Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergang des Eigentums vom Erblasser auf die Letzterwerber. Feststellung der Hofeigenschaft im Grundbuch eingetragener Grundstücke

 

Leitsatz (amtlich)

Der Verlust der Hofeigenschaft tritt nicht nur dann erst mit der Löschung des Hofvermerks ein, wenn eine - weiterhin vorhandene - Hofstelle ihre Eignung zur Bewirtschaftung verliert, sondern auch dann, wenn die Hofstelle ganz wegfällt (§ 1 Abs. 3 Satz 2 HöfeO). Die Hofeigenschaft entfällt jedoch unabhängig von der Löschung des Hofvermerks, wenn keine landwirtschaftliche Besitzung mehr vorhanden ist (§ 1 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 HöfeO).

 

Normenkette

HöfeO § 1 Abs. 3

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des 10. Zivilsenats - Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 5. November 1981 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 307 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der am 30. Mai 1980 verstorbene Landwirt Reinhard S. (im folgenden: Erblasser) war Eigentümer des im Grundbuch von W. Blatt 55 (früher H. Blatt ...) mit Hofvermerk eingetragenen landwirtschaftlichen Grundbesitzes. Der Erblasser war unverheiratet und hat keine Abkömmlinge hinterlassen; seine Eltern sind vor ihm verstorben. Die Beteiligten zu 1, 4 und 5 sind seine Geschwister; der Beteiligte zu 2 ist der älteste Sohn seines vor ihm verstorbenen ältesten Bruders.

Der Erblasser hatte es aus gesundheitlichen Gründen schon vor längerer Zeit aufgegeben, den landwirtschaftlichen Besitz selbst zu bewirtschaften. Im Jahre 1961 verpachtete er 11 ha Ländereien, die etwa 10 km von der Hofstelle entfernt lagen, langfristig an drei verschiedene Pächter. Im Jahre 1964 verzog er nach J. und verpachtete vom 1. Mai 1965 an die Hofstelle nebst dem restlichen Grundbesitz anderweitig auf 12 Jahre. Dieses Pachtverhältnis wurde durch einen Vergleich im Pachtschutzverfahren verlängert. Am 1. Mai 1978 verpachtete er diese Ländereien für 9 Jahre an 5 verschieden Pächter. Die Hofstelle verkaufte er durch notariellen Vertrag vom 10. Mai 1978 an die Gemeindeschwester. Nachdem dieser Vertrag durch das Landwirtschaftsgericht genehmigt worden war, verkaufte die Käuferin die Hofstelle am 27. Mai 1979 weiter. Der Übergang des Eigentums vom Erblasser auf die Letzterwerber wurde erst nach seinem Tode in das Grundbuch eingetragen.

Im Zeitpunkt des Erbfalles hatte die Besitzung einen Wirtschaftswert von 58 820 DM und einen Einheitswert von 46.500 DM.

In einem privatschaftlichen Testament vom 12. Mai 1978 hat der Erblasser bestimmt, daß der Beteiligte zu 2 die in Waddewarden gelegenen Ländereien (11,07 ha) erben soll. Das restliche Land sollte der Beteiligte zu 3 erben. Die Beteiligte zu 1 sollte den Nießbrauch an dem landwirtschaftlichen Grundbesitz und das übrige Vermögen erhalten.

Die Beteiligte zu 1 hat beantragt,

  1. festzustellen, daß die im Grundbuch von W. Band ... Blatt ...55 eingetragenen Grundstücke am 30. Mai 1980 keinen Hof gemäß der Höfeordnung bildeten.
  2. den im Grundbuch noch eingetragenen Hofvermerk auf Antrag des Landwirtschaftsgerichts zu löschen.

Der Beteiligte zu 2 hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - hat festgestellt, daß die Besitzung am 30. Mai 1980 kein Hof im Sinne der Höfeordnung gewesen sei.

Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2 hat das Oberlandesgericht den Feststellungsantrag der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen und festgestellt, daß die Besitzung am 30. Mai 1980 ein Hof im Sinne der Höfeordnung gewesen sei.

Mit der - vom Oberlandesgericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1 ihre Anträge aus dem ersten Rechtszug weiter. Der Beteiligte zu 2 beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

II.

