Leitsatz (amtlich)

Das Vorhaben des Zwangsverwalters, ein beschlagnahmtes Gebäude durch Umbau nachhaltig zu verändern oder in die vom Schuldner dem Objekt zugedachte Nutzung in einer Weise einzugreifen, die die wirtschaftliche Beschaffenheit des Grundstücks in ihrem Gesamtcharakter berührt, ist durch das Vollstreckungsgericht nicht genehmigungsfähig.

 

Normenkette

ZVG § 152; ZwVerwVO §§ 5-6, 10

 

Verfahrensgang

LG Göttingen (Beschluss vom 15.05.2003; Aktenzeichen 10 T 72/03)

AG Herzberg am Harz

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des LG Göttingen v. 15.5.2003 wird auf Kosten der Gläubigerin zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 1.750.000 EUR

 

Gründe

I. Das AG ordnete am 16.1.2001 auf Antrag der Gläubigerin die Zwangsverwaltung des im Rubrum näher bezeichneten Grundstücks an, das einen Verkehrswert von 5,7 Mio. EUR hat. Der Schuldner hatte auf diesem eine Anlage für betreutes Wohnen errichtet, die 83 senioren- und behindertengerecht ausgestattete Apartments, eine Ladenzeile und eine Tiefgarage umfasst. Das Objekt war nicht in Betrieb genommen; zudem waren die Baumaßnahmen noch nicht vollständig abgeschlossen. Der Zwangsverwalter verhandelte im Jahre 2003 mit der C. AG, die sich mit der Errichtung, dem Betrieb und der Verwaltung von Fachkliniken und Pflegeeinrichtungen befasst. Er beabsichtigte im Einvernehmen mit der Gläubigerin die Fertigstellung des Gebäudes und den Umbau zu einem Pflegeheim mit 116 Plätzen unter Beibehaltung von lediglich 18 Apartments. Zu diesem Zwecke wollte er mit der C. AG bzw. der C. GmbH einen Generalübernehmervertrag mit einer festen Vergütung von 1.725.000 EUR, einen Einrichtungsvertrag mit einer festen Vergütung von 1 Mio. EUR und einen Pachtvertrag mit einer Laufzeit von 25 Jahren und einer jährlichen Mindestpacht von 590.674 EUR abschließen. Zugleich legte die Gläubigerin mit Blick auf das von ihr auch betriebene Zwangsversteigerungsverfahren eine Ausbietungsgarantie der A. -GmbH über ein Gebot von mindestens 11 Mio. EUR vor und erklärte sich bereit, der A. -GmbH diesen Betrag zu finanzieren. Der Schuldner widersprach dem Vorhaben des Zwangsverwalters und verwies darauf, im Zwangsversteigerungsverfahren habe der Gutachterausschuss die Fertigstellungskosten der Anlage auf nur 503.622,50 EUR angesetzt. Zu einem über die Fertigstellung hinausgehenden Umbau und zu einer Veränderung des Nutzungskonzeptes sei der Zwangsverwalter nicht berechtigt. Der mit der C. AG vereinbarte Pachtzins sei zu niedrig angesetzt und führe zu einem jährlichen Defizit von 200.000 EUR. Er selbst könne eine Generalmieterin stellen, die das Objekt schlüsselfertig - ohne zusätzliches Inventar - auf die Dauer von 20 Jahren übernehmen wolle.

Das AG hat dem Zwangsverwalter die beantragte Zustimmung zum Abschluss der Verträge versagt. Die gegen die amtsgerichtliche Entscheidung gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat das LG zurückgewiesen. Dagegen wendet sie sich mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II. Das gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Die Einwilligung gem. § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 4, § 10 ZwVerwVO a.F. könne nicht erteilt werden, weil die Verträge zum einen mit dem Ziel und Zweck der Zwangsverwaltung nicht mehr zu vereinbaren seien und zum anderen den Schuldner unverhältnismäßig belasteten. Die vom Zwangsverwalter beabsichtigten Maßnahmen gingen über die bloße Fertigstellung des Gebäudes als Voraussetzung für eine wirtschaftliche Nutzung durch Vermietung und Verpachtung hinaus, denn der Bestimmungszweck und die Substanz des Gebäudes würden entscheidend verändert. Das vom Zwangsverwalter geplante Vorhaben sei im Konzept des Schuldners nicht enthalten, so dass es im Ergebnis nicht mehr um eine reine Bestandssicherung der Anlage gehe.

