Leitsatz (amtlich)

›Es ist zweckmäßig, eine im Gerichtssaal stattgefundene kurze Verständigung unter den Richtern einschließlich der Schöffen über das zu verkündende Urteil (anstelle einer nochmaligen förmlichen Beratung) in der Sitzungsniederschrift zu erwähnen.‹

 

Tatbestand

Das Rechtsmittel hat mit der Verfahrensrüge Erfolg.

Die Revision rügt zu Recht, daß das Urteil nach nochmaligem Eintritt in die Verhandlung ohne erneute Beratung ergangen sei.

Die Strafkammer hatte die Hauptverhandlung nach Schluß der Beweisaufnahme, den Schlußvorträgen und dem letzten Wort des Angeklagten unterbrochen. Am folgenden Tag trat sie nach Beratung erneut in die Verhandlung ein und wies den Angeklagten darauf hin, daß auch eine Verurteilung wegen versuchter Nötigung in Betracht komme. Danach wurde die Beweisaufnahme, nachdem keine Erklärungen abgegeben worden waren, erneut geschlossen. Staatsanwalt und Verteidiger wiederholten ihre Anträge. Nach dem letzten Wort des Angeklagten verkündete der Vorsitzende das Urteil.

Dieses Verfahren entsprach nicht dem Gesetz. Nach § 260 Abs. 1 StPO ergeht das Urteil "auf die Beratung"; diese muß der Urteilsverkündung unmittelbar vorausgehen (BGH NJW 1951, 206). Tritt das Gericht nach den Schlußvorträgen und der Beratung über das Urteil erneut in die Verhandlung ein, so muß es vor Verkündung des Urteils erneut beraten. Dazu bedarf es freilich nicht in jedem Fall einer Unterbrechung der Sitzung. In Ausnahmefällen kann vielmehr eine kurze Verständigung unter den Mitgliedern des Gerichts einschließlich der Laienrichter dahin genügen, daß es bei dem bisherigen Beratungsergebnis verbleiben soll (BGHSt 19, 156; 24, 170). Ein solcher Ausnahmefall kann zum Beispiel gegeben sein, wenn, wie hier, lediglich ein Hinweis nach § 265 StPO gegeben wird und demgemäß der neue Verhandlungsteil ohne jeden sachlichen Gehalt bleibt (BGHSt 24, 170; BGH, Urt. vom 2. August 1960 - 1 StR 249/60).

Im vorliegenden Fall hat eine solche Verständigung, wenn überhaupt, jedenfalls nicht in ausreichender Weise stattgefunden. Zunächst ist festzuhalten, daß die Sitzungsniederschrift über eine Beratung keinen Vermerk enthält. Das allein wäre zwar nicht maßgebend, da die Beratung nicht zu den nach § 273 StPO protokollpflichtigen Förmlichkeiten gehört (BGHSt 5, 294). Hier ist aber zu berücksichtigen, daß die Sitzungsniederschrift ursprünglich den formularmäßigen Vermerk enthielt: "Das Gericht zog sich zur Beratung zurück", der erst auf Antrag der Verteidigung im Wege der Berichtigung gestrichen wurde. Ein Hinweis darauf, daß wenigstens eine kurze Verständigung der Richter untereinander stattgefunden habe, wurde bei der Berichtigung nicht eingefügt, was angesichts der bereits eingelegten Revision nahegelegen hätte. Unter diesen Umständen spricht das Fehlen eines solchen Vermerkes eher dafür, daß eine Verständigung unterblieben ist. Jedenfalls ist aber nichts dafür ersichtlich, daß die Verständigung, sollte sie erfolgt sein, in ausreichender Weise geschehen wäre. Erforderlich ist, daß eine abgekürzte Verständigung unter allen Mitgliedern des Gerichts, also auch mit den Schöffen herbeigeführt wird. Dazu genügt es nicht, daß der Vorsitzende allgemein das Einverständnis der ihn umgebenden Richter einholt. Er muß sich vielmehr unmittelbar auch an die Schöffen wenden, damit diese erkennen, es handele sich nunmehr um eine nochmalige, endgültige Beratung und Abstimmung über das zu verkündende Urteil (BGHSt 19, 156). Das setzt ein bewußtes Einbeziehen der Schöffen voraus. Da der berichtigten Sitzungsniederschrift ein solches Verfahren nicht entnommen werden kann, muß der Senat davon ausgehen, daß eine nochmalige Verständigung, wenn überhaupt, jedenfalls nicht in gehöriger Weise vonstatten gegangen ist.

In der Regel kann auch nicht ausgeschlossen werden, daß das Urteil auf diesem Mangel beruht (BGHSt 24, 170, 172; BGH NJW 1951, 206). Hier hatte der Hinweis nach § 265 StPO zwar keinen neuen Prozeßstoff gebracht; jedoch ist nicht bekannt, ob sich zum Beispiel der Angeklagte in seinem letzten Wort zu dem Schuldvorwurf insgesamt geäußert hat. Es kann daher auch im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen werden, daß das Urteil - auch hinsichtlich der bereits beratenen Teile - von dem Verfahrensfehler erfaßt wird.

Der Senat wiederholt aus Anlaß dieses Falles den bereits in dem erwähnten Urteil vom 2. August 1960 ausgesprochenen Hinweis, daß es zweckmäßig ist, die Tatsache einer im Gerichtssaal geschehenen Verständigung in der Niederschrift zu erwähnen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2992903

NJW 1987, 3210

DRsp IV(456)136a-b

NStZ 1987, 472

wistra 1987, 348

EzSt StPO § 260 Nr. 5

JZ 1987, 1088

MDR 1987, 862

NStE StPO § 260 Nr. 4

VRS 73, 467

GA 1987, 510

StV 1987, 477

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