Das Beschwerdegericht hat den Standpunkt vertreten, im Zeitpunkt des Erbfalles (30. Mai 1980) sei der landwirtschaftliche Besitz noch ein Hof im Sinne der Höfeordnung gewesen, weil damals der Hofvermerk im Grundbuch eingetragen gewesen sei: Der Hof habe allerdings keine Hofstelle mehr gehabt, weil ihre Abtrennung bereits endgültig und nicht wieder rückgängig zu machen gewesen sei. Auch deute vieles darauf hin, daß der Erblasser den Betrieb der Landwirtschaft im Jahre 1978 endgültig aufgegeben habe. Dies alles reiche aber für den Verlust der Hofeigenschaft nicht aus; vielmehr sei hierfür grundsätzlich erforderlich, daß der Hofvermerk im Grundbuch gelöscht werde. Ob eine Ausnahme für den Fall gelte, daß das gesamte Land abgetrennt oder die Hofstelle "vollständig und definitiv" verloren gegangen sei, könne offen bleiben, weil hier noch Zweifel über die Hofeigenschaft im Zeitpunkt des Erbfalles hätten bestehen können; immerhin sei der Erblasser rechtlich noch Eigentümer einer landwirtschaftlichen Besitzung nebst Hofstelle gewesen und angesichts der restlichen Verpachtungszeit von nur noch 7 Jahren sei auch zweifelhaft, ob die Hofstelle tatsächlich auf Dauer weggefallen sei; auf den Willen des Erblassers komme es gegenüber den objektiven Gegebenheiten nicht entscheidend an.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 24 Abs. 1 LwVG) und auch begründet.

1.

Erfolglos bleiben die Angriffe der Rechtsbeschwerde allerdings insoweit, als sie sich allein gegen die Würdigung des Fehlens einer Hofstelle wenden.

a)

Wie auch die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel zieht, war die landwirtschaftliche Besitzung des Erblassers bei Inkrafttreten des zweiten Gesetzes zur Änderung der Höfeordnung vom 29. März 1976 (BGBl. I S. 881), nämlich am 1. Juli 1976, ein Hof im Sinne der Höfeordnung. Sie kann daher bis zum Eintritt des Erbfalles (30. Mai 1980) die Eigenschaft als Hof nur nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 HöfeO n.F. verloren haben. Nach Satz 1 dieser Vorschrift verliert eine Besitzung die Hofeigenschaft, wenn keine der in Absatz 1 aufgezählten Eigentumsformen mehr besteht oder eine der übrigen Voraussetzungen auf Dauer wegfällt. Der Verlust der Hofeigenschaft tritt jedoch erst mit der Löschung des Hofvermerks ein, wenn lediglich der Wirtschaftswert unter 10 000. DM sinkt oder keine zur Bewirtschaftung geeignete Hofstelle mehr besteht.

b)

Hof im Sinne der Höfeordnung ist u.a. eine im Gebiet der Länder Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein belegene landwirtschaftliche Besitzung mit einer zu ihrer Bewirtschaftung geeigneten Hofstelle, die im Alleineigentum einer natürlichen Person steht, sofern sie einen Wirtschaftswert von mindestens 20 000 DM hat (§ 1 Abs. 1 HöfeO). Die Hofstelle des Erblassers war am 30. Mai 1980 zwar bereits rechtswirksam verkauft und an die Käuferin übergeben; sie stand aber, da der Eigentumsübergang noch nicht in das Grundbuch eingetragen worden war, noch immer in seinem Alleineigentum.

c)

Ob die Hofstelle unter diesen Umständen noch der Besitzung zugerechnet werden konnte und im Sinne des § 1 HöfeO n.F. noch zu ihrer Bewirtschaftung geeignet war, hat für den Fortbestand der Hofeigenschaft Bedeutung nur nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 Satz 2 HöfeO. Nach dieser Vorschrift führt das Fehlen einer zur Bewirtschaftung der Besitzung geeigneten Hofstelle nur unter der weiteren Voraussetzung zum Verlust der Hofeigenschaft, daß der Hofvermerk im Grundbuch gelöscht wird. Nach herrschender Auffassung gilt dies für alle Fälle, in denen es allein um den Fortfall der Hofstelle geht, und zwar unabhängig davon, ob die Hofstelle gänzlich weggefallen ist oder nur ihre Eignung für die Bewirtschaftung des Hofes verloren hat (Lange/Wulff/Ludtke-Handjerry, Höfeordnung 7. Aufl. § 1 Rdn. 89; Wöhrmann/Stöcker, Das Landwirtschaftserbrecht 3. Aufl. § 1 HöfeO Rdn. 106, 107; Barnstedt/Becker/Bendel, Das nordwestdeutsche Höferecht, S. 101).

