Leitsatz (amtlich)

Mehrere Kläger mit verschiedenen allgemeinen Gerichtsständen, die als Streitgenossen gemeinsam gegen die Vollstreckung aus einer notariellen Urkunde vorgehen wollen, haben für die Vollstreckungsabwehrklage (§§ 767, 768 ZPO) die Wahl unter den Gerichten, bei denen einer von ihnen einen allgemeinen Gerichtsstand im Sinne des § 797 Abs. 5 ZPO hat. Für eine Gerichtsstandsbestimmung entsprechend § 36 Nr. 3 ZPO ist kein Raum.

 

Normenkette

ZPO §§ 35, 36 Nr. 3, § 797 Abs. 5

 

Tenor

Der Antrag auf Bestimmung eines zuständigen Gerichts gemäß § 36 Nr. 3 ZPO wird abgelehnt. Die Kosten dieses Verfahrens werden den Antragstellerinnen auferlegt.

Der Wert des Gegenstandes wird auf 300,– DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Klägerinnen haben beim Landgericht Stuttgart gem. § 768 ZPO Klage auf Abwehr der ihnen wegen eines Restbetrags von 500.000,– DM drohenden Zwangsvollstreckung aus einer für vollstreckbar erklärten notariellen Urkunde erhoben. Sie haben die Ansicht vertreten, die Vollstreckungsklausel habe nicht erteilt werden dürfen, weil der Restbetrag noch nicht fällig sei.

Das Landgericht Stuttgart, in dessen Bezirk lediglich die Klägerin zu 1 ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, hat mit Zwischenverfügung darauf hingewiesen, daß es sich hinsichtlich der Klägerin zu 2 nicht für zuständig halte, weil diese ihren ausschließlichen Gerichtsstand (§ 797 Abs. 5, § 802 ZPO) im Landgerichtsbezirk Konstanz habe. Die Klägerinnen haben daraufhin beantragt, in analoger Anwendung des § 36 Nr. 3 ZPO für die Klagen beider Klägerinnen ein gemeinsam zuständiges Gericht zu bestimmen und insoweit die Bestimmung des Landgerichts Stuttgart angeregt. Sie haben allerdings an ihrer Auffassung festgehalten, daß es vorliegend einer Gerichtsstandsbestimmung an sich nicht bedürfe, weil ihnen ein Wahlrecht zustehe, die Klage bei einem Gericht zu erheben, bei dem einer von ihnen einen allgemeinen Gerichtsstand hat.

II.

Der Antrag ist abzulehnen.

1. Die Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Nr. 3 ZPO bezieht sich unmittelbar nur auf den Fall, daß mehrere Streitgenossen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, gemeinsam an einem Gericht verklagt werden sollen. Eine entsprechende Anwendung dieser Regelung auf den umgekehrten Fall, daß mehrere Streitgenossen klagen und für die Zuständigkeit ausnahmsweise auf den allgemeinen Gerichtsstand des Klägers abzustellen ist, ist zwar nicht von vorneherein ausgeschlossen (vgl. BGH, Beschl. v. 7.7.1972 – I ARZ 112/72, NJW 1972, 1861 f.). Für eine entsprechende Anwendung ist jedoch dann kein Raum, wenn eine gemeinsame Zuständigkeit auch ohne gerichtliche Zuständigkeitsbestimmung auf einfacherem Wege erreicht werden kann; z.B. durch die Einräumung eines Wahlrechts. So hat der Senat bereits für das Mahnverfahren entschieden, daß mehrere Antragsteller mit verschiedenen allgemeinen Gerichtsständen, die einen gemeinsamen Mahnbescheid gegen einen Schuldner beantragen wollen, für die Antragstellung (entsprechend § 35 ZPO) die Wahl unter den Gerichten haben, bei denen einer oder mehrere von ihnen ihren allgemeinen Gerichtsstand haben (BGH, Beschl. v. 28.9.1977 – I ARZ 474/77, NJW 1978, 321). Ein entsprechendes Wahlrecht ist auch mehreren Schuldnern einzuräumen, die – wie hier – gemäß §§ 767, 768 ZPO gegen die Vollstreckung aus einer Urkunde vorgehen wollen.

2. Nach § 797 Abs. 5 ZPO ist für die Vollstreckungsabwehrklage eines Schuldners, der sich durch notarielle Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, das Gericht ausschließlich (§ 802 ZPO) zuständig, bei dem der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Der Fall, daß – wie hier – mehrere Schuldner (mit verschiedenen allgemeinen Gerichtsständen) als Streitgenossen gegen die Vollstreckung aus einer Urkunde vorgehen wollen, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. In der älteren Rechtsprechung ist für diesen Fall eine entsprechende Anwendung des § 36 Nr. 3 ZPO für zulässig erachtet worden, „weil sonst eine einheitliche Entscheidung der zwischen den Parteien gleichmäßig zum Austrag zu bringenden Streitfrage überhaupt nicht möglich sein würde” (RGZ 45, 391; zust. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 49. Auflage, § 797 Anm. 3 A a; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 20. Auflage, § 797 Rdnr. 23; Thomas/Putzo, ZPO, 15. Auflage, § 797 Anm. 2 c; Wieczorek, ZPO, 2. Auflage, § 36 Anm. D III a 2). Demgegenüber wird im neueren Schrifttum die Auffassung vertreten, den Schuldnern (= Kläger der Vollstreckungsabwehrklage) sei ein Wahlrecht einzuräumen, so daß sie das gemeinsame Gericht selbst bestimmen können (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 16. Auflage, § 797 Rdn. 8; Zöller/Vollkommer a.a.O. § 35 Rdnr. 1 und § 36 Rdnr. 14; Bornkamm NJW 1989, 2713, 2715; Thümmel NJW 1986, 556 ff.; gegen eine entsprechende Anwendung des § 36 Nr. 3 ZPO auch Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, § 38 1 Fn. 5). Dem ist beizutreten.

Die Zuständigkeitsregelung des § 797 Abs. 5 ZPO begünstigt den Schuldner einer vollstreckbaren notariellen Urkunde, indem sie ihm den Vorteil seines allgemeinen Gerichtsstands, also meist seines Wohnsitzgerichts, nicht nur gewährt, wenn er verklagt wir, sondern auch dann, wenn er als Kläger gegen die Vollstreckung aus einer Urkunde vorgehen will. Mit diesem Schutzgedanken wäre es nicht vereinbar, wollte man mehrere streitgenössisch verbundene Schuldner zur Erhebung mehrerer Abwehrklagen zwingen. Gründe der Zweckmäßigkeit und der Prozeßökonomie rechtfertigen es, den Schuldnern die Möglichkeit zu geben, eine einheitliche Streitfrage in einem gemeinsamen Verfahren klären zu lassen (vgl. auch RGZ 45, 391, 392). Dieses Ziel läßt sich sowohl auf dem Wege einer entsprechenden Anwendung des § 36 Nr. 3 ZPO als auch durch die Einräumung eines Wahlrechts entsprechend § 35 ZPO erreichen. Dem einfacheren und schnelleren Weg der eigenen Wahl eines gemeinsamen Gerichtsstands am Sitz eines der Schuldner ist aus praktischen und prozeßökonomischen Gründen der Vorzug zu geben gegenüber dem eines besonderen gerichtlichen Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens. In der gemeinsamen Wahl eines Gerichtsstands liegt zugleich ein Verzicht der Schuldner, deren Gerichtsstand sich nicht durchgesetzt hat (vgl. Stein/Jonas/Schumann a.a.O. § 36 Rdnr. 14; Thümmel NJW 1986, 556, 558). Ein Verzicht auf einen den Kläger begünstigenden Gerichtsstand ist zulässig (vgl. BGH NJW 1978, 321; auch BGHZ 90, 155, 159 f. für das Bestimmungsverfahren nach § 36 Nr. 3 ZPO).

Vorliegend haben die Klägerinnen danach entgegen der Ansicht des Landgerichts Stuttgart mit der gemeinsamen Klageerhebung vor dem Landgericht Stuttgart in rechtlich zulässiger Weise ein gemeinsam zuständiges Gericht ausgewählt. Der Gerichtsstandsbestimmung gem. § 36 Nr. 3 ZPO bedurfte es daher nicht, so daß der Antrag abzulehnen war. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Wertfestsetzung auf § 3 ZPO.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI609422

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