Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von Rentenversorgungen im Versorgungsausgleich. Abgrenzung zum güterrechtlichen Ausgleich

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Versorgungsausgleich unterliegen regelmäßig nur solche (privaten) Rentenversorgungen, die speziell für das Alter oder die Zeit einer verminderten Erwerbsfähigkeit bestimmt sind und als Ersatz für das bisherige Erwerbseinkommen dienen sollen. Dagegen unterfällt eine auch als Vermögensanlage bestimmte Lebensversicherung, aus der Rentenleistungen zu einem erheblichen Teil auch schon während des aktiven Erwerbslebens gezahlt werden, i.d.R. dem güterrechtlichen Ausgleich.

 

Normenkette

BGB § 1587 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

OLG München (Beschluss vom 17.01.2005; Aktenzeichen 30 UF 135/04)

AG Kempten (Entscheidung vom 26.02.2004; Aktenzeichen 3 F 319/01)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 30. Zivilsenats - zugleich Familiensenat - des OLG München, Zivilsenate in Augsburg, vom 17.1.2005 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 2.375,88 EUR

 

Gründe

I.

[1] Die Parteien streiten um den Versorgungsausgleich.

[2] Die Ehegatten, die am 7.3.1988 miteinander die Ehe geschlossen haben, lebten im Güterstand der Gütergemeinschaft, die noch nicht auseinandergesetzt ist. Der Scheidungsantrag der Ehefrau (Antragstellerin, geb. 3.8.1963) wurde dem Ehemann (Antragsgegner, geb. am 4.2.1962) am 31.3.2001 zugestellt. Das AG - FamG - hat die Ehe durch Verbundurteil geschieden (insoweit rechtskräftig) und den Versorgungsausgleich durchgeführt.

[3] In der Ehezeit (1.3.1988 bis 28.2.2001, § 1587 Abs. 2 BGB) hat der Ehemann Anrechte bei der Land- und forstwirtschaftlichen Alterskasse Niederbayern/Oberpfalz und Schwaben (im Folgenden: Land- und forstwirtschaftliche Alterskasse) i.H.v. 291,47 DM (= 149,03 EUR) erworben, außerdem Anwartschaften auf eine Rentenversicherung bei der Allianz Lebensversicherungs-AG mit einem ehezeitlichen Deckungskapital von 83.254,38 DM, umgerechnet in eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 387,23 DM (= 197,99 EUR). Die Ehefrau hat in der Ehezeit Rentenanwartschaften bei der Deutschen Rentenversicherung Schwaben i.H.v. 109 DM (= 55,73 EUR) erworben; außerdem hat sie Anwartschaften auf eine Rentenversicherung bei der DBV-Winterthur-Lebensversicherung AG mit einem ehezeitlichen Deckungskapital von 17.905,19 DM, umgerechnet in eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 83,28 DM (= 42,58 EUR) erworben.

[4] Das AG hat den Versorgungsausgleich dahin geregelt, dass es zu Lasten der bei der Land- und forstwirtschaftlichen Alterskasse bestehenden Anrechte des Ehemannes auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Schwaben Rentenanwartschaften, und zwar im Wege des analogen Quasisplittings nach § 1 Abs. 3 VAHRG i.H.v. 53,40 EUR und im Wege des erweiterten analogen Quasisplittings gem. § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG i.H.v. 45,81 EUR, jeweils monatlich und bezogen auf den 28.2.2001, begründet hat. Außerdem hat es den Ehemann gem. § 3b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG verpflichtet, auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Schwaben Rentenanwartschaften i.H.v. 25,14 EUR, monatlich und bezogen auf den 28.2.2001, durch Beitragszahlung i.H.v. 5.403,81 EUR zu begründen.