Von einer Gegenmeinung in Schrifttum und Rechtsprechung wird allerdings die Auffassung vertreten, die Löschung des Hofvermerks sei nur dann zum Verlust der Hofeigenschaft erforderlich, wenn immerhin noch eine Hofstelle vorhanden, aber zur Bewirtschaftung ungeeignet sei; fehle eine Hofstelle dagegen überhaupt - und zwar vollständig und auf Dauer -, dann entfalle die Hofeigenschaft nicht erst mit der Löschung des Hofvermerks, sondern bereits mit dem Fortfall der Hofstelle (OLG Celle, Agrarrecht 1980, 286 im Anschluß an Faßbender/Hötzel/Pikalo, Höfeordnung § 1 Rdn. 14 und Faßbender, DNotZ 1976, 393, 401).

Der Senat folgt dieser einschränkenden Auslegung nicht. Der Gesetzeswortlaut spricht gegen sie, weil eine zur Bewirtschaftung geeignete Hofstelle auch dann fehlt, wenn überhaupt keine Hofstelle mehr vorhanden ist.

Die Entstehungsgeschichte des § 1 Abs. 3 HöfeO n.F. deutet in dieselbe Richtung. Nach der früheren Regelung in § 35 Abs. 4 der Verfahrensordnung für Landwirtschaftssachen (LVO) war trotz Wegfalls einer die Hofeigenschaft begründenden Voraussetzung der Grundbesitz als Hof zu behandeln, bis der Hofvermerk gelöscht wurde; allerdings konnte die durch den Hofvermerk begründete Vermutung der Hofeigenschaft in einem Feststellungsverfahren gemäß § 37 LVO - auch für einen zurückliegenden Zeitpunkt - widerlegt werden (BGH Beschluß vom 14. Juli 1965, V BLw 8/65, RdL 1965, 236). Der Neuregelung liegt demgegenüber die Erwägung zugrunde, daß es nicht gerechtfertigt ist, für einen Betrieb die Erbfolge nach Höferecht eintreten zu lassen, obwohl er z.B. seinen landwirtschaftlichen Charakter längst verloren hat (Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs zum Zweiten Gesetz zur Änderung der Höfeordnung, Einzelbegründung zu § 1 Abs. 3 unter Nr. 8). Deshalb soll nach dem neuen Höferecht die Hofeigenschaft grundsätzlich ohne weiteres bereits mit dem Wegfall der "hofbegründenden Umstände" enden (§ 1 Abs. 3 Satz 1 HöfeO n.F.). Aus Gründen der Rechtssicherheit wurde indessen eine Einschränkung - und zwar nicht nur im Sinne einer gesetzlichen Vermutung, sondern mit materiell-rechtlicher Wirkung - u.a. für den Fall als notwendig angesehen, daß "die Hofstelle wegfällt" (Amtliche Begründung aaO). Der gesetzgeberische Zweck, Unklarheiten über den Fortfall der Hofeigenschaft im Zusammenhang mit dem Erfordernis einer zur Bewirtschaftung geeigneten Hofstelle zu vermeiden, ist durch die Verknüpfung mit dem zusätzlichen Tatbestandsmaterial der Löschung des Hofvermerks in § 1 Abs. 3 Satz 2 HöfeO n.F. auch klar und verbindlich zum Ausdruck gelangt. Er läßt eine einschränkende Auslegung auch nicht für solche Fälle zu, in denen die Beantwortung der Frage, ob die Hofstelle endgültig weggefallen ist, im Einzelfall für Zweifel keinen Raum läßt. Andernfalls würden die weichenden Erben mindestens in zahlreichen Grenzfällen den Standpunkt einnehmen, die Hofeigenschaft sei trotz Fortbestands des Hofvermerks erloschen, weil die Hofstelle unzweifelhaft weggefallen sei. Die damit verbundene Rechtsunsicherheit liefe dem gesetzgeberischen Anliegen des § 1 Abs. 3 Satz 2 HöfeO zuwider.

