Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmung des gemeinschaftlichen zuständigen Gerichts

 

Leitsatz (amtlich)

Die Bestimmung eines gemeinschaftlichen zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist nicht mehr möglich, wenn Klagen gegen Parteien mit unterschiedlichem Gerichtsstand bereits auf Antrag des Klägers hin an unterschiedliche Gerichte bindend verwiesen worden sind.

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Beschluss vom 23.09.2005; Aktenzeichen 15 AR 36/05)

 

Tenor

Der Antrag des Antragstellers, das zuständige Gericht zu bestimmen, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller nimmt die Antragsgegner wegen fehlerhafter Beratung beim Abschluss von Anlagegeschäften auf Schadensersatz in Anspruch. Die Antragsgegnerin zu 2) bietet bundesweit Finanzprodukte an. Sie hat ihren Sitz in G. Der Antragsgegner zu 1), der im Bezirk des LG B. wohnt, leitete in den 90er-Jahren ein Institut für Finanzdienstleistungen in Ot. Er bot im Rahmen dieser Tätigkeiten Finanzgutachten an. Nachdem der Antragsteller ein solches in Auftrag gegeben hatte, empfahl der Antragsgegner zu 1) den Abschluss von Verträgen mit der Antragsgegnerin zu 2). Am 19.7.1993 kam es zum Abschluss dreier Verträge, mit denen sich der Antragsteller als atypischer stiller Gesellschafter am Geschäftsbetrieb einer Aktiengesellschaft beteiligte, die mittlerweile in die Antragsgegnerin zu 2) umgewandelt wurde.

Der Antragsteller behauptet, der Antragsgegner zu 1) habe bei mehreren Gesprächen nach der Präsentation seines Finanzgutachtens erklärt, dass eine Beteiligung an der Antragsgegnerin zu 2) eine "todsichere" Kapitalanlage darstelle, die als Altersvorsorge tauglich sei; über Risiken habe der Antragsgegner zu 1) nicht aufgeklärt.

In seiner an das LG O. gerichteten Klageschrift hat der Antragsteller die Auffassung vertreten, das LG O. sei für die Klage gegen beide Antragsgegner örtlich zuständig, und sich zur Begründung auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin zu 2) berufen. Nach § 25 dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei für den Gerichtsstand der Wohnsitz des stillen Gesellschafters maßgeblich.

Mit Verfügung v. 8.6.2005 hat das LG O. auf Bedenken gegen seine örtliche Zuständigkeit hingewiesen und einen Verweisungsantrag angeregt. Der Antragsteller hat mit Schriftsatz v. 22.6.2005 an seiner Rechtsauffassung hinsichtlich der Zuständigkeit des LG O. festgehalten, jedoch gleichzeitig hilfsweise die Verweisung des gesamten Rechtsstreits an das LG B., höchst hilfsweise die Verweisung des Verfahrens gegen die Antragsgegnerin zu 2) an das LG G. beantragt. Mit Beschluss v. 28.6.2005 hat sich das LG O. für örtlich unzuständig erklärt und die Sache hinsichtlich des Antragsgegners zu 1) an das LG B. verwiesen. Die Klage gegen die Antragsgegnerin zu 2) hat das LG O. an das LG G. verwiesen.

Mit Schriftsatz v. 29.7.2005 an das OLG K. hat der Antragsteller um Bestimmung eines gemeinsamen zuständigen Gerichts für die beim LG B. und LG G. anhängigen Verfahren gebeten.

Das OLG K. hat den Antrag dem BGH zur Entscheidung vorgelegt. Nach Auffassung des OLG K. ist der Antrag zurückzuweisen, weil eine Gerichtsstandsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO die bindenden Verweisungsbeschlüsse des LG O. v. 28.6.2005 entgegenstünden.

II. Gemäß § 36 Abs. 3 ZPO hat ein OLG, das nach § 36 Abs. 2 ZPO anstelle des BGH mit der Zuständigkeitsbestimmung befasst ist, die Sache dem BGH vorzulegen, wenn es in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen OLG oder des BGH abweichen will. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Das vorlegende OLG will seiner Entscheidung die Auffassung zu Grunde legen, dass die Verweisungsbeschlüsse des LG O. bindend und eine davon abweichende Zuständigkeitsbestimmung ausgeschlossen ist. Damit würde es von einer Rechtsauffassung abweichen, die das OLG Köln (OLG Köln v. 30.4.1987 - 5 W 33/87, 5 W 39/87, MDR 1987, 851) eingenommen hat. Das OLG Köln hat in dieser Entscheidung die Bestimmung des zuständigen gemeinschaftlichen Gerichts auch dann noch für zulässig gehalten, wenn nach Klage gegen mehrere Beklagte beim örtlich unzuständigen Gericht der Rechtsstreit gem. § 281 ZPO an die Wohnsitzgerichte der Beklagten verwiesen worden ist.

III. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen nicht vor. Die Bestimmung eines gemeinschaftlich zuständigen Gerichts ist nicht mehr möglich, wenn Klagen gegen Parteien mit unterschiedlichem Gerichtsstand bereits auf Antrag des Klägers hin an unterschiedliche Gerichte bindend verwiesen worden sind. Sinn und Zweck des § 281 Abs. 2 ZPO und der dort angeordneten Bindungswirkung ist es, zur Vermeidung unnötiger Zuständigkeitsstreitigkeiten selbst sachlich unrichtige Verweisungsbeschlüsse hinzunehmen (BGHR ZPO § 281 Abs. 2 - Begründungszwang 1; BGH, Beschl. v. 8.4.1992 - XII ARZ 8/92, NJW-RR 1992, 902; Beschl. v. 19.1.1993 - X ARZ 845/92, MDR 1993, 576 = NJW 1993, 1273; Beschl. v. 10.9.2002 - X ARZ 217/02, BGHReport 2003, 44 = MDR 2002, 1446).

Das OLG Köln hat seinen abweichenden Standpunkt darauf gestützt, dass es Sinn und Zweck des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sei, Doppelarbeit der Gerichte und widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden. Dies rechtfertige eine praxisnahe Weiterauslegung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Auch bei einer weiten Auslegung von § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ändert sich jedoch nichts an der grundsätzlich bestehenden Bindungswirkung des § 281 Abs. 2 ZPO.

Von dieser sind Ausnahmen nur zu machen, wenn die Entscheidung des verweisenden Gerichts jeder Rechtsgrundlage entbehrt und deshalb objektiv willkürlich ist (BGH v. 19.1.1993 - X ARZ 845/92, MDR 1993, 576 = NJW 1993, 1273). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1478615

NJW 2006, 699

BGHR 2006, 526

FamRZ 2006, 406

ZAP 2006, 257

MDR 2006, 1182

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