Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwangsgeld zur Erzwingung des Schlussberichts. Vollstreckung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein zur Erzwingung des Schlussberichts rechtskräftig festgesetztes Zwangsgeld kann nicht mehr vollstreckt werden, sobald der Schlussbericht eingereicht ist.

 

Normenkette

InsO §§ 4, 58 Abs. 2; ZPO §§ 767, 793, 794 Abs. 1 Nr. 3, § 795

 

Verfahrensgang

LG Bamberg (Beschluss vom 30.06.2014; Aktenzeichen 3 T 134/14)

AG Bamberg (Beschluss vom 13.02.2014; Aktenzeichen 2 IN 604/10)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde werden der Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Bamberg vom 30.6.2014 und der Beschluss des AG Bamberg vom 13.2.2014 aufgehoben.

Die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des AG Bamberg vom 9.7.2013 wird für unzulässig erklärt.

Der Gegenstandswert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Rz. 1

Gegen den Rechtsbeschwerdeführer wurde als - zwischenzeitlich abberufener - Treuhänder in dem Restschuldbefreiungsverfahren des N. G. durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom 9.7.2013 ein Zwangsgeld i.H.v. 5.000 EUR festgesetzt, weil er seiner Verpflichtung zur Vorlage des Schlussberichts nicht nachgekommen war. Die von ihm dagegen eingelegte sofortige Beschwerde wurde von dem LG mit Beschluss vom 26.8.2013 zurückgewiesen. Der Beschluss ist rechtskräftig. Der Rechtsbeschwerdeführer legte den Schlussbericht am 23.9.2013 vor.

Rz. 2

Mit Schreiben vom 13.12.2013 hat das Insolvenzgericht dem Beschwerdeführer eine Zahlungsaufforderung nebst Vollstreckungsandrohung übersandt. Dieser hat beantragt, den Zwangsgeldbeschluss aufzuheben. Der Antrag ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt er die Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und des gegen ihn ergangenen Zwangsgeldbeschlusses. Hilfsweise will er erreichen, dass die Beitreibung des Zwangsgeldes für unzulässig erklärt wird.

II.

Rz. 3

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig. Auf den Hilfsantrag ist die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des AG Bamberg vom 9.7.2013 für unzulässig zu erklären.

Rz. 4

1. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das LG von einer zulässigen Beschwerde ausgegangen. Der Treuhänder ist ebenso wie der Insolvenzverwalter berechtigt, gegen die Vollstreckung eines Zwangsgeldbeschlusses den Erfüllungseinwand zu erheben. Nach allgemeiner Meinung (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 767 Rz. 8) besteht hierfür ein Rechtsschutzinteresse, sobald eine Zwangsvollstreckung ernstlich droht. Es fehlt, wenn die Zwangsvollstreckung unstreitig nicht beabsichtigt ist oder nicht mehr droht. Aufgrund der Zahlungsaufforderung vom 13.12.2013 hat der Beschwerdeführer hier eine Vollstreckung zu gewärtigen. Wird der Aufhebungsantrag abgewiesen, ist hiergegen das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde (§ 793 ZPO) gegeben.

Rz. 5

a) Gegen den Treuhänder wie auch den Insolvenzverwalter kann gem. § 58 Abs. 2 InsO nach vorheriger Androhung ein Zwangsgeld verhängt werden, wenn er seine Pflichten nicht erfüllt. Holt der Treuhänder nach rechtskräftiger Festsetzung des Zwangsgeldes die verlangte Handlung nach, kann er sich auf den Erfüllungseinwand berufen, der sowohl bei Vornahme einer vertretbaren Handlung (vgl. BGH, Beschl. v. 5.11.2004 - IXa ZB 32/04, BGHZ 161, 67, 71 f.) als auch einer nicht vertretbaren Handlung (vgl. BGH, a.a.O.; Beschl. v. 6.6.2013 - I ZB 56/12, NJW-RR 2013, 1336 Rz. 8 ff.; KG MDR 2008, 349; OLG Nürnberg FamRZ 2010, 584, 586; Gruber in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 888 Rz. 11; Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 888 Rz. 11; Hk-ZPO/Pukall, 5. Aufl., § 888 Rz. 9a; Prütting/Gehrlein/Olzen, ZPO, 6. Aufl., § 888 Rz. 8) zu berücksichtigen ist.