[5] Auf die Beschwerde der Ehefrau hat das OLG die Entscheidung des AG geändert. Es hat - in Übereinstimmung mit dem von der Ehefrau verfolgten Beschwerdeziel - die bei der Allianz Lebensversicherungs-AG bestehenden Anrechte des Ehemannes nicht als eine dem Versorgungsausgleich unterliegende Versorgung wegen Alters angesehen. Dementsprechend hat es für die Ehefrau lediglich im Wege des analogen Quasisplittings zu Lasten der bei der Land- und forstwirtschaftlichen Alterskasse bestehenden Anrechte des Ehemannes auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Schwaben Rentenanwartschaften i.H.v. 25,36 EUR begründet.

[6] Der Ehemann begehrt, dass die für ihn bei der Allianz Lebensversicherungs-AG begründeten Anrechte nicht einer späteren güterrechtlichen Auseinandersetzung vorbehalten, sondern in den Versorgungsausgleich einbezogen werden. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt er die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.

II.

[7] 1. Die statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig.

[8] Zwar wird der Ehemann mit der Regelung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs durch das OLG ggü. der amtsgerichtlichen Entscheidung formal nicht benachteiligt; denn die Höhe der für die Ehefrau durch analoges Quasisplitting begründeten Anrechte bleibt hinter der Höhe der für sie vom AG begründeten Anrechte zurück. Dennoch wird der Ehemann durch die angefochtene Entscheidung in seiner Rechtsstellung beeinträchtigt (§ 20 Abs. 1 FGG).

[9] Für eine solche Beeinträchtigung genügt es, wenn der Entscheidungssatz der angefochtenen Entscheidung unmittelbar in ein dem Rechtsbeschwerdeführer zustehendes Recht eingreift, wobei diese Beeinträchtigung auch in einer ungünstigen Beeinflussung oder Gefährdung desselben liegen kann. Das ist hier der Fall. Zwar hat die Entscheidung des OLG, die bei der Allianz Lebensversicherungs-AG begründeten Anrechte nicht dem Versorgungsausgleich zuzuordnen, für eine spätere güterrechtliche Auseinandersetzung keine Bindungswirkung. Das mit der güterrechtlichen Auseinandersetzung befasste Gericht ist also - vorbehaltlich des § 242 BGB - nicht gehindert, Anrechte, die im vorausgegangenen Verfahren über den Versorgungsausgleich von diesem ausgenommen worden sind, entgegen dieser Würdigung dem Versorgungsausgleich zuzuordnen und einen güterrechtlichen Ausgleich dieser Anrechte zu verweigern (vgl. § 1587 Abs. 3 BGB). Dennoch besteht die Gefahr, dass eine unzutreffende Zuordnung eines Anrechts bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs auch im Rahmen der noch ausstehenden güterrechtlichen Auseinandersetzung zugrunde gelegt wird. Diese Gefahr genügt, um den Ehemann durch eine möglicherweise unzutreffende Zuordnung seiner Lebensversicherung im Verfahren über den Versorgungssausgleich als beschwert anzusehen. Auch wenn diese Zuordnung seine Ausgleichspflicht im Versorgungsausgleich senkt, muss ihm die Möglichkeit eröffnet sein, eine richtige Zuordnung der Versorgung zu erreichen und Nachteile, die sich aus einer unzutreffenden Zuordnung für ein späteres güterrechtliches Ausgleichsverfahren ergeben können, abzuwenden.

[10] 2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet.

[11] a) Nach Auffassung des OLG unterfallen dem Versorgungsausgleich Anrechte auf Rentenzahlung nicht schon immer dann, wenn sie einen Versorgungszweck im allgemeinen verfolgen. Zwar sei nicht nötig, dass eine Versorgung wegen Alters erst mit Eintritt in das gesetzliche Rentenalter eingreife. Unter den Zweck der Versorgung wegen Alters sei eine Rente jedoch nur dann einzuordnen, wenn sie der Versorgung im Anschluss an die Beendigung des aktiven Arbeitslebens dienen solle. Das sei bei den vom Ehemann begründeten Rentenanrechten der Allianz Lebensversicherungs-AG nicht der Fall. Diese Rente habe vielmehr Renditecharakter und verfolge einen allgemeinen Versorgungszweck: Sie werde aufgrund einer fünfjährigen Beitragszahlung von jährlich 10.000 DM ab dem 1.12.2005 gewährt und tatsächlich monatlich 212,54 EUR betragen. Zwar werde sie bis zum Lebensende des Ehemannes gezahlt, dies jedoch bereits ab dessen 44. (richtig: 43.) Lebensjahr. Zu diesem Zeitpunkt sei mit einem Ausscheiden des Ehemannes aus dem aktiven Berufsleben bei einem üblichen Lebensverlauf nicht zu rechnen.