Unabhängig davon habe die Gläubigerin nicht dargelegt, dass die für die Investitionen aufzuwendenden Mittel von insgesamt 2.725.000 EUR in einem angemessenen Verhältnis zu den zu erwartenden Erträgen und der voraussichtlichen Wertsteigerung stünden; an einer entsprechenden Wirtschaftlichkeitsberechnung fehle es. Die Gläubigerin habe der vom Schuldner aufgemachten Gegenrechnung, welche eine jährliche Unterdeckung von rund 200.000 EUR ausweise, nicht substantiiert widersprochen. Daher scheide die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus. Insgesamt sei die Belastung des Schuldners unverhältnismäßig, der im Ergebnis die Kosten des Umbaus und der Einrichtung des Objekts zu tragen habe. Der Verlauf des Zwangsversteigerungsverfahrens sei ungewiss, zumal der Inhalt des Ausbietungsvertrages erkennen lasse, dass die Gläubigerin das Zwangsversteigerungsverfahren zu verzögern suche, was die Beurteilung seines voraussichtlichen Ausganges noch erschwere.

Dem hält die Rechtsbeschwerde entgegen, die Regelungen des Zwangsversteigerungsgesetzes und der Zwangsverwalterverordnung ließen die Umsetzung langfristiger Nutzungskonzepte zu. Die Bestimmung des § 6 Abs. 2 ZwVerwVO a.F. enthalte nur eine Sollvorschrift, welche zudem dem Schutz etwaiger Mieter und nicht dem Schutz des Schuldners diene. Zum Abschluss eines langfristigen Pachtvertrages und zur Vornahme erheblicher Investitionen bestehe bei Großobjekten der vorliegenden Art keine Alt., um einen Leerstand der Anlage unter dem gleichzeitigen Anfall erheblicher Unterhaltskosten zu verhindern, höhere Erträge zu erwirtschaften und eine optimale Verwertung in der Zwangsversteigerung vorzubereiten. Durch die Ausbietungsgarantie sei ein lediglich um die Investitionen von 2,725 Mio. EUR zu bereinigender Erlös von 11 Mio. EUR gesichert, der weit über dem Verkehrswert liege. Eine solche Zwangsverwaltung werde den Interessen von Schuldner und Gläubigerin gleichermaßen gerecht. Gerade der höhere Erlös in der Zwangsversteigerung mache die vom Zwangsverwalter vorgelegten Vertragsentwürfe ggü. dem Modell des Schuldners überlegen. Die vom Schuldner genannte Generalmieterin sei im Vergleich zur C. AG weniger leistungsfähig. Zu berücksichtigen sei weiter, dass der Schuldner durch das langfristige Nutzungskonzept schon deshalb nicht belastet werde, weil die Zwangsversteigerung auf jeden Fall durchgeführt werde. Das LG habe wesentliches Vorbringen der Gläubigerin nicht beachtet, die - unter Beweisantritt - im Einzelnen vorgetragen habe, dass die vom Zwangsverwalter vorgelegten Verträge eine angemessene Nutzung und Verwertung des Grundstückes zu marktüblichen Bedingungen erlaubten. Für ein Sachverständigengutachten wären ausreichende Anknüpfungstatsachen vorhanden gewesen. Eine andere Beurteilung hätte das Beschwerdegericht zu einem rechtlichen Hinweis nach § 139 ZPO veranlassen müssen, an dem es fehle. Auf einen solchen Hinweis hin hätte die Gläubigerin ihr Vorbringen entsprechend ergänzt und darüber hinaus darauf hingewiesen, dass die Verzögerung des Zwangsversteigerungsverfahrens allein auf den dortigen Einwendungen des Schuldners beruhe.