Rz. 6

b) Betrifft die Vollstreckung einen auf der Grundlage von § 58 Abs. 2 Satz 1 InsO ergangenen rechtskräftigen Zwangsgeldbeschluss, ist mangels eines Gläubigertitels für eine Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO), mit welcher der Schuldner grundsätzlich den Erfüllungseinwand geltend machen kann (OLG Düsseldorf MDR 2009, 1193; Gruber in MünchKomm/ZPO, a.a.O., § 888 Rz. 31 m.w.N.), kein Raum. Da nicht die Art und Weise der Zwangsvollstreckung berührt ist, scheidet auch eine Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO aus (in diesem Sinne LG Oldenburg ZIP 1982, 1233; BK-InsO/Blersch, 2003, § 58 Rz. 17). Vielmehr hat das Insolvenzgericht auf Antrag des Treuhänders gem. §§ 794 Abs. 1 Nr. 3, 795, 767 ZPO, § 4 InsO im Beschlussweg über den Befriedigungseinwand zu befinden (Jaeger/Gerhardt, InsO, § 58 Rz. 28; gegen jede Anfechtung Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 58 Rz. 37; Graeber in MünchKomm/InsO, 3. Aufl., § 58 Rz. 61; HmbKomm-InsO/Frind, 5. Aufl., § 58 Rz. 12). Gegen diese Entscheidung steht dem Treuhänder gem. § 793 ZPO die sofortige Beschwerde und im Falle ihrer Zulassung gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Rechtsbeschwerde offen.

Rz. 7

2. Das Rechtsmittel ist im Hilfsantrag begründet. Der Zwangsgeldbeschluss vom 9.7.2013 darf wegen Zweckerreichung nicht mehr vollstreckt werden, nachdem der Rechtsbeschwerdeführer der Verpflichtung zur Vorlage des Schlussberichts nachgekommen ist.

Rz. 8

a) Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, eine Aufhebung des Zwangsgeldbeschlusses komme nicht in Betracht, weil er in Rechtskraft erwachsen sei. Auch wenn der Zweck des Zwangsgeldfestsetzungsbeschlusses nach Vorlage des Schlussberichts erfüllt sei, hindere die Rechtskraft das Gericht an seiner Aufhebung. Das Verfahren der Zwangsgeldfestsetzung werde zu einer "Farce", wenn der Treuhänder bis zur Beitreibung warten könne, um unter Nachweis der Erfüllung seiner Pflicht einen Aufhebungsantrag stellen zu können, dem das Gericht zu entsprechen habe. Vielmehr sei ein Verfahren zur Aufhebung eines rechtskräftigen Zwangsgeldbeschlusses im Gesetz nicht vorgesehen.

Rz. 9

b) Den dagegen geltend gemachten Rügen der Rechtsbeschwerde kann der Erfolg nicht versagt werden.

Rz. 10

aa) Nach der Senatsrechtsprechung ist die Festsetzung des Zwangsgeldes nach § 58 Abs. 2 InsO aufzuheben, wenn der Insolvenzverwalter oder Treuhänder die nach § 58 Abs. 1 InsO vom Insolvenzgericht geforderte Handlung vornimmt, bevor die Entscheidung über die Zwangsgeldfestsetzung rechtskräftig wird (BGH, Beschl. v. 1.12.2011 - IX ZB 190/11, WM 2012, 50 Rz. 4 m.w.N.; v. 4.7.2013 - IX ZB 44/11, ZInsO 2013, 1635 Rz. 5). Zweck der Zwangsgeldfestsetzung ist es, pflichtgerechtes Verhalten des Verwalters zu erzwingen, nicht aber eine begangene Pflichtverletzung zu sanktionieren (BGH, Beschl. v. 14.4.2005 - IX ZB 76/04, WM 2005, 1132, 1134; vom 1.12.2011, a.a.O.; vom 4.7.2013, a.a.O.).