[12] b) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

[13] Zwar lassen sich die dem Versorgungsausgleich unterliegenden Anrechte nicht von sonstigen, dem Güterrecht unterfallenden Rechtspositionen (vgl. § 1587 Abs. 3 BGB) danach abgrenzen, ob sie Renditecharakter haben. Der Ertrag einer Anlage ist vielmehr auch für die in § 1587 Abs. 1 BGB genannten Versorgungsanrechte ein Auswahlgesichtspunkt, der für die Anlage von Versorgungsvermögen zunehmend Bedeutung erlangt. Erforderlich ist indes, dass ein auf Rentenzahlung gerichtetes Anrecht gerade der "Versorgung wegen Alters" dienen soll. Das ist nicht immer schon dann der Fall, wenn die zugesagten Monatsleistungen dem Empfänger langfristig zu einer Aufstockung seiner verfügbaren Mittel dienen sollen und bis zum Lebensende gewährt werden. Der vom Gesetz geforderte Altersbezug setzt, wie der Senat bereits dargelegt hat, vielmehr voraus, dass die Versorgung nicht nur "auch", sondern speziell für das Alter bestimmt ist. Das verlangt, wie das OLG zu Recht betont, zwar keinen Gleichlauf des Rentenbeginns mit der gesetzlichen Rente oder mit der Beamtenversorgung. Dennoch wird eine Versorgung wegen Alters regelmäßig nur dann vorliegen, wenn die zugesagte Versorgungsleistung im Anschluss an die Beendigung des aktiven Berufslebens gewährt wird und das bisherige Erwerbseinkommen ersetzen soll (vgl. Senatsbeschlüsse v. 23.2.2005 - XII ZB 198/01, BGHReport 2005, 833 = MDR 2005, 870 = FamRZ 2005, 696, 698; v. 27.9.2000 - XII ZB 67/99, MDR 2001, 217 = FamRZ 2001, 284, 285; v. 1.6.1988 - IVb ZB 132/85, MDR 1988, 943 = FamRZ 1988, 936, 938).

[14] Diese Voraussetzung hat das OLG - in rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstandender Weise - verneint. Der Ehemann bezieht die bei der Allianz Lebensversicherungs-AG begründete Rente bereits mit dem 43. Lebensjahr. Umstände, welche die Annahme rechtfertigen können, dieser Bezugszeitpunkt sei im Hinblick auf einen - verglichen mit den Leitbildern der öffentlich-rechtlichen Versorgungssysteme - vorgezogenen Ruhestand gewählt worden, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dies rechtfertigt die Annahme, dass die vom Ehemann bei der Allianz Lebensversicherungs-AG abgeschlossene Lebensversicherung keine Versorgung wegen Alters ist, die dem Versorgungsausgleich unterliegt und deshalb gem. § 1587 Abs. 3 BGB einen güterrechtlichen Ausgleich ausschließt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1742184

NWB 2007, 3015

EBE/BGH 2007

FamRZ 2007, 889

FuR 2007, 269

NJW-RR 2007, 865

DNotI-Report 2007, 118

ZAP 2007, 643

DNotZ 2007, 772

MDR 2007, 887

FamRB 2007, 294

NJW-Spezial 2007, 396

NotBZ 2007, 255

ZFE 2007, 242

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