2. Das Beschwerdegericht hat richtig entschieden. Die Einwilligung in die Vertragsabschlüsse des Zwangsverwalters mit der C. AG und der C. GmbH ist zu Recht versagt worden. Dabei kann dahinstehen, ob die Zustimmung zu Einzelnen der vom Zwangsverwalter beabsichtigten Maßnahmen hätte erteilt werden müssen. Denn der Zwangsverwalter hat dem Gericht den Generalübernehmer-, Einrichtungs- und Pachtvertrag als "Paket" vorgelegt. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die C. AG und die C. GmbH zur Erbringung einzelner vertraglicher Leistungen bereit wären, insb. zur Fertigstellung des Objektes ohne sich daran anschließenden Pachtvertrag.

a) Nach § 153 ZVG hat das Gericht den Verwalter mit den erforderlichen Anweisungen zu versehen. Seine vorrangige Aufgabe ist es, die Tätigkeit des Zwangsverwalters und die Rechtmäßigkeit seines Handelns zu überwachen (Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, 3. Aufl., § 153 ZVG Rz. 2), das mit dem Sinn und Zweck der Zwangsverwaltung vereinbar sein muss. Wird der durch die §§ 146 ff. ZVG i.V.m. den Vorschriften der Zwangsverwalterverordnung gesteckte Rahmen durch eine Maßnahme des Zwangsverwalters überschritten, muss das Gericht seine Zustimmung versagen.

b) Die Zwangsverwaltung ist neben der Zwangsversteigerung und der Eintragung einer Zwangshypothek die Dritte selbstständige und den anderen gleichberechtigte Art der Immobiliarvollstreckung. Sie kann nach Belieben des Gläubigers für sich allein oder zusätzlich zu einer weiteren Art der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen des Schuldners betrieben werden (§ 866 Abs. 1, 2 ZPO). Sie ist darauf gerichtet, die laufenden, aus der ordnungsgemäßen Nutzung des Grundstücks stammenden Erträge zur Befriedigung des Gläubigers einzusetzen, während dem Schuldner die Substanz des Vermögensgegenstandes ungeschmälert erhalten bleibt. Zugleich soll sie den Gläubiger vor einer Wertminderung des Objekts und sonstigen Beeinträchtigungen schützen; das Grundstück soll insgesamt in einen guten Zustand gebracht und in diesem erhalten werden (Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 146 Rz. 2.2). Vor diesem Hintergrund ist das Handeln des Zwangsverwalters zu beurteilen. Sein Tun hat dem gesetzgeberischen Anliegen Rechnung zu tragen, dass ohne Verwertung des Grundstücks die titulierten Ansprüche des Gläubigers erfüllt werden. Daher kann die Zwangsverwaltung nicht zum (alleinigen) Ziel haben, die Zwangsversteigerung vorzubereiten und dem Gläubiger einen umfassenden Erlös daraus zu sichern. Eine wirtschaftliche und sinnvolle Zwangsverwaltung mag mittelbar den Versteigerungserlös günstig beeinflussen; ihr vorrangiger Zweck kann darin nicht liegen. Denn dies würde ihrem Charakter als eigenständiger Vollstreckungsart widersprechen.

c) Das Beschwerdegericht hat daher zu Recht auf § 152 ZVG und die diese Vorschrift konkretisierende Bestimmung des § 5 Abs. 1 ZwVerwVO in der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung geltenden Fassung abgestellt. Danach hat der Zwangsverwalter das Recht und die Pflicht, alle Handlungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um das Grundstück in seinem Bestand zu erhalten und ordnungsgemäß zu benutzen. Dabei hat er regelmäßig die Art der Benutzung des Grundstücks, die bis zur Anordnung der Verwaltung bestand, beizubehalten. Seine Stellung ist insoweit der eines Nießbrauchers vergleichbar, der nach § 1037 Abs. 1 BGB ebenfalls nicht berechtigt ist, die Sache umzugestalten oder wesentlich zu verändern (Steiner/Eickmann/Hagemann/Storz/Teufel, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Aufl., § 152 ZVG Rz. 33; Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 152 Rz. 3.7). Zwar sind nach § 5 Abs. 3 ZwVerwVO a.F. Abweichungen statthaft, wenn dazu eine Entscheidung des Gerichts eingeholt wird. Eine entsprechende Zustimmung darf das Gericht aber nur geben, wenn sich dadurch die vom Gesetz gezogenen Grenzen einer zulässigen Zwangsverwaltung nicht verschieben.

