Leitsatz (amtlich)

›Eine im Rahmen der Ermächtigung des § 689 Abs. 3 ZPO eingeführte Zuständigkeitskonzentration für Mahnverfahren erfaßt auch die Verfahren nach § 703 d ZPO (insbesondere sog. Auslandsmahnverfahren), wenn der Verordnungsgeber nicht erkennbar zum Ausdruck bringt, daß diese Verfahren von der Konzentration ausgeschlossen sein sollen.‹

 

Verfahrensgang

AG Köln

AG Hagen

 

Gründe

I. Die Klägerin ist eine Messegesellschaft mit Sitz in Köln und verlangt von der in Frankreich ansässigen Beklagten die Bezahlung dreier Rechnungen aus Teilnahme an einer Messe im Gesamtbetrag von 2963, 24 DM. Sie hat den Erlaß eines Mahnbescheids bei dem in Nordrhein-Westfalen zum zentralen Mahngericht nach § 689 Abs. 3 ZPO bestimmten Amtsgericht Hagen beantragt. Das Amtsgericht Hagen hat mit Verfügung vom 25. März 1993 darauf hingewiesen, daß die Verordnung der Landesregierung über die Ermächtigung des Justizministeriums zum Erlaß von Rechtsverordnungen zur Konzentration der Mahnverfahren und über die Einführung der maschinellen Bearbeitung dieser Verfahren in Nordrhein-Westfalen vom 14.7. 1987 hinsichtlich der Mahnverfahren, in denen der Antragsgegner keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, keinen ausdrücklichen Hinweis auf § 703 d Abs. 2 Satz 2 ZPO enthält. Das habe zur Folge, daß die Übertragung der in § 689 Abs. 3 Satz 1 ZPO enthaltenen Ermächtigung lediglich auf die in § 689 Abs. 2 ZPO geregelte Zuständigkeit beschränkt sei und nicht auch die Ermächtigung in § 703 d Abs. 2 ZPO miterfaßt. Zuständig für den Erlaß des Mahnbescheids sei daher das für das streitige Verfahren nach § 703 d Abs. 2 Satz 1 ZPO zuständige Amtsgericht. Mit Beschluß des Rechtspflegers vom 2.4. 1993 hat das Amtsgericht Hagen sich nach Anhörung der Klägerin für örtlich unzuständig erklärt und die Sache "antragsgemäß" an das Amtsgericht Köln verwiesen.

Der Rechtspfleger beim Amtsgericht Köln hält das Amtsgericht Hagen als zentrales Mahngericht nach § 703 d Abs. 2 Satz 2 ZPO für zuständig.

II. Nach den negativen Entscheidungen der beiden Amtsgerichte ist gemäß § 36 Nr. 6 ZPO das Amtsgericht Hagen als das zuständige Gericht zu bestimmen, dem auch die Prüfung der internationalen Zuständigkeit im Rahmen seiner Entscheidung obliegt.

Die Voraussetzungen einer Bestimmung durch den Bundesgerichtshof liegen vor, nachdem die streitenden Mahngerichte in den Bezirken verschiedener Oberlandesgerichte liegen. § 36 Nr. 6 ZPO ist auf einen Zuständigkeitsstreit zwischen verschiedenen Mahngerichten vor Rechtshängigkeit entsprechend anwendbar (BGH, Beschl. v. 7. 10. 1977 - I ARZ 494/77, Rechtspfleger 1978, 13).

Gemäß Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ haben die Parteien als Gerichtsstand Köln vereinbart. Da die Mahnverfahren des Amtsgerichtsbezirks Köln durch § 1 Nr. 1 der 6. Verordnung über die Zuweisung von Mahnverfahren an das Amtsgericht Hagen vom 31. 8. 1991 (GV.NW. 1991, 355) in Verbindung mit § 1 der Verordnung über die Ermächtigung des Justizministers zum Erlaß von Rechtsverordnungen zur Konzentration der Mahnverfahren und über die Einführung der maschinellen Bearbeitung dieser Verfahren vom 14. 7. 1987 (GV.NW. 1987, 269) dem Amtsgericht Hagen zugewiesen sind, ist dieses zuständig.

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts Hagen ist die Übertragung der in § 689 Abs. 3 Satz 1 ZPO enthaltenen Ermächtigung nicht auf die in § 689 Abs. 2 Satz 1 ZPO geregelte Zuständigkeit für sogenannte Inlandsmahnverfahren beschränkt. Anderes ergibt sich nicht daraus, daß § 1 der 6. Verordnung bestimmt, daß die Mahnverfahren "damit in die beim Amtsgericht Hagen eingeführte maschinelle Bearbeitung einbezogen" werden. Dies gilt nur, soweit die maschinelle Bearbeitung überhaupt reicht.

