er kein Geschäft der Beklagten geführt habe.

Rz. 14

Zutreffend ist, dass die Reihenfolge der totenfürsorgeberechtigten und -verpflichteten Angehörigen nicht unabänderlich feststeht. Es geht nicht um die strikte Anwendung einer bestimmten Abfolge, wie sie öffentlich-rechtlich in den Bestattungsgesetzen der Länder oder in § 2 Abs. 2 und 3 des Gesetzes über die Feuerbestattung vom 15.5.1934 (RGBl. I 380) niedergelegt ist. Hiernach haben für die Bestattung zunächst der Ehegatte, dann die Kinder und Enkelkinder, danach die Eltern und Großeltern sowie schließlich die Geschwister Sorge zu tragen.

Rz. 15

Vielmehr ist für das privatrechtliche Totenfürsorgerecht zunächst der Wille des Erblassers maßgebend. Dieser kann nicht nur die Art und Weise seiner Beerdigung, sondern auch diejenige Person, die er mit der Wahrnehmung dieser Belange betraut, bestimmen, selbst wenn sie nicht unmittelbar zum Kreis der sonst berufenen Angehörigen zählt (BGH, Urt. v. 26.2.1992 - XII ZR 58/91, NJW-RR 1992, 834 unter II 1; BGH, Urt. v. 26.10.1977 - IV ZR 151/76, FamRZ 1978, 15 unter 2; RGZ 154, 269 [270 f.]; OLG Karlsruhe ZEV 2001, 447; Bamberger/Roth/Lohmann, § 1968 Rz. 2). Bei der Ermittlung des für die Wahrnehmung der Totenfürsorge maßgebenden Willens des Verstorbenen kommt es nicht nur auf dessen ausdrückliche Willensbekundungen, etwa in einer letztwilligen Verfügung, an. Es genügt, wenn der Wille aus den Umständen mit Sicherheit geschlossen werden kann.

Rz. 16

ff) Auf dieser Grundlage ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Ausübung des Totenfürsorgerechts durch die Beklagte nicht dem mutmaßlichen Willen des Erblassers entsprochen habe. Der Erblasser hatte mit der Beklagten keinen Kontakt; diese wurde erst nach der rechtskräftigen Scheidung ihrer Eltern geboren. Demgegenüber bestand eine Verbindung mit dem Kläger. Wie sich aus dessen eigenen Schreiben an die Geschwister der Beklagten ergibt, wusste er, dass sich der Erblasser in einem Seniorenheim befand, die Kosten der Heimunterbringung vom Sozialamt bezahlt wurden und mit dessen täglichem Ableben gerechnet werden musste. Angesichts dieser Umstände ist die Annahme des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, dass der Kläger als "nächster" Angehöriger des Erblassers und damit Totenfürsorgeberechtigter und -verpflichteter anzusehen ist. Soweit die Revision demgegenüber die Auffassung vertritt, der (mutmaßliche) Wille des Erblassers beeinflusse nicht die gewohnheitsrechtliche Zuständigkeit des nächsten Angehörigen für die Bestattung, ist das nach den oben dargelegten Grundsätzen unzutreffend.

Rz. 17

2. Aus den vorgenannten Gründen ergibt sich schließlich, dass die Revision in der Sache ebenfalls keine Aussicht auf Erfolg hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2922026

NJW 2012, 1651

NJW 2012, 6

EBE/BGH 2012, 82

FamRZ 2012, 632

JurBüro 2012, 389

WM 2012, 2013

ZEV 2012, 10

ZEV 2012, 361

ZEV 2012, 559

DNotZ 2012, 543

ErbBstg 2012, 95

MDR 2012, 352

ErbR 2012, 186

ErbR 2012, 210

FamRB 2012, 135

RdW 2012, 242

ZErb 2012, 142

EE 2012, 55

FuBW 2012, 742

FuNds 2013, 73

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