d) Das wäre bei Abschluss und Durchführung der vom Zwangsverwalter vorgelegten Verträge mit der C. AG und der C. GmbH der Fall. Denn es geht nicht allein darum, die vorhandenen Baumängel zu beseitigen und das Objekt insgesamt fertig zu stellen, um auf diese Weise die Voraussetzungen für eine spätere Vermietung oder Verpachtung zu schaffen, was unbedenklich wäre (Jaeckel/Güthe, Zwangsversteigerungsgesetz, 7. Aufl., § 152 Rz. 4; Korintenberg/Wenz, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 6. Aufl., § 152 ZVG Anm. 3; OLG Schleswig v. 9.8.1983 - 1 W 196/83, ZIP 1983, 1133). Auch beschränken sich die beabsichtigten Maßnahmen nicht darauf, in Teilbereichen die bisherige Zweckbestimmung zu ändern. Die Verträge haben vielmehr den kompletten Umbau der vorhandenen Apartments zu einer Alten- und Pflegeeinrichtung mit einem - nach Abzug der reinen Fertigstellungskosten - Investitionsvolumen von etwa 1,25 Mio. EUR zum Gegenstand, das sich um eine weitere Mio. Euro auf Grund der vom Zwangsverwalter vorgesehenen Inventarisierung erhöht. Auch die Rechtsbeschwerde stellt nicht in Abrede, dass die der Zwangsverwaltung unterliegende Anlage für betreutes Wohnen unter Aufgabe ihrer früheren Bestimmung in ein Heim mit 116 Pflegeplätzen überführt werden soll. Das ist zum einen mit einem wesentlichen Eingriff in die Substanz der von der Beschlagnahme umfassten Gebäude verbunden und führt zum anderen zu einem grundlegend veränderten Nutzungskonzept, das dem zur Zeit der Anordnung der Zwangsverwaltung vorhandenen nicht mehr entspricht. Zu beidem gibt die Zwangsverwaltung keine Handhabe, ohne dass es noch darauf ankäme, ob das Nutzungskonzept des Zwangsverwalters wirtschaftlich tragfähig ist oder die vorgesehene Laufzeit von 25 Jahren, auf die der Pachtvertrag angelegt ist, zu einem nicht mehr hinzunehmenden Eingriff in die berechtigten Interessen des Schuldners führt. Das Vorhaben des Zwangsverwalters, ein beschlagnahmtes Gebäude durch Umbau nachhaltig zu verändern oder in die vom Schuldner dem Objekt zugedachte Nutzung in einer Weise einzugreifen, die die wirtschaftliche Beschaffenheit des Grundstücks in ihrem Gesamtcharakter berührt, ist nicht genehmigungsfähig (Steiner/Eickmann/Hagemann/Storz/Teufel, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Aufl., § 152 ZVG Rz. 30; Jaeckel/Güthe,Zwangsversteigerungsgesetz, 7. Aufl., § 152 Rz. 4; Korintenberg/Wenz, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 6. Aufl., § 152 ZVG Anm. 3; Reinhard/Müller/Dassler/Schiffhauer/Gerhardt, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 11. Aufl., § 152 ZVG Anm. V; Staudinger/Frank, BGB, 13. Bearb. 2002, § 1037 Rz. 2).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1297235

BGHR 2005, 602

NZM 2005, 156

WM 2005, 244

ZfIR 2005, 886

InVo 2005, 205

MDR 2005, 653

Rpfleger 2005, 210

ZInsO 2005, 144

ZInsO 2005, 86

ZfBR 2005, 258

GuT 2005, 24

NJW-Spezial 2005, 146

ZVI 2005, 196

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