Leitsatz (amtlich)

Zum Wert der Beschwer bei einer selbständigen Feststellung des Trennungszeitpunkts.

 

Normenkette

FamFG § 61 Abs. 1

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Beschluss vom 04.10.2018; Aktenzeichen 16 UF 100/18)

AG Berlin-Pankow/Weißensee (Entscheidung vom 27.04.2018; Aktenzeichen 13 F 3723/17)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 16. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des KG in Berlin vom 4.10.2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das KG zurückverwiesen.

Wert: bis 1.000 EUR

 

Gründe

I.

Rz. 1

Der Antragsgegner wehrt sich gegen die Feststellung des Trennungszeitpunkts und die Verpflichtung zur Auskunftserteilung und Belegvorlage in der Folgesache Zugewinnausgleich.

Rz. 2

Die Beteiligten begehren in einem in den Scheidungsverbund einbezogenen Güterrechtsverfahren wechselseitig Zugewinnausgleich im Wege von Stufenanträgen und die Feststellung des Trennungszeitpunkts. Das AG hat festgestellt, dass die Beteiligten sich am 28.2.2016 getrennt haben, und den Antragsgegner verpflichtet, der Antragstellerin Auskunft über den Bestand seines Anfangsvermögens, seines Vermögens zum Trennungszeitpunkt und seines Endvermögens zu erteilen sowie die Auskünfte durch Vorlage geeigneter Unterlagen zu belegen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat das KG verworfen; hiergegen richtet sich seine Rechtsbeschwerde.

II.

Rz. 3

Die gem. §§ 112 Nr. 2, 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das KG.

Rz. 4

1. Das KG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass die nach § 61 Abs. 1 FamFG erforderliche Beschwer von über 600 EUR nicht erreicht werde. Maßgeblich für die Beschwer sei grundsätzlich der Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung. Die Beschwerdesumme werde allerdings auch erreicht, wenn der Beschwerdeführer im Falle eines zu niedrigen Beschwerdeantrags diesen noch innerhalb der Begründungsfrist erweitere, sofern nicht der vorangegangene Antrag einen Beschwerdeverzicht enthalte.

Rz. 5

Der hinsichtlich des Umfangs seiner Beschwer darlegungspflichtige Antragsgegner habe seine Beschwer zunächst daraus hergeleitet, dass er an der Feststellung des von ihm benannten Trennungsdatums (1.1.2017) ein besonderes Interesse habe, weil die Antragstellerin im Zeitraum zwischen Februar 2016 und Januar 2017 einen Vermögenszuwachs i.H.v. 12.600 EUR erzielt habe. Die Antragstellerin habe jedoch zutreffend darauf hingewiesen, dass die Frage des korrekten Trennungszeitpunkts keine Auswirkungen auf den Ausgleich dieses Vermögenszuwachses habe, weil das Endvermögen zum Stichtag der Zustellung des Scheidungsantrags berechnet werde. Der Antragsgegner sei daher durch die Feststellung des Trennungszeitpunkts 28.2.2016 nicht beschwert.

Rz. 6

Auch soweit der Antragsgegner innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist seine Beschwerdeanträge dahingehend geändert habe, dass er die Aufhebung der Feststellung des Trennungszeitpunkts und seiner Auskunftsverpflichtung zum 28.2.2016 begehre, sei eine hinreichende Beschwer nicht dargelegt.

Rz. 7

Hinsichtlich der Auskunftsverpflichtung zum festgesetzten Trennungszeitpunkt 28.2.2016 richte sich das Abwehrinteresse des Antragsgegners nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, der für ihn mit der Auskunftserteilung und Belegvorlage verbunden sei. Ein besonderer Aufwand, der die Beschwerdesumme übersteigen würde, sei trotz eines vorangegangenen gerichtlichen Hinweises weder dargetan noch ersichtlich. Auch der Vortrag der Antragstellerin, sie sehe ein Interesse des Antragsgegners an der Festlegung eines späteren Trennungszeitpunkts darin, dass diesem Ende 2016 das Guthaben seines Festgeldkontos bei der Bank of Scotland ausbezahlt worden sei, was er in seiner Vermögensauskunft bislang verschwiegen habe, könne keine hinreichende Beschwer begründen. Denn der Antragsgegner habe sich dieses Vorbringen nicht zu eigen gemacht und nicht dargelegt, ob, wann und ggf. in welcher Höhe eine entsprechende Kontoabhebung erfolgt sein soll.

Rz. 8

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das KG hat die Beschwerde des Antragsgegners zu Unrecht wegen Nichterreichens der nach § 61 Abs. 1 FamFG erforderlichen Beschwer von über 600 EUR verworfen.

