Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschädigung eines Kraftfahrzeugs mit Kinderfahrrad. Haftung des Kindes

 

Leitsatz (amtlich)

Fährt ein Kind mit einem Fahrrad gegen ein mit geöffneten hinteren Türen am Fahrbahnrand stehendes Fahrzeug, entfällt seine Haftung nach § 828 Abs. 2 BGB.

 

Normenkette

BGB § 828 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Urteil vom 21.02.2007; Aktenzeichen 11 S 39/06)

AG Duisburg-Ruhrort (Entscheidung vom 02.01.2006; Aktenzeichen 10 C 812/04)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des LG Duisburg vom 21.2.2007 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Streitwert: 695,91 EUR

 

Gründe

I.

[1] Der Senat hat den Parteien gem. § 552a ZPO folgenden Hinweis gegeben:

[2] 1. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts nicht erforderlich, weil die für die angefochtene Entscheidung maßgeblichen Grundsätze durch die - teilweise nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen - Urteile des erkennenden Senats zum Anwendungsbereich des § 828 Abs. 2 Satz 1 BGB geklärt sind.

[3] Danach ist eine teleologische Reduktion des § 828 Abs. 2 Satz 1 BGB vorzunehmen, wenn sich keine typische Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs realisiert hat. Hiernach hat der Senat das Haftungsprivileg verneint in Fällen, in denen Kinder der privilegierten Altersgruppe mit einem Kickbord oder Fahrrad gegen ein ordnungsgemäß geparktes Kraftfahrzeug gestoßen sind und dieses beschädigt haben (vgl. BGH BGHZ 161, 180; v. 30.11.2004 - VI ZR 365/03, VersR 2005, 380; v. 21.12.2004 - VI ZR 276/03, VersR 2005, 378).

[4] Aus den Senatsentscheidungen ergibt sich auch, dass bei dem Haftungsprivileg nicht grundsätzlich zwischen dem fließenden und dem ruhenden Verkehr zu unterscheiden ist, wenn es auch im fließenden Verkehr häufiger als im sog. ruhenden Verkehr eingreifen mag. Das schließt jedoch nicht aus, dass sich in besonders gelagerten Fällen auch im ruhenden Verkehr eine spezifische Gefahr des motorisierten Verkehrs verwirklichen kann (vgl. BGH BGHZ 161, 180, 185; v. 21.12.2004 - VI ZR 276/03 -, a.a.O., jeweils m.w.N.). Zudem ergibt sich aus den Senatsurteilen, dass auf eine typische Fallkonstellation der Überforderung des Kindes durch die Schnelligkeit, die Komplexität und die Unübersichtlichkeit der Abläufe im motorisierten Straßenverkehr abzustellen ist. Darauf, ob sich diese Überforderungssituation konkret ausgewirkt hat oder ob das Kind aus anderen Gründen nicht in der Lage war, sich verkehrsgerecht zu verhalten, kommt es nicht an. Um eine klare Grenzlinie für die Haftung von Kindern zu ziehen, hat der Gesetzgeber diese Fallgestaltungen einheitlich in der Weise geregelt, dass er die Altersgrenze der Deliktsfähigkeit von Kindern für den Bereich des motorisierten Verkehrs generell heraufgesetzt hat (vgl. BGH, Urt. v. 14.6.2005 - VI ZR 181/04, VersR 2005, 1154, 1155; v. 17.4.2007 - VI ZR 109/06, VersR 2007, 855, 856, vorgesehen für BGHZ 172, 83; v. 16.10.2007 - VI ZR 42/07, VersR 2007, 1669, 1670).

[5] 2. Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze beachtet und im Ergebnis richtig entschieden, so dass die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat.

[6] Die Instanzgerichte haben zu Recht schon aufgrund des Klägervortrags eine typische Überforderungssituation für die Beklagte bejaht. Im Unterschied zu den Fallgestaltungen, bei denen der erkennende Senat das Eingreifen des Haftungsprivilegs verneint hat, kann man unter den hier gegebenen Umständen schon nicht davon ausgehen, dass der Kläger sein Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt ordnungsgemäß geparkt hatte. Dem steht entgegen, dass die hinteren Türen auf der Fahrer- und der Beifahrerseite zum Zeitpunkt der Kollision offen standen und sich unstreitig sowohl der Kläger als auch der Zeuge E. an den geöffneten Türen befunden und sich bewegt haben. Dies schuf eine besondere Gefahrenlage für das als Verkehrsteilnehmer auf der Straße fahrende Kind, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat. Da es zudem erst 20m vor diesem Fahrzeug aus einer anderen Straße eingebogen war, liegt insgesamt eine typische Fallkonstellation der Überforderung eines Kindes durch die Schnelligkeit, die Komplexität und die Unübersichtlichkeit der Abläufe im motorisierten Straßenverkehr vor.

II.

[7] Die Parteien haben innerhalb der Ihnen gesetzten Frist keine weitere Stellungnahme abgegeben. Da das Berufungsgericht richtigerweise eine Haftung der Beklagten verneint hat, ist die Revision des Klägers somit nach § 552a ZPO mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1971232

BGHR 2008, 633

EBE/BGH 2008

NJW-RR 2009, 95

JurBüro 2008, 445

DAR 2008, 336

MDR 2008, 682

NZV 2009, 77

VRS 2008, 346

VersR 2008, 701

VuR 2008, 312

WuM 2008, 294

ZfS 2008, 373

NJW-Spezial 2008, 267

RÜ 2008, 359

SVR 2008, 218

SVR 2009, 21

ZGS 2008, 207

r+s 2008, 213

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