Rz. 11

bb) Bildet eine Zwangsgeldfestsetzung keine Sanktion, darf sie nicht mehr vollstreckt werden, wenn der Treuhänder die geforderte Handlung nach Rechtskraft des Zwangsgeldfestsetzungsbeschlusses vornimmt.

Rz. 12

(1) Bewirkt der Schuldner die titulierte unvertretbare Handlung nach rechtskräftiger Anordnung des Zwangsmittels, so ist die Fortsetzung der Vollstreckung materiell nicht mehr gerechtfertigt. Diese Würdigung entspricht dem Zweck des Beugezwangs, den Schuldner zur Erfüllung der geschuldeten Leistung zu veranlassen. Aus dem Zwangsgeldbeschluss darf mithin bei nachträglicher Vornahme der geschuldeten Handlung nicht mehr vollstreckt werden, weil er gegenstandslos wird. Der Schuldner ist also durch den Zwangsmittelfestsetzungsbeschluss nicht gehindert, die geschuldete Handlung jederzeit vorzunehmen. Geschieht dies, bevor die festgesetzten Zwangsmittel vollstreckt sind, ist die Zwangsvollstreckung einzustellen. Deswegen ist während des gesamten Vollstreckungsverfahrens zu prüfen, ob die Zwangsvollstreckung noch notwendig ist und der Gläubiger noch einen Anspruch auf Erzwingung der geschuldeten Leistung hat. Diese Grundsätze entsprechen - soweit ersichtlich - einhelliger in Rechtsprechung und Schrifttum vertretener Auffassung (OLG Köln, InVo 2001, 306, 307; OLG Karlsruhe MDR 2006, 472; OLG Düsseldorf MDR 2009, 1193 m.w.N.; Brehm in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 888 Rz. 30; Gruber in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 888 Rz. 31; Wieczorek/Schütze/Storz, ZPO, 3. Aufl., § 888 Rz. 71; Walker in Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 888 Rz. 45; Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 888 Rz. 13; Seiler in Thomas/Putzo, 35. Aufl., § 888 Rz. 14; Hk-ZPO/Pukall, 5. Aufl., § 888 Rz. 16; Prütting/Gehrlein/Olzen, 6. Aufl., § 888 Rz. 8; Musielak/Lackmann, ZPO, 11. Aufl., § 888 Rz. 8; Baumbach/Hartmann, ZPO, 73. Aufl., § 888 Rz. 18).

Rz. 13

(2) In Übereinstimmung mit diesen allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Grundsätzen scheidet auch die Vollstreckung eines Zwangsgeldes gegen den Treuhänder oder Insolvenzverwalter aus, nachdem er - wie hier - unstreitig die zu vollstreckende Handlung vorgenommen hat (LG Oldenburg ZIP 1982, 1233; Jaeger/Gerhardt, a.a.O., § 58 Rz. 28; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2009, § 58 Rz. 17; HK-InsO/Riedel, 7. Aufl., § 58 Rz. 11; Pape/Uhländer/Bornheimer, InsO, § 58 Rz. 27; FK-InsO/Jahntz, 7. Aufl., § 58 Rz. 15; wohl auch Schmidt/Ries, InsO, 18. Aufl., § 58 Rz. 21; a.A. Uhlenbruck, 13. Aufl., § 58 Rz. 37; Graeber in MünchKomm/InsO, 3. Aufl., § 58 Rz. 61; HmbKomm-InsO/Frind, 5. Aufl., § 58 Rz. 12). Dem Schuldner ist ein schutzwürdiges Interesse daran zuzuerkennen, dass die Erfüllungswirkung seiner Handlungen geprüft wird (vgl. BGH, Beschl. v. 5.11.2004 - IXa ZB 32/04, BGHZ 161, 67, 71). Da ihm stets die Möglichkeit eines Vollstreckungsgegenantrags eröffnet ist (vgl. BGH, a.a.O., S. 71 f.), sind ersichtlich auch nach rechtskräftiger Festsetzung des Zwangsmittels vorgenommene Erfüllungshandlungen zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.