Im Hinblick auf das Gebot der Rechtsklarheit begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (Art. 14 GG), daß der Gesetzgeber, um alle Zweifelsfragen von vornherein abzuschneiden, von einer Differenzierung zwischen den Fällen, in denen eine Hofstelle gänzlich fehlt, und den Fällen, in denen sie zwar vorhanden, aber zur Bewirtschaftung ungeeignet ist, abgesehen und den Fortfall der Hofeigenschaft strikt mit der Löschung des Hofvermerks verknüpft hat (a.A. Faßbender/Hötzel/Pikalo aaO).

Dem angefochtenen Beschluß ist daher im Ergebnis darin zu folgen, daß der Fortbestand der Hofeigenschaft allein durch den Wegfall der Hofstelle nicht in Frage gestellt wurde.

2.

Die Hofeigenschaft wäre allerdings ohne weiteres dann entfallen, wenn im Zeitpunkt des Erbfalles keine landwirtschaftliche Besitzung mehr vorhanden gewesen wäre (§ 1 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 HöfeO n.F.; vgl. auch Wöhrmann/Stöcker, Das Landwirtschaftserbrecht 3. Aufl. § 1 HöfeO Rdn. 106 a.E.). Diesen Gesichtspunkt hat das Beschwerdegericht ersichtlich nicht in Betracht gezogen; zumindest hat es - rechtsfehlerhaft - gemeint, daß auch in diesem Falle die Hofeigenschaft erhalten geblieben wäre, da der Hofvermerk nicht gelöscht worden sei. Das Beschwerdegericht knüpft an die Feststellung des Landwirtschaftsgerichts an, daß der Erblasser im Jahre 1978 einen Teil des Grundbesitzes (die 10 km entfernt gelegenen 11 ha Land) ohnehin nicht mehr als hofzugehörig angesehen und die restlichen Ländereien von 26 ha (ohne Hofstelle) an fünf verschiedene Pächter auf neun Jahre verpachtet hat. Es erwägt weiter, daß der Erblasser im zeitlichen Zusammenhang mit der Verpachtung ein Testament errichtet hat, in dem er die zum Hof gehörenden Ländereien den Beteiligten zu 2 und 3 zuwendete. Schließlich unterstellt es, daß der Erblasser hiernach den Betrieb der Landwirtschaft im Jahre 1978 endgültig aufgegeben habe. Träfe dies alles zu, dann bliebe zu fragen, ob im Jahre 1978 schon hiernach - oder doch jedenfalls in Verbindung mit dem Verkauf und der Übergabe der Hofstelle - noch von einer landwirtschaftlichen Besitzung gesprochen werden konnte.

Der Begriff der landwirtschaftlichen Besitzung setzt mehr als den Besitz einzelner landwirtschaftlicher Grundstücke voraus; er erfordert eine wirtschaftliche Einheit , zu der außerdem in der Regel eine Hofstelle kommen muß (BGHZ 8, 109, 115 m.w.N.). Selbst wenn man im Hinblick auf § 1 Abs. 3 Satz 2 von dem Erfordernis der Hofstelle einmal absehen wollte, könnte die Betriebseinheit doch schon im Jahre 1978 durch die vom Erblasser getroffenen Maßnahmen auf Dauer aufgehoben worden sein. Zwar berührt die geschlossene Verpachtung eines Hofes die Hofeigenschaft nicht (Wöhrmann/Stöcker, Das Landwirtschaftserbrecht § 1 Rdn. 8, Rdn. 123 ff; Faßbender/Hötzel/Pikalo, Höfeordnung § 1 Rdn. 15). Wohl aber kann die Verpachtung der Besitzung an mehrere Pächter zur Auflösung der Betriebseinheit führen, nämlich dann, wenn die Wiedervereinigung der Hofstelle mit dem gesamten oder nahezu dem gesamten Land in absehbarer Zeit nicht mehr erwartet werden kann (Faßbender/Hötzel/Pikalo a.a.O. Rdn. 15). Ob ein solcher Fall der Betriebsauflösung vorliegt, ist eine Frage tatrichterlicher Würdigung, die dem Rechtsbeschwerdegericht verwehrt ist.

Da das Beschwerdegericht diese Würdigung unterlassen hat, ist der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an die Beschwerdeinstanz zurückzuverweisen.

 

Unterschriften

Dr. Thumm

Hagen

Linden

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456257

BGHZ, 78

NJW 1982, 2665

DNotZ 1982, 757

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge