Leitsatz (amtlich)

Wenn ein Verfahren in der Hauptsache endet, weil die Partei des Rechtsstreits Alleinerbin ihres Gegners geworden ist, hat die zuvor zugunsten eines Streithelfers ergangene Kostenentscheidung weiter Bestand und kann Grundlage der Kostenfestsetzung sein.

 

Normenkette

ZPO § 103 Abs. 1, § 704

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 08.05.2023; Aktenzeichen 18 W 172/22)

LG Gießen (Entscheidung vom 26.09.2018; Aktenzeichen 2 O 436/17)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Mai 2023 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 7.981,60 € festgesetzt.

 

Gründe

Rz. 1

I. Im Ausgangsrechtsstreit wurde der Beklagte von seiner Mutter verklagt. Der Streithelfer trat dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin bei, nachdem diese ihm den Streit verkündet hatte. Das Oberlandesgericht entschied mit am 17. Juni 2019 verkündetem Urteil über die Berufungen der Parteien und des Streithelfers und erlegte dem Beklagten die Kosten des Streithelfers erster Instanz zu 59 % und dessen Kosten in der Berufung zu 81 % auf. Mit Beschluss vom 27. Juni 2019 setzte es den Berufungsstreitwert auf 241.106,07 € fest. Das Urteil wurde den Parteien am 27. Juni 2019 und dem Streithelfer am 26. Juni 2019 zugestellt. Die Klägerin starb am 27. Juni 2019. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der Streithelfer stellten am 2. Juli 2019 Kostenfestsetzungsanträge. Der Beklagte teilte mit, dass er der Alleinerbe der Klägerin sei. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin erklärten daraufhin, dass die Tochter der Klägerin deren Erbin sei. Das Oberlandesgericht ordnete auf Antrag des Beklagten mit Beschluss vom 9. Dezember 2019 die Aussetzung des Verfahrens an. Die Tochter der Klägerin nahm ihren Erbscheinsantrag zurück. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin riefen mit Schriftsatz vom 31. März 2020 das Verfahren wieder auf. Das Oberlandesgericht teilte den Parteien mit Verfügung vom 16. April 2020 mit, dass die Aussetzung des Verfahrens beendet sei.

Rz. 2

Mit Beschluss vom 21. August 2020 hat das Landgericht die aufgrund des vorläufig vollstreckbaren Urteils des Oberlandesgerichts vom 17. Juni 2019 vom Beklagten an den Streithelfer zu erstattenden Kosten auf 7.981,60 € nebst Zinsen festgesetzt. Die sofortige Beschwerde des Beklagten hat das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 8. Mai 2023 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten, mit der er seinen Antrag auf Ablehnung des Kostenfestsetzungsantrags des Streithelfers weiterverfolgt.

Rz. 3

II. Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Rz. 4

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dass das vorläufig vollstreckbare Urteil seine Funktion als Grundlage für eine Kostenfestsetzung zugunsten des Streithelfers nicht dadurch verloren habe, dass die Klägerin am Tag seiner Zustellung an ihren Prozessbevollmächtigten verstorben und vom Beklagten beerbt worden sei. Werde die Partei eines Rechtsstreits Alleinerbin ihres Gegners, ende das Verfahren wegen des Verbots des Insichprozesses in der Hauptsache. Der Kostenfestsetzungsbeschluss sei aber auch dann rechtmäßig ergangen, wenn die Konfusion am 27. Juni 2019 mit dem Tod der Klägerin erfolgt sei; ob Rechtsmittelfristen gegen das Urteil weiterliefen, könne offenbleiben. Im Verhältnis des Streithelfers zum Beklagten sei keine Konfusion eingetreten. Das vorläufig vollstreckbare Urteil als Grundlage für die Festsetzung der Kosten sei nicht weggefallen.

Rz. 5

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

Rz. 6

a) Das Beschwerdegericht hat zu Recht die dem Streithelfer zugesprochenen Kosten gegen den Beklagten festgesetzt. Auch wenn ein Verfahren in der Hauptsache endet, weil die Partei des Rechtsstreits Alleinerbin ihres Gegners geworden ist, hat die zuvor zugunsten eines Streithelfers ergangene Kostenentscheidung weiter Bestand und kann Grundlage der Kostenfestsetzung sein.

Rz. 7

aa) Der Anspruch auf Erstattung von Prozesskosten kann nur aufgrund eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht werden, § 103 Abs. 1 ZPO, welcher eine zumindest vorläufig vollstreckbare Kostengrundentscheidung enthält, § 704 ZPO. Diese Voraussetzungen erfüllt das für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteil des Oberlandesgerichts vom 17. Juni 2019, das an diesem Tag durch die Verkündung gemäß § 310 Abs. 1 ZPO existent geworden ist; zu diesem Zeitpunkt lebte die Klägerin noch. Die spätere Zustellung des Urteils an die Parteien war für sein Wirksamwerden ohne Bedeutung.

Rz. 8

bb) Die in dem Urteil des Oberlandesgerichts enthaltene Entscheidung über die Kosten des Streithelfers ist nach ihrer Verkündung nicht wirkungslos geworden. Der Umstand, dass nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts der Beklagte durch den Tod der Klägerin am 27. Juni 2019 deren Alleinerbe geworden ist, berührt den Bestand dieser Kostenentscheidung nicht. Durch den Erbfall ist allerdings der Beklagte Rechtsnachfolger der Klägerin geworden, so dass sich beide Parteirollen in einer Person vereinigten (prozessuale Konfusion). Wird die Partei eines Rechtsstreits Alleinerbin ihres Gegners, endet das Verfahren zwar wegen des Verbots des Insichprozesses in der Hauptsache (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Dezember 2010 - Xa ZR 81/09, FamRZ 2011, 288 Rn. 7; vom 15. April 1999 - V ZR 311/97, NJW-RR 1999, 1152 [juris Rn. 4]; vgl. dazu auch Senatsbeschluss vom 7. März 2018 - IV ZR 238/17, FamRZ 2018, 842 Rn. 6). Das hat aber nicht zur Folge, dass eine bereits ergangene Kostenentscheidung wirkungslos wird. Die Verfahrensbeendigung in der Hauptsache betrifft die Kostenentscheidung jedenfalls insoweit nicht, als ein Dritter daran beteiligt ist und Gläubiger und Schuldner des Kostenerstattungsanspruchs daher nicht identisch sind. Nur das Prozessrechtsverhältnis zwischen den Parteien des Rechtsstreits entfällt, wenn eine Partei der alleinige Rechtsnachfolger der anderen Partei wird. Das berührt nicht das Prozessrechtsverhältnis zwischen dem Streithelfer und der Gegenpartei hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs, in dem keine prozessuale Konfusion eingetreten ist. Der Streithelfer, der auf das Prozessrechtsverhältnis zwischen Kläger und Beklagtem keinen Einfluss hat, hat ein berechtigtes Interesse daran, dass ihm entstandene und nach der Kostengrundentscheidung zu erstattende Kosten auch dann durch einen Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzt und gegebenenfalls beigetrieben werden können, wenn nach Erlass des die Kostengrundentscheidung beinhaltenden Urteils prozessuale Konfusion zwischen Kläger und Beklagtem eintritt. Der spätere Erbfall kann daher der Entscheidung zugunsten des Streithelfers nicht die Grundlage entziehen.

Rz. 9

cc) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hängt die Zulässigkeit der Kostenfestsetzung nicht davon ab, dass gegen das Urteil, das die Kostengrundentscheidung enthält, ein Rechtsmittelverfahren durchgeführt werden kann. §§ 103 Abs. 1, 704 ZPO erlauben vielmehr eine Kostenfestsetzung aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Endurteils, ohne dass es auf eine bereits eingetretene oder zukünftig mögliche Rechtskraft dieses Urteils ankommt. Ob gegen das Urteil ein Rechtsmittel zulässig war oder ob die Klägerin vom Beklagten beerbt wurde und deswegen das Verfahren in der Hauptsache vor Ablauf der Rechtsmittelfrist endete, sind keine Fragen, die im Kostenfestsetzungsverfahren zu klären sind. Das Kostenfestsetzungsverfahren, das mit dem Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses abschließt, ist eine Fortsetzung der zwischen den Prozessparteien ergangenen Kostengrundentscheidung; es behandelt daher allein die Frage, welcher Betrag nach der Kostengrundentscheidung zu erstatten ist (Senatsbeschluss vom 22. November 2006 - IV ZB 18/06, NJW-RR 2007, 422 Rn. 8).

Rz. 10

b) Die der Höhe nach zutreffende Berechnung der Kosten greift die Rechtsbeschwerde zu Recht nicht an.

Prof. Dr. Karczewski     

Harsdorf-Gebhardt     

Dr. Bußmann

Dr. Bommel     

Rust     

 

Fundstellen

Haufe-Index 16225184

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