Rz. 14

cc) Die Beachtung nach rechtskräftiger Festsetzung eines Zwangsgeldes vorgenommener Erfüllungsleistungen macht das Verfahren der Zwangsgeldvollstreckung nicht - wie das Beschwerdegericht im Anschluss an eine im Schrifttum vertretene Auffassung (Uhlenbruck, Rpfleger 1982, 351; Graeber in MünchKomm/InsO, 3. Aufl., § 58 Rz. 61; HmbKomm-InsO/Frind, 5. Aufl., § 58 Rz. 12) angenommen hat - zu einer "Farce".

Rz. 15

(1) Dem Treuhänder oder Insolvenzverwalter steht als Schuldner der zu vollstreckenden Handlung die Befugnis offen, die Zwangsgeldfestsetzung im Wege eines Rechtsmittels der gerichtlichen Kontrolle zuzuführen. Folglich kann er vor Eintritt der formellen Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung nicht verpflichtet sein, die zu vollstreckende Handlung vorzunehmen. Vielmehr kann dies von ihm stets nur im Anschluss an den Eintritt der formellen Rechtskraft und damit der Unanfechtbarkeit der Zwangsgeldfestsetzung verlangt werden. Erweist sich sein Rechtsmittel als erfolglos, muss dem Verwalter mithin die Möglichkeit eingeräumt werden, nach Rechtskraft des Zwangsgeldbeschlusses die zu vollstreckende Handlung zu bewirken (zutreffend Jaeger/Gerhardt, InsO, § 58 Rz. 28). Solange der Berechtigte von der Vollstreckung des Zwangsgeldes absieht, kann dem Verwalter nicht das Recht abgeschnitten werden, die zu vollstreckende Handlung - hier die Vorlage des Schlussberichts - vorzunehmen. Ist damit der Zweck der Zwangsgeldfestsetzung erreicht, scheidet eine Vollstreckung aus.

Rz. 16

(2) Nichts anderes folgt aus der Befugnis des Insolvenzgerichts, dem Verwalter ein weiteres Zwangsgeld anzudrohen, wenn er nach Festsetzung und Vollstreckung des (ersten) Zwangsgeldes seinen Pflichten nicht nachkommt (BGH, Beschl. v. 14.4.2005 - IX ZB 76/04, WM 2005, 1132, 1134). Mit Rücksicht auf den Beugecharakter der Maßnahme (BGH, a.a.O.) ist dem Verwalter stets die Möglichkeit zuzubilligen, der wiederholten Vollstreckung durch Bewirken der geschuldeten Handlung zuvorzukommen.

Rz. 17

3. Auf der Rechtsfolgenseite ordnet der über §§ 794 Abs. 1 Nr. 3, 795 ZPO anwendbare § 767 ZPO nach allgemeiner Meinung für den erfolgreichen Gegenantrag an, dass die Vollstreckung aus dem Titel für unzulässig zu erklären ist. Eine Aufhebung des zu Recht ergangenen Titels kann dagegen nicht verlangt werden.

III.

Rz. 18

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Da dem Rechtsbeschwerdeführer keine Partei im zivilprozessrechtlichen Sinne gegenübersteht, scheidet eine Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten nach § 4 InsO i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO trotz des Obsiegens im Verfahren aus (vgl. BGH, Beschluss vom 26.1.2012 - IX ZB 15/11, ZInsO 2012, 455 Rz. 9). Gerichtsgebühren fallen aufgrund des erfolgreichen Rechtsmittels nicht an (vgl. Nr. 2362-2364 Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 7605022

NJW 2015, 8

EBE/BGH 2015

NJW-RR 2015, 610

WM 2015, 338

WuB 2015, 286

ZIP 2015, 331

DGVZ 2015, 80

DZWir 2015, 200

JZ 2015, 159

MDR 2015, 425

NZI 2015, 366

NZI 2015, 6

ZInsO 2015, 303

InsbürO 2015, 366

ZVI 2015, 99

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge