Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestellung zum Notar

 

Tenor

Es wird festgestellt, daß der Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. Oktober 1997 rechtswidrig war.

Die Antragsgegnerin hat die dem Antragsteller entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 100.000 DM (51.129,19 EUR) festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller hat sein juristisches Studium an der H.-Universität zu B. 1984 mit dem akademischen Grad eines Diplom-Juristen abgeschlossen. Er ist seit 1991 als zuerst bei dem Landgericht Berlin und seit 1996 auch bei dem Kammergericht zugelassener Rechtsanwalt tätig. Seine Bewerbung um eine der von der Antragsgegnerin im Amtsblatt für Berlin vom 25. Oktober 1996 ausgeschriebenen Notarstellen hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 30. Oktober 1997 abgelehnt und dies mit der fehlenden Befähigung des Antragstellers zur Ausübung des Richteramtes nach dem Deutschen Richtergesetz (§ 5 BNotO i.V.m. § 5 Abs. 1 DRiG) begründet. Hiergegen hat der Antragsteller mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm eine der ausgeschriebenen Notarstellen zu übertragen, hilfsweise ihn neu zu bescheiden, Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Das Kammergericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers ist vom Senat mit Beschluß vom 20. Juli 1998 ebenfalls zurückgewiesen worden.

Auf die Verfassungsbeschwerde des Antragstellers hat das Bundesverfassungsgericht den Beschluß des Senats aufgehoben und das Verfahren an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen. Es hat ausgeführt, die angegriffene Entscheidung berücksichtige die Fiktionen des Einigungsvertrages und der nachfolgenden Gesetze nicht; ihre Auslegung, die für das Anwaltsnotariat in Berlin für solche Diplom-Juristen, die im Zeitpunkt des Beitritts noch nicht zum Anwaltsnotar bestellt gewesen seien, die Befähigung zum Richteramt zwar für den Anwaltsberuf nicht voraussetze (oder als fingiert ansehe), wohl aber für den Notarberuf fordere, verkenne damit die Reichweite des Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG in Ansehung der Gesamtregelung, die der Gesetzgeber zur Integration der Diplom-Juristen getroffen habe.

Im weiteren Verfahren hat die Antragsgegnerin mitgeteilt, sie habe, nachdem der Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 30. November 1998 rechtskräftig geworden sei, die für den Antragsteller zunächst freigehaltene Notarstelle anderweitig besetzt. Daraufhin hat der Antragsteller nur noch beantragt festzustellen, daß die Ablehnung seiner Bewerbung um eine der im Amtsblatt für Berlin vom 25. Oktober 1996 ausgeschriebenen Notarstellen rechtswidrig gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

Der in der Beschwerdeinstanz allein noch gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag ist zulässig und begründet.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist allerdings im Verfahren nach § 111 BNotO ein Fortsetzungsfeststellungsantrag grundsätzlich unzulässig (BGHZ 81, 66, 68; Beschluß vom 20. Juli 1998 – NotZ 36/97 – BGHR BNotO § 111 Abs. 1 Feststellungsantrag 7). Im vorliegenden Fall erscheint es jedoch angezeigt, daß der Bundesgerichtshof, nachdem das Bundesverfassungsgericht den Senatsbeschluß vom 30. November 1998 aufgehoben und die Sache zurückverwiesen hat, die verfassungsgerichtliche Entscheidung in der Sache nachvollzieht. Solange der Antragsteller nicht zum Notar bestellt ist, besteht sein Interesse an einer solchen Feststellung fort.

2. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, daß der Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. Oktober 1997 den Antragsteller in seinen Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. Daran ist der Senat gebunden. Daraus folgt, daß die Antragsgegnerin die Bestellung des Antragstellers zum Notar nicht mit der Begründung ablehnen durfte, dem Antragsteller fehle die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz.

Ob sonstige Gesichtspunkte der Bestellung des Antragstellers zum Notar entgegenstehen, hat der Senat in diesem Verfahren nicht zu prüfen. Maßgebend für die Beurteilung ist allein der Inhalt des Bescheides der Antragsgegnerin vom 30. Oktober 1997, dessen Rechtswidrigkeit der Antragsteller festgestellt wissen will. Allerdings mag es nicht von vornherein ausgeschlossen sein, bei der Entscheidung über einen Fortsetzungsfeststellungsantrag auch solche Tatsachen zu berücksichtigen, auf die zwar der angefochtene Bescheid nicht eingeht, die aber im Zeitpunkt seines Erlasses oder auch im Zeitpunkt der Erledigung vorgelegen haben (vgl. Kopp/Schenke, VwGO 12. Aufl. § 113 Rn. 147). Nachdem jedoch das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, der Bescheid vom 30. Oktober 1997 verletze den Antragsteller in seinen Grundrechten, ist es dem Senat verwehrt, die Rechtswidrigkeit des Bescheides in Frage zu stellen. Dies versteht sich von selbst, soweit die Antragsgegnerin geltend macht, die Note des Hochschulabschlußzeugnisses eines Diplom-Juristen könne der entsprechenden Notenstufe in der Zweiten juristischen Staatsprüfung nicht gleichgestellt werden; damit hat sich bereits das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 23. September 2001 auseinandergesetzt. Es gilt aber auch, soweit die Antragsgegnerin die persönliche Eignung des Antragstellers für das Notaramt in Zweifel zieht; dieser Gesichtspunkt kann in einem künftigen Bewerbungsverfahren geprüft werden.

 

Unterschriften

Rinne, Tropf, Kurzwelly, Lintz, Ebner

 

Fundstellen

NJW-RR 2002, 1718

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