Rz. 9

a) Zwar ist das KG zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Beschwer eines zur Auskunftserteilung verpflichteten Beteiligten nach ständiger Rechtsprechung des BGH (vgl. etwa BGH v. 4.7.2018 - XII ZB 82/18, FamRZ 2018, 1529 Rz. 6 m.w.N.; BGHZ GSZ 128, 85 = FamRZ 1995, 349, 350 f.) grundsätzlich nach seinem Interesse bemisst, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dass der insoweit für die sorgfältige Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand an Zeit und Kosten 500 EUR nicht übersteigt, stellt die Rechtsbeschwerde auch nicht in Abrede.

Rz. 10

Ebenso steht es im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH, für die Bewertung des Beschwerdegegenstands dabei nur auf den unmittelbaren Gegenstand der Entscheidung abzustellen. Das daneben auch bestehende Ziel des zur Auskunft Verpflichteten, den Hauptanspruch zu verhindern, geht dagegen über das Ziel des Rechtsmittels hinaus und ist daher bei der Wertfestsetzung nicht zu berücksichtigen (vgl. etwa BGH v. 4.7.2018 - XII ZB 82/18, FamRZ 2018, 1529 Rz. 7 m.w.N.; BGHZ GSZ 128, 85 = FamRZ 1995, 349, 350 f.).

Rz. 11

b) Indessen rügt die Rechtsbeschwerde zu Recht, das KG habe bei der Bemessung der Beschwer nicht berücksichtigt, dass sich der Antragsgegner nicht nur gegen seine Verpflichtung zur Auskunftserteilung wendet, sondern darüber hinaus auch gegen die isolierte Feststellung des Trennungszeitpunkts.

Rz. 12

Für die Bemessung der Beschwer kann dabei dahinstehen, ob der Trennungszeitpunkt ein zwischenfeststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S.d. § 256 ZPO darstellt (so OLG Brandenburg NJW-RR 2014, 519 Rz. 28 ff.; OLG Celle FamRZ 2014, 326, 327 f. mit Anm. Götsche jurisPR-FamR 22/2013 Anm. 8.; OLG Saarbrücken Beschl. v. 17.2.2014 - 6 WF 1/14 - juris Rz. 4 m.w.N.; a.A.: OLG Koblenz FamRZ 2018, 42 ff.; Koch in MünchKomm/BGB, 7. Aufl., § 1379 Rz. 38; Staudinger/Thiele BGB [2017] § 1379 Rz. 7; Brudermüller NJW 2010, 401, 404; Hoppenz FamRZ 2010, 16, 19; Bergschneider FamRZ 2009, 1713, 1716). Denn nachdem das AG den Trennungszeitpunkt vorliegend isoliert festgestellt hat, kann dem Antragsgegner ein Abwehrinteresse gegen die Titulierung des Trennungszeitpunkts nicht vollständig abgesprochen werden. Unabhängig von der Wirksamkeit einer solchen isolierten Feststellung des Trennungszeitpunkts kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Gerichte sich - möglicherweise nicht nur für das weitere Verbundverfahren - an diese Feststellung gebunden sehen. Damit besteht ein Abwehrinteresse des Antragsgegners, das für die Bemessung der Beschwer gem. §§ 112 Nr. 2, 113 Abs. 1 FamFG, § 3 ZPO zu schätzen ist.

Rz. 13

Bei der Bemessung des Abwehrinteresses ist auch die wirtschaftliche Bedeutung des Feststellungsausspruchs, insb. die in § 1375 Abs. 2 Satz 2 BGB geregelte Umkehr der Beweislast bei Vermögensminderungen zwischen dem Trennungszeitpunkt und der Zustellung des Scheidungsantrags als Endstichtag zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall kann sich deswegen die Darlegungs- und Beweislast auf den Nachweis des vom Antragsgegner behaupteten weiteren Vermögenserwerbs der Antragstellerin zwischen den umstrittenen Trennungsstichtagen und damit auf die Erfolgsaussicht des Antrags auf Zugewinnausgleich auswirken. Im Hinblick darauf übersteigt die Beschwer des Antragsgegners jedenfalls die Wertgrenze des § 61 Abs. 1 FamFG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 13012963

FamRZ 2019, 818

FuR 2019, 3

FuR 2019, 392

NJW-RR 2019, 513

JZ 2019, 348

MDR 2019, 498

AGS 2019, 237

FF 2019, 208

FamRB 2019, 173

NJW-Spezial 2019, 356

NZFam 2019, 272

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