Auch daß beide Verordnungen die Bestimmung des § 703 d Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht erwähnen, besagt nichts Gegenteiliges. Zum einen führt die fehlende Erwähnung nicht zur Unwirksamkeit der Verordnungen. Ein Verstoß gegen das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG ist entgegen der Ansicht des OLG Koblenz (Beschl. v. 18. 6. 1993 - 4 SmA 16/93) nicht gegeben. Nach dieser Bestimmung sind die Ermächtigungsgrundlagen anzugeben. § 703 d Abs. 2 Satz 2 ZPO aber bildet keine eigenständige Ermächtigungsgrundlage. Die Vorschrift stellt lediglich klar, daß sich in Abweichung von § 703 d Abs. 2 Satz 1 ZPO auch für die Auslandsmahnverfahren eine andere Zuständigkeit aufgrund der Zentralisierungs-Ermächtigung des § 689 Abs. 2 ZPO ergeben kann. Dies würde nach Sinn und Wortlaut des § 689 Abs. 3 ZPO auch dann gelten, wenn die Verweisung in § 703 d Abs. 2 Satz 2 ZPO unterblieben wäre. Dementsprechend geht die Begründung zum Änderungsentwurf des Rechtsausschusses, auf dessen Vorschlag § 703 d ZPO dem Gesetz eingefügt worden ist, davon aus, daß § 703 d Abs. 2 Satz 2 ZPO keine eigenständige Konzentrationsermächtigung zum Inhalt hat, sondern lediglich den Anwendungsbereich des § 689 Abs. 3 ZPO klarstellt (vgl. BT-Drucks. 7/5250 S. 15 zu lit. p Abs. 2 letzter Satz). Unter diesen Umständen ist aus der unterlassenen Erwähnung des § 703 d Abs. 2 Satz 2 ZPO auch nicht zu schließen, daß der Landesgesetzgeber die Auslandsmahnverfahren ausgenommen wissen wollte.

Wie der Gesetzgeber durch die Einfügung des § 689 Abs. 3 Satz 2 ZPO mit Wirkung ab 1. März 1993 (BT-Drucks. 12/1217 S. 32 li.Sp. Abs. 2) "klargestellt" hat, ist die Zuweisung zu einem zentralen Mahngericht ferner nicht davon abhängig, ob die Mahnverfahren maschinell bearbeitet werden können.

Eine Auslegung, die zu einer nur teilweisen Konzentration der den Ländern zur Zuständigkeitsregelung überlassenen Mahnverfahren führt, läuft dem Zweck der Verordnungen zuwider. Die Konzentration der Mahnverfahren bei einem Gericht gemäß § 1 der Verordnung vom 14.7. 1987, auf die auch die 6. Verordnung über die Zuweisung von Mahnverfahren an das Amtsgericht Hagen vom 31. 3. 1990 ohne Einschränkung Bezug nimmt, führt zu einer gleichförmigeren und rationelleren Bearbeitung; zugleich vermag sie infolge der ständigen Wiederkehr gleichgelagerter Probleme zu einer erhöhten Qualität der Bearbeitung zu führen. Dies trifft in gleichem Maße auf die sog. Auslandsmahnverfahren zu, da auch bei diesen die Probleme in wiederkehrend gleicher Struktur auftreten und daher bei Konzentration eher einer rationellen und richtigen Bearbeitung zugeführt werden, als bei nur gelegentlichem, seltenem Auftreten, wie es bei einer Verteilung der Auslandsmahnsachen landesweit zu erwarten ist. Die im weiteren Verfahrensverlauf auftretenden Probleme sprechen eher für als gegen eine Konzentration auch dieser Verfahren. Bleibt das Verfahren ohne Widerspruch, so kann das zentrale Mahngericht ohne weiteres einen beantragten Vollstreckungsbescheid erlassen; seine internationale Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 703 d Abs. 2 Satz 2, 689 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit den ohnehin anzuwendenden Regeln des internationalen Zivilprozeßrechts. Daß nach Widerspruch des Antragsgegners die Abgabe an das für das streitige Verfahren zuständige Gericht zu erfolgen hat, führt zu keinen weiteren Unzuträglichkeiten, als sie auch sonst bei einem Mahnverfahren mit anschließendem Streitverfahren typisch sind.

Hiernach sind die Verordnung vom 14.7. 1987 und die 6. Verordnung vom 31. 8. 1991 im Einklang mit der Auslegung dieser Bestimmungen durch das Oberlandesgericht Hamm (Beschl. v. 24. 5. 1993 - 1 Sbd 17/93) dahin auszulegen, daß das Amtsgericht Hagen auch für die nicht einer maschinellen Bearbeitung unterliegenden Mahnbescheide zuständig ist, bei denen der Antragsgegner seinen Sitz im Ausland hat (wie hier wohl im Ergebnis allgemein Zöller/Vollkommer, ZPO 18. Aufl., § 703 d ZPO Rz. 3; a.A. Baumbach/Hartmann, ZPO 51. Aufl., § 703 d ZPO Rz. 2; Holch in MK/ZPO, § 703 d ZPO Rz. 11; LG Stuttgart, Beschl. v. 30. 11. 1992 - 2 T 930/92).

An einer Auslegung der landesrechtlichen Vorschriften ist der Senat im vorliegenden Fall schon deswegen nicht gehindert, weil diese sich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstrecken (vgl. § 549 Abs. 1 ZPO). Im übrigen sind die Bestimmungen der §§ 562, 549 ZPO im Verfahren nach §§ 36 Nr. 6, 37 ZPO ohnehin nicht anzuwenden. Es handelt sich um kein Revisionsverfahren, sondern um eine unter. Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten eröffnete Bestimmungsmöglichkeit, damit die Anliegen der Rechtsuchenden nicht durch - weitgehend überflüssige - Streitigkeiten der Gerichte untereinander über Gebühr verzögert werden. Dies gestattet dem bestimmenden Gericht die Prüfung der Zuständigkeitsvoraussetzungen auch soweit ihm eine Prüfung im Revisionsverfahren verschlossen wäre.

Nach allem ist das Amtsgericht Hagen wirksam als zentrales Mahngericht auch für Auslandsmahnverfahren bestimmt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993689

NJW 1993, 2752

BGHR ZPO § 689 Abs. 3 Auslandsmahnverfahren 1

BGHR ZPO § 703d Abs. 2 Satz 2 Auslandsmahnverfahren 1

WM 1993, 1980

MDR 1994, 95

Rpfleger 1994, 30

IPRspr. 1993, 146

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